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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/178 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 178. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. November 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof in Verbindung mit Tagesordnungspunkt II: Beratung des Antrags der Abgeordneten Stratmann, Dr. Lippelt (Hannover) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verzicht auf Privatisierung der Salzgitter AG und Verhinderung der Großfusion PreussagSalzgitter (Drucksache 11/5536) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III: Beratung des Antrags des Abgeordneten Schmidt (Salzgitter), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verkauf/ Privatisierung der Salzgitter AG an die Preussag (Drucksache 11/5609) Frau Matthäus-Maier SPD 13597 D Borchert CDU/CSU 13605 A Frau Vennegerts GRÜNE 13609 B Dr. Weng (Gerungen) FDP 13614 C Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 13620 B Wieczorek (Duisburg) SPD 13631 A Roth (Gießen) CDU/CSU 13634 B Dr. Struck SPD 13637 C, 13645 C Dr. Pfennig CDU/CSU 13640 C Schmidt (Salzgitter) SPD 13642 C Sauer (Salzgitter) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13644 B Frau Vennegerts GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13645 A Namentliche Abstimmung 13646 B Ergebnis 13654 D Ergebnis der Abstimmung über Einzelplan 60 13672A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 178. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1989 Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Nehm SPD 13646 C Dr. Schroeder (Freiburg) CDU/CSU . . 13648B Frau Teubner GRÜNE 13651 D Dr. Hitschler FDP 13656 B Müntefering SPD 13659 A Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau 13662 C Conradi SPD 13666 D Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 13668 C Grünbeck FDP (Erklärung nach § 30 GO) 13671A Conradi SPD (Erklärung nach § 30 GO) 13671B Dr. Hitschler FDP (Erklärung nach § 30 GO) 13671 C Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft Frau Blunck SPD 13672 B Rossmanith CDU/CSU 13674 A Frau Saibold GRÜNE 13678 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 13680 B Vahlberg SPD 13682 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 13686 B Frau Conrad SPD 13689A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie Zander SPD 13693 A Austermann CDU/CSU 13696 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 13699 B Zywietz FDP 13700 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 13703A Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr Purps SPD 13707 B Windelen CDU/CSU 13710 C Weiss (München) GRÜNE 13713 C Zywietz FDP 13715A Dr. Zimmermann, Bundesminister BMV 13716D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit Esters SPD 13719D Dr. Neuling CDU/CSU 13722 A Volmer GRÜNE 13724 C Frau Seiler-Albring FDP 13727 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . . 13729A Nächste Sitzung 13731 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13732* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 178. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1989 13597 178. Sitzung Bonn, den 29. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01. 12. 89 * Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01. 12. 89 Büchner (Speyer) SPD 01. 12. 89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01. 12. 89 Engelsberger CDU/CSU 29. 11. 89 Dr. Haack SPD 01. 12. 89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Hennig CDU/CSU 29. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 01. 12. 89 Hörster CDU/CSU 30. 11. 89 Jaunich SPD 01. 12.89 Kastning SPD 29. 11. 89 Kiechle CDU/CSU 29. 11.89 Kißlinger SPD 01. 12. 89 Klein (Dieburg) SPD 01. 12. 89 Kolbow SPD 01. 12. 89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01. 12. 89 Dr. Mahlo CDU/CSU 29. 11. 89 Meneses Vogl GRÜNE 01. 12. 89 Müller (Düsseldorf) SPD 29. 11. 89 Niegel CDU/CSU 01. 12. 89* Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01. 12. 89 Paterna SPD 01. 12. 89 Frau Rock GRÜNE 01. 12. 89 Frau Schilling GRÜNE 01. 12. 89 Schreiber CDU/CSU 30. 11. 89 Schreiner SPD 29. 11. 89 Schröer (Mülheim) SPD 01. 12. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01. 12. 89 Sielaff SPD 30. 11. 89 Tietjen SPD 01. 12. 89 Frau Trenz GRÜNE 01. 12. 89 Verheugen SPD 30. 11. 89 Wartenberg (Berlin) SPD 29. 11. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Riesenhuber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Vosen, ich möchte mich ausdrücklich — nicht nur im Sinne eines Verständnisses über die Grenzen hinweg — dafür bedanken, daß Sie nochmals für Ihre Fraktion erklärt haben, daß Sie die D-2-Mission unterstützen, die eine entscheidende Vorbereitung für Columbus und die Raumstation ist. Ich hoffe zuversichtlich, daß wir auch daran mit der gleichen Gemeinsamkeit arbeiten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vor uns haben wir Aufgaben höchst komplexer Art. Die Zusammenarbeit mit der DDR und mit den anderen Ländern des Ostblocks wird eine große Herausforderung an die Wissenschaft, an die Wirtschaft und an uns selbst sein. Wir können die Voraussetzung dafür schaffen, und wir werden dies gerne tun.
    Aber wir vertrauen darauf — das hoffe ich sehr —, daß diese Zusammenarbeit in allen Bereichen bis weit in die Geistes- und Sozialwissenschaften hinein läuft. Ohne dies ausführen zu können, Herr Daniels: Geistes- und Sozialwissenschaften werden bei einer sehr begrenzten Zuständigkeit des Bundes in unserem Haushalt in einer weit überproportionalen Weise mit rund 100 Millionen DM gefördert. Denn wir brauchen die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg, auch die Grenzen der Disziplinen, das Orientierungswissen von Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen mit den Naturwissenschaften.
    Wenn uns dies grenzüberschreitend in ganz Europa, in Ost und West gelingt, dann werden wir aus dem Geist einer vernünftigen wissenschaftlichen Verständigung eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Dazu sind wir in diesen Jahren herausgefordert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, wir kommen zunächst einmal zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Ich rufe sie in der Reihenfolge der Drucksachennummern auf.
Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN; er liegt Ihnen auf Drucksache 11/5808 vor. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5809 ab. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der SPD, der FDP und der CDU/CSU abgelehnt.
Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD; er liegt Ihnen auf Drucksache 11/5882 unter Nr. XVII vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Dann ist dieser Antrag der SPD mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 11/5893? — Wer stimmt dagegen? — Ent-



Vizepräsident Cronenberg
haltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN abgelehnt worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den gesamten Einzelplan 30. Wer dem Einzelplan 30 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Dann ist dieser Einzelplan 30 mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 12 auf: Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
— Drucksachen 11/5562, 11/5581 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Purps Wieczorek (Duisburg) Windelen
Zywietz
Frau Vennegerts
Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN sowie der Fraktion der SPD vor, und zwar auf den Drucksachen 11/5775, 11/5776, 11/5882 unter Nr. IX, 11/5885 und 11/5913. Außerdem ist ein Änderungsantrag des Abgeordneten Weiss, Fraktion DIE GRÜNEN, auf Drucksache 11/5922 eben hereingekommen und inzwischen gedruckt — ich nehme an, er liegt Ihnen vor — , der in die Debatte einbezogen wird.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattendauer von einer Stunde vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann können wir mit der Debatte beginnen. Das Wort hat der Abgeordnete Purps.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Purps


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn jemand geglaubt haben sollte, daß durch den Wechsel im Ministeramt im Verkehrsministerium nun in der Verkehrspolitik neue Akzente gesetzt würden, wird er bei der Lektüre des Einzelplans 12 — Verkehr — gründlich darüber belehrt, daß sich in der Verkehrspolitik nichts, aber auch gar nichts geändert hat.

    (Walther [SPD]: Da ist bei diesem Minister auch nicht zu erwarten!)

    Der Verkehrshaushalt beweist erneut: Weder der Verkehrsminister noch die Bundesregierung haben die Kraft, die Verkehrspolitik neu zu gestalten und den Erfordernissen in Gegenwart und Zukunft Rechnung zu tragen.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Anzupassen!)

    Die Verkehrspolitik — das erleben wir tagtäglich — steht buchstäblich im Stau, und dies ist nicht nur auf dem Land der Fall, sondern zunehmend auch in der Luft. Die Überlastung unseres Straßennetzes wird jeden Tag offenkundiger. Mensch und Umwelt erstikken im Verkehrschaos.
    In dieser Situation, wo es nun eigentlich darauf ankommt, aus ökologischen und auch aus ökonomischen Gründen dafür zu sorgen, daß die Alternativen zum Individualverkehr — sprich: Bundesbahn und ÖPNV — ausgebaut und verbessert werden, fällt dieser Bundesregierung nichts anderes ein, als weitere 300 Millionen DM in den Straßenbau zu pumpen. Nun weiß ich ja, daß Sie das mit der finanziellen Enge begründen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Ob Sie's glauben oder nicht: Die Länder nehmen nun mal das Geld!)

    — Ach, Herr Kollege Pfeffermann! Wenn Ihre Zwischenrufe wenigstens Pfeffer hätten, dann wäre es ja noch gut. Aber es ist reiner Quark, was Sie da bringen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Es ist doch der Pfeffersack! — Börnsen [Bönstrup] [CDU/ CSU]: Dafür haben sie Pep!)

    Nun weiß ich ja, daß Sie dies mit der finanziellen Enge begründen, die durch die Plafondierung der Straßenbaumittel entstanden ist. Aber diese Enge, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie sich doch selbst geschaffen; die haben Sie doch selbst verursacht. Bei der letzten Beratung des Bundesverkehrswegeplans hat Ihnen doch die SPD gezeigt, welche Projekte als Neubaumaßnahmen überflüssig und unsinnig waren, welche ökologisch schädlich waren oder welche man durch andere Maßnahmen, z. B. Ausbau parallel laufender Landstraßen und Bundesstraßen, ersetzen konnte. Wir haben Ihnen sogar in einem Änderungsgesetz dies alles vorgeschlagen. Sie haben das abgelehnt. Nun müssen Sie die Folgen dieser verkehrten Politik selber tragen. Die finanzielle Enge haben Sie zu verantworten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: So ist das! — Dr. Jobst [CDU/CSU]: Haben Sie keine andere Ausflucht?)

    Im übrigen hat doch die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, Herr Kollege, daß Verkehrsprobleme nicht damit zu lösen sind, daß man noch mehr Straßen baut, daß man überlastete Straßen mit weiteren Spuren versieht. Der Verkehrsfluß ist ja nicht besser geworden. Er ist trotz dieser Maßnahmen schlechter geworden. Die Staus werden nicht kleiner, sondern größer. Wenn Sie wirklich etwas für den Straßenverkehr tun wollen, müssen Sie ihn entlasten;

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Aha!)

    müssen dafür sorgen, daß eine Entlastungswirkung eintritt. Da ist die Alternative z. B. in den Ballungsgebieten der Öffentliche Personennahverkehr.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Sie fahren ja alle Tage mit der U-Bahn!)

    Da müssen Sie weiterhin dafür sorgen, daß der kombinierte Verkehr auf der Schiene weiter ausgebaut wird.

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    Und dann müssen Sie dafür sorgen, daß die Verkehrssysteme vernünftig vernetzt werden, damit sie angenommen werden, wenn man umsteigen will.

    (Beifall bei der SPD)




    Purps
    In den Ballungsgebieten haben wir doch mittlerweile folgende Realität. Fast die gleiche Zeit, die Sie als Bürger brauchen, um in die City zu kommen, brauchen sie anschließend, um einen Parkplatz zu finden. Wenn ich Ihnen sage, was Sie an Kilometern zusätzlich verfahren — was sowohl für den Geldbeutel desjenigen, der da fährt, als auch für die Umwelt äußerst schädlich ist — , dann sehen Sie: Das ist doch in keiner Weise mehr zu verantworten.
    Das heißt, daß sowohl ökonomische wie ökologische Gründe zum Handeln zwingen, aber Sie setzen weiterhin stur auf den Straßenbau.
    Daß die jetzigen Strukturen den Straßenbau und die Benutzung des Pkw noch begünstigen, wissen wir. Der ÖPNV wird stiefmütterlich behandelt. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Seit Jahren ist uns ein Konzept für den Öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche versprochen worden. Ihr Vorgänger, Herr Minister Warnke, hat bei seinem Amtsantritt dies als einen Schwerpunkt seiner Verkehrspolitik herausgestellt. Damit hatte es sich. Das war's denn. Davon haben wir nie wieder etwas gehört. Ergebnisse sind bis heute nicht bekannt. Auch von Ihnen, Herr Minister, haben wir dazu bisher nichts gehört.
    Ich verkenne ja gar nicht, daß es ungleich schwieriger ist, einen optimalen ÖPNV in der Fläche herzustellen. Aber wenn man etwas verspricht, dann muß man das wohl halten. So ist die Regel. Oder man muß sagen: Ich kann es nicht, oder ich will es nicht. In diesem Fall würde ich sagen: Beides trifft zu. Denn wenn Sie den ÖPNV deckeln, wie Sie es gemacht haben, ist man aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, einen ÖPNV in der Fläche verkehrsgünstig auszubauen und das Notwendige zu tun.
    Ich sage Ihnen: Die Kürzung der ÖPNV-Mittel im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, auch des kommunalen Straßenbaus, und ihre Plafondierung waren der schwerste Fehler, den diese Regierung begangen hat. Das müßte umgehend rückgängig gemacht werden.
    Im übrigen wissen Sie selber: Wäre es bei der alten Regelung geblieben, dann stünden 1990 für ÖPNV und kommunalen Straßenbau 400 Millionen DM mehr zur Verfügung.
    Deswegen kann ich Sie nur auffordern, unserem Antrag auf Umschichtung von wenigstens 250 Millionen DM zuzustimmen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, beim Luftverkehr ist das Chaos am Himmel im vergangenen Jahr weiter gewachsen: Verspätungen, gestrichene Flüge, unmutige Reisende, Warteschleifen, unnötiger Kerosinverbrauch sind an der Tagesordnung. Das ist auf die Dauer, wenn sich da nichts ändert, ein schwerer Schlag gegen den Industriestandort Bundesrepublik Deutschland. Darüber müssen wir uns im klaren sein.
    Verkehrs- und Haushaltsausschuß haben diese Problematik schon vor zwei Jahren in die Diskussion gebracht, als die Regierung noch sanft schlief. Erforderlich ist die umgehende Neuorganisation der Flugsicherung, um zumindest erst einmal die personellen
    Probleme zu lösen und eine rasche unbürokratische Finanzierung bei den Investitionen sicherzustellen. Die Regierung tut von Anfang an so, als sei sie von diesen Entwicklungen im Luftverkehr vollkommen überrascht worden. In Wirklichkeit konnte jeder wissen, wie die Flottenpolitik z. B. der Lufthansa aussah, wie die Flottenpolitik der anderen Carrier aussah. Lesen Sie einmal nach, wie die Bestellungen weiterlaufen, wie die Liberalisierungspolitik war.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Die Liberalisierungspolitik war von der Regierung so gewollt! Das war gezielt!)

    Man konnte auch wissen, daß ein Großteil der heutigen Fluglotsen und Flugsicherungstechniker bald in Pension gehen würde. Vorsorge wurde nicht getroffen.
    Ihren Vorgänger, Herr Dr. Zimmermann, mußten wir zum Jagen tragen. Der Jäger Zimmermann hat sich zumindest erst einmal fußläufig selbst auf die Pirsch gemacht. Nur: Der Gesetzentwurf, der uns versprochen worden ist, ist bis heute nicht da. Angeblich scheitert es an Fragen der Verfassungsmäßigkeit. Dies, Herr Dr. Zimmermann, mögen Sie bitte mit Ihrem Kabinettskollegen Engelhard klären. Vielleicht gehen Sie mit Herrn Engelhard in der Vorweihnachtszeit einmal an einen unserer Flughäfen — nach Düsseldorf, nach Köln, nach Hamburg oder nach München — und erklären den dort von den Verspätungen geplagten Passagieren — ob sie nun eine Urlaubsreise antreten oder auf einer Geschäftsreise sind —, daß dies alles wohl nicht zu ändern sei, da man bestimmte verfassungsrechtliche Bedenken und Schwierigkeiten habe. Ich bin gespannt, welchen Beifall Sie da bekommen werden.

    (Gries [FDP]: Die SPD braucht nur zuzustimmen!)

    Im übrigen, Herr Minister: Nicht jeder Passagier — ich darf mir diese Bemerkung erlauben — ist in der Lage, wenn sein Jet Startverspätung hat, dem Tower mitzuteilen, es ginge um die Zulage der Fluglotsen, um auf diese Weise zehn Minuten später die Startfreigabe zu bekommen.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Das sitzt aber tief!)

    Das können Sie einmal machen, beim zweitenmal nicht mehr.
    Gehen wir einen Schritt weiter: Die Bahnpolitik der Bundesregierung erschöpft sich zur Zeit in der Bereitstellung von 1,5 Millionen DM für die Regierungskommission. Diese soll drei Jahre lang all die Dinge analysieren, diskutieren und zum Schluß kompilieren, die uns allen seit langer Zeit bekannt sind.
    Die Maßnahmen, die eigentlich ergriffen werden müßten, und zwar heute, liegen alle auf dem Tisch. Medizinisch gesprochen: Diagnose und Therapie stehen fest. Wofür brauchen wir eigentlich diese Kommission? Es gibt für die Einsetzung dieser Kommission eigentlich nur einen Grund, und dieser ist ganz deutlich herauszustellen: Man will sich über den Wahltermin retten. Nichts anderes wird hier gemacht,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: So ist das!)




    Purps
    weil man nämlich in der Bahnpolitik kein Konzept hat und glaubt, man könne auf diese Art und Weise die vollmundigen Versprechungen des Bundeskanzlers, die schon einige Jahre zurückliegen, etwas für die Bahn zu tun, ins Jahr 1991 hinüberretten.
    Die Alarmsignale bei der Bahn sind nicht zu überhören. Die Bahn selbst beziffert in ihrer Mittelfristplanung die Verluste bis zum Jahre 1994 auf 6,5 Milliarden DM pro anno. Die Schuldenabnahme durch den Bund in Höhe von 12,6 Milliarden DM wird in nur vier Jahren durch die Neuverschuldung vollkommen egalisiert.
    So ist die Situation. Das Personal schiebt Überstunden über Überstunden, der Urlaub muß verschoben werden, der Unmut des Personals wächst. Ich habe volles Verständnis für Demonstrationen, insbesondere jetzt auch beim Buspersonal, wenn man die entsprechenden Gelder streicht.
    Dies alles ist die Folge einer verkehrten Bahnpolitik.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Sehr richtig!)

    Die Bahnleitlinien der Bundesregierung werden auf dem Rücken der Bediensteten ausgetragen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Eine noch so schöne Fernsehwerbung für den IC, der so schön durch das Land fährt, kann gar nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Alltagswirklichkeit für den Normalkunden ganz anders aussieht: Verspätungen am laufenden Meter, veraltetes Material — besonders in ländlichen Regionen —, weitere Ausdünnung der Fahrpläne usw.
    Wer das zuläßt oder bewußt auch noch steuert, daß die Bundesbahn für den Kunden vollkommen unattraktiv wird, muß sich nicht wundern, daß die Abstimmung mit der Fahrkarte, wenn man denn am Schalter überhaupt noch eine bekommen kann, zuungunsten der Bahn ausgeht.

    (Walther [SPD]: Sehr richtig!)

    Dabei hätte die Bahn die. Chance, in einer engen Kooperation mit anderen Trägern des öffentlichen Personennahverkehrs wieder an Bedeutung zu gewinnen. In einer Netzplanung mit bestehenden Verkehrsgemeinschaften, in besserer Abstimmung des Fahrplans mit ihnen und in einer flexibleren Tarifgestaltung liegen die Chancen für die Bahn, auch in der Fläche Kunden zurückzugewinnen und dort zum Rückgrat des ÖPNV zu werden.
    Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Die Förderung des VT 628 — analog der Busfinanzierung, wie sie im geänderten GVFG vorgesehen ist — wäre schon eine Voraussetzung dafür, um die Bahn mit vereinfachter Betriebsweise auch auf den Nebenstrecken, um deren Erhalt wir alle als Kommunalpolitiker kämpfen, wieder zu einer Alternative im Verhältnis zum Individualverkehr werden zu lassen.
    Im Güterverkehr muß der kombinierte Verkehr weiter ausgebaut werden. Eine Verknüpfung der Verkehrsträger und eine Vernetzung der Verkehrswege ist geboten. Wir legen Ihnen deswegen noch einmal einen Antrag vor, Terminals für den kombinierten Ladeverkehr zusätzlich zu fördern.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ein wichtiger Punkt!)

    Wir nehmen die Mittel hierfür aus dem Straßenbau, denn wer wirklich helfen will, muß die Straßen jetzt entlasten.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Ideen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Bundesbahn liegen, wie gesagt, auf dem Tisch. Die SPD-Bundestagsfraktion hat schon seit längerem ein klares Konzept mit punktgenauen Gesetzentwürfen vorgelegt, die der Bahn wenigstens ein Stück der Chancengleichheit zurückgeben, die sie im Verhältnis und in Konkurrenz zu den anderen Verkehrsträgern braucht. Sie haben sich bisher immer ablehnend verhalten. Sie verlassen sich auf eine vor sich hinwurstelnde Kommission und steuern die Bahn sehenden Auges in das finanzielle Desaster.

    (Kohn [FDP]: Das ist doch Unsinn!)

    Meine Damen und Herren, bei der Aufstellung des Bundeshaushalts für 1990 und bei seiner Beratung im Haushaltsausschuß war noch nicht abzusehen, welche finanziellen Auswirkungen sich aus der Tatsache ergeben, daß die gewaltigen revolutionären Veränderungen in der DDR und den übrigen Ostblockstaaten neue Verkehrsströme für Menschen und für Güter schaffen werden. Die Öffnung der Grenzen schafft diese Probleme deren Bewältigung wir gemeinsam in der Bundesrepublik und in der DDR angehen müssen. Insofern stimmen wir den Ausführungen des Bundeskanzlers zu.
    Wir sollten es in der Feinabstimmung allerdings vermeiden, daß sich die Fehler von gestern hier in der Bundesrepublik wiederholen. Es besteht nämlich eine einmalige Chance, neue Verkehrskonzepte im grenzüberschreitenden ÖPNV zu verwirklichen und die Bedeutung der Bahn zu vergrößern, den Kombi-Verkehr auszubauen und die hin- und zurückflutende Pkw- und Lkw-Blechlawine, die wahrscheinlich auf uns zukommt, auf das unbedingt nötige Maß zu reduzieren.
    Wir brauchen neue Grenzübergänge für den Schienenverkehr. Zusätzliche Zugverbindungen müssen eingerichtet werden. Kooperation im grenzüberschreitenden ÖPNV und Verbesserung der Straßenübergänge zwischen der Bundesrepublik und der DDR zur Vermeidung der uns bekannten Rückstaus sind dringend in Angriff zu nehmen.
    Die finanzielle Hilfe für Berlin, das zur Zeit und auch in der Zukunft die Hauptlast des Reiseverkehrs tragen wird, ist zu verstärken. Mit dem bisherigen Bestand an Transportkapazitäten — siehe Busse, S-Bahn — ist dies nicht zu bewältigen. Dies hat die Erfahrung der letzten Wochen gezeigt. Ich hoffe, daß in dem Gespräch zwischen dem Regierenden Bürgermeister Momper und dem Bundeskanzler am Freitag diese Problematik von beiden richtig erkannt wird und daß die finanziellen Notwendigkeiten richtig bedacht werden.

    (Zustimmung bei der SPD)




    Purps
    Wenn nämlich die Finanzierung von unserer Seite nicht sichergestellt wird, lassen sich keine Verbesserungen erreichen. Dies kann nicht im Sinne der jetzt erreichten und der sich jetzt entwickelnden Zusammenführung der Menschen aus beiden Teilen Deutschlands sein. Im übrigen sollte dies alles recht zügig und auch unbürokratisch vonstatten gehen.
    Wenn es darum geht, daß wir unter Berücksichtigung dieser neuen Gegebenheiten wohl auch den Bundesverkehrswegeplan ergänzen müssen und daß im nächsten Jahr mit Sicherheit ein Nachtragshaushalt ansteht, dann hoffe ich, daß zwischen den Fraktionen des Bundestages wenigstens in diesem Punkt Einigkeit hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für die Schienenverbindung zwischen Berlin und der Bundesrepublik über Hannover.
    Technische und finanzielle Hilfen sind nötig, wenn die DDR ihr Verkehrssystem leistungsfähiger gestalten und ausbauen will. Wir haben gemeinsam alle Chancen zu nutzen, um die deutsch-deutschen Verkehrsverbindungen zu verbessern. Die SPD ist dazu bereit. Lassen Sie uns dies, wenn es geht, gemeinsam tun, gemeinsam im Deutschen Bundestag und gemeinsam mit den zuständigen Stellen in der DDR. Die Voraussetzungen für ein Zusammenwachsen der Bundesrepublik und der DDR im Verkehrssektor sollten und müßten im Konsens geschaffen werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die mögliche Gemeinsamkeit in dieser Frage ändert aber gar nichts daran, daß die SPD die Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, so wie sie sich hier und heute darstellt, so wie sie sich im Zahlenwerk des Einzelplans 12 manifestiert, ablehnt.
    Die Bundesregierung und ihr Verkehrsminister sind nicht in der Lage, das notwendige Gesamtverkehrskonzept vorzulegen, welches ein sinnvolles Miteinander der verschiedenen Verkehrsträger beinhaltet. Die einseitige Bevorzugung der Straße auf der einen Seite und die Benachteiligung der Bahn auf der anderen Seite, die finanzielle Einschnürung des öffentlichen Personennahverkehrs und die mangelnde Unterstützung des kombinierten Ladeverkehrs dokumentieren Ihre verkehrspolitische Handlungsunfähigkeit.

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    Den vorgelegten Haushalt lehnen wir aus diesen Gründen ab.
    Wir werden auch die Anträge der GRÜNEN ablehnen. Sie sind entweder gewaltig überzogen

    (Walther [SPD]: Unseriös sind die!)

    oder — das gilt für den gerade vorgelegten Antrag —Schau,

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Sie sind großartig!)

    oder sie sind überhaupt nicht vernünftig; das gilt z. B. für den Antrag auf totale Streichung der Mittel für den Fernstraßenbau. Sie wissen doch — jedenfalls sollten Sie das eigentlich wissen — , daß Sie damit Arbeitslosigkeit schaffen

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Neue Arbeitsplätze werden doch im ÖPNV geschaffen! Gegenruf von der SPD: Ihr wollt doch das Chaos!)

    und nicht einmal mehr den Erhalt des bestehenden Netzes garantieren können. Ich kann Ihnen, Frau Kollegin Vennegerts, nur sagen: Lesen Sie nicht immer wieder das vor, was Ihnen irgendwelche klugen Mitarbeiter aufschreiben,

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Ihr habt doch abgeschrieben, nur weniger eingesetzt, ihr Schlappschwänze!)

    sondern machen Sie sich selbst Gedanken, und kommen Sie auch einmal zu einem vernünftigen Verkehrskonzept; dann geht es. — Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)