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    Plenarprotokoll 11/178 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 178. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. November 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof in Verbindung mit Tagesordnungspunkt II: Beratung des Antrags der Abgeordneten Stratmann, Dr. Lippelt (Hannover) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verzicht auf Privatisierung der Salzgitter AG und Verhinderung der Großfusion PreussagSalzgitter (Drucksache 11/5536) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III: Beratung des Antrags des Abgeordneten Schmidt (Salzgitter), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verkauf/ Privatisierung der Salzgitter AG an die Preussag (Drucksache 11/5609) Frau Matthäus-Maier SPD 13597 D Borchert CDU/CSU 13605 A Frau Vennegerts GRÜNE 13609 B Dr. Weng (Gerungen) FDP 13614 C Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 13620 B Wieczorek (Duisburg) SPD 13631 A Roth (Gießen) CDU/CSU 13634 B Dr. Struck SPD 13637 C, 13645 C Dr. Pfennig CDU/CSU 13640 C Schmidt (Salzgitter) SPD 13642 C Sauer (Salzgitter) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13644 B Frau Vennegerts GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13645 A Namentliche Abstimmung 13646 B Ergebnis 13654 D Ergebnis der Abstimmung über Einzelplan 60 13672A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 178. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1989 Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Nehm SPD 13646 C Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU . . 13648B Frau Teubner GRÜNE 13651 D Dr. Hitschler FDP 13656 B Müntefering SPD 13659 A Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau 13662 C Conradi SPD 13666 D Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 13668 C Grünbeck FDP (Erklärung nach § 30 GO) 13671A Conradi SPD (Erklärung nach § 30 GO) 13671B Dr. Hitschler FDP (Erklärung nach § 30 GO) 13671 C Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft Frau Blunck SPD 13672 B Rossmanith CDU/CSU 13674 A Frau Saibold GRÜNE 13678 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 13680 B Vahlberg SPD 13682 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 13686 B Frau Conrad SPD 13689A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie Zander SPD 13693 A Austermann CDU/CSU 13696 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 13699 B Zywietz FDP 13700 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 13703A Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr Purps SPD 13707 B Windelen CDU/CSU 13710 C Weiss (München) GRÜNE 13713 C Zywietz FDP 13715A Dr. Zimmermann, Bundesminister BMV 13716D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit Esters SPD 13719D Dr. Neuling CDU/CSU 13722 A Volmer GRÜNE 13724 C Frau Seiler-Albring FDP 13727 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . . 13729A Nächste Sitzung 13731 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13732* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 178. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1989 13597 178. Sitzung Bonn, den 29. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01. 12. 89 * Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01. 12. 89 Büchner (Speyer) SPD 01. 12. 89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01. 12. 89 Engelsberger CDU/CSU 29. 11. 89 Dr. Haack SPD 01. 12. 89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Hennig CDU/CSU 29. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 01. 12. 89 Hörster CDU/CSU 30. 11. 89 Jaunich SPD 01. 12.89 Kastning SPD 29. 11. 89 Kiechle CDU/CSU 29. 11.89 Kißlinger SPD 01. 12. 89 Klein (Dieburg) SPD 01. 12. 89 Kolbow SPD 01. 12. 89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01. 12. 89 Dr. Mahlo CDU/CSU 29. 11. 89 Meneses Vogl GRÜNE 01. 12. 89 Müller (Düsseldorf) SPD 29. 11. 89 Niegel CDU/CSU 01. 12. 89* Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01. 12. 89 Paterna SPD 01. 12. 89 Frau Rock GRÜNE 01. 12. 89 Frau Schilling GRÜNE 01. 12. 89 Schreiber CDU/CSU 30. 11. 89 Schreiner SPD 29. 11. 89 Schröer (Mülheim) SPD 01. 12. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01. 12. 89 Sielaff SPD 30. 11. 89 Tietjen SPD 01. 12. 89 Frau Trenz GRÜNE 01. 12. 89 Verheugen SPD 30. 11. 89 Wartenberg (Berlin) SPD 29. 11. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Rudolf Purps


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn jemand geglaubt haben sollte, daß durch den Wechsel im Ministeramt im Verkehrsministerium nun in der Verkehrspolitik neue Akzente gesetzt würden, wird er bei der Lektüre des Einzelplans 12 — Verkehr — gründlich darüber belehrt, daß sich in der Verkehrspolitik nichts, aber auch gar nichts geändert hat.

    (Walther [SPD]: Da ist bei diesem Minister auch nicht zu erwarten!)

    Der Verkehrshaushalt beweist erneut: Weder der Verkehrsminister noch die Bundesregierung haben die Kraft, die Verkehrspolitik neu zu gestalten und den Erfordernissen in Gegenwart und Zukunft Rechnung zu tragen.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Anzupassen!)

    Die Verkehrspolitik — das erleben wir tagtäglich — steht buchstäblich im Stau, und dies ist nicht nur auf dem Land der Fall, sondern zunehmend auch in der Luft. Die Überlastung unseres Straßennetzes wird jeden Tag offenkundiger. Mensch und Umwelt erstikken im Verkehrschaos.
    In dieser Situation, wo es nun eigentlich darauf ankommt, aus ökologischen und auch aus ökonomischen Gründen dafür zu sorgen, daß die Alternativen zum Individualverkehr — sprich: Bundesbahn und ÖPNV — ausgebaut und verbessert werden, fällt dieser Bundesregierung nichts anderes ein, als weitere 300 Millionen DM in den Straßenbau zu pumpen. Nun weiß ich ja, daß Sie das mit der finanziellen Enge begründen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Ob Sie's glauben oder nicht: Die Länder nehmen nun mal das Geld!)

    — Ach, Herr Kollege Pfeffermann! Wenn Ihre Zwischenrufe wenigstens Pfeffer hätten, dann wäre es ja noch gut. Aber es ist reiner Quark, was Sie da bringen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Es ist doch der Pfeffersack! — Börnsen [Bönstrup] [CDU/ CSU]: Dafür haben sie Pep!)

    Nun weiß ich ja, daß Sie dies mit der finanziellen Enge begründen, die durch die Plafondierung der Straßenbaumittel entstanden ist. Aber diese Enge, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie sich doch selbst geschaffen; die haben Sie doch selbst verursacht. Bei der letzten Beratung des Bundesverkehrswegeplans hat Ihnen doch die SPD gezeigt, welche Projekte als Neubaumaßnahmen überflüssig und unsinnig waren, welche ökologisch schädlich waren oder welche man durch andere Maßnahmen, z. B. Ausbau parallel laufender Landstraßen und Bundesstraßen, ersetzen konnte. Wir haben Ihnen sogar in einem Änderungsgesetz dies alles vorgeschlagen. Sie haben das abgelehnt. Nun müssen Sie die Folgen dieser verkehrten Politik selber tragen. Die finanzielle Enge haben Sie zu verantworten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: So ist das! — Dr. Jobst [CDU/CSU]: Haben Sie keine andere Ausflucht?)

    Im übrigen hat doch die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, Herr Kollege, daß Verkehrsprobleme nicht damit zu lösen sind, daß man noch mehr Straßen baut, daß man überlastete Straßen mit weiteren Spuren versieht. Der Verkehrsfluß ist ja nicht besser geworden. Er ist trotz dieser Maßnahmen schlechter geworden. Die Staus werden nicht kleiner, sondern größer. Wenn Sie wirklich etwas für den Straßenverkehr tun wollen, müssen Sie ihn entlasten;

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Aha!)

    müssen dafür sorgen, daß eine Entlastungswirkung eintritt. Da ist die Alternative z. B. in den Ballungsgebieten der Öffentliche Personennahverkehr.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Sie fahren ja alle Tage mit der U-Bahn!)

    Da müssen Sie weiterhin dafür sorgen, daß der kombinierte Verkehr auf der Schiene weiter ausgebaut wird.

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    Und dann müssen Sie dafür sorgen, daß die Verkehrssysteme vernünftig vernetzt werden, damit sie angenommen werden, wenn man umsteigen will.

    (Beifall bei der SPD)




    Purps
    In den Ballungsgebieten haben wir doch mittlerweile folgende Realität. Fast die gleiche Zeit, die Sie als Bürger brauchen, um in die City zu kommen, brauchen sie anschließend, um einen Parkplatz zu finden. Wenn ich Ihnen sage, was Sie an Kilometern zusätzlich verfahren — was sowohl für den Geldbeutel desjenigen, der da fährt, als auch für die Umwelt äußerst schädlich ist — , dann sehen Sie: Das ist doch in keiner Weise mehr zu verantworten.
    Das heißt, daß sowohl ökonomische wie ökologische Gründe zum Handeln zwingen, aber Sie setzen weiterhin stur auf den Straßenbau.
    Daß die jetzigen Strukturen den Straßenbau und die Benutzung des Pkw noch begünstigen, wissen wir. Der ÖPNV wird stiefmütterlich behandelt. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Seit Jahren ist uns ein Konzept für den Öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche versprochen worden. Ihr Vorgänger, Herr Minister Warnke, hat bei seinem Amtsantritt dies als einen Schwerpunkt seiner Verkehrspolitik herausgestellt. Damit hatte es sich. Das war's denn. Davon haben wir nie wieder etwas gehört. Ergebnisse sind bis heute nicht bekannt. Auch von Ihnen, Herr Minister, haben wir dazu bisher nichts gehört.
    Ich verkenne ja gar nicht, daß es ungleich schwieriger ist, einen optimalen ÖPNV in der Fläche herzustellen. Aber wenn man etwas verspricht, dann muß man das wohl halten. So ist die Regel. Oder man muß sagen: Ich kann es nicht, oder ich will es nicht. In diesem Fall würde ich sagen: Beides trifft zu. Denn wenn Sie den ÖPNV deckeln, wie Sie es gemacht haben, ist man aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, einen ÖPNV in der Fläche verkehrsgünstig auszubauen und das Notwendige zu tun.
    Ich sage Ihnen: Die Kürzung der ÖPNV-Mittel im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, auch des kommunalen Straßenbaus, und ihre Plafondierung waren der schwerste Fehler, den diese Regierung begangen hat. Das müßte umgehend rückgängig gemacht werden.
    Im übrigen wissen Sie selber: Wäre es bei der alten Regelung geblieben, dann stünden 1990 für ÖPNV und kommunalen Straßenbau 400 Millionen DM mehr zur Verfügung.
    Deswegen kann ich Sie nur auffordern, unserem Antrag auf Umschichtung von wenigstens 250 Millionen DM zuzustimmen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, beim Luftverkehr ist das Chaos am Himmel im vergangenen Jahr weiter gewachsen: Verspätungen, gestrichene Flüge, unmutige Reisende, Warteschleifen, unnötiger Kerosinverbrauch sind an der Tagesordnung. Das ist auf die Dauer, wenn sich da nichts ändert, ein schwerer Schlag gegen den Industriestandort Bundesrepublik Deutschland. Darüber müssen wir uns im klaren sein.
    Verkehrs- und Haushaltsausschuß haben diese Problematik schon vor zwei Jahren in die Diskussion gebracht, als die Regierung noch sanft schlief. Erforderlich ist die umgehende Neuorganisation der Flugsicherung, um zumindest erst einmal die personellen
    Probleme zu lösen und eine rasche unbürokratische Finanzierung bei den Investitionen sicherzustellen. Die Regierung tut von Anfang an so, als sei sie von diesen Entwicklungen im Luftverkehr vollkommen überrascht worden. In Wirklichkeit konnte jeder wissen, wie die Flottenpolitik z. B. der Lufthansa aussah, wie die Flottenpolitik der anderen Carrier aussah. Lesen Sie einmal nach, wie die Bestellungen weiterlaufen, wie die Liberalisierungspolitik war.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Die Liberalisierungspolitik war von der Regierung so gewollt! Das war gezielt!)

    Man konnte auch wissen, daß ein Großteil der heutigen Fluglotsen und Flugsicherungstechniker bald in Pension gehen würde. Vorsorge wurde nicht getroffen.
    Ihren Vorgänger, Herr Dr. Zimmermann, mußten wir zum Jagen tragen. Der Jäger Zimmermann hat sich zumindest erst einmal fußläufig selbst auf die Pirsch gemacht. Nur: Der Gesetzentwurf, der uns versprochen worden ist, ist bis heute nicht da. Angeblich scheitert es an Fragen der Verfassungsmäßigkeit. Dies, Herr Dr. Zimmermann, mögen Sie bitte mit Ihrem Kabinettskollegen Engelhard klären. Vielleicht gehen Sie mit Herrn Engelhard in der Vorweihnachtszeit einmal an einen unserer Flughäfen — nach Düsseldorf, nach Köln, nach Hamburg oder nach München — und erklären den dort von den Verspätungen geplagten Passagieren — ob sie nun eine Urlaubsreise antreten oder auf einer Geschäftsreise sind —, daß dies alles wohl nicht zu ändern sei, da man bestimmte verfassungsrechtliche Bedenken und Schwierigkeiten habe. Ich bin gespannt, welchen Beifall Sie da bekommen werden.

    (Gries [FDP]: Die SPD braucht nur zuzustimmen!)

    Im übrigen, Herr Minister: Nicht jeder Passagier — ich darf mir diese Bemerkung erlauben — ist in der Lage, wenn sein Jet Startverspätung hat, dem Tower mitzuteilen, es ginge um die Zulage der Fluglotsen, um auf diese Weise zehn Minuten später die Startfreigabe zu bekommen.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Das sitzt aber tief!)

    Das können Sie einmal machen, beim zweitenmal nicht mehr.
    Gehen wir einen Schritt weiter: Die Bahnpolitik der Bundesregierung erschöpft sich zur Zeit in der Bereitstellung von 1,5 Millionen DM für die Regierungskommission. Diese soll drei Jahre lang all die Dinge analysieren, diskutieren und zum Schluß kompilieren, die uns allen seit langer Zeit bekannt sind.
    Die Maßnahmen, die eigentlich ergriffen werden müßten, und zwar heute, liegen alle auf dem Tisch. Medizinisch gesprochen: Diagnose und Therapie stehen fest. Wofür brauchen wir eigentlich diese Kommission? Es gibt für die Einsetzung dieser Kommission eigentlich nur einen Grund, und dieser ist ganz deutlich herauszustellen: Man will sich über den Wahltermin retten. Nichts anderes wird hier gemacht,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: So ist das!)




    Purps
    weil man nämlich in der Bahnpolitik kein Konzept hat und glaubt, man könne auf diese Art und Weise die vollmundigen Versprechungen des Bundeskanzlers, die schon einige Jahre zurückliegen, etwas für die Bahn zu tun, ins Jahr 1991 hinüberretten.
    Die Alarmsignale bei der Bahn sind nicht zu überhören. Die Bahn selbst beziffert in ihrer Mittelfristplanung die Verluste bis zum Jahre 1994 auf 6,5 Milliarden DM pro anno. Die Schuldenabnahme durch den Bund in Höhe von 12,6 Milliarden DM wird in nur vier Jahren durch die Neuverschuldung vollkommen egalisiert.
    So ist die Situation. Das Personal schiebt Überstunden über Überstunden, der Urlaub muß verschoben werden, der Unmut des Personals wächst. Ich habe volles Verständnis für Demonstrationen, insbesondere jetzt auch beim Buspersonal, wenn man die entsprechenden Gelder streicht.
    Dies alles ist die Folge einer verkehrten Bahnpolitik.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Sehr richtig!)

    Die Bahnleitlinien der Bundesregierung werden auf dem Rücken der Bediensteten ausgetragen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Eine noch so schöne Fernsehwerbung für den IC, der so schön durch das Land fährt, kann gar nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Alltagswirklichkeit für den Normalkunden ganz anders aussieht: Verspätungen am laufenden Meter, veraltetes Material — besonders in ländlichen Regionen —, weitere Ausdünnung der Fahrpläne usw.
    Wer das zuläßt oder bewußt auch noch steuert, daß die Bundesbahn für den Kunden vollkommen unattraktiv wird, muß sich nicht wundern, daß die Abstimmung mit der Fahrkarte, wenn man denn am Schalter überhaupt noch eine bekommen kann, zuungunsten der Bahn ausgeht.

    (Walther [SPD]: Sehr richtig!)

    Dabei hätte die Bahn die. Chance, in einer engen Kooperation mit anderen Trägern des öffentlichen Personennahverkehrs wieder an Bedeutung zu gewinnen. In einer Netzplanung mit bestehenden Verkehrsgemeinschaften, in besserer Abstimmung des Fahrplans mit ihnen und in einer flexibleren Tarifgestaltung liegen die Chancen für die Bahn, auch in der Fläche Kunden zurückzugewinnen und dort zum Rückgrat des ÖPNV zu werden.
    Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Die Förderung des VT 628 — analog der Busfinanzierung, wie sie im geänderten GVFG vorgesehen ist — wäre schon eine Voraussetzung dafür, um die Bahn mit vereinfachter Betriebsweise auch auf den Nebenstrecken, um deren Erhalt wir alle als Kommunalpolitiker kämpfen, wieder zu einer Alternative im Verhältnis zum Individualverkehr werden zu lassen.
    Im Güterverkehr muß der kombinierte Verkehr weiter ausgebaut werden. Eine Verknüpfung der Verkehrsträger und eine Vernetzung der Verkehrswege ist geboten. Wir legen Ihnen deswegen noch einmal einen Antrag vor, Terminals für den kombinierten Ladeverkehr zusätzlich zu fördern.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ein wichtiger Punkt!)

    Wir nehmen die Mittel hierfür aus dem Straßenbau, denn wer wirklich helfen will, muß die Straßen jetzt entlasten.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Ideen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Bundesbahn liegen, wie gesagt, auf dem Tisch. Die SPD-Bundestagsfraktion hat schon seit längerem ein klares Konzept mit punktgenauen Gesetzentwürfen vorgelegt, die der Bahn wenigstens ein Stück der Chancengleichheit zurückgeben, die sie im Verhältnis und in Konkurrenz zu den anderen Verkehrsträgern braucht. Sie haben sich bisher immer ablehnend verhalten. Sie verlassen sich auf eine vor sich hinwurstelnde Kommission und steuern die Bahn sehenden Auges in das finanzielle Desaster.

    (Kohn [FDP]: Das ist doch Unsinn!)

    Meine Damen und Herren, bei der Aufstellung des Bundeshaushalts für 1990 und bei seiner Beratung im Haushaltsausschuß war noch nicht abzusehen, welche finanziellen Auswirkungen sich aus der Tatsache ergeben, daß die gewaltigen revolutionären Veränderungen in der DDR und den übrigen Ostblockstaaten neue Verkehrsströme für Menschen und für Güter schaffen werden. Die Öffnung der Grenzen schafft diese Probleme deren Bewältigung wir gemeinsam in der Bundesrepublik und in der DDR angehen müssen. Insofern stimmen wir den Ausführungen des Bundeskanzlers zu.
    Wir sollten es in der Feinabstimmung allerdings vermeiden, daß sich die Fehler von gestern hier in der Bundesrepublik wiederholen. Es besteht nämlich eine einmalige Chance, neue Verkehrskonzepte im grenzüberschreitenden ÖPNV zu verwirklichen und die Bedeutung der Bahn zu vergrößern, den Kombi-Verkehr auszubauen und die hin- und zurückflutende Pkw- und Lkw-Blechlawine, die wahrscheinlich auf uns zukommt, auf das unbedingt nötige Maß zu reduzieren.
    Wir brauchen neue Grenzübergänge für den Schienenverkehr. Zusätzliche Zugverbindungen müssen eingerichtet werden. Kooperation im grenzüberschreitenden ÖPNV und Verbesserung der Straßenübergänge zwischen der Bundesrepublik und der DDR zur Vermeidung der uns bekannten Rückstaus sind dringend in Angriff zu nehmen.
    Die finanzielle Hilfe für Berlin, das zur Zeit und auch in der Zukunft die Hauptlast des Reiseverkehrs tragen wird, ist zu verstärken. Mit dem bisherigen Bestand an Transportkapazitäten — siehe Busse, S-Bahn — ist dies nicht zu bewältigen. Dies hat die Erfahrung der letzten Wochen gezeigt. Ich hoffe, daß in dem Gespräch zwischen dem Regierenden Bürgermeister Momper und dem Bundeskanzler am Freitag diese Problematik von beiden richtig erkannt wird und daß die finanziellen Notwendigkeiten richtig bedacht werden.

    (Zustimmung bei der SPD)




    Purps
    Wenn nämlich die Finanzierung von unserer Seite nicht sichergestellt wird, lassen sich keine Verbesserungen erreichen. Dies kann nicht im Sinne der jetzt erreichten und der sich jetzt entwickelnden Zusammenführung der Menschen aus beiden Teilen Deutschlands sein. Im übrigen sollte dies alles recht zügig und auch unbürokratisch vonstatten gehen.
    Wenn es darum geht, daß wir unter Berücksichtigung dieser neuen Gegebenheiten wohl auch den Bundesverkehrswegeplan ergänzen müssen und daß im nächsten Jahr mit Sicherheit ein Nachtragshaushalt ansteht, dann hoffe ich, daß zwischen den Fraktionen des Bundestages wenigstens in diesem Punkt Einigkeit hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für die Schienenverbindung zwischen Berlin und der Bundesrepublik über Hannover.
    Technische und finanzielle Hilfen sind nötig, wenn die DDR ihr Verkehrssystem leistungsfähiger gestalten und ausbauen will. Wir haben gemeinsam alle Chancen zu nutzen, um die deutsch-deutschen Verkehrsverbindungen zu verbessern. Die SPD ist dazu bereit. Lassen Sie uns dies, wenn es geht, gemeinsam tun, gemeinsam im Deutschen Bundestag und gemeinsam mit den zuständigen Stellen in der DDR. Die Voraussetzungen für ein Zusammenwachsen der Bundesrepublik und der DDR im Verkehrssektor sollten und müßten im Konsens geschaffen werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die mögliche Gemeinsamkeit in dieser Frage ändert aber gar nichts daran, daß die SPD die Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, so wie sie sich hier und heute darstellt, so wie sie sich im Zahlenwerk des Einzelplans 12 manifestiert, ablehnt.
    Die Bundesregierung und ihr Verkehrsminister sind nicht in der Lage, das notwendige Gesamtverkehrskonzept vorzulegen, welches ein sinnvolles Miteinander der verschiedenen Verkehrsträger beinhaltet. Die einseitige Bevorzugung der Straße auf der einen Seite und die Benachteiligung der Bahn auf der anderen Seite, die finanzielle Einschnürung des öffentlichen Personennahverkehrs und die mangelnde Unterstützung des kombinierten Ladeverkehrs dokumentieren Ihre verkehrspolitische Handlungsunfähigkeit.

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    Den vorgelegten Haushalt lehnen wir aus diesen Gründen ab.
    Wir werden auch die Anträge der GRÜNEN ablehnen. Sie sind entweder gewaltig überzogen

    (Walther [SPD]: Unseriös sind die!)

    oder — das gilt für den gerade vorgelegten Antrag —Schau,

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Sie sind großartig!)

    oder sie sind überhaupt nicht vernünftig; das gilt z. B. für den Antrag auf totale Streichung der Mittel für den Fernstraßenbau. Sie wissen doch — jedenfalls sollten Sie das eigentlich wissen — , daß Sie damit Arbeitslosigkeit schaffen

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Neue Arbeitsplätze werden doch im ÖPNV geschaffen! Gegenruf von der SPD: Ihr wollt doch das Chaos!)

    und nicht einmal mehr den Erhalt des bestehenden Netzes garantieren können. Ich kann Ihnen, Frau Kollegin Vennegerts, nur sagen: Lesen Sie nicht immer wieder das vor, was Ihnen irgendwelche klugen Mitarbeiter aufschreiben,

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Ihr habt doch abgeschrieben, nur weniger eingesetzt, ihr Schlappschwänze!)

    sondern machen Sie sich selbst Gedanken, und kommen Sie auch einmal zu einem vernünftigen Verkehrskonzept; dann geht es. — Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Windelen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Meine Herren Kollegen! Herr Kollege Purps, Sie haben wie alle Jahre Ihr polemisches Pflicht-Soll erfüllt. Aber ich weiß ja, Herr Kollege Purps: Sie haben es auch nicht ganz leicht. Sie sind in einer schwierigen Lage. Was sollen Sie tun? Sollen Sie Oskar Lafontaine als Vorsitzendem der Programmkommission folgen, also Straßenbaumittel streichen und den Verkehr mit Ökosteuern belasten, oder sollen Sie dem saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine folgen, der im Bundesrat eine Erhöhung der Straßenbaumittel beantragt hat?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zuruf von der FDP: Der macht euch das ganz schön schwer!)

    Nun, meine Damen und Herren, Kollege Purps hat sich als braver Parteisoldat für den Vorsitzenden der Programmkommission Lafontaine entschieden.

    (Zurufe von der SPD: Man kann im Parlament etwas lernen! — Wir haben einen Oskar für alle Fälle!)

    Ich bin sicher, Herr Kollege: Es ist Ihnen nicht leichtgefallen. Deswegen will ich Ihnen das auch verzeihen. Sie verlassen sich im übrigen ja auch auf die Koalition: Die Annahme des Haushalts ist gesichert, und deswegen darf man ruhig dagegenstimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das ist unerhört!)

    Ich freue mich aber, Herr Kollege, daß ich Ihnen in einem Punkt voll zustimmen kann. Die dramatische Entwicklung, die in den letzten Wochen von unseren Landsleuten in der DDR und von den Bürgern in Ungarn und in Polen durchgesetzt wurde, erfordert unsere Antwort auch und gerade im Verkehrsbereich. Gewiß, der Massenansturm der letzten Tage, der ja nicht nur unsere Straßen, sondern auch die Eisenbahnen, nicht nur im grenznahen Bereich, verstopft hat, wird in ruhigere Bahnen einmünden. Er hat uns aber die Bedeutung eines guten, eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes auch für den Zusammenhalt der Nation eindringlich vor Augen geführt.

    (Zuruf von der SPD: Schienen verbinden!)

    Hier werden -- da stimme ich Ihnen zu — zusätzliche
    Herausforderungen auch in der Verkehrspolitik, und
    zwar nicht nur im Zonenrandgebiet, auf uns zukom-



    Windelen
    men. Verkehrspolitik ist ja weit mehr als die Gewährleistung des Transports von Gütern und Personen. Ein funktionierendes, ein bedarfsgerechtes, ein umweltfreundliches Verkehrssystem ist eine ganz wichtige Grundlage nicht nur für unser gesamtes gesellschaftliches, sondern ebenso für unser wirtschaftliches Leben. Eine unzulängliche Verkehrsstruktur erschwert menschliche Kontakte, behindert unsere arbeitsteilige Wirtschaft, kostet Wachstum, kostet Arbeitsplätze und verhindert die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Regionen unseres Landes.

    (Zuruf von der SPD: Das ist wohl wahr!)

    Unsere Verkehrswirtschaft steht vor neuen Herausforderungen in einem zusammenwachsenden Europa — im Osten gleichermaßen wie im Westen. Durch die Teilung unseres Landes sind die Ost-West-Verbindungen in allen Verkehrsbereichen zurückgeblieben und teilweise abgeschnitten worden. Und wer es mit der Einheit der Nation und mit der Einheit Europas wirklich ernst meint, der darf hier nicht bremsen und nicht blockieren. Wer z. B. in Nordrhein-Westfalen den Weiterbau der A 4 bis zur hessisch-thüringischen Grenze oder den Ausbau einer IC-Verbindung nach Berlin — hier durch überzogene Forderungen der DDR — jetzt immer noch verhindert, der wird seiner Verantwortung für die Überwindung der Teilung nicht gerecht, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Weiss [München] [GRÜNE]: Wo sind denn die Gelder im Haushaltsplan oder in Berlin?)

    Vor diesem Hintergrund bekommt der vom Haushalts- und Verkehrsausschuß gegen große Widerstände durchgesetzte Ausbau der Bundesbahnschnellstrecke Dortmund—Kassel, der jetzt endlich begonnen wurde, zusätzliches Gewicht.

    (Tillmann [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Diese Strecke wird die traditionell starke Position der Eisenbahnzentren Kassel und Bebra im Verkehr nach Mitteldeutschland wieder beleben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Wir brauchen jetzt viele leistungsfähige Verbindungen, besonders zwischen dem Ruhrgebiet und den Industriezentren in Mitteldeutschland.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Diese Entwicklungen waren — ich glaube, da sind wir uns einig — bei der Aufstellung des Haushalts für Sie so wenig überschaubar wie für uns.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist richtig, und darum brauchen wir auch einen Nachtragshaushalt! — Frau Vennegerts [GRÜNE]: Den kriegen wir sowieso, keine Sorge!)

    Aber abgesehen davon hat die Bundesregierung — und hier muß ich Ihnen widersprechen, Herr Kollege Purps —

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ehrt ihn!)

    im Verkehrshaushalt dieses Jahres neue Zeichen ge-
    setzt. Denn erstmals stehen — nach langen Jahren —
    in diesem Jahr für die Erhaltung, für den Umweltschutz und für den Ausbau unseres Straßennetzes

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Für Straßenbau!)

    insgesamt 405 Millionen DM mehr zur Verfügung als im Vorjahr, auch in der mittelfristigen Planung.
    Aber auch diese Verstärkung der Mittel — das sage ich ganz offen — wird nicht ausreichen, die vom Parlament beschlossene Verkehrswegeplanung zeitgerecht zu realisieren, und noch viel weniger, die zusätzlichen Forderungen der Bundesländer zu befriedigen. Meine Damen und Herren, allein das Land Hamburg fordert für den achtstreifigen Ausbau der A 7, für den Ausbau des Elbtunnels, für die Umgehung Fuhlsbüttel mehr als 100 Millionen DM für 1990 zusätzlich,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    insgesamt weit mehr als eine halbe Milliarde DM für die gesamte Bauzeit.

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Das Saarland verlangt 300 Millionen DM mehr — genau das, was Sie streichen wollen — für den Unterhalt von Bundesautobahnen und Bundesstraßen. Der Bundesrat stellt einmütig fest, daß die Mittel für den Fernstraßenbau zu gering seien. Aber die SPD-Fraktion beantragt, getreu dem Auftrag ihrer Programmkommission, eine Kürzung der Straßenbaumittel um 300 Millionen DM.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Aber nur hier!)

    Die GRÜNEN verlangen sogar die völlige Streichung,

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Sehr richtig!) mit Ausnahme der Mittel für den Schallschutz.


    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Eine heuchlerische Politik!)

    Meine Damen und Herren, damit wird man der Verantwortung für unsere Gesellschaft, für ein vereintes
    Europa und für die Einheit der Nation nicht gerecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Jobst [CDU/ CSU]: Das ist Doppelzüngigkeit! — Tillmann [CDU/CSU]: Scheinheiligkeit!)

    Meine Damen und Herren, auch wir wissen, daß man nicht alles auf einmal haben kann. Der konsequente Weg der Haushaltskonsolidierung wird von uns fortgesetzt werden. Deswegen denkt von uns keiner daran, etwa die Straßenbauplanung eines Verkehrsministers Leber wieder aufleben zu lassen. Er hat seinerzeit unter der Überschrift „Start in den Straßenverkehr der Zukunft" festgestellt, daß die Zahl der Kraftfahrzeuge von seinerzeit 13 Millionen auf etwa 22 Millionen im Jahre 1985 ansteigen werde. Und er fügte hinzu, deswegen müsse man das Netz der Bundesautobahnen von damals 5 000 Kilometer auf 13 000 Kilometer fast verdreifachen und die Fläche der Fernstraßen in den Ballungsräumen vervierfachen.
    Meine Damen und Herren, wie ist die Realität heute? Statt der von Georg Leber vorgesehenen 13 000 km Autobahnen im Jahre 1985 waren es tatsächlich 5 000 km weniger. Aber statt der erwarteten



    Windelen
    22 Millionen Kraftfahrzeuge waren es tatsächlich 5 Millionen mehr. Inzwischen fahren mehr als 30 Millionen Kraftfahrzeuge auf unseren Straßen. Die Länge des Bundesstraßennetzes hat sich seitdem kaum mehr erhöht.
    Wir haben längst von der Gigantomanie eines Verkehrsministers Leber Abschied genommen. Wir wollen unser Land nicht zubetonieren, und wir tun es auch nicht. Der Anteil der befestigten Flächen für unsere öffentlichen Straßen ist von 1 % damals nur noch geringfügig um etwas mehr als 0,2 Prozentpunkte gewachsen. Aber in der gleichen Zeit hat sich die Zahl der Kraftfahrzeuge verdreifacht ebenso wie die Gesamtfahrleistung auf der Autobahn. Das ist eine große Leistung, die Anerkennung verdient, zumal gleichzeitig auch die Zahl der Verkehrsunfälle und vor allem der Verkehrstoten deutlich zurückgegangen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So hatten wir 1970 bei einem Drittel der Kraftfahrzeuge noch über 19 000 Verkehrstote zu beklagen. In diesem Jahr werden es fast 12 000 Verkehrstote weniger sein. Dazu hat neben dem wachsenden Verantwortungsbewußtsein der Fahrer, der Verbesserung der Straßentechnik und der Sicherheitstechnik der Autos auch die Verkehrserziehung beigetragen, die wir auch in diesem Haushalt wieder mit ausreichenden Mitteln ausgestattet haben.
    Meine Damen und Herren, wenn wir hören, daß im vergangenen Jahr von 714 Menschen, die auf den Autobahnen ihr Leben verloren — davon 35 bei Unfällen bei Geschwindigkeiten über 130 km/h —, dann sollten wir uns doch vor allem jenen über 7 000 Opfern zuwenden, die in der gleichen Zeit auf Bundes-, auf Landes-, auf Kreis- und auf Gemeindestraßen starben, wo heute schon Geschwindigkeitsbegrenzungen bestehen.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Also Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit!)

    Lassen Sie mich zu den Problemen unserer Bundesbahn kommen. Ihr gilt auch künftig unsere besondere Sorge.

    (Zuruf von der SPD)

    Hier sind, Herr Kollege, wichtige Weichenstellungen erfolgt. Die Deutsche Bundesbahn ist ein sicheres und umweltfreundliches Verkehrsmittel mit einem niedrigen spezifischen Energieverbrauch. Sie ist für unsere Volkswirtschaft unentbehrlich. Herr Kollege Purps, wenn ich mich recht erinnere, kommen Sie mit dem Auto nach Bonn. Ich fahre mit der Bundesbahn. Ich weiß, was die Bundesbahn leistet, und ich fühle mich ihr deshalb besonders verbunden.
    Um die Voraussetzungen für eine dauerhafte Konsolidierung unserer Bundesbahn zu schaffen, wurde die Unternehmensführung beauftragt, bis Ende 1990 ein strecken- und produktbezogenes Rechenwerk zu entwickeln. Das haben wir bisher noch nicht. Das können Sie auch nicht bestreiten. Ein solides Rechenwerk ist die Voraussetzung für jede vernünftige Sanierung. Wer etwas davon kennt, wird das nicht bestreiten.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Blödsinn! Das Treuarbeit-Gutachten hat gesagt, daß die Zahlen vorliegen!)

    — Ich habe ausdrücklich gesagt: Wer etwas davon kennt, wird es nicht bestreiten.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Kennen Sie das Treuarbeit-Gutachten? Sie kennen es anscheinend nicht!)

    Ab 1991 werden die Altschulden von 12,6 Milliarden DM — wie jetzt schon die Zinsen — in den Bundeshaushalt übernommen werden. Eine unabhängige Regierungskommission erarbeitet bis 1991 ein Konzept für die künftigen Aufgaben und die Organisationsstrukturen der Bundesbahn. Bei der Besetzung dieser Kommission sind wir sicher, daß etwas Vernünftiges herauskommt. Wenn diejenigen, die hier mitarbeiten — auch aus der Gewerkschaft —, nicht wüßten, daß dabei etwas herauskommt, hätten sie sicherlich die Mitarbeit verweigert. Allein die Tatsache, daß sie mitarbeiten, zeigt, daß auch sie das für wichtig und notwendig halten.
    Meine Damen und Herren, die Regierung Kohl hat nach Jahrzehnten des Vorrangs für die Straße den Investitionsanteil der Schiene deutlich erhöht. Im Verkehrswegeplan 1985 wurden die Investitionszuschüsse für das Schienennetz, die von 1976 bis 1985 28 Milliarden DM betrugen, für den Zeitraum von 1986 bis 1995 auf 35 Milliarden DM erhöht. Der Haushaltsausschuß hat beschlossen — Herr Kollege Purps, Sie haben dem zugestimmt — , zur Verbesserung des kombinierten Verkehrs, der besonders geeignet ist, die Straße und die Umwelt zu entlasten, 80 Millionen DM zweckgebunden auszubringen. 80 Millionen DM wird also die Bundesbahn für den kombinierten Verkehr einzusetzen haben.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das ist der richtige Weg!)

    Der Luftverkehr hat überproportional zugenommen. Das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben. Bis zum Jahre 2000 müssen wir noch einmal mit einer Verdopplung der Anzahl der Flüge rechnen. Dieser Herausforderung kann man nur mit mutigen Maßnahmen begegnen.
    Für die Verbesserung der technischen Einrichtungen haben wir die nötigen Haushaltsmittel bereitgestellt. Wir haben dafür gesorgt, daß die Bundesregierung eine Neuorganisation der Flugsicherung beschlossen hat. Sie wird künftig privatrechtlich erfolgen müssen. Denn nur so lassen sich die Attraktivität und die Motivation für die Mitarbeiter und die Flexibilität und der Handlungsspielraum bei den Investitionsentscheidungen sicherstellen.
    Meine Damen und Herren, die Finanzierung wird zukünftig vom Verursacher voll durch Gebühren getragen werden. Auch dies war eine unabdingbare Forderung des Haushaltsausschusses. Ein weiterer Schritt dazu wird im Haushalt 1990 getan werden, wenn neben den bereits zu zahlenden Streckengebühren auch mit der Erhebung der An- und Abfluggebühren begonnen wird.



    Windelen
    Für die Übergangszeit werden wir durch eine Zulagenregelung — nicht nur für die Fluglotsen, sondern auch für die Flugtechniker — Engpässe beseitigen. Die volkswirtschaftlichen Verluste und die zusätzliche Umweltbelastung durch Verspätungen und Warteschleifen sind nicht mehr länger hinzunehmen. Die Kosten dafür, die die Volkswirtschaft zu tragen hat, gehen in die Milliarden.
    Der Haushalt 1990 macht den Weg frei für neue Lösungen. Bundesregierung und Bundesrat sind aufgefordert, die nötigen Gesetze unverzüglich vorzulegen.

    (Beifall des Abg. Walther [SPD])

    Auch in diesem Jahr werden wir wieder 120 Millionen DM als Seeschiffahrtshilfen einstellen. Sie dienen der notwendigen Kostenentlastung unserer Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, und sind Teil der Rahmenbedingungen, die den Bestand und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schiffahrt sichern sollen. Deswegen haben die Koalitionsfraktionen Kürzungsanträge der Opposition abgelehnt.
    Meine Damen und Herren, verantwortungsbewußte Verkehrspolitik muß Straße, Schiene, Wasserstraße und Luft zu einem leistungsfähigen und umweltfreundlichen Verkehrssystem verbinden. Jeder Bereich hat seine besondere Aufgabe. Aber nur die sinnvolle Kooperation aller Bereiche kann zu optimalen Ergebnissen führen.
    In der Fläche ist der Straßenverkehr auch künftig nicht zu ersetzen. Wer aus ideologischen Gründen den Ausbau und die Erhaltung unseres Straßennetzes blockiert oder durch drastische Treibstoffbesteuerungen belastet,

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: 50 Pfennig sind nicht viel! Viel zuwenig!)

    schädigt die ländliche Bevölkerung und behindert den notwendigen Strukturwandel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Öffnung der Schlagbäume im Westen und im Osten wird das Verkehrsaufkommen weiter steigen lassen. Im grenzüberschreitenden Verkehr mußten wir schon vor der Öffnung im Osten mit 40 % Wachstum bis zur Jahrhundertwende rechnen. Das wird jetzt noch mehr werden. Einem solchen Zuwachs ist unser Verkehrsnetz nicht mehr gewachsen. Ohne einen angemessenen Ausbau in allen Bereichen werden Staus und Stillstand mit Energievergeudung und Umweltbelastung unerträglich werden. Sie kosten jetzt schon nach Schätzung von Fachleuten 2,5 bis 3 To des Bruttoinlandsproduktes. Das wären für die EG pro Jahr etwa 200 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, auch im Zeichen der neuen Herausforderungen im Osten ist eine solche Verschwendung unverantwortlich.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir brauchen eine Verkehrsinfrastruktur, die den Notwendigkeiten der wachsenden Nachfrage, des Umweltschutzes und der Verkehrssicherheit gerecht wird, die zu einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen allen Verkehrsträgern führt und die hilft, die deutsche
    Teilung zu überwinden. Der Haushalt des Bundesverkehrsministers zielt in diese Richtung. Wir werden ihm deswegen zustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)