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ID1117903900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13733 A Erklärung zum Mordanschlag auf den Sprecher der Deutschen Bank, Dr. Alfred Herr-hausen 13744 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Waltemathe SPD 13733 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13736 D Frau Wollny GRÜNE 13739 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13741 A Schäfer (Offenburg) SPD 13742 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 13744 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Frau Dr. Wegner SPD 13748 C Frau Männle CDU/CSU 13750 C Frau Hillerich GRÜNE 13753 B Kastning SPD 13754 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 13757 B Wetzel GRÜNE 13758 D Möllemann, Bundesminister BMBW . . 13760B, 13766 D Frau Odendahl SPD 13764 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Sieler (Amberg) SPD 13768B Strube CDU/CSU 13770 B Hoss GRÜNE 13772D Zywietz FDP 13774 D Dreßler SPD 13779 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13782 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 13788 A Scharrenbroich CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 13788 C Andres SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 13789 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Frau Conrad SPD 13790 B Kalb CDU/CSU 13793 A Frau Schoppe GRÜNE 13795 A Zywietz FDP 13796 D Link (Diepholz) CDU/CSU 13798 D Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13801 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 13804 C Frau Matthäus-Maier SPD 13807 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13808C, 13824 C Kühbacher SPD 13809 B Deres CDU/CSU 13812 D Such GRÜNE 13815A Frau Seiler-Albring FDP 13817 A Dr. Nöbel SPD 13819D Gerster (Mainz) CDU/CSU 13822 B Wüppesahl fraktionslos 13826 D Duve SPD 13828 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13829A Frau Dr. Vollmer GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13829 C Gerster (Mainz) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13829 D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . 13830 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13830 C Namentliche Abstimmungen 13831 A Ergebnisse 13851B, 13852D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/5576) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 123 zu Petitionen (Drucksache 11/5150) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt V: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Fuchs (Verl), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben „Europäisches Jagdflugzeug/Jagdflugzeug 90" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus dem Entwicklungsvorhaben Jagdflugzeug 90 (Drucksachen 11/3018, 11/3592, 11/4269) Horn SPD 13832 B Müller (Wadern) CDU/CSU 13834 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 13837 B Frau Seiler-Albring FDP 13839 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 13842 D Kühbacher SPD 13846 A Dr. Friedmann CDU/CSU 13849 A Namentliche Abstimmung 13850 B Ergebnis 13854 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidial- amt 13854 A Einzelplan 03 Bundesrat 13854 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag 13854 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Dr. de With SPD 13856 B von Schmude CDU/CSU 13858 A Häfner GRÜNE 13859 A Irmer FDP 13860 B Engelhard, Bundesminister BMJ 13862 D Haushaltsgesetz 1990 (Drucksachen 11/5579, 11/5580) 13864 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksachen 11/5001, 11/5322, 11/5390, 11/5731) . . 13865A Nächste Sitzung 13865 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13867* A 179. Sitzung Bonn, den 30. November 1989 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01.12.89* Amling SPD 30.11.89 Austermann CDU/CSU 01.12.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01.12.89 Frau Blunck SPD 30.11.89 Börnsen (Ritterhude) SPD 30.11.89 Büchner (Speyer) SPD 01.12.89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01.12.89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01.12.89 Frau Fuchs (Verl) SPD 30.11.89 Dr. Haack SPD 01.12.89 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 01.12.89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01.12.89 Höffkes CDU/CSU 01.12.89 Hörster CDU/CSU 30.11.89 Ibrügger SPD 01.12.89 Jaunich SPD 01.12.89 Kißlinger SPD 01.12.9 Klein (Dieburg) SPD 01.12.89 Klein (München) CDU/CSU 30.11.89 Kolbow SPD 01.12.89 Dr. Kreile CDU/CSU 01.12.89 Kreuzeder GRÜNE 01.12.89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Lowack CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01.12.89 Meneses Vogl GRÜNE 01.12.89 Müller (Düsseldorf) SPD 30.11.89 Niegel CDU/CSU 01.12.89 * Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01.12. 89 Paterna SPD 01.12.89 Pfeifer CDU/CSU 01.12.89 Repnik CDU/CSU 30.11.89 Frau Rock GRÜNE 01.12.89 Frau Schilling GRÜNE 01.12.89 Schreiber CDU/CSU 30.11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01.12.89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01.12.89 Seiters CDU/CSU 30.11.89 Sielaff SPD 30.11.89 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 30.11.89 Tietjen SPD 01.12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 01.12.89 Frau Trenz GRÜNE 01.12.89 Verheugen SPD 30.11.9 Vogt (Düren) CDU/CSU 30.11.89 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 01.12.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01.12.89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 30.11.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Kastning


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Der Ernst der Lage, Herr Präsident, ist mir sehr wohl bekannt. Ich habe vorhin als Schriftführer oben gesessen und mitbekommen, was geschehen ist. Ich will darauf jetzt nicht näher eingehen; ich denke, wir befinden uns wieder in der Bildungsdebatte.
    Weiterbildung soll also den einzelnen Menschen dazu anregen und in seinem Bemühen unterstützen, berufliche Qualifikation in ihrer Bedeutung zu erkennen, zu bewerten, sie zu erhalten, zu steigern und zu verändern, um Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht werden zu können, aber auch den Arbeitsplatz wechseln zu können. Weiterbildung muß ihm aber



    Kastning
    auch dabei helfen, politische, soziale und kulturelle Erfahrungen, Kenntnisse und Vorstellungen kritisch zu verarbeiten, um die gesellschaftliche Wirklichkeit und seine Stellung in ihr zu begreifen und ändern zu können.
    Auch hier beziehe ich mich auf den Deutschen Volkshochschulverband. Ihnen gegenüber, Herr Minister, ist bei dem Spitzengespräch KAW ja auch mit Nachdruck darauf hingewiesen worden, daß wir mehr politische Bildung brauchen, auch politische Weiterbildung, daß die Kluft zwischen dem technologischen Wandel und dessen geistiger Verarbeitung überwunden werden muß und daß eine bessere Förderung politischer Bildung notwendig ist, und dies auch von seiten des Bundes.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, Weiterbildung muß darüber hinaus viel mehr als bisher auch durch soziale Herkunft, Geschlechtszugehörigkeit oder Bildungsprozesse selbst entstandene oder neu entstehende Ungleichheiten abbauen helfen. Ich denke, wir können es uns — auch aus wirtschaftlichen Gründen — überhaupt nicht leisten, große Qualifikationspotentiale etwa von Frauen oder von Un- und Angelernten künftig brachliegen zu lassen. Wenn ich das so sage und wenn das im Grundsatz Zustimmung findet, dann darf sich der Staat — da sollten wir uns auch einig sein — doch wohl nicht auf eine väterlich wohlwollende Empfehlungsposition zurückziehen. Eine konzertierte Aktion ist dann nicht das ausreichende Mittel, um öffentliche Verantwortung auszufüllen.
    Meine Damen und Herren, ich will hier nur einige Beispiele anfügen — man könnte noch über mehr reden — , bei denen ich glaube, daß sich der Staat, hier der Bund, stärker engagieren müßte. Ich stimme z. B. mit der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik in der Forderung überein — ich zitiere — : Der Bund muß endlich ernsthaft seine Kompetenzen im Bereich der beruflichen Weiterbildung ausschöpfen und die durch die Vielzahl von Kammerregelungen verursachte Rechtsunsicherheit durch Rechtssicherheit ersetzen.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) Qualitätsstandards sind dringend notwendig.

    Ähnlich äußert sich übrigens die BLK in einer Empfehlung vom Frühjahr 1988. Da ist der Bund selbst beteiligt gewesen, also sollte er auch Konsequenzen daraus ziehen. Meine Damen und Herren, ich denke, die Bundesregierung hat eben die Möglichkeit des Berufsbildungsgesetzes, zur Sicherung der Qualität der beruflichen Weiterbildung und der Vergleichbarkeit der Abschlüsse eine Weiterbildungsordnung zu erlassen, ungenügend genutzt.
    Zum zweiten. Ich denke, Herr Minister, wir müssen als Politiker allmählich wohl auch qualitative und quantitative Anforderungen an den sehr vielschichtig schillernden Bereich betrieblicher Weiterbildung stellen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Von vielen Unternehmen wird erfreulicherweise die
    Weiterbildung der Mitarbeiter als wichtiger sogenannter Produktionsfaktor erkannt. Dennoch ist die
    Weiterbildungspraxis der Betriebe durch ihren geringen Anteil am Gesamtumfang der Aktivitäten, durch die einseitige Berücksichtigung der mittleren und oberen Qualifikationsgruppen und durch Maßnahmen mit nur betrieblich verwertbarer Qualifikation gekennzeichnet. Ich denke, das ist unbefriedigend. Weiterbildung im betrieblichen Rahmen sollte auch schlechter Qualifizierten und von Arbeitslosigkeit Bedrohten Berufschancen eröffnen, sollte Arbeitnehmern ohne Berufsausbildung die Möglichkeit geben, diese nachzuholen. Ich denke, die Wirtschaft hat auch die Pflicht, Menschen nach zeitweiligem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben die Wiedereingliederung zu ermöglichen.
    Wie wäre es zum Beispiel damit, Herr Minister, wenn Sie sich dafür einsetzen würden, die Arbeitgeber im Zusammenhang mit Personalplanung zu einer betrieblichen Weiterbildungsplanung und zu gemeinsamer Festlegung der Aktivitäten mit der Arbeitnehmervertretung zu verpflichten? Dies wäre eine sehr sinnvolle Erweiterung betrieblicher Mitbestimmung. Die Arbeitsverwaltung sagt mir nämlich — um nur einen Grund dafür zu nennen — , daß zu viele Betriebe nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ihren mittelfristigen Qualifikationsbedarf gegenüber der Arbeitsverwaltung zu beschreiben, so daß diese auch durch AFG-geförderte Maßnahmen gar nicht rechtzeitig reagieren kann; denn Weiterbildung braucht nun einmal Zeit; es braucht einen gewissen Vorlauf, bis jemand entsprechend dem Bedarf der Wirtschaft qualifiziert ist. Hier könnte doch innerbetriebliche Zusammenarbeit, der Versuch eines Konsenses über solch eine Einschätzung des Bedarfs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, von Nutzen sein. Ich jedenfalls bin davon überzeugt: Nur wenn wir einen solchen Weg gehen, kommen wir in diesem Bereich voran.
    Herr Präsident, ich möchte eine Bemerkung zur Geschäftsordnung machen. Ich bin davon ausgegangen, daß ich ein oder zwei Minuten länger reden darf, weil meine Kollegin Wegner ihre Redezeit längst nicht ausgeschöpft hat. Ich bitte um Genehmigung dafür. — Danke.
    Ich möchte einen dritten Punkt ansprechen, über den sich Regierung und Politiker etwas mehr Gedanken machen sollten. Es ist die Tatsache, daß der berufliche Weiterbildungsbereich weitgehend gespalten ist: auf der einen Seite betriebliche Weiterbildung für ausgesuchte Arbeitnehmer und auf der anderen Seite außerbetriebliche Weiterbildung für Arbeitslose. Ist es nicht so, daß sich auch der Bildungsminister — obwohl das AFG bei seinem Kollegen ressortiert ist — etwas mehr einfallen lassen müßte und daß er aktiv werden müßte, um die AFG-geförderte Weiterbildung qualitativ zu verbessern, den präventiven arbeitsmarktlichen Charakter dieser Maßnahmen insgesamt hervorzuheben, auszubauen und vor allen Dingen — meine Damen und Herren, das geht an alle, auch an die Haushalts- und die Sozialpolitiker — das AFG von der Haushaltskonjunktur unabhängig zu gestalten, statt andauernd an der Finanzierung herumzuschnippeln?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])




    Kastning
    Meine Damen und Herren, der letzte Punkt — jetzt werden vielleicht einige aufschreien, aber ich sage es trotzdem

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Wir sind erleichtert!)

    — Herr Weng, wenn ich Sie höre, freue ich mich auch immer endlos; tun Sie es doch auch einmal —

    (Heiterkeit — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Das tun wir auch!)

    Zur Wahrnehmung von Bildungschancen gehört das Vorhandensein eines angemessenen Zeitbudgets. Das heißt: Dazu gehört die Chance, für die Weiterbildung zeitweilig von Arbeit freigestellt zu sein. Wer von Investitionen in die Weiterbildung als Investitionen in den Produktionsfaktor Bildung oder als Investitionen in das Humankapital spricht — ich finde den Begriff zwar furchtbar, aber er wird immer genannt —, liefert doch wohl selbst das Argument dafür, eine Freistellungsregelung für Arbeitnehmer endlich zu verwirklichen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    So erfreulich tarifvertragliche Regelungen sind — ich wünsche mir auch möglichst viele — , müssen wir doch davon ausgehen, daß sie niemals flächendekkend und für alle Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umfassend Wirklichkeit werden können. Deswegen, denke ich, ist in dieser Frage der Gesetzgeber gefordert, und der Bund hat hier — ich habe mich da schlau gemacht — eindeutige Kompetenzen.
    Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß sich die Bundesregierung nicht vollends auf die Rolle des Anführers eines liberalen Nachtwächterstaates zurückziehen wird. Das würde, glaube ich, mit dem Sozialstaatsgebot unserer Verfassung nicht übereinstimmen. Es würde auch nicht die künftigen Anforderungen aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht an unser Weiterbildungssystem erfüllen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete von Waldburg-Zeil.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Graf Alois von Waldburg-Zeil


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Haushaltsdebatten pflegt das wichtigste Kriterium der Aufwuchs oder der Abmangel zu sein. In früheren Debatten hat die Opposition immer wieder darauf hingewiesen, es sei ein zu geringer Aufwuchs oder gar ein Abmangel vorhanden. In diesem Jahr wäre in dieser Beziehung quantitativ mit dem Aufwuchs von 10,1 % im Bildungsbereich Anlaß zur Freude.
    Ich möchte es heute aber genauso sagen, wie ich es früher gesagt habe: Die Frage der Menge von Mitteln, die man für einen Bereich auswirft, ist noch nicht das Entscheidende. Die entscheidende Frage ist vielmehr die der Schwerpunktsetzung.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie, Frau Kollegin Hillerich, kurz ansprechen, weil Sie die Frage der Schwerpunktsetzung angesprochen haben und in diesem Zusammenhang Aus-
    drücke wie „Gipfel der Ignoranz", „unglaubliche Dummheit" und dergleichen genannt haben.

    (Kuhlwein [SPD]: Sie meint einen Bestimmten!)

    Frau Kollegin, ich kenne Sie aus dem Ausschuß und aus der Kommission, wo wir zusammenarbeiten, und da diskutieren wir sehr sachlich und sehr angemessen. Ich weiß nicht, warum es sein muß, daß man im Parlament mit solchen Ausdrücken um sich wirft. Ich glaube, daß wir auch den Bürgern gegenüber deutlich machen sollten, daß hier — ganz gleich, ob es sich um Regierung, um Parlament oder um Ausschüsse handelt — eine sehr intensive und sachbezogene Arbeit geleistet wird, und wir sollten uns nicht selbst mit solchen Ausdrücken abwerten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Frau Hillerich [GRÜNE]: Lesen Sie einmal genau nach, was ich als Dummheit bezeichnet habe! Da werden Sie zustimmen müssen!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben dem quantitativen Aufwuchs gibt es in der Tat ein paar Schwerpunktsetzungen. Frau Männle hat ja auf die große Zahl bereits hingewiesen; deshalb möchte ich ein paar Schwerpunkte gebündelt nennen. Das erste ist der Schwerpunkt, daß man einen zentralen Begriff der Bildungsreformdiskussion, den der Chancengerechtigkeit, in einem Bereich aufgestockt hat, in dem er aus der Hand zu gleiten drohte. Das ist die Frage der Bundesausbildungsförderung im studentischen Bereich; wo folgendes geschehen war: Zwar ist derjenige, dessen Eltern ein ganz geringes Einkommen haben, durchaus in die Vollförderung hineingekommen; aber dann, wenn das Einkommen angestiegen ist und damit die Transferzahlungen gesunken sind, mußten die Eltern aus voll versteuertem Einkommen die Bildungsleistungen aufbringen, und dadurch ist eine Lücke in der Chancengerechtigkeit eingetreten.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang sehr lobend erwähnen, wie in dieser schwierigen Frage vorgegangen worden ist. Man hat eine Kommission eingesetzt, in der die Beteiligten mit vertreten waren, und ich glaube, es steht uns an, an dieser Stelle Professor Dams einen Dank auszusprechen, der als Vorsitzender dieser Kommission die schwierigen Beratungen geleitet hat und bei diesen Beratungen nicht auf Maximalforderungen aus gewesen ist, sondern durchaus die Realität begrenzter Staatsfinanzen gesehen und nun geprüft hat, wie man durch Umschichtungen und durch entsprechende Gewichtung der Mittel diese Problematik des sogenannten Mittelstandsloches beseitigen kann. Nun wird also durch die Erhöhung der relativen Elternfreibeträge immerhin eine Anzahl von 30 % mehr Studenten gefördert werden können, als dies früher der Fall gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun steckt in dem Schwerpunkt BAföG ein Zweites — Herr Kollege Kastning, Sie haben es in anderem Zusammenhang angesprochen — , nämlich die Frage des Zeitbudgets. Wir sprechen sehr viel theoretisch davon, daß man die Studienzeit verkürzen sollte, aber in der Praxis haben wir Probleme. Wenn etwa über



    Graf von Waldburg-Zeil
    80 % der BAföG-Geförderten in der vorgesehenen Studienzeit nicht in der Lage sind, ihr Studium abzuschließen,

    (Kastning [SPD]: Dann muß man fragen: warum?)

    dann ist hier eine Situation, bei der man abhelfen muß.
    Hier ist vor allem zu berücksichtigen, daß es sehr unterschiedliche Situationen gibt, und deshalb wird jetzt die Möglichkeit der Verlängerung durch eine Studienabschlußförderung geschaffen. Gleichzeitig wird durch eine Zeitkomponente in der leistungsbezogenen Erlaßregelung dafür gesorgt, daß es nicht zu einer generellen Verlängerung der Studienzeit kommt, sondern daß demjenigen, der sein Studium nach kürzerer Zeit abschließen kann, tatsächlich ein entsprechender Anreiz gegeben wird. Es ist also ein Prinzip der Flexibilität in die Studiendauer hineingekommen, daß mir außerordentlich positiv erscheint. Zum Beispiel darf ich auch noch anführen, daß Frauen, die Kinder bis zu drei Jahren aufziehen, ebenfalls länger studieren können. Auch für Behinderte ist eine besondere Regelung vorgesehen worden.
    Ein weiterer gewichtiger Punkt ist die Halbierung in Förderung und Zuschuß. Sie wissen, daß ich selbst eigentlich immer ein Vertreter des Gedankens der Bildungsinvestition gewesen bin und deshalb die volle Darlehensgewährung insbesondere im Hinblick darauf gar nicht so negativ gesehen habe, daß auch im Arbeitnehmerbereich Volldarlehen gegeben werden.
    Das Problem, das hier gesehen werden mußte, war eine psychologische Barriere. Gerade Kinder aus Familien — das ist ja in früheren Debatten vorgetragen worden — in denen wenig Einkommen vorhanden war,

    (Rixe [SPD]: An die wollen wir denken!)

    sind von der Vorstellung des riesigen rückzahlbaren Darlehens abgeschreckt worden. Tatsächlich wäre das bei den geringen Rückzahlungsraten und den langen Freistellungsfristen gar nicht so tragisch gewesen. Aber das eigentliche Problem ist die psychologische Barriere. Die wird hiermit wieder abgebaut.
    Schließlich konnte der Bereich Schülerförderung im Komplex der beruflichen Bildung wieder ausgedehnt werden. Aber wir haben ja noch genügend Zeit, bei der Beratung des BAföG-Gesetzes auf die Einzelheiten einzugehen.
    Ich möchte einen zweiten Schwerpunkt ansprechen, der die erheblichen Erhöhungen im Bereich des Hochschulbaus und des studentischen Wohnungsbaus betrifft. Es ist zu erkennen, daß wir hier einer Entwicklung folgen, die so nicht vorhergesehen worden ist. Es ist interessant, in den vielfältigen Debatten — auch in der Komission „Bildung 2000" — zu sehen, daß Bildungsplanung immer obsoleter wird. Rechnen wir die Zeit, die man bis zum Abitur braucht, zum Geburtsjahrgang hinzu, dann hätte die Jahrgangsstärke die zwischen 1960 und 1970 hoch war und ab 1970 stark abgenommen hat, ab 1988 beim Hochschulzugang abrupt abnehmen müssen. Statt dessen
    sind die Studentenzahlen nicht zurückgegangen, sondern hoch geblieben, ja sogar noch gestiegen.

    (Frau Odendahl [SPD]: Das hat andere Gründe!)

    Die Entscheidung, im Hochschulbau und im studentischen Wohnungsbau etwas zu tun, beinhaltet gleichzeitig das Anerkenntnis: Wenn es der Wunsch der jungen Leute ist, in erhöhtem Maße zu studieren, und wenn die Studentenzahlen bis zum Jahrhundertende bei 1,5 Millionen bleiben werden, stellen wir uns eben darauf ein und sagen nicht: Wir rechnen mit Überlastquoten unendlich weiter in der Hoffnung, daß die Studentenzahlen wieder sinken.
    Ein Letztes — Frau Männle hat es schon angesprochen — : Bei der Forschungsförderung hat man auf ein Reservoir zurückgegriffen, das bisher vielleicht zuwenig genutzt worden ist. Es geht um die Forschungsmöglichkeiten, die sich im Fachhochschulbereich ergeben. Ich möchte den Punkt nicht weiter vertiefen; denn meine Redezeit geht zu Ende.
    Ich darf abschließend sagen, daß es in diesem Etat nicht nur um einen finanziellen Aufwuchs geht, sondern um eine tatsächliche bildungspolitische Schwerpunktsetzung, die ich außerordentlich begrüße.
    Herzlichen Dank.