Rede von
Dr.
Klaus
Rose
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Kollegin MatthäusMaier, ich sage nachher sowieso noch etwas zum Verteidigungshaushalt; da kommt das extra noch vor. Wir haben natürlich gute Experten, die uns vorgerechnet haben, was man im Einzelplan 14 streichen kann. Wir haben auch einiges gestrichen, was sinnvoll ist, aber nicht mit dieser allgemeine Tour „Wohnungen statt Kasernen" ; das ist einfach zu billig.
Frau Kollegin, Sie reden offensichtlich auch nicht mit Ihren Parteigenossen, die ländliche Wahlkreise haben; sonst hätten Sie nicht Ihre Steuerpläne wiederholt, die besonders die Fernpendler betreffen. Ich muß hier ganz brutal auch einmal sagen, weil Sie hier den Klassenkampf so sehr schüren und immer wieder Abgeordnete und Großverdiener als die eigentlich schlechten Menschen dieser Gesellschaft darstellen: Es ist natürlich ein Unterschied, ob man mit dem Privat-Pkw tagtäglich 100 Kilometer zum Arbeitsplatz und zurück fahren muß, oder ob man mit dem Dienstauto vom eigenen Heimatort hierher gefahren wird. Das ist ein Unterschied.
Ich selber bin Vertreter eines ländlichen Wahlkreises; ich weiß, was es bedeutet, und ich weiß, wie meine Leute zu Hause unter einem solchen Steuererhöhungsplan leiden müssen.
13890 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1989
Dr. Rose
Hier passen Dichtung und Wahrheit einfach nicht zusammen.
Das gilt vor allem auch für die großzügige Ankündigung, das Kindergeld erhöhen zu wollen. Das sind nur Sprüche, denn am Ende der SPD-Herrschaft wurde das Kindergeld bekanntlich gekürzt, und jetzt sind Sie plötzlich wieder dafür, es zu erhöhen.
Meine Damen und Herren, es ist daher besser, sich weder auf Lafontaines „Rückschritt 90" noch auf Frau Matthäus-Maiers Steuererhöhungspläne einzulassen. Waigel hält die finanzpolitische Linie, so lauteten die anerkennenden Kommentare nach seiner großen Rede am Mittwoch.
Diese Linie wird von uns im Haushaltsausschuß unterstützt.
Die Wirtschaftspolitik des Wachstums durch Steuerentlastungen ist richtig. Entlastet werden die Bürger, aber auch die Unternehmen. Wenn die SPD meint, wie in dieser Woche geschehen, angesichts der guten Konjunktur brauche man keine Unternehmenssteuersenkungen, so verwechselt sie auch hier Ursache und Wirkung. So wie Arbeitnehmer trotz gestiegener Einkommen steuerlich entlastet wurden, weil sich dies als sozialpolitisch und konjunkturpolitisch wünschenswert darstellte, so brauchen auch die Unternehmen dort Entlastung, wo sie im internationalen Vergleich schlechtergestellt sind und wo sie die Zukunft erst noch bestehen müssen. Kräftige Unternehmensgewinne, punktuell betrachtet, sagen noch lange nichts über die Sanierung oder die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe aus. Es ist unbestritten, daß Frankreich, Japan, Kanada und sogar Österreich den Körperschaftsteuersatz gesenkt haben, Osterreich besonders drastisch von 55 auf 30 %. Bei uns liegt er bei 56 %. Es kann doch niemand behaupten, daß dieser Zustand auf Dauer haltbar ist. Höchstens die Neid- und Strafadvokaten halten diese Höhe für gerecht. Wenn zum 1. Januar 1990 die Absenkung von 56 % auf 50 % und beim Einkommensteuerspitzensatz von 56 % auf 53 % kommt, so ist das gut, aber nicht genügend. Vor allem gibt es auch dringenden Reformbedarf bei der Gewerbekapitalsteuer und bei der betrieblichen Vermögenssteuer.
Wer meint, es gehe darum, den Unternehmern Wohltaten zukommen zu lassen, der liegt falsch. Es geht in erster Linie um eine Reform der Besteuerung von Arbeitsplätzen. Da müßte doch eigentlich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zu gewinnen sein. Der Investitionsstandort Bundesrepublik muß auf hohem Niveau gehalten, möglichst verbessert werden. Die drängenden Zukunftsaufgaben aller Deutschen verlangen dies.
Meine Damen und Herren, wie ein roter Faden zog sich der Verteidigungsetat durch die Haushaltsreden der Opposition. Der Einzelplan 14 scheint inzwischen zur Melkkuh für die nach sozialer Gerechtigkeit Dürstenden geworden zu sein. Abgesehen von der agrarwissenschaftlichen Einsicht, daß man Kühe auch nur dann melken kann, wenn man sie gut füttert und wenn man ihnen immer wieder Erholungspausen
gibt, spricht auch die sicherheitspolitische Lage nicht für drastische Kürzungen, wohlgemerkt im Haushalt 1990, über den wir reden. Wenn sich für spätere Jahre — und ich sage das ganz freimütig — bei guten Ergebnissen bei den Verhandlungen in Wien ein Handlungsbedarf in Richtung Truppenreduzierung oder Verteidigungsstrukturänderungen ergibt, wird sich niemand gegen Neuerungen sperren,
wobei nicht gesagt ist, daß es unbedingt billiger kommt. Auch darüber könnte man noch reden; denn auch solche Maßnahmen kosten bekanntlich Geld. Ich frage nur, wenn man hier immer Vorleistungen bringt: Hat denn die DDR ihren Verteidigungshaushalt schon gekürzt? Man kann doch die Bundesrepublik nicht immer mit der Sowjetunion vergleichen. Wir sind in ein Bündnis eingebaut. Dieses Bündnis war Jahrzehnte gut für unsere Sicherheit. Für diese Sicherheit, für dieses Bündnis verzichtet man nicht so leicht, schon gar nicht, solange nicht mehr Schwalben einen wirklichen echten Friedenssommer machen.
Wir sind deshalb an den Verteidigungshaushalt sehr verantwortungsbewußt herangegangen. Die SPD sprach vom teuersten Verteidigungshaushalt. Ja, gut, in absoluten Zahlen mag das stimmen; aber noch vor wenigen Jahren lagen zum Beispiel Verteidigungshaushalt und Sozialhaushalt eng beisammen. Jetzt stehen allein im Bundeshaushalt für das Sozialwesen rund 70 Milliarden DM, und dann kommen noch die Länderhaushalte und die Bezirke und die Kommunen hinzu. Man soll also die Kirche im Dorf lassen. Außerdem ist mehr als die Hälfte für Personal- und Sachaufwand vorgesehen, während sich die Neubeschaffung auf das zwingend Notwendige beschränkt. So stark könnte man also die Kuh gar nicht melken. Außerdem wollen wir unseren Soldaten kein falsches Signal geben; sie erfüllen den Auftrag dieses Parlaments, den Frieden zu sichern, und sie brauchen sich deshalb auch nicht als unerwünscht zu fühlen.
Meine Damen und Herren, wenn wir mit der dritten Lesung den Abschluß für dieses Jahr finden, heißt das nicht, daß wir den Blick nicht in die Zukunft richten. In der großen Außen- und Deutschlandpolitik, den Finanz- und Wirtschaftsfragen werden auch Probleme im Mittelpunkt stehen, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger persönlich betreffen. Da sind die kleinen Handwerks- und Mittelstandsbetriebe, die unter Nachwuchssorgen leiden. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß z. B. Friseure, Bäcker oder Schlosser bald vor dem Ende stehen, wenn die jetzige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt so weitergeht; sie finden keinen Nachwuchs mehr. Auch eine außertarifliche Bezahlung scheint kein Anreiz mehr zu sein. Die Krawattenberufe haben überhand genommen. Die kostengünstige Schwarzarbeit bekommt beängstigende Ausmaße. Es müssen also andere Rahmenbedingungen her. Das gleiche gilt weithin für die Landwirtschaft, die am stärksten unter dem Strukturwandel leidet. Unsere pflegerischen Berufe, aber auch die so gern als Bürokraten verteufelten Angehörigen
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1989 13891
Dr. Rose
des öffentlichen Dienstes, wozu Eisenbahner, Postler, Finanz- oder Zollbeamte gezählt werden müssen, sie alle brauchen unsere Unterstützung, sie alle erwarten neue Rahmenbedingungen. Wir können insgesamt mit dem 90er Haushalt zufrieden sein. Wir können und wir werden uns aber nicht zufrieden zurücklehnen.
Im Bewußtsein, auch für die nächsten Jahre voll gefordert zu werden, stimmen wir dem vorliegenden Bundeshaushalt und dem Haushaltsgesetz gern zu.