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    Plenarprotokoll 11/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13325 A Absetzung der Punkte 12 c) und e) sowie 17 von der Tagesordnung 13326 A Änderung des Beschlusses betr. die Überweisung des Entwurfs eines Wohnungsbauförderungsgesetzes an Ausschüsse . . . . 13326 A Nachträgliche Überweisung des Entwurfs eines Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes an den Verteidigungsausschuß zur Mitberatung 13326 A Begrüßung einer Delegation finnischer Parlamentarier 13380 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 27. November 1989 . . 13397 C Tagesordnungspunkt 10: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Polenreise und zur Lage in der DDR b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Nichtigkeitserklärung zum Hitler-StalinPakt (Drucksache 11/5273) c) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Einführung des Themas „Europäische Friedensordnung" in den KSZE-Prozeß (Drucksache 11/5276) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Verurteilung des Hitler-Stalin-Paktes (Drucksache 11/5683) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zur Öffnung der deutsch-deutschen Grenze und zur Deutschlandpolitik (Drucksache 11/5691) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Zur Unterstützung der Reformen und Soforthilfe für Polen (Drucksache 11/5692) Dr. Kohl, Bundeskanzler 13326D Brandt SPD 13335 C Dr. Waigel CDU/CSU 13340A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 13344 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13347 A Momper, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 13352 C Rühe CDU/CSU 13356A Koschnick SPD 13361A Genscher, Bundesminister AA 13364 B Frau Dr. Schreyer, Senator des Landes Berlin 13367 A Roth SPD 13368B Dr. Hornhues CDU/CSU 13370 C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13372 D Bahr SPD 13375 C Wüppesahl fraktionslos 13377 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 Stobbe SPD 13379 B Becker (Nienberge) SPD (nach § 31 GO) 13380D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE (nach § 31 GO) 13381 A Tagesordnungspunkt 11: Beratungen ohne Aussprache a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung für Arzneimittel für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (Drucksachen 11/138 Nr. 3.45, 11/392, 11/1191) b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 136 zu Petitionen (Drucksache 11/5473) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Dritten Zusatzprotokoll vom 20. April 1989 zu dem Protokoll zu dem Europäischen Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen (Drucksachen 11/5319, 11/5696) d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Drucksachen 11/5585, 11/5701) e) Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Pick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung (Drucksachen 11/5483, 11/5701) f) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (Drucksachen 11/5584, 11/5673) 13381 C Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und die Förderung ihrer Entwicklung, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen in der Gemeinschaft (Drucksachen 11/4405 Nr. 3.3, 11/4860) 13382 B Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf einer Richtlinie des Rates zur Einführung eines gemeinschaftlichen Verfahrens zur Gewährleistung der Transparenz der vom industriellen Endverbraucher zu zahlenden Gas- und Strompreise zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1056/72 über die Mitteilung der Investitionsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse auf dem Erdöl-, Erdgas- und Elektrizitätssektor an die Kommission zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Transit von Elektrizitätslieferungen über die großen Netze (Drucksachen 11/5497 Nr. 2.5, 2.6, 11/5642 Nr. 3.10, 11/5693) 13382 C Zusatztagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (Drucksache 11/5700) 13382 D Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes (Drucksache 11/5392) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache 11/5646) bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 11/5649) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau (Drucksachen 11/5318, 11/5647) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle: Neuer Konsens zur Sicherung der Arbeitsplätze im Bergbau und zum ökologischen Umbau der Kohlereviere (Drucksachen 11/1476, 11/5633) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 III f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Stratmann, Dr. Daniels (Regensburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ersatz des Kohlepfennigs durch eine Primärenergie- und Atomstromsteuer (Drucksachen 11/3655, 11/5634) Gerstein CDU/CSU 13384 C Müller (Wadern) CDU/CSU 13384 D Jung (Düsseldorf) SPD 13386 C Dr.-Ing. Laermann FDP 13388 C Stratmann GRÜNE 13389 D Dr. Sprung CDU/CSU 13391 B Schreiner SPD 13392 C Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi . 13395 C Tagesordnungspunkt 13: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) (Drucksachen 11/3919, 11/5532) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz) (Drucksachen 11/1844, 11/5532, 11/5617) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag des Abgeordneter Dr. Hartenstein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umweltverträglichkeitsprüfung (Drucksachen 11/1902, 11/5532) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes (Drucksachen 11/4015, 11/5601) Brauer GRÜNE (zur GO) 13398 C Dr. Rüttgers CDU/CSU (zur GO) 13398 D Frau Weyel SPD (zur GO) 13399 A Dörflinger CDU/CSU 13399 A Frau Dr. Hartenstein SPD 13401 C Baum FDP 13404 A Brauer GRÜNE 13405 A Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 13406 B Kiehm SPD 13408 B Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag des Abgeordneten Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kündigung des deutsch-brasilianischen Abkommens über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu dem Antrag des Abgeordneten Stratmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kündigung des Deutsch-Brasilianischen Atomvertrages von 1975 (Drucksachen 11/5266, 11/5358, 11/5624) Bachmaier SPD 13410 C Jäger CDU/CSU 13411D Stratmann GRÜNE 13414A, 13419B Timm FDP 13415B Frau Ganseforth SPD 13416C Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 13417 C Zusatztagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung schadstoffarmer Personenkraftwagen (Drucksachen 11/5289, 11/5495, 11/5623, 11/ 5676) Schulhoff CDU/CSU 13420 D Opel SPD 13422 C Gattermann FDP 13424 D Hüser GRÜNE 13425 D Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler und Übersiedler (Eingliederungsanpassungsgesetz — EinglAnpG) (Drucksachen 11/5110, 11/5677, 11/5678) Dr. Czaja CDU/CSU 13427 B Frau Hämmerle SPD 13428 D Lüder FDP 13430A Meneses Vogl GRÜNE 13431 A Sielaff SPD 13432 A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 13433 B Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und des Arbeitsplatzschutzgesetzes (Drucksachen 11/5058, 11/5614, 11/5618) IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 Breuer CDU/CSU 13435 D Steiner SPD 13436 D Nolting FDP 13437 D Frau Hürland-Büning, Parl. Staatssekretär BMVg 13438 C Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Bericht und den Empfehlungen der Enquete-Kommission „Gestaltung der technischen Entwicklung; Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 5. November 1987 (Drucksachen 11/220, 11/311, 11/403, 11/979): Zur Notwendigkeit und Ausgestaltung einer ständigen Beratungskapazität für Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rüttgers, Dr. Kronenberg, Dr. Mahlo, Kraus, Lenzer und der Fraktion der CDU/ CSU sowie des Abgeordneten Dr. Hitschler und der Fraktion der FDP: Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag zu dem Antrag des Abgeordneten Schreiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Technikfolgenabschätzung und -gestaltung beim Deutschen Bundestag zu dem Antrag der Abgeordneten Schreiner, Westphal, Bulmahn, Paterna, Vosen, Catenhusen, Fischer (Homburg), Ganseforth, Grunenberg, Lohmann (Witten), Nagel, Seidenthal, Vahlberg, Bernrath, Dr. Klejdzinski, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Technikfolgenabschätzung und -gestaltung beim Deutschen Bundestag zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Rust und der Fraktion DIE GRÜNEN: Institutionalisierung von TechnikfolgenAbschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Rust und der Fraktion DIE GRÜNEN zur Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Rust und der Fraktion DIE GRÜNEN: Praxis und Perspektiven der Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung (Drucksachen 11/4606, 11/4749, 11/4377, 11/4832, 11/4828, 11/5489) Dr. Rüttgers CDU/CSU 13440 B Schreiner SPD 13442 B Dr. Hitschler FDP 13444 D Frau Rust GRÜNE 13446 D Dr. Kronenberg CDU/CSU 13448 C Frau Bulmahn SPD 13450 A Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Nickels, Frau Schoppe, Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer Gedenk- und Dokumentationsstätte im ehemaligen Konzentrationslager Salzgitter-Drütte (Drucksache 11/786) Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13452 C Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 13453 B Schmidt (Salzgitter) SPD 13454 A Lüder FDP 13455 A Tagesordnungspunkt 19: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Rust, Frau Olms, Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sanktionen gegen die Militärdiktatur in Chile (Drucksachen 11/894, 11/3930) b) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung für die Bemühungen um Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Chile und um Gerechtigkeit für ihre Opfer (Drucksachen 11/2985, 11/3931) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortige Aufnahme der in Chile mit der Todesstrafe bedrohten politischen Gefangenen (Drucksachen 11/2986, 11/4391) d) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung der Oppositionspresse in Chile (Drucksachen 11/2987, 11/3929) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Präsidentschaftswahlen in Chile (Drucksache 11/5688) Meneses Vogl GRÜNE 13456 D Dr. Müller CDU/CSU 13457 C Waltemathe SPD 13458B Irmer FDP 13459 D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 V Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 13460 C Meneses Vogl GRÜNE (Erklärung nach § 31 G0) 13461 B Dr. Müller CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13461 C Tagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Stopp des Abbaus von Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (Drucksache 11/5467) Andres SPD 13462A, 13469 A Scharrenbroich CDU/CSU 13464 A Hoss GRÜNE 13467 B Heinrich FDP 13467 D Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 13470 C Andres SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 13472 A Vizepräsidentin Renger 13472 B Zusatztagesordnungspunkt 15: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Radioaktive Bestrahlung von Lebensmitteln (Drucksachen 11/1745, 11/4421) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über mit ionisierenden Strahlen behandelte Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile (Drucksachen 11/4081 Nr. 2.14, 11/4186, 11/5104) Frau Saibold GRÜNE 13472 D Frau Limbach CDU/CSU 13473 C Frau Dr. Götte SPD 13473 D Frau Würfel FDP 13474 C Chory, Staatssekretär BMJFFG 13475 B Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : Fragestunde — Drucksache 11/5641 vom 10. November 1989 — 13381 C Nächste Sitzung 13475 D Berichtigung 13476 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 13477* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hinsken und Lattmann zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes (TOP 12a) 13477* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 13477* D Anlage 4 Nichterteilung eines Sichtvermerks für die Ehefrau des in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Mohamed Askcen Awan durch die deutsche Botschaft in Islamabad; Zustimmung zur Erteilung des Sichtvermerks durch die Ausländerbehörde in Osnabrück MdlAnfr 1, 2 — Drucksache 11/5641 — Dr. Emmerlich SPD SchrAntw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 13478* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 13325 176. Sitzung Bonn, den 16. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    13476 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 Berichtigung 175. Sitzung, Seite IV linke Spalte: Bei Anlage 7 betrifft die Inhaltsangabe in den Zeilen 5 bis 7 Umschichtung der Mittel für die Magnetbahn „Transrapid" zugunsten der Bahn insbesondere ihres ICE-Netzes die Frage 11, die nicht von dem Abgeordneten Uelhoff (CDU/CSU), sondern von dem Abgeordneten Zierer (CDU/CSU) gestellt wurde. Bei der auf Seite 13319 bei Anlage 7 abgedruckten zweiten Frage handelt es sich um die Frage 11 des Abgeordneten Zierer und unten bei „zu Frage 11" um die entsprechende Antwort. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 17. 11. 89 * Antretter SPD 16. 11. 89 * Büchner (Speyer) SPD 17. 11. 89 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 17. 11. 89 * Conradi SPD 17.11.89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 17. 11. 89 Frau Eid GRÜNE 17. 11. 89 Fellner CDU/CSU 17.11.89 Gallus FDP 16.11.89 Gerster (Mainz) CDU/CSU 17. 11. 89 Dr. Götz CDU/CSU 17. 11. 89 Graf SPD 17.11.89 Dr. Haack SPD 17. 11. 89 Haack (Extertal) SPD 17. 11. 89 Dr. Haussmann FDP 17. 11. 89 Hedrich CDU/CSU 17.11.89 Heimann SPD 17.11.89 Kastning SPD 17.11.89 Frau Kelly GRÜNE 17. 11. 89 Klein (Dieburg) SPD 17. 11. 89 Klose SPD 16.11.89 Dr. Kreile CDU/CSU 17. 11. 89 Lennartz SPD 16.11.89 Lenzer CDU/CSU 17. 11. 89 * Frau Luuk SPD 17. 11. 89 Frau Dr. Niehuis SPD 17. 11. 89 Paintner FDP 17. 11.89 Rappe (Hildesheim) SPD 16. 11. 89 Reddemann CDU/CSU 17. 11. 89 * Frau Rock GRÜNE 17. 11. 89 Schäfer (Mainz) FDP 16. 11. 89 Dr. Scheer SPD 17. 11. 89 * Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 17. 11. 89 Schröer (Mülheim) SPD 17. 11. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 17. 11. 89 Seehofer CDU/CSU 17. 11.89 Dr. Soell SPD 17. 11. 89* * Dr. Todenhöfer CDU/CSU 17. 11. 89 Toetemeyer SPD 16.11.89 Frau Trenz GRÜNE 17. 11. 89 Verheugen SPD 17.11.89 Volmer GRÜNE 17.11.89 Vosen SPD 16.11.89 Dr. Wieczorek SPD 17. 11. 89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 17. 11. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hinsken und Lattmann (beide CDU/CSU) zur Abstimmung Ober den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes (TOP 12 a) Mit dem Gesetz wird zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gemacht, weil der Revierausgleich und der Erschwerniszuschlag für niederflüchtige Kohle im wesentlichen über die Haushalte und den Selbstbehalt des Kohlebergbaus abgedeckt wird, aber es reicht bei weitem nicht aus. Aus der Sicht der Bürger und der Wirtschaft revierferner Länder ist u. a. insbesondere anzumerken: - dem CO2-Problem wird nicht Rechnung getragen - der „Kohlepfennig" ist zu hoch; die Abnahmeschritte sind viel zu klein - die Plafondierung des Ölausgleichs wurde nicht durchgesetzt; damit bleibt der Beitrag der Kraftwirtschaft zu gering - eine stärkere regionale Spreizung des Kohlepfennigs ist unterblieben, d. h. die Revierländer übernehmen nicht in erforderlichem Ausmaß die notwendige regionalpolitische Eigenverantwortung - der Konsens über den Einsatz von Kernenergie und Kohle bleibt von den SPD-geführten Regierungen der Revierländer aufgekündigt. Aus diesen Gründen können wir dem Gesetz nicht zustimmen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. November 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Viertes Gesetz zur Änderung des Vieh- und Fleischgesetzes Gesetz zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes Gesetz über den Beruf der Orthoptistin und des Orthoptisten (Orthoptistengesetz - OrthoptG) ... Gesetz zur Änderung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte Gesetz zu dem Abkommen vom 16. April 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zum Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 zum Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen Gesetz zu der Erklärung vom 11. Dezember 1986 zu dem Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride 13478* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. November 1989 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Das vorliegende Änderungsgesetz sieht in § 1 unverändert vor, daß sämtliche Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Deutschen Bundestag aus seiner Mitte gewählt werden. Der Bundesrat bedauert, daß der Deutsche Bundestag ihm nach wie vor eine Beteiligung in den Versammlungen des Europarates, der Westeuropäischen Union und auch in der Interparlamentarischen Union verwehrt und sich damit überzeugenden rechtlichen und fachlichen Gründen verschließt. Der Bundesrat erinnert an seine Entschließung vom 28. Juli 1950 (BR-Drucksache 602/50) sowie an den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drucksache 467/57) und an seinen im wesentlichen Bleichlautenden Gesetzentwurf (BR-Drucksache 453/65), die eine Beteiligung auch des Bundesrates in der Versammlung des Europarates vorsahen. Die Beteiligung der Gesetzgebungsorgane des Bundes an der internationalen Zusammenarbeit muß nach Auffassung des Bundesrates im Einvernehmen zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat geregelt werden. Der Bundesrat ist davon überzeugt, daß eine Regelung gefunden werden kann, die den Interessen von Bundestag und Bundesrat gerecht wird. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 8. November 1989 ihren Antrag Zur politischen Entwicklung in Polen — Drucksache 11/ 5195 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachfolgenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2201 Drucksache 11/2619 Drucksache 11/4174 Drucksache 11/4644 Drucksache 11/5064 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/554 Drucksache 11/1677 Drucksache 11/3407 Drucksache 11/3802 Drucksache 11/3898 Drucksache 11/4611 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/3021 Nr. 2.3 Drucksache 11/4680 Nr. 2.4 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/3703 Nr. 2.10, 2.12-2.19, 2.21-2.25 Drucksache 11/3831 Nr. 11 Drucksache 11/4680 Nr. 2.10, 2.11 Drucksache 11/4758 Nr. 2.13-2.29 Drucksache 11/4874 Nr. 2.1 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/5051 Nr. 45-50 Drucksache 11/5145 Nr. 3.34 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/4680 Nr. 2.14 Anlage 4 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Adam-Schwaetzer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Emmerlich (SPD) (Drucksache 11/5641 Fragen 1 und 2) Aus welchen Gründen ist der Antrag von Frau T. A., verheiratet mit dem seit 1976 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und seit 1988 eine Aufenthaltsberechtigung innehabenden M. A. A., auf Erteilung eines Sichtvermerks von der deutschen Botschaft in Islamabad bis heute nicht beschieden worden? Trifft es zu, daß die Ausländerbehörde der Stadt Osnabrück bereits mit Schreiben vom 21. Juni 1988 und erneut mit Schreiben vom 13. Juli 1988 die Zustimmung zur Erteilung des Sichtvermerks erteilt hatte? Zu Frage 1: Die Botschaft Islamabad hat bisher keinen Sichtvermerk ausgestellt, da nach ihren Erkenntnissen der erhebliche Verdacht besteht, daß der pakistanische Ehemann der Antragstellerin seine Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet durch strafbare Handlungen erlangt hat. Er hat trotz fortbestehender Ehe mit der Antragstellerin und unter Vorlage gefälschter pakistanischer Scheidungsdokumente eine deutsche Staatsangehörige geheiratet. Nach der dadurch erlangten Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland hat er sich wieder von der deutschen Ehefrau scheiden lassen, um dann unter Vorlage einer neuen jedoch gefälschten pakistanischen Heiratsurkunde die Antragstellerin im Wege des Ehegattennachzuges in die Bundesrepublik Deutschland nachziehen zu lassen. Zu Frage 2: Mit Schreiben vom 21. 6. 1988 stimmte die Ausländerbehörde der Stadt Osnabrück der SichtvermerksErteilung für die Dauer eines Monats zu. Das Schreiben vom 13. 7.1988 stellt die Antwort der Ausländerbehörde auf die Bitte der Botschaft Islamabad dar, die geschilderten Verdachtsmomente zu überprüfen. Sie konnten durch die Ausländerbehörde damals nicht bestätigt werden, so daß die Botschaft weitere Ermittlungen vor Ort anstellen mußte. Die zuletzt gewonnenen Erkenntnisse der Botschaft, die unter anderem den Verdacht auf Bigamie und Betrug bestätigen, wurden der Ausländerbehörde Osnabrück am 31. 10. 1989 zur abschließenden Stellungnahme übersandt, die noch nicht vorliegt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Also, ich wußte nicht, daß der Stellenwert der Kollegen Ehmke, Bahr und auch Lafontaine so niedrig ist, daß Sie deren Worte überhaupt nicht mehr anerkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Rühe
    Wir stimmen darin überein: Unsere Landsleute in der DDR müssen, nachdem es dort freie Wahlen gegeben hat, in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts entscheiden, ob sie mit uns in einem Staat zusammenleben wollen. Sie sind frei in ihrer Entscheidung. Aber wir müssen und wir sollten ihnen auch sagen, was wir wollen, wofür wir werben: daß wir die Einheit aller Deutschen wollen und nicht nur bereit sind, sie gegebenenfalls in Kauf zu nehmen.
    Wer heute nur vom Wiedersehen statt von der Wiedervereinigung spricht, der schätzt erneut die Mehrheit der Menschen in unserem Lande falsch ein und springt zu kurz.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das weiß der Rühe!)

    Es ist überhaupt gar keine Frage, daß es in diesen Tagen den Menschen um das Wiedersehen geht, um die menschliche Wiedervereinigung. Aber wer glaubt, die deutsche Frage auf ein Wiedersehen reduzieren zu können, der begeht den nächsten historischen Irrtum, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Feilcke [CDU/CSU]: Der will auch keine Einheit!)

    Herr Momper, Sie haben über das Begrüßungsgeld gesprochen und gesagt, hier müßten sich einige schämen. Ich muß Ihnen sagen: Jeder zivilisierte Staat hat die Verpflichtung, seinen Bürgern auch Devisen — und die DDR erwirtschaftet mehr Devisen als Polen und Ungarn — für die Reisen ins Ausland zur Verfügung zu stellen. Schämen muß sich die SED, daß sie ihre Bürger in diese Situation bringt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Menschen, die zu uns kommen und das Begrüßungsgeld verbraucht haben, die fragen uns, was sie tun müssen, um mit uns vergleichbar leben zu können. Wir müssen sie offen informieren über die Voraussetzungen für einen politischen und wirtschaftlichen Aufschwung. Es geht, wie gesagt, gar nicht darum, Bedingungen zu stellen. Und deswegen kann ich das gar nicht verstehen, warum so viele immer davor warnen, wir mischten uns zu sehr ein. Es geht darum aufzuklären, wie bei uns Freiheit und Wohlstand geschaffen werden konnten. Es geht darum, ihnen offen und ungeschminkt zu sagen, auf welcher Grundlage wir unser Gemeinwesen geschaffen haben.
    Herr Vogel, Sie haben angefangen in dieser Stunde, in diesen Tagen mit einer neuen Legende,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist er denn?)

    daß nämlich der Reformkommunismus in Mittel- und Osteuropa, in der DDR, die Stunde der Wiedergeburt des Sozialismus sei. Ich muß Ihnen sagen: Es gibt wirklich nur einen Sozialismus, den jeweils realen — und der funktioniert nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Mein Gott! — Dr. Daniels [Regensburg] [GRÜNE]: Der Siegestaumel!)

    Wir müssen mal einen Augenblick darüber nachdenken — —

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Er funktioniert sehr wohl, aber nur für sehr wenige!)

    — Graf Lambsdorff sagt zu Recht: „Er funktioniert sehr wohl, aber nur für sehr wenige! "

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich muß hinzufügen: Die wenigen, für die er funktioniert hat, sehen sich jetzt Gerichtsverfahren gegenüber. Das sind die Hauptgesprächspartner von Ihnen, Herr Ehmke, und von anderen gewesen. Ich hoffe, daß Sie dort nicht als Zeuge gehört werden müssen. Ja, so ist das.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie waren doch gar nicht da!)

    Nur derjenige, der wirtschaftlich erfolgreich und politisch stabil ist, kann anderen helfen. Deswegen stellt sich die Frage der Hilfsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Ich muß Ihnen sagen: Wenn Sie heute mit Wirtschaftsreformern im Osten sprechen, dann sagen diese: Wir haben ein großes Problem. Das Grundübel unserer Gesellschaft ist die staatliche Verfügung über Produktionsmittel.
    Wenn Sie in Ihre Programme schauen, Herr Ehmke, in das, was Sie ausgearbeitet haben, so finden Sie dort: Das Grundübel unserer Gesellschaft ist die private Verfügung über Produktionsmittel. Wenn Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen zum Tragen kämen, dann wäre die Bundesrepublik Deutschland international hilfsunfähig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich kann mir schon heute vorstellen, welcher Schrekken durch die Gesichter von Polen und Ungarn und unserer Landsleute in der DDR ginge, wenn sie sich mit einer rotgrünen Wirtschaftspolitik konfrontiert sähen. Das wäre für sie ein Alptraum, weil sie genau wissen, daß es dann niemanden mehr gäbe, der ihnen helfen könnte, Herr Ehmke.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das sind Leute, die für sich selbst reden können! Sie sind ein überheblicher Pinsel!)

    Wenn wir hier bei uns um die richtige Wirtschaftspolitik kämpfen,

    (Roth [SPD]: Deshalb wurde bekanntlich Momper ausgepfiffen!)

    ist das gleichzeitig die beste Hilfe für die Menschen in Ungarn, in Polen und in der DDR. Das wissen übrigens auch die Kommunisten dort, Herr Ehmke.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Was den Sozialismus angeht, wobei Herr Vogel nach seiner Meinung den guten Klang dieses Namens retten will

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])




    Rühe
    — ich weiß, daß Sie wieder so unruhig wie Anfang September sind, Herr Kollege Ehmke; aber vielleicht haben Sie noch einen Augenblick Geduld mit mir —,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wenn Sie reden, wächst jede Minute unsere Siegeshoffnung!)

    möchte ich Valentin Falin zitieren, der vor kurzem im
    Gespräch mit einem deutschen Besucher gesagt hat
    — dem kann man gar nichts hinzufügen — : Sozialismus, das ist doch immer nur Krieg gegen das eigene Volk.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ein Kenner der deutschen Geschichte!)

    Die Chancen und Risiken, die sich mit den epochalen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa ergeben, verlangen, daß wir unsere Deutschland-, Europa-und Bündnispolitik in einem politisch schlüssigen Gefüge miteinander verknüpfen. Für die Bündnisse in Ost und West stellen sich für die nächsten Jahre vier ganz konkrete Aufgaben.
    Erstens. Das Atlantische Bündnis bleibt die Wertegemeinschaft, die unsere Westbindung begründet hat. Es bleibt unsere Versicherungspolice gegen das Risiko des Scheiterns östlicher Reformpolitik oder den Rückfall in die Unvernunft der Remilitarisierung der Beziehungen zwischen Ost und West.
    Zweitens. Der Warschauer Pakt bleibt lockere Klammer zwischen der Sowjetunion und ihren Verbündeten,

    (Dr. Daniels [Regensburg] [GRÜNE]: Hoffentlich bleibt er erhalten!)

    selbst wenn sich diese zusehends zu Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen entwickeln.
    Drittens. Beide Bündnisse müssen verantwortungsvoll ihre Rolle für das politische Management des OstWest-Dialogs über Abrüstung und Rüstungskontrolle wahrnehmen, damit die sicherheitspolitische Grundbedingung für die eigentliche Zukunftsaufgabe hergestellt wird: die Ausschaltung der Invasionsfähigkeit des Warschauer Pakts und ein schnelles Verhandlungsergebnis in Wien.
    Viertens. Beide Bündnisse bilden den sicherheitspolitischen Rahmen für neue Arten der Zusammenarbeit auf allen Feldern und für den Ausbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung, die schließlich auch die deutsche Frage löst.
    Entsprechend wird in der Gipfelerklärung der NATO am 30. März gesagt: Wir wollen die schmerzliche Teilung Europas, die wir niemals hingenommen haben, überwinden. Diese beiden Zukunftsaufgaben der Bündnisse stehen in enger Wechselbeziehung. So wichtig es ist, in Wien schnell zum Erfolg zu kommen, so wenig bedeutet Abrüstung Ersatz für die phantasievolle politische Neugestaltung Europas. Ein Abrüstungsvertrag darf weder hinter der politischen Dynamik herhinken noch die Chancen der Neuordnung verbauen. Es geht darum, der Abrüstung jetzt verstärkt eine politische Dimension für die Neugestaltung Europas zu geben, die mit Stabilität alleine nicht hinreichend beschrieben ist. Der politische Status quo in Europa ist so lange keine Lösung und muß instabil
    bleiben, solange er sich auf Gewalt gründet, die keine Freiheit und Menschenrechte zuläßt. Echte politische Stabilität und dauerhaften Frieden wird es erst geben, wenn alle Völker auf unserem Kontinent ihren Frieden mit den Menschenrechten gemacht haben.
    Für den Westen stellt sich auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung eine mehrfache Aufgabe.
    Erstens. Wir müssen uns weiterhin der Sache der Freiheit annehmen, müssen zeigen, wem unsere Sympathie gehört, müssen handeln in tätiger Hilfe.
    Zweitens. Wir müssen den europäischen Integrationsprozeß mit Kraft und auch Überzeugung vorantreiben, um Europas ökonomische, kulturelle, strategische und politische Kräfte zusammenzufassen.
    Drittens. Wir müssen den europäischen Pfeiler der Allianz so weit ausbauen, daß Europa stärker als eigenständige politische und strategische Kraft handeln kann und ein tatsächlich gleichberechtigter Partner der USA im westlichen Bündnis wird.
    Viertens. Wir müssen den Völkern, die sich von der Europäischen Gemeinschaft angezogen fühlen, eine Perspektive für die Aufnahme bieten.
    Ich möchte jetzt am Ende meiner Rede einen großen Deutschlandpolitiker der CDU zu Wort kommen lassen, von dem ich sicher bin, daß er an meiner Stelle hier gesprochen hätte, wenn er noch leben würde. Das ist Johann Baptist Gradl. Ich habe in den letzten Tagen in seinen Büchern geblättert und möchte hier einmal kurz ein Zitat aus einer Rede vortragen, die er genau vor zehn Jahren zum Jahrestag „30 Jahre DDR und 30 Jahre Exil-CDU" gehalten hat. Johann Baptist Gradl, von dem wir wissen, daß er von allen in diesem Hause immer sehr als deutscher Patriot geschätzt wurde, hat dort gesagt:
    Jeder, der nach 1945 im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands als freiheitlich gesinnter Demokrat gewirkt hat, wird sich auch aus dem jetzigen Anlaß
    — also 30 Jahre DDR, 30 Jahre Exil-CDU —
    wieder fragen, ob sein Einsatz einen Sinn hatte. Das Unheil der Auseinanderentwicklung der Teile Deutschlands, die sowjetisch-kommunistische Spaltungspolitik hat ja nicht verhindert werden können.
    Gradl sagte weiter:
    Aber manchmal zahlt eben die Geschichte ihren Lohn erst spät aus. Wir resignieren deshalb nicht.
    Er hat dann hinzugefügt:
    30 Jahre sind im Leben des einzelnen eine lange Zeit. Wir sollten uns immer wieder vor Augen halten, was es heißt, ein Jahrzehnt nach dem anderen in politischer Unfreiheit und ideologischem Zwang leben zu müssen. Uns im freien Teil Deutschlands ist die Freiheit nicht nur für uns gegeben, sondern dafür, daß wir sie auch für die Deutschen drüben nutzen.
    Ich finde, daß die letzten Sätze auch ein Kommentar zu der Debatte sind, ob wir uns einmischen dürfen,



    Rühe
    und daß wir sie in dieser Diskussion beherzigen sollten. Ich habe Johann Baptist Gradl hier stellvertretend zitiert. Sie kennen alle die Kanzler, die die CDU gestellt hat bzw. stellt, und ihren Beitrag für die deutsche Frage. Ich nenne hier Johann Baptist Gradl. Indem wir ihn ansprechen, danken wir all denjenigen, die in den ersten Stunden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter Einsatz ihres Lebens für die Ideale der CDU, für die Ideale eines ungeteilten Deutschlands,

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Herr Rühe spielt auf jedem Klavier, jetzt auch noch auf dem pastoralen!)

    für die Ideale von Freiheit und Einheit eingetreten sind. Wir können nur versprechen, daß wir die Verpflichtung spüren, im Namen derjenigen, die heute nicht mehr dabeisein können, die große Chance dieser historischen Stunde zu ergreifen und in ihrem Sinne weiter zu handeln.
    Vielen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Koschnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Koschnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube allerdings, daß am heutigen Tag in einigen wichtigen Reden Akzente gesetzt worden sind, die hinterher leider nicht in gleichem Umfang fortgesetzt worden sind. Ich sage im Blick auf eine Position, die mich bewegt: In der schwierigen Zeit für Berlin steht heute ein knorriger Mann dort und bemüht sich, für seine Bürger den richtigen Weg zu gehen. Ein Gleiches sage ich für den Bundeskanzler in der jetzigen schwierigen Situation. Legen Sie Ihre Betroffenheit beide ab, arbeiten Sie für Deutschland gemeinsam weiter!

    (Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/ CSU] : Ein trauriger Mann!)

    Wenn ich diesen Klub anschaue, dann kann ich nur sagen: Ich habe eben bei der Rede von Herrn Rühe das Gefühl gehabt: Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben mit Geißler wirklich etwas verloren.

    (Beifall bei der SPD)

    Am heutigen Tage geht es darum, gemeinsam über eine veränderte Politik im Ostblock, in den Bereichen von Polen, Ungarn und in der DDR nachzudenken und insonderheit das, was Ihr Kanzler in diesen Bereichen getan hat,

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Sie meinen jetzt Momper!)

    neu zu bewerten und vielleicht gemeinsame Wege zu finden. Sie aber „kloppen" hier herum, als wenn Sie eine Wahlkampfveranstaltung hätten.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Garbe [GRÜNE] — Pfeffermann [CDU/CSU]: Sie meinen doch Momper! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich habe das Gefühl, Sie haben einen Adrenalinstoß bekommen. Nun bleiben Sie doch mal ruhig!

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Hoffnungen haben sich leider nicht voll verwirklicht, der Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Polen werde eine neue Dimension in den deutschpolnischen Beziehungen eröffnen, ähnlich dem Durchbruch nach der deutsch-polnischen Verständigung mit dem Vertrag vom 7. Dezember 1970. Ein neuer Abschnitt deutsch-polnischer Geschichte wurde nicht eingeläutet, doch auf vorgezeichneten Bahnen wurde Respektables erreicht. Mit den in Warschau getroffenen Absprachen, nicht zuletzt mit der Gemeinsamen Erklärung, wurde vieles geregelt bzw. beseitigt, was bisher als Stein des Anstoßes auf dem Weg zur Normalisierung und Aussöhnung schier unüberwindliche Ärgernisse verursachte. Ich denke, daß man deshalb von dem Beginn einer zweiten Etappe in den deutsch-polnischen Beziehungen sprechen sollte.
    Die SPD-Fraktion anerkennt jedenfalls — wie bereits von Willy Brandt ausgeführt — das Ergebnis der abgeschlossenen Verhandlungen. Sie sieht viele auch von offenen Initiativen wie dem Deutsch-Polnischen Forum angeregte Wünsche durch die Absprachen mit Warschau auf einen guten Weg gebracht. Ich glaube, wenn man sehr aufmerksam das liest, was abgesprochen ist, erkennt man, daß sogar manches mehr auf den Weg gebracht worden ist, als wir vorhergesehen haben.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Weil es gut vorbereitet war, Herr Kollege!)

    Wenn dennoch einige kritische Anmerkungen nicht zu vermeiden sind, dann nicht aus oppositioneller Grundhaltung, sondern aus Sorge wegen möglicher Fehlentwicklungen. Was ich bei all meinen Gesprächen in Polen früher nicht gesehen habe, ja nicht vermuten konnte, ist die bängliche Reaktion von Teilen der CDU und der CSU auf die Erfolge der Republikaner bei Regionalwahlen. Wer so einknickte und als einzige Antwort auf dumpfe Gefühle des „Ausgegrenztseins" in eine nationalistisch-reaktionäre Haltung flüchtete, der kann natürlich nicht dem Kanzler, nicht dem eigenen Parteivorsitzenden Hilfe und Unterstützung sein, wenn es um eine vergangenheitsbewußte , gegenwartsreflektierende und zukunftsorientierte Vertretung deutscher Interessen geht.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Was soll denn das?)

    Wenn ich an den Eiertanz in der CDU/CSU-Fraktion denke, als wir eine in der Sache wichtige und in der Formulierung vorbildliche Erklärung des für die Wahrung des deutschen Rechtsstandpunktes zuständigen Außenministers

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Der kommt wieder!)

    vor den Vereinten Nationen zur gemeinsamen Beschlußübernahme im Deutschen Bundestag empfahlen, dann weiß ich, mit welch schwerem Reisegepäck der Bundeskanzler nach Warschau fuhr, weiß ich, was ihm seine Freunde Waigel und Czaja an Ballast mit aufgeladen haben. Es waren nicht nur die mehr als



    Koschnick
    10 % der CDU/CSU-Fraktion, die bei ihrem Sondervotum zur Beschlußfassung über die Erklärung deutlich machten,

    (Dr. Vogel [SPD]: Leider wahr!)

    daß ihre Zustimmung nur bedeutete, keine Gebietsforderungen an Polen über die Reichsgrenzen von 1937 hinaus zu stellen

    (Dr. Vogel [SPD]: Unglaublich!)

    — hier kann man wirklich nur sagen: Mein Gott, Herr Dregger, was haben Sie für eine Fraktion! —, sondern es gab auch noch die Empfehlung von ihnen befreundeten Vertriebenenfunktionären, eine Pilgerreise nach Schlesien zu unternehmen — z. B. nach Anna-berg — , um nicht den Verdacht einer indirekten völkerrechtlichen Anerkennung der vermeintlichen Okkupation von Schlesien auszudrücken.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Als Unperson sollte er hingehen!)

    Da kann man beinahe die Ängste von Herrn Andreotti, dem einstigen Führer der christdemokratischen Parteien in Europa und heutigen italienischen Ministerpräsidenten, vor den irrationalen Deutschen verstehen.
    Verehrter Herr Bundeskanzler, ich beneide Sie jedenfalls nicht um diese Weggenossen. Hätten Sie doch nur nicht auf sie gehört! Sie hätten im Bundestag immer eine überwältigende Mehrheit für eine zukunftsgewandte, mutige Politik gegenüber Polen gefunden,

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    übrigens auch in Ihrer eigenen Partei. Verzagtheiten gegenüber einer bestimmten rückwärtsgewandten Funktionärsschicht zahlen sich nie aus, besonders nicht für Vorsitzende demokratischer Parteien.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich frage deshalb: Warum haben Sie sich in Polen um die Übernahme der vom Bundestag beschlossenen Erklärung zur polnischen Westgrenze gedrückt? Sie hatten doch die Unterstützung dieses Hauses, Ihres liberalen Koalitionspartners, ja mehrheitlich auch des Kabinetts und der CDU/CSU-Fraktion.
    Wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, als Vorsitzender einer Koalitionsregierung nicht einen Kabinettsstreit bewirken wollten, dann hätten Sie, Herr Dr. Kohl, doch zumindest als Vorsitzender der CDU für Ihre Partei klarer und verbindlicher sagen können, was Sie zunächst im Bundestag und dann in Ihrer Tischrede in Warschau umschrieben haben, nämlich daß in den ehemaligen deutschen Gebieten jetzt in zweiter Generation polnische Staatsbürger leben, denen diese Landschaften zur Heimat geworden sind, und daß wir dies achten und nicht in Frage stellen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Das hat er doch gesagt!)

    — Das sage ich ja auch. Ich zitiere doch gerade! — Eine eindeutige Erklärung hätte für die politisch-psychologische Situation in Polen mehr bewirkt. Sie hätte auch bei uns nichts verschüttet; denn Sie hätten nur
    das wiedergegeben, was Demokraten in unserem Lande, Demokraten aus allen Lagern, längst an Konsequenzen aus einer verhängnisvollen verbrecherischen Politik gezogen haben. Hitler und seine Spießgesellen, Hand in Hand mit seinen Koalitionspartnern aus der Harzburger Front — Stahlhelm eingeschlossen — , haben verspielt, was viele von uns geliebt haben und in Trauer um verlorene Heimat noch lieben. Vielleicht hätte eine klarere Aussage die Grenzen durchlässiger gemacht, wie es sich Bundespräsident Richard von Weizsäcker zu Recht erhofft.
    Ihr Wunsch, Herr Bundeskanzler, auch mit Polen in guter Nachbarschaft zu leben, wird von uns geteilt. Ich kenne und würdige Ihre Bemühungen, bedaure aber, daß Sie für eine längere Zeit auf den Rat und den Sachverstand des Auswärtigen Amtes verzichtet haben; ich hoffe, nicht auch auf die Kenntnisse und Beziehungsgeflechte des Herrn Außenministers, nicht, weil sich das im Ergebnis ausdrücken muß, wohl aber, weil bei der empfindsamen Linie einer problembelasteten Politik gegenüber Polen Mißtrauen und Schadenfreude zwischen Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt das ungeeignete Schlachtfeld für Kompetenzrangeleien wären.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch erlaube ich mir die Anmerkung, daß, wenn schon der Sprecher der Bundesregierung in den Ministerrang gehoben wurde, dieser dann auch die Regeln des Umgangs mit besonders dunklen Tatbeständen unserer Geschichte einüben muß, soll die Bundesregierung nicht weltweit in ein schiefes Licht geraten. Seine Bemerkungen über das „internationale Judentum" schließen sich seinem Freispruch der Waffen-SS von allen Verbrechen der Nazizeit würdig an; immer war es am Ende nicht so gemeint. Ich meine, Herr Minister Klein müßte ein höheres Maß an Sensibilität bei seinen Aussagen entwickeln und die Wirkungen im Ausland und wohl auch im Inland stärker beachten.

    (Beifall bei der SPD)

    Schließlich spricht er ja nicht für sich, nicht einmal für die bayerische CSU, sondern für die ganze Regierung. Merke: So hält man die Republikaner nicht klein!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Hohes Haus, wer heute die Ergebnisse der Politik des Bündnisses seit 1966 betrachtet und von Reykjavik zum Harmel-Bericht und von daher zur gemeinsamen Sicherheits- und Entspannungspolitik, zur bündnisabgesicherten deutschen Ostpolitik sowie zu den Verträgen der vier Siegermächte über West-Berlin und unseren Verträgen mit Warschau und Moskau, dem Grundlagenvertrag mit der DDR und den Verträgen mit Prag, Budapest und Sofia bis hin zur KSZE-Schlußakte von Helsinki gelangt, der vergißt nicht, daß dies alles mit einer Politik verbunden ist, die mit dem Namen Willy Brandt untrennbar verknüpft bleibt, übrigens mit einer Politik, die damals keineswegs die Zustimmung der CDU/CSU fand.
    Mit dem Abbau von Mißtrauen, der Eingrenzung der militärischen Rüstung, der Verbreiterung wirtschaftlicher Zusammenarbeit und der Öffnung zu mehr Menschen- und Bürgerrechten befindet sich ein



    Koschnick
    einstmals ideologisch monolithischer Block heute in einer auf Freiheit und Selbstbestimmung ausgerichteten Metamorphose. Auch aus dieser Erfahrung prüfen wir die Ergebnisse dieser neuen Absprachen zwischen Warschau und Bonn.
    Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen, daß die Bundestagsfraktion der SPD eine Vielzahl von Absprachen und Verträgen voll mitträgt, und zwar ohne Einschränkungen. Sie sieht in den Regelungen im Kulturbereich und zum Jugendaustausch einen guten und perspektivreichen Schritt nach vorn. Sie begrüßt die Klärung im gegenseitigen Rechtsverkehr, die Lösung für die konsularischen Vertretungen, die Beendigung des unsinnigen Ortsbezeichnungsstreits und setzt auf die Ausformung und Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Austausches.
    Von besonderer Bedeutung ist für uns Sozialdemokraten, daß sich die polnische Regierung jetzt auch für die Probleme der Minderheiten in ihrem Land geöffnet und daß die Bundesregierung es geschafft hat, dabei für die deutsche Minderheit einen gesicherten Rechtsstatus für kulturelle Selbstbestimmung zugestanden zu erhalten.
    Was die Absprachen im wirtschaftlichen Bereich und die daraus abzuleitenden Konsequenzen für die Zukunft anlangt, wird gleich mein Kollege Roth das Notwendige sagen. Ich begrüße, daß die Bundesregierung — Sie haben das vorhin ausgeführt, Herr Bundeskanzler — schon jetzt ihren Einfluß auf Weltbank, Internationalen Währungsfonds und Pariser Club ausüben will, damit die internationalen Hilfen für Polen nicht erst bewilligt werden, wenn soziale Explosionen eine geordnete Umstrukturierung ohne ruinösen Substanzverlust kaum noch möglich machen. Aus gleichem Grunde bitte ich die anderen Fraktionen im Bundestag, sich unserem Antrag mit dem Ziel einer Soforthilfe für Polen nicht zu versagen.
    Wir begrüßen die Einladung von Präsident Mitterand zu einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft und hoffen auf ein adäquates Hilfsangebot der Gemeinschaft an Polen und Ungarn. Mit dem Herrn Bundeskanzler vertreten wir die Auffassung, daß materielle Unterstützungen Bestandteil einer sinnvollen Sicherheitspolitik sind und entsprechend als Bündnisleistungen anzurechnen sind.
    Meine Damen und Herren, wir wollen, daß über Visa-Pflichten nicht nur ernsthaft nachgedacht und ein vereinfachtes Verfahren eingeführt wird, sondern schon vor Abschluß dieser Überlegung der Wegfall der 50-DM-Visa-Regelung für Reisen nach Westdeutschland beschlossen wird. Denn bei dem jetzigen Verfahren haben die Devisenärmeren nur eine Chance, auszuweichen: Sie fahren nach West-Berlin und belasten hier die Stadt — wir sehen es am Polen-Markt — in wirklich dramatischer Weise, nicht zum Wohl des Ansehens der polnischen Bürger wie der Offenheit der Stadt.
    Auch ein anderes Problem muß angesprochen werden: die Frage nach der Entschädigung für im Kriege
    nach Deutschland verschleppte und ausgebeutete polnische Zwangsarbeiter.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    Bei dem Besuch der SPD-Delegation in Warschau vor knapp einem Monat hat mein Fraktions- und Parteivorsitzender Dr. Vogel allen Gesprächspartnern deutlich gemacht, daß auch ein sozialdemokratischer Bundeskanzler der Forderung nach einer allgemeinen Entschädigung für alle zur Zwangsarbeit gezwungenen polnischen Bürgerinnen und Bürger nicht entsprechen könne. Neben dem Londoner Schuldenabkommen, den damit verbundenen Reparationsabgrenzungen und den verschiedenen Vertragsabsprachen im Ausfluß der deutsch-polnischen Verständigung vom 7. Dezember 1970 steht auch die Frage, daß diese deutsch-polnische Problematik nicht eine speziell auf die Bundesrepublik bezogene ist, sondern zur Gemeinschaftshaftung beider deutscher Staaten gehört. Die Politik des Reiches von 1933 bis 1945 erfordert eine Antwort aller Deutschen im Zusammenhang mit den noch ausstehenden Friedensverträgen und keine allein durch die bundesrepublikanischen Bürger.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Deswegen darf man es nicht hinausschieben!)

    Gleichwohl sind wir der Meinung, daß in besonderen individuellen Notlagen geholfen werden sollte. Durch eine Stiftung könnte — neben öffentlichen Mitteln — auch die damals den Nutzen aus der Arbeit der Zwangsarbeiter ziehende Industrie zur Mitleistung aufgefordert werden. Eine gute Gelegenheit, ein Beispiel zu geben — hierzu hat die Fraktion DIE GRÜNEN einen Antrag gestellt — , hätte die Bundesregierung, wenn sie für den Salzgitter-Konzern der Stiftung entsprechende Mittel zuführte.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Salzgitter ist bereit zu zahlen!)

    Die früheren Hermann-Göring-Werke, heute der Salzgitter-Konzern, haben von der Ausbeutung polnischer Zwangsarbeiter damals sehr profitiert. Einer muß jetzt den Anfang machen: Der Bund als Eigentümer ist hier gefordert.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Salzgitter ist bereit, aber Sie von der Regierung fangen ja nicht an!)

    Zum Abschluß meines Beitrages noch ein Wort des Dankes. Ihre Absprachen, Herr Bundeskanzler, zur Errichtung einer deutschen Gedenkstätte in der bedrückenden Auschwitz-Anlage sind ein wichtiger Schritt, um der Weltöffentlichkeit in die Erinnerung zurückzurufen, daß die ersten jüdischen Menschen in Europa, die von den Nazis verfolgt, drangsaliert, terrorisiert, ja gemordet wurden, deutsche Staatsbürger jüdischer Abstammung waren. Sie zahlten einen schrecklichen Blutzoll gleich den Millionen jüdischer Frauen und Männer, Kinder und Greise aus den damals unter der Nazi-Gewaltherrschaft leidenden anderen Staaten Europas.
    Ihre Bemühungen um die Erinnerungstafeln in Kreisau und Rastenburg oder an dem Geburtshaus



    Koschnick
    von Kurt Schumacher in Kulm hatten Erfolg. Sie werden auch in Polen hoffentlich sichtbar machen, daß sich in unserem Lande nicht wenige Frauen und Männer einer Gewalt- und Unrechtspolitik mit allem Risiko entgegenstemmten und dafür mit dem Leben oder zumindest mit ihrer Gesundheit zahlten. Ihnen für diesen Einsatz zu danken, Herr Bundeskanzler, ist selbstverständliche Pflicht. Der Dank sollte daher auch in aller Öffentlichkeit ausgesprochen werden.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Bei dieser grundsätzlich positiven Bewertung des Ergebnisses der Bemühungen der Bundesregierung, zu einer zweiten Etappe der Zusammenarbeit mit Polen überzugehen, versteht es sich, daß wir der Gemeinsamen Erklärung der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen wie auch dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zur Rechtsungültigkeit des Hitler-Stalin-Paktes von Anfang an zustimmen.
    Vielleicht gestatten Sie mir eine historische Reminiszenz: Es war der Exil-Vorstand der SPD, der bereits im Frühherbst 1939 den von Ribbentrop und Molotow gezeichneten Vertrag und die nachfolgenden Absprachen für von Anfang an rechtsungültig erklärte. Die Absprachen wurden als das bezeichnet, was sie waren: Unrechtsabsprachen zwischen zwei das Menschen- und Völkerrecht mißachtenden Regimen. Dazu stehen wir auch heute noch.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE] und des Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP])