Rede von
Roland
Kohn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Haar, ich werde im Schlußteil meiner Rede ganz präzise auf diesen Punkt eingehen.
Neben dem staatlichen Bereich Fahrweg und dem soeben beschriebenen gemeinwirtschaftlichen Aufgabenbereich gibt es einen eigenwirtschaftlichen Bereich der Deutschen Bundesbahn. In diesem Bereich muß ein positives Ergebnis erzielt werden, d. h. es müssen schwarze Zahlen geschrieben werden. Und
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1989 13947
Kohn
dies ist die Herausforderung, der sich das Management der Bundesbahn dann zu stellen haben wird.
Zu dieser Strukturreform gehört deshalb auch der Abbau politischer Durchgriffsmöglichkeiten auf Unternehmensentscheidungen sowie der Umbau der Deutschen Bundesbahn zu einem modernen Konzern. Ich fordere deshalb das Bundesverkehrsministerium und den Vorstand der Bahn dazu auf, die geplante Holding-Struktur als einen wichtigen Schritt auf diesem Wege zügig voranzutreiben.
Zu diesem Umstrukturierungsprozeß gehören eine Reihe weiterer Punkte, so beispielsweise die Umgestaltung des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn in einen Aufsichtsrat. Und um Ihnen, Herr Kollege Haar, die Frage zu ersparen, warum die FDP-Fraktion Ihrem entsprechenden Gesetzentwurf nicht zustimmen werde, sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: weil er den Giftzahn der paritätischen Mitbestimmung enthält.
Meine Damen und Herren, ein weiterer wesentlicher Punkt, der hier hineingehört, ist die Forderung an die Bahn, die vorhin auch der Verkehrsminister hier ausgesprochen hat, die Arbeiten am neuen Rechnungswesen zügig zu vollenden. Das ist ein ganz zentraler Punkt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Frage des Hauptprüfungsamtes der Deutschen Bundesbahn ansprechen. Ich habe im Juni 1985 in einer Rede vor diesem Hause in meinem damaligen 10-
Punkte-Programm eine Überprüfung und Neuordnung des Prüfungsdienstes für die Deutsche Bundesbahn gefordert. Es hat zugegebenermaßen lange Zeit gedauert, bis dieses auf den Weg gebracht wurde. Das zeigt Ihnen aber auch, meine Damen und Herren, daß der Roland Kohn kein Kurzstreckenläufer, sondern ein Marathonläufer ist.
Deswegen sage ich: Die FDP, die seit langem darauf gedrängt hat, dieses Prüfungswesen zu ändern und neuzuordnen, geht davon aus, daß der Gesetzentwurf, der diese Prüfung dem Bundesrechnungshof überträgt, entsprechend der Zusage der Bundesregierung bis März nächsten Jahres umgesetzt wird. Sie dürfen sicher sein, daß mein Fraktionskollege Wolfgang Weng und ich gemeinsam darauf achten werden, daß diese Zusage auch ganz präzise eingehalten wird.
Meine Damen und Herren, ich will noch einen letzten Bereich ansprechen, der zu diesen Strukturreformen gehört. Es ist die Diskussion in der Öffentlichkeit, die häufig unter falschen Voraussetzungen geführt wird, als wollten wir, die wir eine stärkere unternehmerische Gestaltung des Unternehmens DB wollen, damit etwa Kritik an Beamten nach dem Motto üben, sie seien nicht leistungsfähig und nicht motiviert. Das ist nicht der Punkt. Ich habe in den vielen Jahren, in denen ich mich mit der Deutschen Bundesbahn auseinandersetze, sehr viele nicht nur leistungsfähige, sondern auch hochmotivierte Mitarbeiter des Unternehmens DB kennengelernt, die Beamte sind, die im öffentlichen Dienst sind.
Was wir aber tun müssen, ist diesen Menschen, die wollen, die Fesseln abzustreifen, damit sie so produktiv und so optimal arbeiten können, wie dies unter den Bedingungen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens der Fall ist. Das ist das Ziel, für das wir kämpfen.
Ein weiteres wesentliches Element der neuen Bahn muß ein konsequentes Innovationsmanagement sein, das die Marktchancen der Bahn auf den ganz unterschiedlich strukturierten Verkehrsmärkten voll ausschöpft. Herr Kollege Jobst hat vorhin bereits auf die Veränderung etwa im Bereich des Güterverkehrsmarktes hingewiesen, den drastischen Rückgang der Massengüter und das Wachstum jener Güter, die man als Kaufsmanngüter bezeichnet. Darauf mit dem Produktionssystem Rad/Schiene zu reagieren, ist schwierig, zumindest nicht einfach. Aber es ist möglich. Man muß bereit sein, dafür die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Besonders wichtig ist dabei aus unserer Sicht der konsequente Ausbau des kombinierten Ladungsverkehrs. Ich bin nicht der Auffassung, daß wir technologisch und organisatorisch bereits optimale Lösungen für die gebotene Zusammenarbeit Straßen/Schiene erreicht haben. Aber diese Zusammenarbeit wird in Zukunft immer wichtiger werden, wie die Probleme im Zusammenhang mit dem alpenquerenden Verkehr deutlich gezeigt haben.
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist der Aufbau eines europäischen Schienennetzes. Hier wird mein verehrter Kollege Ekkehard Gries nachher die Position der FDP vortragen.
Mit den Kabinettsbeschlüssen der Bundesregierung vom November 1983 und vom Februar 1989 sind aus unserer Sicht wesentliche Positionen entwickelt worden: 1983 die Rückenstärkung für das Unternehmen Deutsche Bundesbahn, nach unternehmerischen Gesichtspunkten zu handeln — ein ganz wesentlicher Punkt —; jetzt, im Februar 1989, mit der Übernahme der Altlasten in Höhe von 12,6 Milliarden DM — eine Forderung, die alle Verkehrspolitiker, Herr Kollege Weiss, in den letzten Jahrzehnten erhoben haben. Jeder Verkehrspolitiker wäre glücklich gewesen, wenn er von diesem Rednerpult aus die Erfüllung dieser Forderung hätte verkünden können.
Wir als Liberale sind schon ein bißchen stolz darauf, daß wir hieran maßgeblich mitwirken konnten.
— Dieses ist nicht der Punkt, Herr Kollege Weiss. Der entscheidende Punkt ist — das werden Sie feststellen, wenn Sie die Kabinettsvorlage und den Beschluß der Bundesregierung vom Februar 1989 lesen —, daß dort erstmals der Einstieg des Staats in die Finanzverantwortung für den Fahrweg festgeschrieben wird. Jeder, der auch nur eine ganz kleine Ahnung davon hat, was es bedeutet, eine solche Forderung gegenüber einem Finanzminister, wie immer er auch heißt, durchzusetzen, weiß, daß wir hier einen Meilenstein
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in der Verkehrspolitik der Bundesrepublik Deutschland zuwege gebracht haben.
Die Bundesregierung hat eine Bahnkommission eingesetzt, die die Aufgabe hat, bis 1991 — so die zeitliche Zielvorstellung — die Maßnahmen zu entwickeln, die dann in diesem Parlament umgesetzt werden sollen. Ich brauche mich an dieser Stelle nicht zu verbiegen. Ich habe im Vorfeld dieser Entscheidung intern und öffentlich gesagt, daß ich kein Freund der Einsetzung einer solchen Kommission bin; nicht etwa, weil ich der Auffassung wäre, daß das nicht relevant sein könnte. Die FDP nimmt das sehr ernst und hat deshalb einen hochqualifizierten und angesehenen Verkehrswissenschaftler in diese Kommission entsandt.
Nein, ich habe die Gefahr gesehen, daß wichtige Entscheidungen nicht zeitgerecht getroffen werden könnten. Das ist ein Problem. Dieses Problem sehe ich auch heute und sage deshalb, daß wir mit der Einsetzung der Bahnkommission durch die Bundesregierung die Hoffnung auf eine grundsätzliche Neuordnung der Bahnpolitik in der Bundesrepublik Deutschland verbinden.
Die Rechtfertigung für diese Kommission kann nur sein, daß sie die Grundlagen erarbeitet, die in diesem Hause von allen politischen Kräften in der Zielsetzung mit getragen werden können. Wir alle wissen, daß es einen Konsens zwischen den Verkehrspolitikern über Fraktionsgrenzen hinweg gab und gibt. Wenn wir aber ehrlich sind, müssen wir auch zugeben, daß dieser Konsens nicht notwendigerweise über den Bereich der Verkehrspolitiker hinausreichte.
Unter diesem strategischen Aspekt, Herr Kollege Haar, trage ich diese Kommission mit und hoffe, daß sie ein positives Ergebnis in dem Sinne vorlegen wird, wie wir es nachher in der Beschlußempfehlung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags zur Vorlage der Koalitionsarbeitsgruppe Bahn beschließen werden.
Die Menschen in Deutschland und in Europa erwarten von uns Verkehrspolitikern Antworten auf die wachsende Dynamik des Verkehrsmarkts in Europa. Sie erwarten Antworten auf die wachsenden ökologischen Probleme, die der Verkehr in der Bundesrepublik, in Europa mit sich bringt. Sie erwarten — ich denke: mit Recht — , daß wir der Verkehrspolitik endlich den Stellenwert in der Gesamtpolitik einräumen und verschaffen, der ihr gebührt. So, wie im 19. Jahrhundert List mit seiner Schienen-Konzeption zum Zusammenwachsen der damaligen deutschen Teilstaaten beigetragen hat, genauso können wir mit einer vernünftigen Konzeption heute zu einem Zusammenwachsen der Staaten in Europa beitragen. Schienen können verbinden. Wir Freien Demokraten werden jedenfalls mit ganzer Kraft an der Lösung dieser großen Aufgaben weiterarbeiten.
Vielen Dank.