Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der letzten Bahndebatte vor gut einem Jahr hat meine Fraktion gegenüber der Bundesregierung, aber auch gegenüber den Koalitionsfraktionen ein Angebot gemacht, wie Sie sich erinnern werden: fraktionsübergreifende Zusammenarbeit in der Verkehrs- und insbesondere in der Bahnpolitik. Dieses Angebot, Herr Kollege Pfeffermann, haben Sie nicht aufgegriffen.
Heute werden Sie wider besseres Wissen unsere Bahngesetze ablehnen. Sie, die Verkehrspolitiker der Koalitionsfraktionen, haben Ihren Fachverstand, der ohne Zweifel vorhanden ist, an der Garderobe abgegeben.
Sie machen sich damit nur zum Büttel der von Ihnen getragenen Bundesregierung
— hören Sie zu, Herr Hinsken! — , „einer Bundesregierung", so schreibt der Verkehrswissenschaftler
Professor Seidenfus am 2. Dezember in der DVZ, „die
die Verkehrspolitik sträflichst vernachlässigt und anderen Regierungsinteressen untergeordnet hat".
Drei Verkehrsminister innerhalb von sieben Jahren unterstreichen die dauerhafte Vernachlässigung, ja Verlotterung der Verkehrsprobleme.
Es ist doch so, daß man bereits bei der Berufung von Herrn Dr. Zimmermann zum Verkehrsminister wußte, daß auch er nur ein Verkehrsminister auf Abruf ist. Daran sehen wir doch, welchen Stellenwert die Verkehrspolitik bei Ihnen überhaupt genießt.
Weder national noch europaweit wurde eine konsequente und vorausschauende Verkehrspolitik von Ihnen betrieben.
Das ist auch in dieser Legislaturperiode von diesem Verkehrsminister nicht mehr zu erwarten.
Der europäische Verkehrsmarkt steht vor einer gewaltigen Umbruchsituation. Was ist denn da für ein Handlungskonzept von der Bundesregierung bisher geboten worden, was haben Sie denn eben in dieser Rede für ein Handlungskonzept gehört, frage ich Sie? Die Bundesregierung steht mit absolut leeren Händen da, und die Verkehrspolitik dieser Bundesregierung ist doch ein einziger großer Reparaturbetrieb. Mehr ist es doch nicht.
Die Bahnleitlinien, die eben hier so gelobt wurden — —
— Die Bahnleitlinien waren wirklich richtungsweisend, Herr Kollege Hinsken; die haben nämlich dem Bahnmanagement den Schwarzen Peter zugespielt. Die Änderungen der politischen Rahmenbedingungen wurden als zusätzlicher Flankenschutz angeboten. Das ist großmäulig angekündigt worden, aber es ist hinsichtlich des politischen Flankenschutzes überhaupt nichts getan worden. Der Kollege Jobst, der im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn ist, hat in der letzten und vorletzten Sitzung dies in den Vorlagen des zuständigen Vorstandsmitgliedes doch lesen können. Ihre Bahnleitlinien sehen doch die Bundesbahn in erster Linie als ein Haushaltsproblem; Sie haben die Bahn bis zum heutigen Tage nicht als ein unverzichtbares Instrument für ein zukunftsgerechtes Gesamtverkehrssystem erkannt.
Die Bahnleitlinien, Herr Kollege Hinsken, haben — das ist unbestritten — zu einer personellen und materiellen Erschöpfung der Bahninfrastruktur geführt.
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Was ist denn die reale Lage? Die reale Lage der Bahn ist: über sechs Millionen Überstunden bei den Bediensteten, Personalmangel bei den Lokomotivführern, Personalmangel bei den Rangierern, und es fehlt das Wagenmaterial. Das Ergebnis ist: Die Güter müssen tagelang auf ihren Transport warten, Personen- und Fernverkehrszüge sind überfüllt und wenig attraktiv,
und die Defizitentwicklung erklimmt neue Rekordhöhen. Der Kollege Weiss hat Zeitungsartikel vor sich liegen, die heute — überall in der deutschen Presse — zutreffend die Entwicklung beschreiben. Man kann sich hier nicht einfach hinstellen und sagen, da wird ein Horrorgemälde gemalt, und dann ist es okay. Die Zahlen sind nun mal so, die können Sie nicht einfach wegdiskutieren.
Sie haben mit diesen Bahnleitlinien den Schrumpfkurs verordnet. Ich sage Ihnen: Diese Bahnleitlinien sind endgültig gescheitert.
Ihre Politik hat dazu geführt, daß dieses konkurrenzlos umweltschonende Verkehrsmittel dank Ihrer famosen Planung kaum noch Kapazitätsreserven hat. Wir hatten in diesem Jahr Zuwachsraten von 2 bis 5 %; diese Zuwachsraten kann die Bahn noch nicht einmal verkraften. Hier zeigt sich doch: Schiene statt Straße, das war bestenfalls in den Sonntagsreden des jeweiligen Verkehrsministers vorgesehen, aber dies hat es nicht im realen Handeln gegeben.
Wenn Sie jetzt das Bahnmanagement wegen der steigenden Neuverschuldung und wegen der mangelhaften Attraktivität auf den Verkehrsmärkten kritisieren, so wird da wahrhaftig Ursache und Wirkung auf den Kopf gestellt.
Mit den von Ihnen vorgegebenen Rahmenbedingungen sind keine offensiven Strategien zu betreiben, um die nationalen und die europaweiten Chancen zu nutzen, d. h. Ihre Bahnleitlinien waren von Anfang an auf Schrumpfen angelegt, und deshalb sollten Sie nun nicht scheinheilig nach anderen Schuldigen suchen. Dann müßten Sie sich auch dazu bekennen. Sie haben das Unternehmen stranguliert, und Sie treiben es von Tag zu Tag stärker aus den Verkehrsmärkten heraus. Sie haben die Deutsche Bundesbahn dazu gebracht, daß sie in ihrem heutigen Zustand eben keine zukunftsgerechte Rolle spielen kann.
Wo haben Sie denn als Eigentümer die Rahmenbedingungen geschaffen, die es der Bahn erlauben, europaweit logistische Systeme anzubieten, was haben Sie denn getan, um die Schnittstellenproblematik zu lösen? Die Bahn ist unter Ihrer Knute heute allen anderen Verkehrsträgern weit unterlegen. Weil dies so ist, kann sich die Bahn nicht als Unternehmen profilieren, das frühzeitig gesellschaftliche Strömungen und Tendenzen erkennt und dann auch auf sie reagiert. Ihr Schrumpfkurs hat dazu geführt, daß der
Spruch von der Renaissance der Bahn ein schönes Märchen ohne realen Hintergrund ist.
Die heutige Bahn mit veralteten Organisationsformen hat keine Chance, Herr Dr. Jobst. Großvaters Eisenbahn, die Sie offensichtlich wollen, ist nicht die zeitgemäße Antwort auf die heutigen Verkehrsprobleme. Wenn Sie wirklich eine neue Bahn wollen, die eine souveräne Führungsrolle in einem Gesamtverkehrskonzept spielen kann, wenn Sie eine wirkliche Renaissance wollen, dann müssen Sie die Normen endlich der Wirklichkeit anpassen.
Dann müssen Sie, Herr Dr. Jobst, unsere Gesetzentwürfe annehmen, und dann müssen Sie diese schnell und wirkungsvoll umsetzen. Dann helfen Sie, eine Renaissance herbeizuführen.
— Herr Kollege Oswald, ich vermute, Sie haben noch nicht mal die Gesetzentwürfe gelesen. Ihre genaue Unkenntnis der Dinge ist schon beeindruckend; das muß ich Ihnen sagen.
Unsere These Nummer eins: Nötig ist ein integriertes Gesamtverkehrskonzept, und zwar national und europaweit. Die jahrelangen Versäumnisse der Verkehrspolitik und das sektorale Denken und Handeln der Verkehrsträger haben die notwendigen Neuordnungen des Verkehrswesens zu einem integrierten und optimierten Gesamtsystem ganz einfach verschlafen. Sie haben isolierte Entwicklungen der einzelnen Verkehrsträger sogar begünstigt. Es ist aber Allgemeingut, das kein Verkehrsträger allein imstande ist, die Anforderungen an ein wirklich rationelles Verkehrssystem zu erfüllen. Weder national noch europäisch ist das möglich.
Wer ein lebensfähiges Gesamtverkehrssystem für Europa schaffen will, der muß die Eisenbahninfrastruktur wiederbeleben.
Ich finde, es ist ein Treppenwitz: Die Industrie hat Lokomotiven und Güterwagen für Hochleistungsverkehre entwickelt. Diese müssen aber überall an den Grenzen wegen anderer Stromsysteme ausgewechselt werden.
Die Zollformalitäten nehmen Stunden in Anspruch. Jeder kocht hier sein nationales Süppchen. Das ist der entscheidende Grund, weswegen der Bahnanteil im internationalen Verkehr noch rascher sinkt als im Inland. Überzogene Bürokratie, Papierkrieg, formalistische Behandlung der Transporte sind Schranken und
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Hemmnisse für den europäischen Schienenverkehr, die schleunigst abgebaut werden müssen. Da muß selbstverständlich die Politik ran.
Jeder Verkehrsträger hat seine arteigenen Vorzüge im Hinblick auf die Umwelt, auf die Transportökonomie, auf die Sicherheit, auf den Energieverbrauch usw. Die müssen voll zum Tragen kommen, d. h. die Einzelsysteme müssen deshalb mit ihren jeweiligen Stärken zu optimalen Transport- und Beförderungsketten verknüpft werden.
Unsere zweite These ist: Eine leistungsfähige Infrastruktur ist unabdingbare Voraussetzung für jeden Verkehrsträger. Das heißt, der Wettbewerb der Systeme geschieht nicht im luftleeren Raum. Alle Systeme sind auf dieses Komplementärgut Infrastruktur angewiesen. Nur, diese Infrastruktur ist nicht über den Markt produziert und verteilt worden. Sie ist auf Grund politischer Entscheidungen von uns allen produziert worden.
Wir wissen, daß nach dem Kriege einschließlich der S-Bahnen nicht einmal 1 000 km Schienenstrecken neugebaut wurden. Aber gleichzeitig sind über 150 000 km Straßen neu entstanden. Mit diesen Baumaßnahmen hat das Verkehrssystem Straße eine Förderung erhalten, die ordnungspolitisch nicht umfassender und wirkungsvoller hätte sein können. Das ist in Beton gesetzte Ordnungspolitik, die die Produktionsstrukturen des Verkehrssystems Straße konkurrenzlos und die des Verkehrssystems Schiene chancenlos gemacht hat. Dies muß man erkennen.
Dann sieht man auf der anderen Seite, daß der Individualverkehr und der Güterverkehr auf der Straße explodieren. Die Folgen sind verstopfte Straßen und Städte. Dieser drohende Verkehrsinfarkt kann nur verhindert werden, wenn die Verkehrspolitik an Haupt und Gliedern neu positioniert wird. Wenn wir diese Arbeit nicht leisten, können Sie alles andere vergessen.
Ich sage Ihnen auch: Nicht die Fiskalisten dürfen die Vekehrspolitik dominieren. Die Verkehrspolitik muß selbstbewußt ihre eigenständigen Ziele definieren und dann auch entsprechend handeln.
Der letzte Verkehrsminister, der in Sachen Bahn handelte, war Volker Hauff mit der Bahn-Novelle.
Alle Verkehrsminister nach ihm verdrängten das Problem und haben sich zur Dienstreise in den Schlafwagen begeben.
Wenn die Bundesregierung nicht aufwacht, wird die Bahn bald an der Endstation stehen. Und ich sage Ihnen: dann nicht nur die Deutsche Bundesbahn, sondern das gesamte deutsche Verkehrswesen; denn im künftigen europäischen Wettbewerb wird kein Verkehrsträger zu Lasten des anderen profitieren. Der Partnerschaftsgedanke muß auch hier endlich verinnerlicht werden.
Die Schiene hat einen großen Investitionsnachholbedarf, Herr Hinsken.
Das Schienennetz muß leistungsfähig für Hochleistungsverkehre ausgebaut werden. Unabdingbar gehört hierzu auch ein erheblicher Neu- und Ausbaubedarf im Bereich des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs.
Die bisher unter nationalen Aspekten geplanten Hochleistungsverkehrsnetze der europäischen Bahnen müssen miteinander verknüpft werden. Das europäische Hochleistungsschienennetz läuft übrigens in allen Nachbarländern mit hoher Geschwindigkeit auf seine Vollendung zu. Aber die notwendigen politischen Entscheidungen über die Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn stehen immer noch aus. Es ist doch ein Trauerspiel, daß wir im Bundesverkehrswegeplan 1985 eine Trasse Rhein/Main—Rhein/Ruhr ausgewiesen haben und bis zum heutigen Tag noch keine endgültige Entscheidung gefallen ist.
Unsere Bahnstrecken, Herr Kollege Jung, sind zum Flaschenhals im europäischen Netz geworden. Das können Sie nicht bestreiten.
Feierliche Absichtserklärungen allein werden die europäische Integration der Bahn nicht verbessern. Die Bundesregierung hat es doch bis heute versäumt, den notwendigen Druck auszuüben, was das europäische Hochleistungsschienennetz angeht. Sie hat nicht nur nicht gedrückt, sie sitzt sogar im Bremserhäuschen. Wir sind im Hochleistungsverkehr nämlich weder die ersten noch die besten. Aber gerade bei unserer Problemlage als Kern- und Transitland Nummer eins sollten wir den Ehrgeiz im Interesse unserer Menschen und unserer Umwelt auf jeden Fall haben.
Unsere These drei: Problemlösungen im Güterverkehr bedürfen der Kooperation der Verkehrsträger. Sie wissen: Der Güterverkehr stellt uns vor immer größere Probleme. Diese Probleme sind in dem Umfang gewachsen, in dem die Eisenbahn ihr Transportaufkommen verloren und der Straßengüterverkehr hohe Zuwächse verzeichnet hat.
Mit dem wachsenden Lkw-Verkehr werden wir schon jetzt kaum noch fertig. Die negativen Aspekte des Straßengüterverkehrs werden immer deutlicher. Es droht bereits eine neue Lkw-Lawine; denn im Zuge des EG-Binnenmarktes, aber auch durch den Umbruch in Osteuropa und in der DDR wird der Straßengüterfernverkehr erneut zunehmen. Das gilt insbesondere bei uns für den Transitverkehr. Die Menschen sind immer weniger bereit, mit den Lärm- und Abgasemissionen der europäischen Transportfahrzeuge zu leben.
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Ich sage Ihnen: Das Nachtfahrverbot in Tirol ist nur die Spitze des Eisberges.
In anderen Ländern wird es ähnliche Entwicklungen geben. Die Bundesregierung täte gut daran, sich darauf einzustellen und nicht mit Vergeltungsmaßnahmen zu reagieren, sondern mit Konzepten, die allen in Europa helfen.
Wir müssen den Güterfernverkehr, Herr Kollege Hinsken, auf die Schiene umsteuern. Hierzu gibt es auch seriöse Alternativen.
Das Straßennetz können und dürfen wir nicht mehr ungezügelt ausbauen. Die Bundesbürger wollen in ihren Wohn- und Lebensbereichen nicht mehr, sie wollen weniger Verkehrslärm und weniger Verkehrsbelastung.
Ich glaube, das können Sie doch nachvollziehen. Der Zeit- und Energieverlust, der auf Grund von Straßenstaus in der EG entsteht, liegt jährlich bei über 200 Milliarden DM. Die Antwort darauf kann nicht mehr Straßenbau sein. Die Antwort der Vernunft ist: Ausbau und Förderung des umweltfreundlichen Schienenverkehrs.
Die bisherigen Wettbewerbsstrukturen können ein Umsteuern auf die Schiene nicht leisten. Im Gegenteil: Sie begünstigen sogar den Lkw-Fernverkehr. Deswegen müssen wir darangehen und das Steuersystem ändern; denn bisher steht das Steuersystem unserem Ziel entgegen, das verkehrspolitisch erreicht werden soll, nämlich Güter über große Entfernungen verstärkt auf die Schiene zu bringen und das Sammeln und Verteilen der Güter als Aufgabe des Lkws zu sehen.
Im Nahverkehr wird es keine Alternative zum Lkw geben. Aber im Fernverkehr müssen wir dies auf jeden Fall bewerkstelligen. Ich sage: Notwendig ist deshalb auf jeden Fall eine europaweite Erhöhung der Mineralölsteuer. Wir müssen den Energieverbrauch auf der Straße verteuern.
Wann jedoch eine europäische Lösung möglich sein wird, ist völlig ungewiß. Deshalb müssen wir mit nationalen Maßnahmen vorangehen. Wir haben vor vier Jahren die Idee der Schwerverkehrsgebühr geboren. Sie haben vier Jahre gebraucht, um sie nun endlich in einen Kabinettsbeschluß einmünden zu lassen. Wir begrüßen das. Nur, diese Schwerverkehrsgebühr kommt vier Jahre zu spät. Es ist wertvolle Zeit durch Ihr Zögern vertan worden.
Unsere These vier: Das integrierte Verkehrssystem bedarf leistungsfähiger Verknüpfungspunkte. Wenn Sie sich die Schnittstellen heute anschauen, wissen
Sie, daß gerade sie die entscheidenden Schwachstellen sind. Wir müssen sie zu leistungsfähigen und attraktiven Verknüpfungspunkten ausbauen, weil erst dadurch die Zusammenarbeit der verschiedenen Verkehrsträger im Rahmen von Transportketten ermöglicht wird.
Wir müssen hier auch die organisatorischen Mängel abbauen. Nötig ist ein Datenaustausch. Nötig sind garantierte Transportzeiten. Die nationalen Kombiverkehrsgesellschaften müssen ihre Zusammenarbeit intensivieren. Sie müssen auch eine schlagkräftige Tarifpolitik entwickeln. Nötig ist ein europaweites Netz von Terminals für diesen kombinierten Verkehr. Wir müssen uns danach richten, wo die Regionen mit einem hohen Verkehrsaufkommen sind. Zwischen diesen Terminals muß der Transport mit durchgehenden Ganzzügen und ohne Rangieraufenthalte erfolgen.
— Wenn es dort keinen Streit gibt, warum wird das denn nicht getan?
Die konzeptionelle Grundstruktur liegt doch vor. Es ist ja nicht so, als müßte das erst erarbeitet werden. Hier werden vom Verkehrsminister doch wiederum Ursache und Wirkung auf den Kopf gestellt. Hier wird die Bahn kritisiert, die Haushaltsmittel für den kombinierten Ladeverkehr seien nicht abgerufen worden. Aber das Ausbau- und das Standortkonzept liegt seit Monaten beim Bundesverkehrsminister vor. Statt unverzüglich zu entscheiden und mit einem Beschleunigungsprogramm, wie wir es in der Haushaltsdebatte gefordert haben, in die Realisierung zu gehen, blockiert Herr Dr. Zimmermann doch die Aktivitäten der Bahn.
Der Grund ist wirklich schon fast skandalös: Einerseits will er das Konzept öffentlichkeitswirksam vorstellen, andererseits kann er aber wieder einmal keinen Termin finden. Herr Minister, Sie sollten weniger über PR-Gags und Schaueffekte nachdenken, Sie sollten endlich verkehrspolitisch handeln.
Sie sollten dann Ihre Nachlässigkeiten und Versäumnisse auch nicht anderen in die Schuhe schieben. Da kann man nicht den Schwarzen Peter dem Management zuspielen.
Unsere Bevölkerung und auch die Wirtschaft sind auf eine leistungsfähige und gesunde Bahn angewiesen. Wir alle kennen die Vorteile der Bahn. Deshalb braucht diese Bahn dringend eine neue Struktur unter Berücksichtigung der geänderten ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen. Sie braucht auf jeden Fall faire Chancen. Sie braucht die gleichen Bedingungen wie ihre Konkurrenten. Der Staat muß deshalb wie bei den Straßen die Kosten für den Bau und die Erhaltung des Schienenwegenetzes übernehmen, Herr Dr. Zimmermann. Selbstverständlich wird die Bahn dann Gebühren entsprechend dem Umfang der Schienennutzung zahlen, ähnlich wie das der Straßenverkehr über die Mineralölsteuer tut. Der Staat muß selbstverständlich die Verluste der Bahn
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tragen, die auf Grund von Aufgaben erwachsen, die ihr der Staat im Interesse der Allgemeinheit auferlegt hat.
Das ist unser Konzeptansatz, so wie er in unseren Bahngesetzen und in unserem Antrag dargestellt ist. Diese existentiellen Probleme der Bahn dürfen nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Es ist doch seit Jahren offenkundig, welche Maßnahmen nötig sind, um der Bahn endlich die Wettbewerbsbedingungen zu geben, die ihre Konkurrenten schon lange haben. Regierungshandeln ist hier überfällig.
Eine zukunftsgerechte Verkehrspolitik benötigt eine grundlegend neue Orientierung. Unser Ansatz ist, daß man die Verkehrsträger und die Verkehrsunternehmen mit den notwendigen Beförderungs- und Transportaufgaben so ausgestaltet, daß sie ökonomisch sinnvoll und menschen- und umweltgerecht zu leisten sind. Hierfür hat die Verkehrspolitik nun einmal die notwendigen Strukturen zu schaffen.
Das Verursacherprinzip muß stärker Geltung erhalten. Das gilt bis in den Kostenbereich hinein, bis zu den externen Kosten, die sich adäquat dann auch in Preisen niederschlagen müssen. Auf diese Weise wird doch die von Ihnen viel gerühmte dynamische Funktion des Marktes auch endlich in den Dienst der Verkehrspolitik gestellt.
Wir wollen die Lenkungsfunktion des Marktes durch eine sinnvolle Ordnungspolitik stärken. Weil der Markt nun einmal gesellschaftspolitische Erfordernisse nicht berücksichtigt, muß der Staat die Rahmenbedingungen setzen.
Wir sagen schließlich: Die Investitionen müssen genutzt werden als direkte Steuerungsmöglichkeiten für eine ökonomische, ökologische und humane Verkehrspolitik. Der gezielte Einsatz dieser drei Elemente
— staatliche Rahmenbedingungen, marktwirtschaftliche Anreize über den Preis und gezielte Investitionen
— führt zu einer neuen und gesamtwirtschaftlich besseren Kombination der einzelnen Verkehrsträger und Verkehrsleistungen.
Die Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger zu einem ökologisch und ökonomisch intelligenten Gesamtsystem wird doch, Herr Kollege Hinsken, erst dadurch möglich; diese Grundstruktur müssen wir schaffen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir beschreiben nicht nur Probleme, sondern wir haben auch die Lösungen.
Die Bahn gehört, obwohl sie über 150 Jahre auf dem Buckel hat, Herr Kollege Jobst, noch lange nicht zum alten Eisen. In ihr stecken ganz gewaltige Innovationspotentiale. Aber diese Innovationspotentiale müssen endlich zum Nutzen unserer Gesellschaft erweckt werden. Dafür ist Handeln notwendig. Wir warten schon seit Jahren auf dieses Handeln, obwohl alle Vorschläge auf dem Tisch liegen.