Rede:
ID1117300400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Herr: 1
    7. Dr.: 1
    8. Dregger.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/173 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 173. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 13009A Erweiterung der Tagesordnung 13009 A Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Dritten Zusatzprotokoll vom 20. April 1989 zu dem Protokoll zu dem Europäischen Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen (Drucksache 11/5319) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 160 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1985 über Arbeitsstatistiken (Drucksache 11/5316) c) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Pick, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung (Drucksache 11/5483) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Drucksache 11/5585) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes (Drucksache 11/5584) 13009B Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hensel, Dr. Lippelt (Hannover) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Doppelstaatsangehörigkeit für Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Drucksache 11/5275) Dr. Kohl, Bundeskanzler 13010 B Dr. Vogel SPD 13018 C Dr. Dregger CDU/CSU 13026 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13030 C Mischnick FDP 13034 A Momper, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 13037 C Dr. Bötsch CDU/CSU 13040 B Büchler (Hof) SPD 13042 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB 13044 B Dr. Knabe GRÜNE 13046A Genscher, Bundesminister AA 13048 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 13052 A Hoppe FDP 13054 C Reddemann CDU/CSU 13055 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 Gansel SPD 13057 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13059 A Jahn (Marburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13059B Dr. Ehmke (Bonn) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13063 A Dr. Haack SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13063 C Namentliche Abstimmungen . 13060A, 13063 A Ergebnisse 13061 B, 13064 C Tagesordnungspunkt 5: Beratungen ohne Aussprache a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Jahresbericht der Kommission über die Durchführung der Richtlinie des Rates über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub (Drucksachen 11/2266 Nr. 2.25, 11/4810) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 81/602/EWG und 88/146/EWG hinsichtlich des Verbots von bestimmten Stoffen mit hormonaler Wirkung und von Stoffen mit thyreostatischer Wirkung (Drucksachen 11/4534 Nr. 2.18, 11/5305) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare elektromedizinische Geräte (Drucksachen 11/4161 Nr. 2.18, 11/5445) d) Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 14 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 11/5481) 13060B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. die Haltung der Bundesregierung zur gerichtlichen Feststellung über die Unzulässigkeit des Betriebs der Atomanlage in Hanau Kleinert (Marburg) GRÜNE 13077 B Schmidbauer CDU/CSU 13078 C Reuter SPD 13079 C Frau Dr. Segall FDP 13080 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 13081A Harries CDU/CSU 13081 C Stahl (Kempen) SPD 13082 C Baum FDP 13083 C Dr. Kübler SPD 13084 A Dr. Friedrich CDU/CSU 13085 A Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 13085 C Schäfer (Offenburg) SPD 13087 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 13088 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksache 11/5528 vom 3. November 1989 — Gespräche mit der Autoindustrie über die Verringerung des Benzinverbrauchs und die Einführung von „Flottenverbrauchswerten" MdlAnfr 3 Dr. Kübler SPD Antw PStSekr Grüner BMU 13063 D ZusFr Dr. Kübler SPD 13064 A Auswirkung des Binnenmarktes ab 1993 auf den Arzneimittelsektor; Harmonisierung des Arzneimittelrechts MdlAnfr 11, 12 Kirschner SPD Antw PStSekr Pfeifer BMJFFG 13066B, 13067 A ZusFr Kirschner SPD 13066D, 13067 B Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes mit dem Ziel der Zahlung einer ruhegehaltsfähigen Zulage bei Wahrnehmung höherwertiger Tätigkeiten MdlAnfr 17 Steiner SPD Antw PStSekr Spranger BMI 13067 D ZusFr Steiner SPD 13068 A Aufhebung der Visumspflicht für die Einreise ungarischer Staatsangehöriger in die Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 22 Dr. Wulff CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI 13068 C ZusFr Dr. Wulff CDU/CSU 13068 D Vergabe von Jagdrechten für Grundeigentum der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 23 Dr. Wulff CDU/CSU Antw PStSekr Carstens BMF 13069B ZusFr Dr. Wulff CDU/CSU 13069 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 III Manöverschäden durch die Bundeswehr und die NATO-Verbündeten im Bundesgebiet von 1976 bis 1988 MdlAnfr 25 Dr. Kübler SPD Antw PStSekr Carstens BMF 13069 D ZusFr Dr. Kübler SPD 13070 A Ausklammerung der Schadstufe 1 bei der Waldschadenserhebung 1989 MdlAnfr 26, 27 Dr. Knabe GRÜNE Antw PStSekr Gallus BML 13070C, 13070 D ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 13071A, 13072A ZusFr Kreuzeder GRÜNE 13072 B ZusFr Frau Flinner GRÜNE 13072 D ZusFr Frau Saibold GRÜNE 13073A, 13073 B ZusFr Oostergetelo SPD 13073 C ZusFr Frau Wollny GRÜNE 13073 D ZusFr Brauer GRÜNE 13074 A ZusFr Hüser GRÜNE 13074B, 13074 C ZusFr Frau Hensel GRÜNE 13074 D Erhöhung des Reports für Getreide MdlAnfr 28 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 13075 A ZusFr Eigen CDU/CSU 13075 B ZusFr Oostergetelo SPD 13075 D Behinderung des Imports von Agrarprodukten in die USA MdlAnfr 29 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 13076 A ZusFr Eigen CDU/CSU 13076 A Umsetzung der EG-Verordnung zur Einführung vorübergehender landwirtschaftlicher Einkommensbeihilfen MdlAnfr 30 Oostergetelo SPD Antw PStSekr Gallus BML 13076 C ZusFr Oostergetelo SPD 13076D Nächste Sitzung 13089 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 13091* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/5589 des Abgeordneten Sauer (Salzgitter) und weiterer Abgeordneter der CDU/CSU 13091* B Anlage 3 Erklärung nach § 31 Ahs 1 GO des Abgeordneten Dr. Kappes (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/5589 13092 * B Anlage 4 Trassenführung der neuen Eisenbahnstrecke Köln—Rhein/Main MdlAnfr 1, 2 — Drs 11/5528 — Dr. Weng (Gerlingen) FDP SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 13092* C Anlage 5 Aufbereitung der Uranerze aus Menzenschwand und Ellweiler in der CSSR; Menge der freigesetzten radioaktiven Isotope MdlAnfr 4 — Drs 11/5528 — Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE SchrAntw PStSekr Grüner BMU 13092* D Anlage 6 Verschärfung der Wärmeschutzverordnung für Neubauten MdlAnfr 5 — Drs 11/5528 — Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE SchrAntw PStSekr Echternach BMBau 13093* A Anlage 7 Stand der Beratungen zum neuen Umwelthaftungsrecht MdlAnfr 7 — Drs 11/5528 — Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMJ 13093* B Anlage 8 Aushöhlung der Auflagen von Bundeswirtschaftsminister Dr. Haussmann für die Fusion Daimler-Benz/MBB durch Verschiebung von Aufträgen und „Ausschlachtung" der zu verkaufenden Teile von MBB MdlAnfr 8, 9 — Drs 11/5528 — Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Dr. Riedl BMWi 13093* C Anlage 9 Zurverfügungstellung einer Waschmaschine an die nach Namibia abgestellten Grenzschutzbeamten MdlAnfr 18 — Drs 11/5528 — Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 13094* B IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 Anlage 10 Unterwanderung des Bundesgrenzschutzes durch Mitglieder der „Republikaner" MdlAnfr 20, 21 — Drs 11/5528 — Duve SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 13094* C Anlage 11 Verlängerung der Laufzeit des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung MdlAnfr 24 — Drs 11/5528 — Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Carstens BMF 13095* A Anlage 12 Änderung des § 37 (2) SGB V zur Aufhebung der Beschränkung der ärztlichen Behandlung durch die Krankenkassen im Zusammenhang mit der häuslichen Krankenpflege MdlAnfr 31 — Drs 11/5528 — Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw PStSekr Seehofer BMA 13095* B Anlage 13 Anteil der von Lohnpfändungen bedrohten Arbeitslosen MdlAnfr 32 — Drs 11/5528 — Dr. Müller CDU/CSU SchrAntw PStSekr Seehofer BMA 13095* D Anlage 14 Nichtausschöpfung der Möglichkeiten für Knochenmarkübertragungen wegen Personalmangels MdlAnfr 33 — Drs 11/5528 — Frau Walz FDP SchrAntw PStSekr Seehofer BMA 13096* B Anlage 15 Beförderungspraxis bei der Bundeswehrverwaltung MdlAnfr 34, 35 — Drs 11/5528 — Heistermann SPD SchrAntw PStSekr Wimmer BMVg 13096* C Anlage 16 Verbesserung der Beförderungsmöglichkeiten der Beamten der Bundeswehrverwaltung MdlAnfr 36 — Drs 11/5528 — Steiner SPD SchrAntw PStSekr Wimmer BMVg 13097* A Anlage 17 Vergabe einer Lizenz zur Fertigung von G3-Gewehren durch die bundeseigene Firma Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen im Iran; Rückflüsse aus dieser Lizenz an den Bundeshaushalt bis Ende der 70er Jahre; Vereinbarkeit mit Art. 26 Abs. 1 GG und Endverbleibsregelung MdlAnfr 37, 38 — Drs 11/5528 — Frau Vennegerts GRÜNE SchrAntw PStSekr Wimmer BMVg 13097* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 13009 173. Sitzung Bonn, den 8. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 10. 11. 89 Böhm (Melsungen) CDU/CSU 10. 11. 89 * Büchner (Speyer) SPD 10. 11. 89 ** Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 10. 11. 89 ** Clemens CDU/CSU 8. 11. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 10. 11. 89 Frau Eid GRÜNE 10. 11. 89 Dr. Geißler CDU/CSU 10. 11. 89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 10. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 10. 11. 89 * Dr. Hüsch CDU/CSU 8. 11. 89 Klein (Dieburg) SPD 10. 11. 89 Linsmeier CDU/CSU 10. 11. 89 Lintner CDU/CSU 10. 11. 89 Lowack CDU/CSU 10. 11. 89 Frau Luuk SPD 10. 11. 89 Paintner FDP 10. 11. 89 Frau Rock GRÜNE 10. 11. 89 Dr. Schmude SPD 10. 11. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 10. 11. 89 Steiner SPD 10. 11. 89 * Frau Dr. Timm SPD 10. 11. 89 Toetemeyer SPD 10. 11.89 Vahlberg SPD 8. 11. 89 Verheugen SPD 10. 11. 89 Volmer GRÜNE 10. 11. 89 Dr. Warnke CDU/CSU 8. 11. 89 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 10. 11. 89 Wüppesahl fraktionslos 10. 11. 89 Zierer CDU/CSU 8. 11. 89 ** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/5589 der Abgeordneten Sauer (Salzgitter), Dr. Czaja, Frau Dempwolf, Ehrbar, Dr. Friedmann, Dr. Götz, Hauser (Esslingen), Hinsken, Frau Hoffmann (Soltau), Graf Huyn, Jäger, Dr. Jenninger, Kalisch, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Müller, Nelle, Niegel, Dr. Rose, Rossmanith, Sauter (Epfendorf), von Schmude, Werner (Ulm), Wilz, Windelen, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Wittmann (alle CDU/CSU). Der frei organisierte Teil Deutschlands, die Bundesrepublik Deutschland, hat die Mitverantwortung für alle Positionen ganz Deutschlands. Sie hat nach dem Grundgesetz auch die nationale und staatliche Einheit Deutschlands zu wahren. Das Bundesverfassungsgericht hat durch seine für alle Staatsorgane verbindlichen Entscheidungen ständig die Beachtung der Mitverantwortung für ganz Deutschland gefordert und festgestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland weder im Grundlagenvertrag noch in den Ostverträgen sich verpflichtet hat, etwas zur Wahrung aller Positio- Anlagen zum Stenographischen Bericht nen ganz Deutschlands zu unterlassen. Wir stehen selbstverständlich auch politisch in Treue zu ganz Deutschland und zur deutschen Geschichte. Wir stehen zu den eindeutigen gemeinsamen Willensbekundungen aller rechtmäßig geschlossenen Verträge. Die Ostverträge sind nach ihrem Wortlaut und den begleitenden Dokumenten konkretisierte Gewaltverzichtsverträge und keine Verträge zur Gebietsübertragung oder Teilung. Auch die Vertragspartner haben sich verpflichtet, sie nicht als Ersatz oder Präjudizierung für die ausstehenden Friedensvertragsregelungen und auch nicht als Anerkennung von Grenzen, Gebietsübertragungen oder Teilungen zu behandeln. Wir bestehen gegenüber allen Pressionen von Politikern, die fremde Maximalforderungen und überhaupt nicht mehr berechtigte Positionen Deutschlands vertreten, und gegenüber nicht zulässigen ausländischen Forderungen auf diesen Verpflichtungen aller Vertragspartner und auf unserer Mitverantwortung, alle Positionen und Rechte ganz Deutschlands offenzuhalten. Ausgehend von der Rechtslage müssen wir in ehrlichem Dialog einen Weg zum Ausgleich in einem Friedensvertrag und damit die Strukturelemente für einen gemeinsamen freiheitlichen und föderalen gesamteuropäischen Staatenbund suchen. Bundesaußenminister Scheel hat auf Fragen der Länder am 9. Februar 1972 vor dem Bundesrat namens der Bundesregierung erklärt, auch der Warschauer Vertrag habe keine Gebietsübertragung oder Grenzen anerkannt, die Rechtslage Deutschlands nicht verändert und als Kronzeugen dafür die eindeutigen Erklärungen Gromykos bei den Moskauer Verhandlungen im Juli 1970 gegenüber der deutschen Delegation über die Ausgestaltung der Ostverträge ausschließlich als Gewaltverzichtsverträge zitiert. Die Verbündeten haben in einem von der Bundesregierung bestätigten und der polnischen Regierung vor Unterzeichnung des Warschauer Vertrages bekannten Notenwechsel an der Fortgeltung des Londoner Abkommens und der Berliner Vierererklärung vom 5. Juni 1945 festgehalten. Darin werden - ohnehin seit 1930 keine Rechtstitel zur Gebietsübertragung darstellende - Annexionen in Deutschland mit Gebietsstand vom 31. Dezember 1937 vor friedensvertraglichen Regelungen ausdrücklich verworfen. In Art. IV des Warschauer Vertrages nimmt die VR Polen die Unberührtheit des Deutschlandvertrages hin. Art. 7 dieses besten Vertrages Adenauers verpflichtet daran festzuhalten, daß erst bei frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelungen die Grenzen Deutschlands festgelegt werden. Die Denkschrift der Bundesregierung Brandt/Scheel zu den Ostverträgen an den Bundestag hält ausdrücklich daran fest. Daran und an ihren Erklärungen in Karlsruhe hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung ausdrücklich festgehalten, als es in ständiger Rechtssprechung bis 21. Oktober 1987 alle Staatsorgane zur Wahrung des Gebietsstandes Deutschlands von 1937 bis zu friedensvertraglichen Regelungen und freier Selbstbestimmung verpflichtete. 13092* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 Es gibt kein völkerrechtlich wirksames Dokument zur Abtrennung von 108 000 Quadratkilometern von Deutschland. Das will nur das von Anfang an nichtige Geheimabkommen Stalins mit dem Lubliner Komitee vom Juli 1944. Daher hält die britische Regierung nach der öffentlichen Erklärung des britischen Botschafters am 23. Mai 1986 in Essen an dem rechtlichen Fortbestand Deutschlands von 1937 fest. Sogenannte Politische Erklärungen an der staats- und völkerrechtlichen Lage vorbei können daran nichts ändern. Wir stehen zum bedingungslosen Gewaltverzicht gegenüber Polen. Bis zur Stunde besteht Deutschland rechtlich im Gebietsstand von 1937 nach Staats- und Völkerrecht fort. Daran hat die Lagebeschreibung (so Scheel) des Warschauer Vertrages nichts geändert. Die Beachtung aller gemeinsamen eindeutigen Willensbekundungen verpflichtet uns, Gebietsansprüche an Polen, die über den weiterhin unveränderten Gebietsstand von 1937 hinausgehen, nicht zu erheben, aber auch Polen keine Grenzanerkennungsansprüche und Ansprüche auf Anerkennung von Gebietsübertragung vor friedensvertraglichen Verhandlungen uns gegenüber — zum Schaden Deutschlands — zu stellen. Wir wollen normalisieren und einen tragbaren Ausgleich aushandeln. Niemand darf und soll unterdrückt oder gar vertrieben werden. Wir tragen auch die Mitverantwortung für die Menschenrechte der Deutschen und Nichtdeutschen. Zu ihrer Verwirklichung müssen nach Ankündigungen Taten folgen. Wir wollen auf Grund freier Verträge einen dauerhaften Ausgleich mit Polen, wir stehen dabei für berechtigte Interessen ganz Deutschlands und für Achtung der Würde, der Existenz und der Entfaltung der Polen in einem freien polnischen Staatswesen in noch auszuhandelnden gesicherten Grenzen. Vor allem aber wollen wir einen gemeinsamen Wiederaufbau, Schulter an Schulter, der Unrecht und Gegensätze überwindet. Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 1 GO des Abgeordneten Dr. Kappes (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/5589 Dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP kann ich nicht zustimmen, weil er in hohem Maße unterschiedliche Interpretationen zuläßt und zu Mißdeutungen geradezu einlädt. Bei aller Notwendigkeit von Kompromissen und notfalls auch von Formelkompromissen in der Politik erweckt der Antrag bei mir den Eindruck von Augenwischerei. Viele, die ihm scheinbar zustimmen, meinen in Wirklichkeit anderes. Die Glaubwürdigkeit der Politik erfordert aber gerade in unserer Zeit klare Aussagen. Ich bin einverstanden, soweit es sich darum handelt, bestehende Verträge einzuhalten, auf Gewalt zu verzichten und das Heimatrecht auch der Polen in den von ihnen verwalteten deutschen Ostgebieten anzuerkennen. Hingegen sehe ich mich außerstande, Aussagen mitzutragen, die nach meinem Verständnis über den Warschauer Vertrag als Gewaltverzichtsvertrag hinausgehen und offensichtlich von anderen auch so gemeint sind. Nicht nur rechtlich, sondern auch politisch fühle ich mich nicht zu Erklärungen befugt, die bei der Aushandlung eines späteren Friedensvertrages mit dem gesamten deutschen Volk politisch als bindende Vorausleistungen verstanden werden könnten. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen) (FDP) (Drucksache 11/5528 Fragen 1 und 2): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine wie auch immer geartete Kopplung der Entscheidung über die Trassenführung der Deutschen Bundesbahn-Neubaustrecke Köln/ Rhein—Main an Überlegungen bezüglich der Magnetschnellbahn TRANSRAPID nicht sachgerecht ist? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine schnellstmögliche Entscheidung über die Trassenführung der Deutschen Bundesbahn-Neubaustrecke Köln/Rhein—Main sinnvoll ist, und wann wird die Bundesregierung diese Entscheidung treffen? Zu Frage 1: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Neubaustrecke Köln—Rhein/Main auf alle Fälle gebaut werden muß, um das Eisenbahnnetz der Zukunft zu komplettieren. Zu Frage 2: Ja, baldmöglichst. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/5528 Frage 4): Welche Mengen Uranerz sollen aus Menzenschwand und Ellweiler in der CSSR aufbereitet werden, und welche Mengen an radioaktiven Isotopen werden dabei frei werden? Das Land Baden-Württemberg hat mit dem Betreiber der Uranerzgrube Menzenschwand, der Gewerkschaft Brunhilde, eine Vereinbarung geschlossen, wonach die Gewerkschaft Brunhilde ihre bergbaulichen Maßnahmen in Menzenschwand im Rahmen der Uranaufsuchung bis zum 31. Dezember 1990 beendet. Ein Bestandteil dieser Vereinbarung ist eine Regelung über die Entnahme der durch die Untersuchungsarbeiten bereits freigelegten Erzmengen. Die Entfernung dieses Erzes soll sicherstellen, daß von der Grube auch nach deren Stillegung keine radioaktiven Gefahren für die Bevölkerung in der Umgebung aus- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 13093* gehen können. Die Menge des noch abzutransportierenden Erzes wird ausschließlich durch diese Zielsetzung bestimmt. Dieses Erz wird in der Tschechoslowakei aufbereitet werden. Die Gewerkschaft Brunhilde hat ihr Erzlager in der Urananlage Ellweiler inzwischen geräumt. Der Lagerbestand von ca. 1 600 t Uranerz ist in die Tschechoslowakei zur Aufbereitung verbracht worden. Die Freisetzung von Radionukliden bei der Aufbereitung von Uranerz wird im wesentlichen durch Radon-222 über den Luftpfad und Radium-226 über den Wasserpfad bestimmt. Beim Wasserpfad kann die Freisetzung von Radium durch Wasseraufbereitung verhindert werden. Über den Luftpfad muß mit einer Freisetzung von einigen Prozent des im Erz enthaltenen Radons gerechnet werden. Angaben aus der Tschechoslowakei zu den Freisetzungen bei der dortigen Uranerzaufbereitung liegen nicht vor. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/5528 Frage 5): Bis wann wird die Bundesregierung die Wärmeschutzverordnung für Neubauten verschärfen, wie sie es im BMFT-Journal vom Oktober 1989 empfiehlt, und denkt sie dabei die Werte auf die Höhe der schwedischen Baunormen zu heben? Im BMFT-Journal vom Oktober 1989 empfiehlt nicht die Bundesregierung, die Wärmeschutzverordnung für Neubauten zu verschärfen, es wird vielmehr über ein im Auftrag des BMFT erstattetes Gutachten berichtet, das unter anderem zu einer entsprechenden Empfehlung kommt. Unabhängig hiervon prüft die Bundesregierung zur Zeit, wie sie in ihrer Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Baum bereits am 9. Oktober 1989 (Drucksache 11/5382) ausgeführt hat, auf welche Weise Maßnahmen im Gebäudebereich zur Schadstoffentlastung der Luft beitragen können. In diesem Zusammenhang werden auch Möglichkeiten untersucht, die Wärmeschutzverordnung für Neubauten zu novellieren. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. In sie werden auch die Ergebnisse des im BMFT-Journal angesprochenen Gutachtens mit einbezogen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/5528 Frage 7): Wie ist der derzeitige Stand der Beratungen zum neuen Umwelthaftungsrecht, und bis wann ist mit einer Regierungsvorlage zu rechnen? Das Bundeskabinett hat bekanntlich am 24. Mai 1989 Eckwerte für ein Umwelthaftungsgesetz und den Diskussionsentwurf eines solchen Gesetzes zur Kenntnis genommen. Es hat den Bundesminister der Justiz beauftragt, auf dieser Grundlage in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den anderen beteiligten Bundesministern einen Entwurf für ein Umwelthaftungsgesetz zu erstellen. Das Bundesministerium der Justiz hat den Diskussionsentwurf in der Zwischenzeit mit den übrigen Bundesressorts erörtert. Er ist dann an die Länder und Verbände versandt worden. Die Stellungnahmen von Ländern und Verbänden gehen wegen der Schwierigkeit der Materie langsamer ein als zunächst erwartet. Zu welchem Zeitpunkt mit einer Regierungsvorlage zu rechnen ist, kann daher exakt noch nicht gesagt werden. Die Bundesregierung bleibt fest entschlossen, eine Regierungsvorlage so schnell wie möglich zu beschließen und dafür Sorge zu tragen, daß dieses wichtige Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Riedl auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 11/5528 Fragen 8 und 9) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Auflagen von Bundesminister Dr. Hausmann bei der Mammutfusion DaimlerBenz/MBB durch Verschiebung von Aufträgen, dazu gehört z. B. die Vergabe eines Entwicklungsauftrages für eine Infrarotkamera an Telefunken System-Technik, Hamburg, sowie der Auftrag für den Raketenwerfer „RAM" an die Mütter von MBB bzw. AEG und nicht mehr an MBB-Marinetechnik in Bremen, wie ursprünglich vorgesehen, ausgehöhlt werden? Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen, daß auf diese Art und Weise die nach den Auflagen zu verkaufenden Teile des MBB-Konzerns vorher von der Muttergesellschaft Daimler-Benz/MBB „ausgeschlachtet" und wirtschaftlich unattraktiv gemacht werden? Zu Frage 8: Die Vermutung, die vom Bundesminister für Wirtschaft anläßlich der Genehmigung der Beteiligung von Daimler-Benz an der Firma MBB festgelegten Auflagen zum Verkauf u. a. der marinetechnischen Bereiche der Firmen MBB und AEG würden durch Verschiebung von Aufträgen unterlaufen, trifft nicht zu. Aus diesem Anlaß hat der Bundesminister der Verteidigung weder erteilte Aufträge verlagert, noch Entscheidungen zur künftigen Auftragsvergabe revidiert. Im Rahmen des deutsch-französischen Gemeinschaftsvorhabens „Kleinfluggerät für Zielortung" (KZO) läuft derzeit die Ausschreibung für eine Infrarotkamera. Hierzu haben die Firmen bzw. Firmengemeinschaften MBB/Thomson, Leitz/Rafael, Eltro/ SAT, Zeiss/TRT und GEC Angebote eingereicht, die von den beiden für das KZO-Programm vorgesehenen Hauptauftragnehmern MBB und Matra getrennt ausgewertet werden. Für das deutsch-amerikanische Flugkörper-Abwehrsystem „Rolling Airframe Missile " (RAM) ist die 13094* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 US-Navy federführend. Sie schloß vor kurzem mit der Firma Translant Inc., Kalifornien/USA, einen ersten Vertrag über die Fertigung von Abschußanlagen. Der industrielle Vertragspartner ist ein Gemeinschaftsunternehmen der an dem Vorhaben hauptbeteiligten Unternehmen General Dynamics, MBB, BGT, Diehl und TST und unterhält in München eine Zweigstelle. Zu Frage 9: Der Bundesminister für Wirtschaft hat in seiner Entscheidung vom 6. September 1989 verfügt, daß mit der Überwachung der Einhaltung der Veräußerungsauflagen eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu beauftragen ist. Dieser Auftrag ist inzwischen von den Unternehmen mit Zustimmung des Bundesministers für Wirtschaft erteilt worden. Bei der Veräußerung der Unternehmensteile aus der Telefunken System-Technik GmbH und der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH wird dabei insbesondere überwacht, daß sich die Veräußerung auf alle den Unternehmensteilen zugeordneten Aktiva und Passiva, Forderungen und Verbindlichkeiten, Lieferbeziehungen und Projekte sowie auf Anteile an Gemeinschaftsunternehmen und Kooperationen, die den Unternehmensteilen zugeordnet sind, erstreckt. Hierzu gehören auch Aufträge und Auftragsoptionen des Bundesministers der Verteidigung, die vor einer Entflechtung erteilt wurden. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) (Drucksache 11/5528 Frage 18): Trifft es zu, daß noch immer geprüft wird, ob den nach Namibia entsandten Grenzschutzbeamten, die dort seit September unter schwierigsten Umständen im Rahmen des UNTAG-Polizeikontingents Dienst tun, nunmehr nach mehr als einem Monat eine Waschmaschine zur Verfügung gestellt werden kann, und wenn ja, hat die Dauer ihren Grund in einer — gegebenenfalls in welcher — besonderen Schwierigkeit und Kompliziertheit der auf den ersten Blick einfach erscheinenden Frage? Nein! Der „UNTAG" (United Nations Transition Assistance Group) in Namibia wurden Haushaltsmittel zur Anschaffung von 2 Waschmaschinen und 5 Kühlschränken zur Verfügung gestellt, mit der Maßgabe, diese Haushaltsgeräte vornehmlich zur Ausstattung der Unterkünfte der in Namibia diensttuenden Beamten des Bundesgrenzschutzes zu verwenden. Der Bewilligung der Mittel ist ein entsprechendes Ersuchen des „UNTAG " -Hauptquartiers in Windhoek vorausgegangen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Duve (SPD) (Drucksache 11/5528 Fragen 20 und 21): Trifft es zu, daß an einer Ausbildungseinheit des Bundesgrenzschutzes in Lübeck Beamte nicht nur Mitglieder in der Partei „Die Republikaner" sind, sondern sogar Parteifunktionen wahrnehmen und an ihrem Arbeitsplatz Werbung für diese rechtsradikale Gruppierung machen (Zeitschrift „Tempo", Oktoberheft), und wie bewertet die Bundesregierung dies? Was will die Bundesregierung unternehmen, um den Bundesgrenzschutz vor dem Verdacht in Schutz zu nehmen, Mitglieder der „Republikaner" könnten versuchen, den Bundesgrenzschutz zu unterwandern? Zu Frage 20: Nach Kenntnis der Bundesregierung ist ein Angehöriger der Grenzschutzschule in Lübeck Vorsitzender des Kreisverbandes Lübeck der Partei „Die Republikaner". Es handelt sich um einen Polizeivollzugsbeamten, der als Innendienstleiter eines Fachbereiches der Grenzschutzschule eingesetzt ist. Der Bundesregierung ist außerdem bekannt, daß ein Angehöriger der Grenzschutzausbildungsabteilung Küste 1 in Lübeck Mitglied des Bundesvorstandes und stellvertretender Landesvorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Partei „Die Republikaner" ist. Dabei handelt es sich um einen Polizeivollzugsbeamten des gehobenen Dienstes, der gegenwärtig weder als Ausbilder noch als Lehrer eingesetzt wird. Dieser Beamte hat nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahre 1988 in Pausen- und Kollegengesprächen um Unterstützungsunterschriften für die Landtagswahlen 1988 in Schleswig-Holstein auf entsprechenden Formularen der Partei „Die Republikaner" geworben. Diese Sammlung der Unterschriften erfolgte teils in der häuslichen Wohnung, teilweise auch außerhalb der Dienstzeit in der Unterkunft der Grenzschutzausbildungsabteilung Küste 1. Nach Aufklärung des Sachverhalts wurde das Verhalten des Beamten ausdrücklich schriftlich mißbilligt. Das Einbringen von Werbematerial politischer Organisationen in Standorte des Bundesgrenzschutzes und sonstige Werbung für politische Parteien im Rahmen dienstlicher Tätigkeit sind ausdrücklich untersagt. Durch Dienstaufsicht wird darauf hingewirkt, daß die aus dem in Artikel 33 Absätze 4 und 5 des Grundgesetzes verankerten Dienst- und Treueverhältnis abgeleiteten beamtenrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung aus § 53 des Bundesbeamtengesetzes, wonach jeder Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren hat, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben. Zu Frage 21: Die Bundesregierung hat keinen Zweifel, daß der Bundesgrenzschutz — wie die Polizei in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt — uneingeschränkt auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Deshalb sieht sie keinen Anlaß zu der Annahme, der Bundes- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 13095* grenzschutz sei für radikale oder extremistische politische Zielsetzungen anfällig. Bei den Angehörigen des Bundesgrenzschutzes finden sich Auffassungen und politische Vorstellungen wie auch sonst in der Bevölkerung. Die Auseinandersetzung mit radikalen und extremistischen Tendenzen ist eine gesamtpolitische Aufgabe, insbesondere der demokratischen Parteien. Im Bereich der Polizeien des Bundes und der Länder hat die umfassende Vermittlung politischer Bildung bei der Aus- und Fortbildung besonderes Gewicht; die Inhalte sind an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes ausgerichtet. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Carstens auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/5528 Frage 24): Wird die Bundesregierung die Laufzeit von § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung über den jetzigen Zeitraum hinaus verlängern, und bis wann ist mit einer entsprechenden Initiative auf dem Verordnungswege zu rechnen? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Verlängerung der Laufzeit des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung über den 31. Dezember 1991 hinaus vorzuschlagen. Durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 ist die Ermächtigungsvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. 1 EStG, auf der § 82 a der EStDV beruht, befristet worden auf vor dem 1. Januar 1992 abgeschlossene Maßnahmen. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: Das Angebot an energiesparenden Maßnahmen im Sinne des § 82 a EStDV ist nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung und als Folge wirtschaftlicher Konkurrenz reichhaltig. Diese Maßnahmen sind auch ohne einkommensteuerliche Vergünstigungen wirtschaftlich. Darüber hinaus hat sich in der Bevölkerung das Bewußtsein für energiesparendes Verhalten gebildet, so daß eine unbegrenzte weitere Förderung entbehrlich ist. Sie könnte zudem zu ungerechtfertigten Mitnahmeeffekten führen und widerspräche schließlich auch der angestrebten Steuervereinfachung . . . Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Seehofer auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) (Drucksache 11/5528 Frage 31): Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung oder Ergänzung des § 37 (2) SGB V, durch die es den Krankenkassen untersagt werden soll, in ihrer Satzung Umfang und Dauer der Leistung häuslicher Krankenpflege zur Sicherung des Zieles der ärztlichen Behandlung zu beschränken, und falls nein, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung statt dessen ergreifen, damit zukünftig verhindert wird, daß todkranke Menschen aus der Solidargemeinschaft als Pflegefälle ausgeschlossen werden? Die häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung war und ist eine Satzungsleistung der Krankenkassen. Nach dem Gesundheits-Reformgesetz gehen die Aufwendungen für diese Leistungen aber nicht mehr in den Finanzausgleich der Krankenversicherung der Rentner ein. Deshalb hat eine Reihe von Krankenkassen die Dauer dieser Leistung beschränkt. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat an die Krankenkassen appelliert, diese Beschränkungen im Interesse ihrer Versicherten rückgängig zu machen. Inzwischen hat eine Krankenkasse entsprechend reagiert, zahlreiche weitere Kassen haben von einer einschränkenden Satzungsregelung abgesehen. Ergänzend wird geprüft, die entsprechenden Ausgaben — ggf. auch rückwirkend — wieder ausgleichsfähig zu machen. Dagegen beabsichtigt die Bundesregierung nicht, in die Satzungsautonomie der Krankenkassen einzugreifen. Im übrigen werden kranke Versicherte durch die vorgenannten Satzungsregelungen nicht „aus der Solidargemeinschaft ausgeschlossen" . Versicherte, die nach dem zeitlichen Auslaufen der häuslichen Krankenpflege auf eine medizinische Behandlung angewiesen sind, erhalten diese — im Regelfall im Wege der kassenärztlichen Versorgung — von ihrer Krankenkasse. Darüber hinaus erhalten Schwerpflegebedürftige nun die neuen Leistungen der häuslichen Pflegehilfe, seit 1. Januar dieses Jahres für bis zu 4 Wochen im Jahr bei Urlaub oder Verhinderung der Pflegeperson, ab 1991 zusätzlich bis zu 25 Pflegeeinsätze von je 1 Stunde für den Kalendermonat oder eine Geldleistung von 400 DM im Monat. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Seehofer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Müller (CDU/CSU) (Drucksache 11/5528 Frage 32): Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch der Anteil der von Lohnpfändungen Bedrohten unter den Arbeitslosen ist? Die Bundesregierung besitzt keine Erkenntnisse darüber, wie viele der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Arbeitslosen im Falle einer Beschäftigungsaufnahme mit Lohnpfändungen durch ihre Gläubiger zu rechnen hätten. Soweit es sich bei diesen Arbeitslosen um Empfänger von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe handelt, ergeben sich gewisse Anhaltspunkte aus der Zahl der Pfändungen dieser Lohnersatzleistungen. Diese betrug im zweiten Quartal 1989 37 035 oder — bezogen auf alle Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe — 2,7 %. Für das dritte Quartal 1989 lauten die entsprechenden Zahlen 34 814 oder 2,6%. Diese Daten allein lassen zwar keine konkreten Rückschlüsse darauf zu, inwieweit sich die zugrundeliegenden Zahlungsverpflichtungen der Arbeitslosen auf die Aufnahme und Ausübung einer neuen Beschäftigung auswirken, jedoch dürfte die Vermutung 13096* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 nicht unbegründet sein, daß die Wiedereingliederungschance überschuldeter Arbeitsloser gemindert ist. Arbeitsverhältnisse kommen z. T. deshalb nicht zustande, weil — das durch die Beschäftigung erzielte zusätzliche Einkommen ganz oder teilweise gepfändet wird und deshalb kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme besteht, — Arbeitgeber die aufwendigen zusätzlichen Arbeiten scheuen, die sich bei Lohnpfändungen ergeben. Außerdem gelingt es häufig nicht, stabile Arbeitsverhältnisse zu begründen, weil die Arbeitsstelle aufgegeben wird, sobald Gläubiger eine Lohnpfändung vornehmen. Die Bundesregierung hält eine stärkere Erforschung der Grundlagen der Problematik für geboten. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit hat eine entsprechende Sonderuntersuchung veranlaßt. Wichtige Erkenntnisse dürften sich auch aus dem vom Bundesminister der Justiz und Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit initiierten Forschungsprojekt „Überschuldungssituation und Schuldnerberatung in der Bundesrepublik Deutschland" ergeben, dessen erster Teil Mitte 1990 vorliegt. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Schuldnerberatung der Gemeinden, Kirchen und Wohlfahrtsverbände zu. Für die Beratungstätigkeit in diesem Bereich können auch Mittel des Bundesprogramms „Maßnahmen für besondere beeinträchtigte Arbeitslose" (250-Mio-Programm) eingesetzt werden. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Seehofer auf die Frage der Abgeordneten Frau Walz (FDP) (Drucksache 11/5528 Frage 33): Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kliniken mit entsprechenden Fachabteilungen von ihren Möglichkeiten zu Knochenmarkübertragungen nicht voll Gebrauch machen können, weil es an Personal fehlt? Die Bedeutung der Knochenmarktransplantation und die besonderen Anforderungen an das pflegende Personal sind von der Bundesregierung frühzeitig erkannt worden. 1986 wurde ein Modellprogramm zur Förderung der Knochenmarktransplantation an 10 verschiedenen Kliniken begonnen. Im Gesamtbetrag von rund 7 Millionen DM wurden Ärzte und zusätzliches Pflegepersonal sowie die benötigten Geräte gefördert. Das Programm konnte inzwischen in die Regelfinanzierung übernommen werden. Die Durchführung der Knochenmarktransplantation ist nur mit besonders einsatzbereitem und qualifiziertem Personal möglich. Trotz zunehmender Probleme bei der Gewinnung qualifizierter Krankenschwestern ist nach Auskunft der zuständigen Fachgesellschaft bisher keine Knochenmarktransplantation daran gescheitert, daß die erforderliche Pflege nicht hätte sichergestellt werden können. Dies liegt auch am besonderen Engagement des in den Stationen tätigen Personals. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wimmer auf die Fragen des Abgeordneten Heistermann (SPD) (Drucksache 11/5528 Fragen 34 und 35): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Beamte der Bundeswehrverwaltung nach Übertragung höherwertiger Aufgaben mehr als zwei Jahre auf die ihnen zustehende Beförderung warten müssen? Welche Maßnahmen sind seitens der Bundesregierung vorgesehen, um diese seit Jahren bestehende Ungerechtigkeit zu beseitigen? Zu Frage 34: Die Wartezeiten für die Beförderung in das 2. oder ein höheres Beförderungsamt im Kapitelbereich 1404 — Bundeswehrverwaltung — sind in den einzelnen Besoldungsgruppen unterschiedlich lang. Nach den Ergebnissen des Jahres 1988 lagen die durchschnittlichen Wartezeiten zwischen 5 und 20 Monaten und erreichten nur bei BesGr A 16 die Dauer von 2 Jahren. Die Wartezeiten sind bedauerlich, liegen aber noch im zumutbaren Rahmen. Zu Frage 35: Die Bundesregierung hat dem Beförderungsstau im Bereich der Wehrverwaltung bereits entgegengewirkt. Neben den 300 Hebungen im Haushaltsjahr 1986 hat die im Haushalt 1988 beschlossene schrittweise Strukturbereinigung für den mittleren und gehobenen Dienst mit insgesamt 1 353 Hebungen einen erheblichen Fortschritt gebracht. Die Strukturbereinigung wird 1990 mit 313 Hebungen abgeschlossen. Nach Abschluß dieser Maßnahmen sind die gesetzlichen Obergrenzen nach § 26 BBesG zu rund 95 % ausgeschöpft. Eine weitere Entlastung brachten die für den mittleren und gehobenen Dienst neu bewilligten Planstellen der Haushalte 1986 bis 1989. Für den Haushalt 1990 sind weitere Planstellenverbesserungen vorgesehen. Ob für 1991 weitere neue Planstellen ausgebracht werden können, wird die Bundesregierung mit dem Haushaltsentwurf 1991 entscheiden. Weitere Planstellenhebungen im Rahmen der Obergrenzen nach § 26 BBesG können nur in Betracht gezogen werden, wenn gleichzeitig die Zahl der Angestellten auf Beamtenplanstellen abgebaut wird. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 13097* Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wimmer auf die Frage des Abgeordneten Steiner (SPD) (Drucksache 11/5528 Frage 36) : Warum ist die Bundesregierung in Kenntnis der unzumutbaren Beförderungswarteschlangen bei den Beamten der Bundeswehrverwaltung im mittleren, gehobenen und höheren Dienst nicht bereit, die Obergrenzen des gesetzlichen Stellenkegels voll auszuschöpfen? Der Bundesregierung ist die Beförderungssituation der Beamten der Bundeswehrverwaltung bekannt. Sie ist daher auch bereit, die sich aus der Ausschöpfung der Obergrenzen des Planstellenkegels ergebenden Beförderungsmöglichkeiten für diese Beamten zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung hat im Jahre 1986 begonnen, die Struktur im mittleren und gehobenen Dienst der Bundeswehrverwaltung mit 300 Planstellenhebungen zu verbessern. In den Jahren 1987 und 1988 konnte sie die Strukturverbesserungen für den einfachen Dienst mit über 100 Planstellenhebungen abschließen. Sie hat die Verbesserungen im mittleren und gehobenen Dienst im Haushalt 1988 mit rund 1 350 Planstellenhebungen fortgesetzt, die sich in drei Jahresschritten bis in den Haushalt 1990 auswirken. Die Obergrenzen nach § 26 BBesG sind nunmehr zu rund 95 % ausgeschöpft. Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Strukturverbesserungen in den Folgejahren konsequent fortzusetzen und dann auch den höheren Dienst in der Bundeswehrverwaltung einzubeziehen. Weitere Planstellenhebungen im Rahmen der gesetzlichen Obergrenzen können in Betracht gezogen werden, wenn gleichzeitig die Zahl der Angestellten auf Beamtenplanstellen abgebaut wird. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wimmer auf die Fragen der Abgeordneten Frau Vennegerts (DIE GRÜNEN) (Drucksache 11/5528 Fragen 37 und 38): Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß Unterlagen über die Art der an den Iran vergebenen Lizenz zur Fertigung des G3-Gewehres „nur noch teilweise vorhanden" sein sollen, obwohl beispielsweise die Anlage zur G3-Fertigung von der bundeseigenen Firma Fritz Werner im Iran errichtet und die Lizenz zur Herstellung des Schnellfeuergewehrs von der Bundesregierung selbst vergeben wurde? Gemäß welcher gesetzlich relevanten Vorgabe und mit welchen real wirksamen Kontrollinstrumenten beabsichtigt die Bundesregierung, indirekte Endverbleibsregelungen bei Lizenzvergaben im Kleinwaffenbereich zu überwachen (vgl. Drucksache 11/5399), wenn der Endverbleib gemäß den gesetzlich unrelevanten politischen Grundsätzen von 1982 lediglich „anzustreben" ist und „ausschließlich der Verantwortung des Exportlandes„ unterliegt (vgl. Drucksache 11/1336)? Zu Frage 37: Die Entwicklung des Gewehres G3, dessen Einführung in und Beschaffung für die Bundeswehr sowie die Mehrzahl der Lizenzvergaben für dieses Gewehr — einschließlich der Lizenzvergabe an den Iran — erfolgte in den 60er Jahren. Nach über 20 Jahren gibt es nur noch wenige Akten und Wissensträger aus damaliger Zeit, die für eine Beantwortung der z. T. sehr spezifischen Fragen hätten herangezogen werden können, wie sie in der Kleinen Anfrage vom 15. August 1989 gestellt worden sind. Zufällig noch vorhandene Restakten hätten in den fraglichen Bereichen nur Aussagen zugelassen, deren Richtigkeit und Vollständigkeit hier nicht mehr nachprüfbar wären. Auf diesen Umstand bezieht sich die Aussage, daß „aufgrund nur teilweise vorhandener Unterlagen keine zuverlässigen Angaben mehr gemacht werden können". Dies trifft auch auf die in der Frage enthaltene Aussage zu, die Bundesregierung hätte die Lizenz zur Herstellung des Gewehres G3 im Iran vergeben. Zu Frage 38: Die Endverbleibserklärung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung jeder Ausfuhrgenehmigung. Bei festgestellten Verstößen gegen den vereinbarten Endverbleib kann die Ausfuhrgenehmigung nachträglich aufgehoben werden oder können beantragte neue Ausfuhrgenehmigungen für die betreffende Lizenzproduktion versagt werden. Da bei Lizenzvergaben ins Ausland in der Regel über eine lange Zeit noch genehmigungspflichtige Zulieferungen erfolgen, liegt es im eigenen Interesse des ausländischen Lizenznehmers aus obigen Gründen den vereinbarten Endverbleib einzuhalten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen und Monaten hat sich in Deutschland, hat sich im Herzen Europas mehr verändert als zuvor in Jahren oder in Jahrzehnten.
    Die Ursachen für diesen revolutionären Prozeß sind mannigfaltig und reichen weit zurück. Aber diejenigen, die jetzt Geschichte machen, ja, die bereits Geschichte gemacht haben, sind die Menschen in der DDR.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Ich beginne meine Rede deshalb mit einem Gruß an die Bürgerinnen und Bürger in der DDR, mit einem Gruß, der Verbundenheit, Hochachtung und Sympathie zum Ausdruck bringt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    In diesem Sinn grüße ich diejenigen, die seit Wochen in Leipzig und Dresden, in Schwerin, Rostock und Güstrow, in Magdeburg, Meiningen, Nordhausen und Plauen und an vielen anderen Orten und zuletzt am Wochenende in einer gewaltigen Kundgebung in Berlin zu Hunderttausenden mit dem Ruf „Wir sind das Volk" ihr Recht auf Mitsprache und auf Mitbestimmung einfordern.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Hier hat das Volk selber begonnen, den Grundprinzipien der Demokratie Geltung zu verschaffen,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das haben Sie spät entdeckt!)

    und zwar so elementar und so spontan, aber auch so unpathetisch, diszipliniert und besonnen wie selten auf deutschem Boden.

    (Beifall bei der SPD)

    Christa Wolf, die Autorin, Stefan Heym, der Autor, Friedrich Schorlemmer, der Pfarrer — sie haben für alle zum Ausdruck gebracht, worum es wirklich geht: darum, den Traum von Ernst Bloch Wirklichkeit werden zu lassen, endlich aufrecht gehen zu dürfen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

    Wir verfolgen das, was da geschieht, mit Bewunderung und tiefer Anteilnahme. Ich bin sicher, im Buch



    Dr. Vogel
    der wechselvollen Geschichte des Verhältnisses der Deutschen zur Demokratie ist in diesen Tagen ein neues Kapitel geschrieben worden, ein Kapitel, das an die besten Traditionen der demokratischen Bewegung von 1848 anknüpft.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir hier können denen, die das bewirkt haben, nur dankbar sein; sie haben mehr für die politische Kultur der Deutschen getan, als uns vielleicht im Augenblick bewußt ist. Sie haben das mit einer Würde und mit einer sprachlichen Kraft getan, die auch für uns Maßstäbe setzen sollte, jedenfalls in der heutigen Debatte,

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    wenn es sein kann, auch in Zukunft.
    Ich grüße weiter die, die sich in Foren und anderen Reformgruppen zusammengeschlossen und entscheidend mitgeholfen haben, diese Volksbewegung in Gang zu setzen, die jetzt an Alternativen zu einem Gesellschaftssystem arbeiten, das in seiner Erstarrung den Menschen zuletzt die Luft zum Atmen nahm und sie in Scharen aus dem Lande trieb, und die damit den Menschen wieder Perspektiven geben und Mut machen, in ihrem Lande zu bleiben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Zu diesen Kräften gehört auch eine neue Partei, die Sozialdemokratische Partei in der DDR, die von mutigen Männern und Frauen am 7. Oktober 1989 aus eigenem Entschluß gegründet worden ist und der ich auch von dieser Stelle aus unsere Solidarität bekunde.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wissen, diese Partei steht noch am Anfang, und Menschen, die sozialdemokratische Positionen vertreten, gibt es auch in anderen Foren und Gruppen. Aber es berührt und bewegt wohl nicht nur uns, daß es in einem Gebiet, das zu den Stammlanden der deutschen Sozialdemokratie gehört, jetzt, 43 Jahre nach der Zwangsvereinigung, wieder eine Sozialdemokratische Partei gibt;

    (Beifall bei der SPD)

    übrigens seit Anfang dieser Woche auch in Ost-Berlin, also dort, wo Sozialdemokraten der Zwangsvereinigung bis 1961 Widerstand geleistet haben.
    Ich denke weiter mit hoher Achtung an die Kirchen in der DDR, insbesondere an die Evangelische Kirche, und grüße ihre Repräsentanten und Angehörigen mit Dankbarkeit.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Diese Kirche war über Jahre hin die einzige Institution, die den Sorgen, Nöten und Bedürfnissen der Gesellschaft Ausdruck geben konnte und das auch tat. Sie hat in einer Zeit, in der die Gesellschaft selbst nahezu sprachlos war, den Raum geboten, in dem sich Menschen begegnen, ihr Bewußtsein entwickeln und beginnen konnten, sich zu artikulieren. Die Kräfte, die jetzt aus dem kirchlichen Raum herausgetreten sind,
    hätten sich anders kaum entfalten können. Auch dies ist eine neue Erfahrung auf deutschem Boden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich wende mich aber auch an die, die in der SED selbst inzwischen öffentlich Fehler einräumen und ebenfalls für Veränderungen eintreten, die sich der Diskussion stellen und die wollen, daß den vielen Worten auch Taten folgen. Ihre Rolle und ihre Bedeutung für die weitere Entwicklung dürfen wir nicht unterschätzen.
    Ich sagte, in der DDR vollziehe sich ein revolutionärer Prozeß. Dieser Prozeß hat die politische Realität der DDR bereits tiefgreifend verändert. Hunderttausende, ja, inzwischen wohl Millionen von Menschen auf den Straßen, Tausende, die sich zur Entwicklung neuer Perspektiven zusammenfinden, offener Widerspruch auch gegen die neue Führung, kritische Beurteilung der Vergangenheit, öffentliche Proteste gegen Übergriffe der Staatsorgane, Liveübertragungen von Demonstrationen, rückhaltlos offene Diskussion im Fernsehen und in anderen Massenmedien, aber auch in Volksversammlungen, Gründung einer Sozialdemokratischen Partei, reihenweise Ablösung von Führungspersonen, Zurückweisung eines von der DDR vorgelegten Gesetzentwurfs, erst gestern abend der Sturz der Regierung und vor allem die immer lauter werdende Forderung nach freien Wahlen — das ist schon jetzt eine neue DDR, eine andere als noch vor wenigen Monaten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Als eine DDR, die noch vor vier Wochen eine — —

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, warum Sie bei der Erörterung solcher Themen glauben, sich in einer Art und Weise benehmen zu können, die vielleicht bei anderen Anlässen am Platze ist, aber nicht am heutigen Tage bei der Diskussion dieses Themas.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich sagte, dies ist eine neue DDR, eine andere als die, die vor vier Wochen in einer quälenden und bedrükkenden Zeremonie noch einmal und wohl zum letzten Male das Volk an der Führung vorbeiziehen ließ.

    (Bohl [CDU/CSU]: Sie sind ein Wendehals!)

    Es ist eine DDR, in der sich die Menschen — um ein Wort Erhard Epplers aus seiner großartigen Rede zum 17. Juni 1989 zu wiederholen, der Sie mit Recht, gerade Sie und alle, stürmisch Beifall geklatscht haben — in ihre eigenen Angelegenheiten eingemischt und ihre Sache selbst in die Hand genommen haben. Ein Land, in dem die politische Initiative, die Artikulation des politischen Willens bereits auf das Volk übergegangen ist und in dem sich das Volk wichtige Freiheiten selbst verschafft hat, die Meinungsfreiheit, die Demonstrationsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit zum Beispiel. Wir können das nur mit Bewunderung und mit großer Dank-



    Dr. Vogel
    barkeit gegenüber dem Volk konstatieren, das sich diese Freiheiten verschafft hat.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Die Zeit, in der solches geschieht, ist nicht die Zeit für Auseinandersetzungen der üblichen Art. Was wir hier sagen und austauschen, auch die Art und Weise, wie wir das hier — für jedermann auch drüben sichtbar und hörbar — begleiten, muß vor dem geschärften Urteil der Menschen in der DDR und ihrem neuen Selbstgefühl bestehen können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wendehals!)

    Deshalb konzentriere ich mich auf drei Fragen, nämlich erstens: Welche Ursachen haben diesen revolutionären Prozeß ermöglicht? Zweitens: Was ist jetzt wichtig? Drittens: Was können und was müssen wir jetzt tun?
    Zunächst zu den Ursachen. Die Klarheit über die Ursachen ist auch deshalb wichtig, weil diese Ursachen fortwirken und weil sich daraus wichtige Anhaltspunkte für die weitere Entwicklung ergeben. Den letzten Anstoß für das Aufbrechen der erstarrten Strukturen gab sicherlich die Tatsache, daß zunächst Hunderte, dann Tausende von Bürgerinnen und Bürgern der DDR im Juli, August und September ihrem Land den Rücken kehrten und in die Botschaften nach Budapest, Prag und Warschau flüchteten und daß es sich dabei ganz überwiegend um junge Menschen handelte. Das war eine Form des Protestes, die sich und zugleich dem Protest derer, die zu Hause für Veränderungen eintraten, weltweites Gehör verschaffte.
    In diesen Zusammenhang gehört die mutige Entscheidung der ungarischen Regierung, für die auch ich mich heute im Namen meiner Freundinnen und Freunde noch einmal ausdrücklich bedanke.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

    Für die Entscheidung nämlich, die Stacheldrahtsperren an der österreichisch-ungarischen Grenze beiseite zu räumen und die Menschen reisen zu lassen. Diese Entscheidung hat der Mauer und dem System, das sich nur noch mit ihrer Hilfe halten konnte, die Grundlage entzogen. Dies war das letzte Glied in der Kette.
    Andere Ursachen gingen voraus. So die Reformpolitik Gorbatschows in der Sowjetunion. Auf die Frage, warum in der DDR das Maß an Freiheit und Demokratie nicht möglich sein sollte, das in der Sowjetunion schon verwirklicht war, fand die damalige Führung der DDR keine Antwort mehr. Die Rechnung, man könne die Politik der Öffnung und des Umbaues aussitzen, sie werde sich von selbst erledigen, ging nicht auf. Im Gegenteil, bei seinem Besuch in OstBerlin am 6. und 7. Oktober 1989 hat Gorbatschow die Reformkräfte öffentlich ermutigt. Sein Satz „Wer zu spät kommt, den straft das Leben" hatte es in sich.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Dr. Jobst [CDU/CSU]: Das gilt auch für Sie! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das schreiben Sie sich einmal ins Stammbuch!)

    — Die Art und Weise Ihrer Begleitung läßt nicht Anteilnahme an den Geschehnissen, sondern selbstüberhebliche Rechthaberei in einem Moment erkennen, in der sie besonders verfehlt ist.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Jobst [CDU/CSU]: Das ist sehr billig!)

    Mindestens ebenso wichtig war, daß die sowjetische Führung die Breschnew-Doktrin widerrief und damit die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht der Staaten des Warschauer Paktes wiederherstellte. Und daß Ungarn und Polen in Ausübung dieses wiedergewonnenen Selbstbestimmungsrechtes auf dem Weg der Demokratisierung beispielhaft und besonnen vorangingen. An dieser Stelle wird übrigens auch die Verkettung aller Reformprozesse sichtbar. Jeder Rückschlag, den der eine Prozeß erleidet, gefährdet, jeder Fortschritt, den ein Prozeß erzielt, befördert den anderen. Das gilt insbesondere im Verhältnis zur Sowjetunion. Deshalb müssen wir, deshalb muß der Westen insgesamt alle Reformprozesse nach besten Kräften unterstützen. Beispielsweise auch dadurch, daß die Abrüstungsverhandlungen sobald wie möglich zu konkreten Ergebnissen gebracht werden, die die Volkswirtschaft der Sowjetunion und die der anderen Staaten entlasten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    übrigens auch die Volkswirtschaften des Westens, auch unsere eigene.
    Aber die Gorbatschowsche Reformpolitik ist nicht vom Himmel gefallen. Die Ursachenkette, die die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß sich die Prozesse in der Sowjetunion, in Polen, in Ungarn, jetzt auch in der DDR entfalten können und sich in der ČSSR demnächst entfalten werden, reicht weiter zurück. Sie hat von der Politik ihren Ausgang genommen, die vor 20 Jahren von einer sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt ins Werk gesetzt worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn das ist inzwischen wohl unstreitig: Ohne die Ost- und Deutschlandpolitik, ohne die Enspannungspolitik hätte es die Verträge nicht gegeben. Ohne die Verträge wäre es nicht zur Helsinki-Konferenz und dem durch sie ausgelösten Prozeß gekommen. Und ohne Helsinki-Prozeß gäbe es auch keine Reformen und keine Reformprozesse.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Diese Entwicklung und die mit ihr verbundene Entspannung hat den Reformen überhaupt erst eine Chance eröffnet und sie Schritt für Schritt nach vornetreten lassen. Die Orthodoxen, die Hardliner, diejenigen, die nichts verändern wollten und wollen, hatten nicht in dieser Phase Konjunktur; sie hatten ihre Konjunktur in den Zeiten der Konfrontation und des Kalten Krieges — übrigens auf beiden Seiten, nicht nur auf einer.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Politik hat schon in der Vergangenheit Früchte getragen. Sie hat eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten und eine konkrete Zusammenarbeit auf
    Deutscher Bundestag — 11, Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989 13021
    Dr. Vogel
    vielen Gebieten bewirkt. Auch und gerade auf dem Gebiet der Friedenssicherung. Sie hat zur Erweiterung einzelner Freiheitsräume, zur Verbesserung der Reisemöglichkeiten und zu einer Vielzahl von persönlichen Kontakten über die deutsch-deutsche Grenze hinweg geführt. Das hat zur Bewahrung und Belebung der Geschichts-, Kultur-, Sprach- und Gefühlsgemeinschaft der Deutschen und damit zur Bewahrung des Wissens, daß wir über die Grenzen der beiden deutschen Staaten hinweg unverändert einer Nation angehören, mehr beigetragen als das, was diejenigen gesagt und gefordert haben, die sich dieser Politik über viele Jahre erbittert entgegengestellt haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Aus dieser Entwicklung ergibt sich, daß wir die Politik, die das möglich gemacht hat, jetzt nicht abbrechen dürfen, daß wir sie vielmehr fortsetzen müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Verhandlungen mit der SED!)

    Für die Abrüstungsverhandlungen sagte ich das schon. Für den Helsinki-Prozeß und für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Friedensordnung gilt das ebenso. Mit einer Sowjetunion, die auf die Breschnew-Doktrin verzichtet hat und ihre Kraft auf innere Reformen konzentriert, mit Staaten, die sich auf den Weg zur Demokratie begeben haben, sind Fortschritte auf diesem Wege leichter und schneller zu erreichen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Das bevorstehende Treffen zwischen Präsident Bush und Generalsekretär Gorbatschow wird das erweisen.
    Wir sind überzeugt: Die Chance, Krieg in Europa für alle Zukunft unmöglich zu machen, ist heute größer denn je, größer als in den Jahren nach dem Kriege.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN und der FDP)

    Nicht Zögern und Zaudern, sondern Voranschreiten ist das Gebot der Stunde. Das gilt allerdings nicht nur in einer Richtung; es gilt auch in westlicher Richtung, z. B. hinsichtlich der Einschränkungen, denen auch unsere Souveränität immer noch unterliegt. Wir haben gerne gehört, daß sich die Repräsentanten der USA und Frankreichs und — etwas verhaltener — auch des Vereinigten Königreichs in den letzten Tagen erneut für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen ausgesprochen haben. Das muß sich dann aber auch in diesen Fragen bewähren.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Was ist jetzt wichtig?

    (Jäger [CDU/CSU]: Ehrlichkeit wäre jetzt wichtig!)

    Wichtig ist vor allem, daß wir den Übersiedlerstrom
    aus der DDR, der immer noch anschwillt und der
    allein seit Öffnung der tschechoslowakischen Grenze
    in wenigen Tagen 35 000 Menschen zu uns gebracht hat, bald zum Versiegen bringen. Und zwar in erster Linie im Interesse der DDR und erst in zweiter Linie wegen der Probleme, die dieser Strom für uns mit sich bringt. Eine DDR, die ausblutet, eine DDR, deren Versorgungssysteme zusammenbrechen, deren Wirtschaft noch weiter verfällt, wird sich nicht schneller, sondern überhaupt nicht reformieren. Sie wird in Lethargie oder gar im Chaos versinken. Vielleicht spekulieren einige Orthodoxe im SED-Apparat sogar darauf, daß die Volksbewegung auf diese Weise geschwächt wird und sie dann noch einmal eine Chance haben, oder auch darauf, daß der Übersiedlerstrom bei uns soziale Spannungen verursachen und zu Konfrontationen, jedenfalls aber zum Erstarken rechtsextremer Kräfte führen könnte. So ganz abwegig ist eine solche Befürchtung oder Spekulation ja auch nicht.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das wollen wir doch nicht herbeireden!)

    Der Exodus kommt aber nur zum Stehen, wenn die Menschen in der DDR wieder eine lebenswerte Zukunftsperspektive sehen, wenn sie wieder Vertrauen fassen. Wenn sie glauben, daß es sich lohnt, in ihrer Heimat zu bleiben, daß sie dort in absehbarer Zeit in Freiheit und auch in dem Wohlstand leben können, den sie auf Grund ihrer Anstrengungen und ihrer Leistungen erwarten können.
    Das bedeutet politisch: Die SED muß ihren Wahrheitsanspruch und zugleich ihren Führungsanspruch aufgeben. Sie sollte beherzigen, was Rosa Luxemburg, auf die sich die SED ja oft genug berufen hat, gesagt hat.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ein guter Zeuge! — Jetzt wird es abenteuerlich! — Sie genieren sich gar nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich bedauere ein bißchen, daß das Fernsehen — vielleicht darf ich da eine Anregung geben — die hämischen Gesichter derer, die sich mit diesen Zwischenrufen hervortun, der Bevölkerung nicht immer ganz deutlich zeigt.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Rühe [CDU/ CSU]: Wir haben hier ein freies Fernsehen!)

    Sie sollten beherzigen, was Rosa Luxemburg — auf sie hat sich die SED oft genug berufen — so formuliert hat: Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, ohne freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. — Dies wäre eine Stelle, an der auch die Damen und Herren der Union Rosa Luxemburg Beifall geben könnten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN und der FDP)

    Das heißt: die Forderung nach freien Wahlen ist jetzt die zentrale Forderung. Zu ihrer Verwirklichung sollten sich alle gesellschaftlichen Kräfte der DDR bald an einem runden Tisch zusammensetzen, so wie das in Polen und in Ungarn geschehen ist. Alles, was dahinter zurückbleibt — so erfreulich auch die eine



    Dr. Vogel
    oder andere Maßnahme und der eine oder andere personelle Wechsel erscheint —, genügt nicht mehr. Wer weniger tut, setzt sich vielmehr dem Verdacht aus, es gehe nur um Zeitgewinn und Machterhalt. Die SED muß zur Kenntnis nehmen: Die Zeit, in der man dem Volk einen fremden Willen aufzwingen konnte, ist vorbei. Für einen politischen Führungsanspruch gibt es nur noch eine Legitimation, nämlich das Ergebnis freier Wahlen, und daraus folgt alles andere.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Für den wirtschaftlichen Bereich bedeutet das durchgreifende Reformen, breite Spielräume für individuelle Initiative und Kreativität im Rahmen eines gemischtwirtschaftlichen Systems und klarer gesellschaftlicher Vorgaben, die nicht von einer Zentrale verordnet, sondern in einem demokratischen Prozeß bestimmt und erarbeitet werden und in diesem Rahmen Selbstverantwortung der Unternehmen und Gewerkschaften, die nicht die Interessen der Staatsführung, sondern die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten.
    Auf diesen Feldern fällt die Entscheidung. Anderes tritt demgegenüber an Bedeutung zurück, auch die Frage der Staatlichkeit der DDR. So sehen es jedenfalls die reformerischen Kräfte der DDR, auf deren Forderungen wir auch in diesem Punkt achten sollten und nicht selektiv nur jeweils da, wo es dem einen oder anderen gefällt.
    In dem Aufruf des „Neuen Forums" vom 1. Oktober 1989 heißt es wörtlich — gerade Sie haben sich mit gutem Recht bei jeder Gelegenheit immer wieder genauso wie wir auf das „Neue Forum" berufen —:
    Für uns ist die Wiedervereinigung kein Thema, da wir von der Zweistaatlichkeit Deutschlands ausgehen und kein kapitalistisches Gesellschaftssystem anstreben.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wir wollen Veränderungen hier in der DDR. — Bärbel Bohley, Herr Reich, das „Neue Forum".

    (Rühe [CDU/CSU]: Darüber sollen die Bürger entscheiden!)

    — Sie sind natürlich klüger als das „Neue Forum" , Herr Rühe, Sie selbstverständlich.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Vielleicht werden Sie auch noch Generalsekretär des „Neuen Forums".

    (Rühe [CDU/CSU]: Lassen Sie doch die Bürger darüber entscheiden, Herr Vogel!)

    In einem entsprechenden Text — ich werde Ihnen noch weitere interessante Texte zur Kenntnis bringen — des „Demokratischen Aufbruchs" wird gesagt:
    Das besondere Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland, begründet in der Einheit deutscher Geschichte und Kultur, wird durch den „Demokratischen Aufbruch" hoch bewertet. Auch stellt der „Demokratische Aufbruch" die freundschaftliche und familiäre Bindung von Millionen von Bürgern über die Grenze hinweg in Rechnung. Dennoch geht der „Demokratische Aufbruch"
    von der deutschen Zweistaatlichkeit aus. Die langfristige politische Lösung der damit zusammenhängenden Fragen kann nur im Rahmen einer europäischen Friedensordnung erfolgen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich trage Ihnen doch nur vor, was die treibenden politischen Kräfte der Reform zu dieser Frage sagen. Daß Sie mir nicht gern zuhören, kann ich noch verstehen. Aber daß Sie noch nicht einmal den Menschen zuhören, die jetzt in der DDR am aktivsten für Veränderungen eintreten, das wirft auf Sie ein schlechtes Licht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    In den Grundpositionen der SPD, der Sozialdemokratischen Partei in der DDR, zu einem Parteiprogramm ist wörtlich ausgeführt:
    Anerkennung der derzeitigen Zweistaatlichkeit Deutschlands als Folge der schuldhaften Vergangenheit. Mögliche Veränderungen im Rahmen einer europäischen Friedensordnung sollen damit nicht ausgeschlossen werden.
    Auch bei den großen Demonstrationen war bisher kein einziges Transparent zu sehen und keine Rede zu hören, die etwas davon Abweichendes verlangt hätte.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Im Einklang damit sage ich: Wer jetzt territoriale Fragen aufwirft und Diskussionen über die Grenzen von 1937 anfacht, der fördert die Reformprozesse nicht, sondern der stört und behindert die aktivsten Kräfte der Reform.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Es ist schlimm genug, daß sich die sogenannten Republikaner auf diesem Feld tummeln. Die demokratischen Kräfte dieses Landes sollten es nicht tun und sollten sich dafür zu schade sein.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das alles, Herr Bundeskanzler, gilt auch für die polnische Westgrenze. Herr Genscher hat dazu vor der UNO-Vollversammlung eine Aussage formuliert — zudem auf sehr persönliche Weise eindrucksvoll an den Außenminister des, wie er wörtlich sagte, neuen Polen gerichtet — , die in dieser Frage jeden Zweifel ausräumt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Sie, Herr Bundeskanzler — das sage ich jetzt in Anbetracht der Empfindlichkeit und der Bedeutung des Themas als Bitte — , sollten sich diese Formulierung uneingeschränkt zu eigen machen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Antrag gibt dazu Gelegenheit. Wenn Sie aber in Warschau das wiederholen, was Sie dazu zuletzt vor dem Bund der Vertriebenen und leider, wenig abgewandelt, auch soeben gesagt haben,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Rechtslage!)




    Dr. Vogel
    dann wird auf Ihren Besuch, dem auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Sinne der deutsch-polnischen Verständigung vollen Erfolg wünschen,

    (Rühe [CDU/CSU]: Das merkt man!)

    ein schwerer Schatten fallen. In Polen erwartet man nämlich zu Recht keine verfassungsrechtlichen Deduktionen, sondern die verbindliche politische Aussage, daß die Deutschen die polnische Westgrenze ein für allemal als endgültig betrachten.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Ich erinnere mich an ein geschätztes Mitglied dieses Hohen Hauses, das diese Auffassung von dieser Stelle aus auch einmal vertreten und dann in einer Wahlkapitulation als irrig zurückgenommen hat. Ich sage: Auch das Verfassungsgerichtsurteil hindert Sie in keiner Weise daran, den politischen Willen, diese Grenze ein für allemal anzuerkennen, zum Ausdruck zu bringen.
    Im übrigen zu den Vorbehalten: Wenn am Ende dieses Jahrhunderts in Europa in Sachen Grenzen etwas vorzubehalten oder etwas zu verhandeln ist, dann die Aufhebung von Grenzen, nicht aber ihre Verschiebung auf diesem Kontinent!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Unsere Position in der Frage der deutschen Einheit ist unverändert. Sie beruht auf der uneingeschränkten Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts. Das Selbstbestimmungsrecht ist die zentrale Antwort auf die deutsche Frage. Deshalb ist es zunächst einmal Sache der Deutschen in der DDR, dann, wenn sie dazu imstande sind — wir hoffen, bald — , darüber zu befinden, für welche Form des Zusammenlebens mit uns sie sich entscheiden wollen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Für die deutsche Sozialdemokratie sage ich: Wie immer sich die Deutschen dort entscheiden werden, wir werden die Entscheidung respektieren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP — Rühe [CDU/CSU]: Was wünschen Sie sich denn?)

    Mit den Reformkräften in der DDR sind wir dafür, daß diese Entscheidung so getroffen wird, daß sie den europäischen Einigungsprozeß nicht hemmt, sondern fördert. Unser Ziel bleibt es, die Einheit der Deutschen gemeinsam mit der Einheit Europas zu vollenden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Gerade deshalb ist die weitere europäische Entwicklung für uns wichtiger denn je. Diese Entwicklung muß sich an zwei Zielen orientieren, nämlich daran, daß der Integrationsprozeß der EG in Richtung auf die Europäische Union unvermindert voranschreitet, und daran, daß die EG gleichzeitig für die Zusammenarbeit mit den EFTA-Staaten und den Staaten Osteuropas und des östlichen Mitteleuropa offenbleibt, ja, sich für diese Zusammenarbeit noch weiter
    öffnet. In dieser historischen Situation könnte die Aufnahme Österreichs in die EG gerade jetzt ein ganz wichtiges Signal in die richtige Richtung geben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ein konkreter Schritt hin zur Einheit sollte sofort getan werden. Und das ist die Beseitigung von Stacheldraht und Sperranlagen an der deutsch-deutschen Grenze und die vollständige Öffnung der Mauer.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Sie waren stets inhuman und deshalb zu Recht Gegenstand weltweiter Kritik. Jetzt sind sie vollends sinn- und funktionslos. Darum sage ich: Ein liberales Reisegesetz allein genügt nicht; vielmehr muß die deutsch-deutsche Grenze in den gleichen Zustand versetzt werden wie die ungarisch-österreichische Grenze, und das bald.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Die DDR würde sich damit auch immense Kosten ersparen und ihrer Wirtschaft voranhelfen.
    Das gleiche wäre übrigens auch der Fall, wenn, wie Christa Wolf das ausgedrückt hat, die Heerscharen des Staatssicherheitsdienstes so schnell wie möglich demobilisiert würden.

    (Beifall bei der SPD — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Den Verfassungsschutz brauchen wir auch nicht!)

    Was können, was sollen wir tun? Das heißt zugleich: Was müssen wir unterlassen? Daß wir die Frage der Staatlichkeit nicht in den Vordergrund rücken sollten, habe ich schon gesagt. Es gibt aber auch keinen Anlaß zu vordergründigem Triumph in dem Sinne, daß wir in diesen Tagen unsere eigene gesellschaftliche Realität heiligsprechen. Diejenigen, die meinen, die neuen politischen Kräfte in der DDR wollten einfach die gesellschaftliche Realität der Bundesrepublik übernehmen, täuschen sich gründlich. Natürlich sieht man dort die Vorzüge unserer Ordnung; man sieht aber auch die Nachteile und Gefahren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Man kann nicht alles haben!)

    Wer sich auf diese neuen Kräfte, wer sich auf das „Neue Forum", den „Demokratischen Aufbruch" oder die SDP beruft, der beruft sich auf Kräfte, deren gesellschaftliche Vorstellungen und Forderungen auf einen ökologisch orientierten freiheitlichen und demokratischen Sozialismus, keinesfalls aber auf Gesellschaftsmodelle neokonservativer Prägung hinauslaufen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Deshalb ist dort wohl das Ende eines verknöcherten Systems eingeläutet, das sich zu Unrecht als sozialistisch bezeichnet,

    (Erneute Zurufe von der CDU/CSU)

    nicht aber, wie manche hier meinen oder auch hoffen,
    das Ende der Sozialdemokratie, des demokratischen
    13024 Deutscher Bundestag 11. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1989
    Dr. Vogel
    Sozialismus. Der erlebt dort, in der DDR, und in ganz Osteuropa jetzt, in diesen Monaten, seine Wiedergeburt, und das strahlt auf ganz Westeuropa aus.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/ CSU: Das war ja eine kabarettistische Einlage! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich hoffe, Sie finden sich wieder. Mir gefällt immer wieder der Vergleich zwischen der Schläfrigkeit dieser Herren und Damen bei Reden des Bundeskanzlers und ihrer lebhaften Aufregung jetzt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Offenbar gehen die anregenden politischen Gedanken eher von meiner Rede aus. Zu diesem Ergebnis muß man kommen.
    Im übrigen: Der Herr Bundeskanzler hat ja etwas sehr Zustimmenswertes gesagt. Er hat gesagt: Wir sollten die Menschen in der DDR und auch die Menschen in den anderen osteuropäischen Ländern nicht bevormunden. Es steht in krassem Widerspruch dazu, wenn Sie mit überheblicher Heiterkeit reagieren, wenn ich zitiere, was die gesellschaftlich aktivsten Kräfte drüben als ihren Willen ausgeben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nachdem diese Debatte hier auch die Menschen in der DDR verfolgen und dies alles mit anhören, werden sie jetzt ein bißchen besser und illusionsloser über Ihre Einstellung zu denen, die die Volksbewegung drüben vorangebracht haben, Bescheid wissen.

    (Beifall bei der SPD)

    Was können wir tun? Zunächst einmal die Gesprächskontakte gerade jetzt intakt halten, und zwar nach allen Seiten, auch zu denen, die offizielle Funktionen innehaben. Ich begrüße ausdrücklich, daß in einer kritischen Zeit Herr Kollege Mischnick mit einer großen Delegation der FDP drüben war und mit dem neuen Generalsekretär gesprochen hat. Wenn da und dort aus Ihren Reihen Kritik laut wurde: Wir halten diese Reise, wir halten dieses Gespräch für nützlich und unterstützen es.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Notwendig ist die Vertiefung der schon existierenden Zusammenarbeit auf kulturellem, ökologischem und wirtschaftlichem Gebiet, nicht im Sinne einer Belohnung oder gar eines Abkaufens von Reformmaßnahmen, sondern damit neue und zusätzliche Möglichkeiten, die sich aus dem wirtschaftlichen und politischen Umbruch ergeben — ergeben können, muß man sagen — rasch genutzt werden. Hier sind auch größte Anstrengungen gerechtfertigt.
    In den Bereich des Realisierbaren rücken jetzt auch institutionelle Fragen, etwa die nach einer europäischen Umwelt- oder Abrüstungsbehörde in Berlin. Oder sogar nach einzelnen, deutsch-deutschen Institutionen, beispielsweise wiederum auf dem Feld des Umweltschutzes, auf dem des Bank- und Kreditwesens, der Drogen- oder der AIDS-Bekämpfung. Vieles, was kürzlich noch utopisch erschien, sollte zumindest
    angesprochen und im voraus sorgfältig bedacht werden.
    Das alles könnte zu einer neuen Qualität des deutsch-deutschen Verhältnisses führen, bei der das Miteinander, ja ein Zusammenwachsen mehr und mehr an die Stelle des Nebeneinander tritt. Das könnte auch in Ergänzung und Weiterführung des Grundlagenvertrages zu zusätzlichen Vereinbarungen führen. Hingegen sehen wir zu Änderungen der rechtlichen Gegebenheiten oder praktischen Handhabung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit nach wie vor keine Veranlassung. Die SPD als Fraktion und als Partei haben dies auch zu keinem Zeitpunkt verlangt oder vorgeschlagen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Vordringlich ist die Bewältigung der Probleme, die sich mit der Einführung der vollen Reisefreiheit — sie wird kommen — ergeben. Die Menschen, die aus der DDR in die Bundesrepublik reisen wollen, müssen in den Stand gesetzt werden, bestimmte Beträge ihres eigenen Geldes in D-Mark umzutauschen. Als ersten Schritt schlagen wir vor — zu meiner Freude hat das drüben bereits ein positives Echo gefunden —, dafür die D-Mark-Guthaben zu verwenden, die sich aus dem Zwangsumtausch bei Reisen in die umgekehrte Richtung ansammeln, und dafür — das muß man dann aber hinzusagen — , die Forderung auf Aufhebung des Zwangsumtausches für längere Zeit zurückzustellen. Beides miteinander ist logisch unvereinbar.
    Ergänzend sollten wir das Volumen, das jetzt für das sogenannte Begrüßungsgeld aufgewendet wird, ebenfalls für den Umtausch verfügbar machen. Eine gemeinsame deutsch-deutsche Bank könnte hierfür und für die Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gute Dienste leisten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Skurrile Vorstellung!)

    Nicht minder aktuell ist die Bewältigung des Übersiedlerstroms. Daß er bislang bewältigt werden konnte, ist das Verdienst vieler Helferinnen und Helfer. Ich nenne nur das Rote Kreuz, die anderen Wohlfahrtsverbände, den Bundesgrenzschutz, die Polizei und die Bundeswehr, aber auch die Mitarbeiter unserer Botschaften, insbesondere der Botschaft in Prag, die zum Teil Übermenschliches geleistet haben. Ihnen allen gilt unser aufrichtiger Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Bis der Übersiedlerstrom versiegt, wird selbst im günstigsten Fall noch einige Zeit vergehen. Nach Einführung der Reisefreiheit — da sollten wir uns keine Illusionen machen — wird er sogar noch einmal steigen. Das wird die Probleme, mit denen wir es heute schon zu tun haben, zusätzlich verstärken. Es wäre unredlich, das zu verschweigen. Noch unredlicher wäre es, den Zuwanderern nicht von vornherein zu sagen, daß es infolge der Wohnungsnot, die in der Bundesrepublik nicht erst heute herrscht, länger, wenn nicht lange dauern wird, bis sie aus Sammel- und Behelfsunterkünften in endgültige Wohnungen umziehen können. Wer einen anderen Anschein er-



    Dr. Vogel
    weckt, täuscht diese Menschen und hilft ihnen nicht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Das ist unsere Position in dieser Frage:

    Erstens. Die Übersiedler machen von einem Recht Gebrauch, das ihnen das Grundgesetz einräumt. Wir bitten sie zwar — ich tue das auch von dieser Stelle —, zu prüfen, ob es nicht jetzt schon ausreichende Gründe gibt, sich in der DDR für Veränderungen zu engagieren und deshalb dortzubleiben. Aber wir respektieren ihre Entscheidungen, und wir haben auch kein Recht, sie zu kritisieren. Keiner von uns wüßte, wie er sich in der gleichen Situation entscheiden würde. Das gehört immer dazu.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    Sie sind und bleiben willkommen. Und sie haben einen Anspruch darauf, ebenso, d. h. nicht schlechter, aber auch nicht besser als diejenigen behandelt zu werden, die in unserer Mitte in vergleichbarer Weise der Hilfe und Unterstützung bedürfen, also beispielsweise wie diejenigen, die hier schon lange auf eine Wohnung oder auf einen Arbeitsplatz warten.
    Meinen Respekt vor denen, die bleiben, die ihr Gemeinwesen in Freiheit erneuern wollen, habe ich vorhin schon zum Ausdruck gebracht. Ich wiederhole ihn an dieser Stelle. Hohen Respekt äußere ich übrigens auch vor denen, die einfach deswegen in der DDR bleiben, weil Kranke, Hilfsbedürftige oder andere Mitmenschen in schwere Bedrängnis kämen, wenn sie gehen würden. Auch dieser menschliche Gesichtspunkt verdient Anerkennung; das unterstreiche ich.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Zweitens. Die Lösung der sich daraus ergebenden Fragen kann nicht allein den Ländern und Gemeinden überlassen bleiben.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

    Der Bund muß seinen vollen Beitrag leisten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tut er ja auch!)

    Das hat er bisher nicht im notwendigen Umfang getan.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Jäger [CDU/CSU]: Das ist unwahr, was Sie da sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Zu diesem Zweck bedarf es eines Gesamtkonzeptes, das außer den Übersiedlern auch alle anderen Kategorien von Zuwanderern umfaßt. Dieses Konzept muß u. a. klären — ich sage ausdrücklich: klären —, von welcher Zuwandererzahl — bei aller Schwierigkeit der Prognose — mittelfristig ausgegangen werden muß;

    (Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Sie meinen auch die Asylanten?)

    ob angesichts des Übersiedlerstromes — auch das
    muß geklärt werden — auch diejenigen Zuwanderer
    weiter unbeschränkt in der Bundesrepublik aufgenommen oder hier belassen werden können, die darauf keinen verfassungsrechtlichen oder durch internationale Verträge gesicherten Anspruch haben;

    (Jung [Lörrach] [CDU/CSU]: Deutlicher, Herr Vogel! — Jäger [CDU/CSU]: Wen meinen Sie? — Rühe [CDU/CSU]: Wen haben Sie soeben gemeint? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    ob und in welchem Umfang Leistungen gewährt werden sollen, die sich von Leistungen unterscheiden, die den hier Ansässigen zustehen,

    (Jäger [CDU/CSU]: Werden Sie deutlicher!)

    und wie die Wohnungsversorgung sichergestellt werden soll und welche beschäftigungspolitischen Maßnahmen ergriffen werden müssen.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Klartext reden! — Gegenruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: War doch Klartext!)

    Drittens. Zur Lösung dieser Probleme, zur Verstärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der DDR und auch zur Förderung der Reformprozesse in Polen und anderen Staaten des Warschauer Paktes sind — bei aller Unterstützung des Gedankens, daß auch die Europäische Gemeinschaft hier eine wichtige Aufgabe hat — öffentliche Mittel in einem Ausmaß erforderlich, das uns allen noch nicht genügend deutlich vor Augen steht. Allein die Behebung der Wohnungsnot, die sich schon in einem Zeitpunkt sichtbar verschärfte, in dem die Zuwanderung noch keine Rolle gespielt hat, erfordert wesentlich mehr Milliarden D-Mark, als Sie in Ihren schrittweisen Programmen — zuletzt gestern — veranschlagt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, jetzt rächt sich doppelt, daß eine sozial ungerechte Steuerreform die öffentlichen Finanzen so geschwächt hat,

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    daß die Deckungsmittel für das dringend Notwendige fehlen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist dummes Zeug!)

    Wahrscheinlich ist es jetzt zu spät, die am 1. Januar 1990 wirksam werdenden Steuersenkungen für Hochverdienende wenigstens noch auszusetzen. Aber für die neu angekündigten Steuersenkungsprogramme ist jetzt mit Sicherheit kein Raum mehr.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Gegenteil: Es sind zusätzliche Leistungen erforderlich, die von den Starken und nicht von den Schwachen erbracht werden müssen, und zwar bald.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Sie kommen mit Ihren Öko-Steuern!)

    Auch das darf nicht verschwiegen, auch das muß unserem Volk deutlich, klar und ehrlich gesagt werden.



    Dr. Vogel
    Was hier auf dem Spiele steht, geht weit über das hinaus, was uns sonst Tag für Tag beschäftigt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Allerdings!)

    Es geht um die Bewahrung des sozialen Friedens in der Bundesrepublik, und es geht darum, daß wir tun, was in unseren Kräften steht, um den Demokratisierungs- und Reformprozessen zum Erfolg zu verhelfen. Wir — und übrigens auch der ganze Westen — müßten uns die bittersten Vorwürfe machen, wenn diese Prozesse scheitern, wenn es zu Chaos oder zu chinesischen Antworten käme, weil wir das uns Mögliche an Leistungen und Unterstützungen versäumt haben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Auch hier, auch in diesem Zusammenhang gilt der
    Gorbatschowsche Satz: „Wer zu spät kommt,"
    — nein: wer zu spät hilft — „den straft das Leben."

    (Zustimmung bei der SPD)

    Deshalb sind wir als Opposition bereit, an der Erarbeitung eines solchen Gesamtkonzeptes mitzuwirken
    — und zwar sofort, zusammen mit allen anderen gesellschaftlichen Kräften unseres Landes. Sie, Herr Bundeskanzler, sollten nach Ihrer Rückkehr aus Polen unverzüglich dazu die Initiative ergreifen.
    Kooperation, die hiermit für dieses wichtige Feld angeboten ist, ist mehr denn je ein Gebot in allen Fragen, die Berlin betreffen. Die Bedeutung dieser Stadt ist vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen noch gewachsen. Darin liegen für die Zukunft große Chancen. Aber zunächst muß Berlin hinsichtlich der Aufnahme von Übersiedlern und anderen Zuwanderern besondere Leistungen erbringen, die es aus eigener Kraft auf Dauer nicht bewältigen kann.
    Gleiches gilt übrigens für den Zustrom von polnischen Besuchern, die überwiegend ja nicht aus Mutwillen oder Geschäftssinn, sondern aus Not Habseligkeiten aller Art in Berlin verkaufen, um mit den erlösten D-Mark-Beträgen in ihrer Heimat einige Wochen und Monate halbwegs erträglich leben zu können. Das ist übrigens auch eine Folge der Maßnahmen, die gegen die Einreise von Polen nach Westdeutschland getroffen worden sind und die wegen des besonderen Status von Berlin dort nicht wirksam werden können und die — das füge ich für Menschen hinzu, für die Solidarität und Nächstenliebe keine Fremdwörter sind — aus Gründen der Mitmenschlichkeit wohl auch nicht wirksam werden sollten.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Eine zusätzliche Probe steht der Stadt bevor, sobald die Reisefreiheit in Kraft tritt. Schätzungen rechnen mit bis zu 200 000 Besuchern aus der DDR, von denen nicht ganz wenige in der Stadt bleiben werden. Berlin, meine sehr verehrten Damen und Herren, braucht deshalb dringender denn je die Hilfe des Bundes. Alle früheren Versprechungen und auch die heutige sind keinen Schuß Pulver wert, wenn sie in diesen Tagen und Wochen gegenüber der Stadt Berlin nicht eingelöst werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich appelliere deshalb an Sie, Herr Bundeskanzler, Ihren Groll über das Berliner Wahlergebnis zu vergessen und Berlin so zur Seite zu stehen, wie es der Regierende Bürgermeister und die Berliner Bevölkerung von Ihnen und der Bundesregierung zu Recht erwarten, ja fordern.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die Lage der Nation im geteilten Europa und in dem mit ihm geteilten Deutschland war lange Gegenstand der Sorge, ja in den Zeiten des Kalten Krieges Gegenstand von Befürchtungen und Ängsten. Nach Jahren, in denen eine realistische Politik diese Lage zunächst stabilisiert und durch eine Vielzahl kleiner Schritte dem Zerfall der Nation entgegengewirkt hat, ist sie heute Gegenstand der Hoffnung und wachsender Zuversicht.
    Ob sich diese Hoffnung verwirklicht, ob es bald ebenso einfach sein wird, von Ost-Berlin nach Bonn wie von Budapest nach Wien oder von Köln nach Brüssel zu gelangen, ob Recht und Freiheit allen Deutschen in gleichem Maß zuteil werden, ob die Einigkeit oder gar Einheit der Deutschen in einem einigen und geeinten Europa endgültig an die Stelle der Trennung tritt, ob damit auch die Nachkriegszeit endgültig abgeschlossen wird, das liegt nicht nur in unserer Hand.
    Aber wir müssen dazu unseren vollen Beitrag leisten. Mit heißem Herzen und zugleich mit kühlem Verstand. Wo notwendig im Streit und wo möglich gemeinsam. Die deutsche Sozialdemokratie ist dazu bereit.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Dregger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle sind Zeugen eines friedlichen Aufbruchs in Ost- und Ostmitteleuropa, der uns mit Zuversicht und Hoffnung erfüllt. Dazu haben viele beigetragen. Ich nenne die Reformkommunisten in der Sowjetunion und in Ungarn, die den Mut hatten, die erstarrten Strukturen ihrer Länder aufzubrechen. Ich nenne die Reform- und Demokratiebewegung, die in nahezu allen sozialistischen Ländern tätig ist, die in Polen den Wandel von unten her erzwungen hat und jetzt auch in der DDR immer mehr an Stärke gewinnt.
    Dieser Entwicklung liegen tiefere Ursachen zugrunde. Den Wettbewerb der Systeme hat der Sozialismus 72 Jahre nach der Oktoberrevolution eindeutig verloren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Er war zwar in der Lage, eine gewaltige Militärmacht und Polizeiapparate grausamer Natur aufzubauen, aber Freiheit, Glück und eine nur angemessene Versorgung der Menschen konnte er nicht ermöglichen. Mir hat ein hoher Funktionär der Sowjetunion das treffend wie folgt beschrieben: „In unserem System ist es leichter, 800 Panzer in Auftrag zu geben, als eine



    Dr. Dregger
    Stadt von 8 000 Einwohnern mit zivilen Gütern angemessen zu versorgen. " Das ist der Fall.
    Der zweite Grund für den Aufbruch ist die Erkenntnis: Die Nationen sind stärker als aufgezwungene Gesellschaftssysteme. Das zeigt sich zur Zeit vor allem in der Sowjetunion, das zeigt sich aber auch bei uns. Alle Versuche der SED, die DDR zu einer sozialistischen Teilnation zu machen, sind total gescheitert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt weder eine westdeutsche noch eine ostdeutsche, weder eine sozialistische noch eine kapitalistische Nation. Es gibt nur eine — und ich füge hinzu: unteilbare — deutsche Nation.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Massenexodus überwiegend junger Menschen aus der DDR und die Art ihrer Aufnahme bei uns haben das aller Welt gezeigt; ich hoffe, auch Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie immer noch daran zweifeln, daß es nur eine deutsche Nation gibt, die ihre staatliche Einheit wiederfinden will.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Das Gegenteil habe ich gerade gesagt! Zuhören, Herr Kollege!)

    Nicht weniger wichtig für die Gesamtentwicklung in Europa waren die Grundentscheidungen, die in der Bundesrepublik Deutschland sehr frühzeitig getroffen wurden. Ich nenne zunächst die Entscheidung für den Westen, für die Nordatlantische Allianz, die mit der Aufstellung der Bundeswehr verbunden war. Ohne die Bundeswehr hätte die Hegemonie der Sowjetunion über Europa nicht verhindert werden können. Ohne die Bundeswehr könnten wir jetzt nicht auf der Grundlage gesicherter Freiheit auch mit den Staaten Ost- und Ostmitteleuropas zusammenarbeiten, die ihre Misere, eine Folge des kommunistischen Systems, mit unserer Hilfe überwinden wollen.
    Für den Beitrag der Bundeswehr zu der gesicherten Friedensordnung gebührt unseren Soldaten unser Dank, den ich auch in dieser Debatte aussprechen möchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Das zweite, was die Entwicklung Gesamteuropas geprägt hat, war unsere Entscheidung für die Soziale Marktwirtschaft, die am Beispiel des geteilten Deutschlands gezeigt hat, wie sehr eine freiheitliche und soziale Ordnung allen Plan- und Zwangssystemen überlegen ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Das dritte war die frühe Entscheidung für den europäischen Zusammenschluß in den Europäischen Gemeinschaften. Dieses faszinierende Modell, das aus ehemaligen Feinden Freunde und Verbündete gemacht hat, hat seine Anziehungskraft auf die Völker Mittel- und Osteuropas nicht verfehlt.
    Keine dieser von der CDU/CSU und der FDP getroffenen Entscheidungen war damals selbstverständlich. Sie stießen sämtlich auf den erbitterten Widerstand der SPD, wobei ich an der Lauterkeit der Motive ihrer
    damaligen Vertreter keinen Zweifel aufkommen lassen möchte.

    (Dr. Vogel [SPD]: Helsinki-Schlußakte!)

    Die Entscheidung für den Westen erschien manchem als ein Verrat an der Einheit der Nation. Heute wissen wir, daß sie das Gegenteil davon war.
    Adenauer wußte, daß der Platz in der Mitte, den wir nun einmal haben, der Platz zwischen den Stühlen ist, wenn nicht die Mitte wesentlich stärker ist als die Peripherie. Daß die deutsche Mitte nicht stärker ist als ihre Umgebung, das haben wir in zwei Weltkriegen erfahren müssen.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wie bitte?)

    Wir haben uns auch deshalb für eine der beiden Seiten entschieden; wir haben uns für den Westen entschieden. Hätten wir uns nicht für den Westen entschieden, dann hätten wir heute, Frau Vollmer, weder Verbündete im Westen noch Optionen im Osten.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wie bitte? Daß die Mitte schwach ist, haben wir in zwei Weltkriegen gemerkt?)

    Hätten wir uns nicht so entschieden, dann wären wir jetzt von einem Ring von Mißtrauischen umgeben. Hätten wir uns nicht so entschieden, dann wäre es nicht zu den Veränderungen gekommen, die wir jetzt in Osteuropa erleben, wie der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung mit Recht festgestellt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt suchen wir als Teil des Westens den Ausgleich mit dem Osten, und an dieser unserer Position wird sich nichts ändern.
    Ebenso problematisch erschien nicht wenigen damals die Entscheidung für die Soziale Marktwirtschaft, die Aufhebung aller Bewirtschaftungsvorschriften, die Freisetzung der Initiative des einzelnen in einem Land, das zerstört, von Hunger geplagt und zunächst mit Demontagen der Siegermächte überzogen war. Auch hier hat der Erfolg Ludwig Erhard und denen recht gegeben, die ihn unterstützt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard haben wir, die CDU/CSU, zusammen mit unseren damaligen Koalitionspartnern, insbesondere der FDP, die richtigen Grundentscheidungen getroffen. Auch jetzt kommt es auf die Bundesrepublik Deutschland an, und auch jetzt werden wir wieder gemeinsam die richtigen Entscheidungen treffen.
    Meine Damen und Herren, der politische und wirtschaftliche Wandel in Mittel- und Osteuropa knüpft an geschichtlich gewachsene europäische Traditionen an, an ein Erbe, das allen europäischen Völkern gemeinsam ist. Dieses Erbe heißt Freiheit.
    Der Wandel eröffnet deshalb eine historische Chance für Europa und damit auch für Deutschland, die Chance, daß überall in Europa die Menschenrechte verwirklicht werden, die Chance, daß alle europäischen Völker, auch das deutsche Volk, ihr Recht auf freie Selbstbestimmung ausüben können. Deshalb müssen die Möglichkeiten eines friedlichen Wandels zur Freiheit und Einheit Deutschlands und Europas



    Dr. Dregger
    aktiv genutzt werden. Deshalb müssen wir uns dazu bekennen und müssen sie in die Diskussion einbringen.

    (Beifall des Abg. Jäger [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, die Initiative haben, soweit es Deutschland angeht, die Menschen in der DDR ergriffen. Sie gehen zu Hunderttausenden auf die Straßen und fordern Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Sie werden damit Erfolg haben, denn die Menschenrechte gelten für alle, auch für sie.
    In Ost-Berlin ging eine Million Menschen auf die Straße. Niemandem wurde bei dieser Massendemonstration ein Haar gekrümmt; niemand wurde verletzt. Ich glaube, wir alle können stolz darauf sein, einem Volk anzugehören, das seinen Friedens- und seinen Freiheitswillen in dieser Weise in Ost-Berlin bekundet hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


    (V o r sitz : Vizepräsident Stücklen)

    Ich möchte die Feststellung hinzufügen, daß unsere Landsleute in Mitteldeutschland auch technisch und ökonomisch nicht hinter uns zurückstehen. Wenn sie nur frei sind und ihre eigene Initiative entfalten können, dann werden sie bald den Rückstand aufgeholt haben

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    und werden dann mit uns gemeinsam die Wettbewerbsfähigkeit unserer Nation erhalten.
    Herr Vogel, die Menschenrechte schließen das Recht auf nationale Selbstbestimmung ein. Mit der Freiheitsfrage stellt sich in dieser geschichtlichen Stunde für die Deutschen daher auch die Einheitsfrage.

    (Jäger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Ein Staat kann auf Dauer nur existieren, wenn er Legitimität und wenn seine Bevölkerung Identität besitzen. Dem anderen Staat in Deutschland fehlt es an beidem. Die SED-Herrschaft beruht auf gefälschten Wahlergebnissen und einer Scheinverfassung, die niemals Staatspraxis geworden ist. Die DDR kann sich auch nicht auf eine eigene Nation stützen. Der Versuch, eine sozialistische Teilnation zu gründen — ich sagte das schon — ist gescheitert. Das ist offenbar auch die Meinung der SED selbst. Deren Chefideologe Reinhold hat gemeint, ohne Sozialismus verliere die DDR ihre Daseinsberechtigung. Dem kann ich nicht widersprechen. Dem möchte ich ausdrücklich zustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber Sozialismus rechtfertigt es nicht, die Teilung Deutschlands und Europas aufrechtzuerhalten. Denn Sozialismus bedeutet im Ergebnis immer: Diktatur, Armut und Unterdrückung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Herr Vogel, wenn Sie vom Sozialismus reden und sich
    darauf beschränken, zu sagen, in der DDR sei es der
    falsche Sozialismus gewesen, dann frage ich: Wo gibt es den richtigen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt ihn doch allenfalls in der Phantasie einiger Intellektueller.

    (Dr. Vogel [SPD]: Von Spanien, Österreich oder Schweden jemals gehört? Keine Ahnung!)

    — Schweden ist demokratisch und nicht Sozialismus.

    (Dr. Vogel [SPD]: Keine Ahnung!)

    Unsere Aufgabe kann es daher nicht sein, das von der Bevölkerung abgelehnte Zwangssystem der DDR zu stabilisieren. Unsere Aufgabe ist es, den friedlichen Wandel in der DDR zu fördern.
    Was sagen unsere Nachbarn zum Selbstbestimmungsrecht der Deutschen? Die zum Teil besorgten Kommentare nicht von seiten westlicher Regierungen, aber von seiten westlicher Medien beruhen auf der in der Tat heute bedeutenden Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland, im übrigen aber auf ganz anderen Erinnerungen an die erste Hälfte unseres Jahrhunderts. Inzwischen hat sich das Denken der Menschen verändert. Faschismus und Nationalsozialismus sind tot. Das System des Marxismus-Leninismus löst sich auf. Dort, wo die Europäer frei sind, im Westen, haben sie sich zusammengeschlossen. Niemand hat unter diesen Umständen Anlaß, sich vor einem vereinigten Deutschland zu fürchten.
    Das vereinigte Deutschland wird sicherlich eine wirtschaftliche Großmacht sein. Das ist auch schon die Bundesrepublik Deutschland. Aber wir sind Gliedstaat der Europäischen Gemeinschaft. Das wird auch für das vereinigte Deutschland gelten. In der Europäischen Gemeinschaft und der künftigen Europäischen Union werden wesentliche Teile der Souveränitätsrechte auf die Gemeinschaft übertragen. Die wirtschaftliche Kraft Deutschlands kommt allen Europäern zugute. Ohne diese wären auch die Unterstützungen zugunsten Osteuropas wie auch der Dritten Welt, die von uns erwartet werden, nicht zu finanzieren.
    Auch ein vereintes Deutschland wird eine demokratische Verfassung nach dem Beispiel des Grundgesetzes haben. Etwas anderes kommt für uns überhaupt nicht in Frage. Wenn schon Ungarn und Polen dabei sind, demokratische Mehrparteiensysteme und marktwirtschaftliche Ordnungen aufzubauen, dann ist es doch völlig unvorstellbar, daß ein vereinigtes Deutschland die demokratischen Errungenschaften der Bundesrepublik Deutschland preisgeben würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was sagen unsere Nachbarn im Osten zum Selbstbestimmungsrecht der Deutschen? Die neuen Regierungen in Polen und Ungarn stimmen dem Selbstbestimmungsrecht der Deutschen prinzipiell zu. Und die Sowjetunion? In der gemeinsamen Erklärung Kohl/ Gorbatschow vom 13. Juni hier in Bonn ist von Selbstbestimmungsrecht der Völker und Staaten die Rede. Die Völker oder die Staaten, was geht vor? Schon die Reihenfolge „Völker und Staaten", nicht umgekehrt, aber auch das in derselben Erklärung enthaltene Be-



    Dr. Dregger
    kenntnis zur Würde des Menschen und zur Demokratie lassen keinen Zweifel zu, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht durch diktatorische Staatsführungen außer Kraft gesetzt werden kann, die gegen den Willen des Volkes regieren.

    (Beifall des Abg. Jäger [CDU/CSU])

    Ich möchte dazu, meine Damen und Herren, eine Äußerung zitieren, die Professor Dašičev, der als wichtiger deutschlandpolitischer Berater Gorbatschows gilt, vor kurzem in Weikersheim gemacht hat — ich beziehe mich auf die „Stuttgarter Zeitung" vom 16. Oktober — : In Freiheit und Einheit soll das deutsche Volk sein Schicksal selbst bestimmen. Das brauche Zeit. Allein im gesamteuropäischen Ansatz könne die deutsche Frage gelöst werden. Eine Neutralisierung Deutschlands, wie früher vorgeschlagen, verliere ihren Sinn, wenn es keine Konfrontation mehr gebe.

    (Jäger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Ich finde, dieser Äußerung können wir zustimmen.
    Bauen wir vor allem die militärische Konfrontation ab. Die konventionellen Abrüstungsverhandlungen in Wien verlaufen zur Zeit zügig und konstruktiv, was wir beiden Weltmächten verdanken und was von deutscher Seite energisch unterstützt wird.
    Und wie stehen unsere westlichen Verbündeten zum Selbstbestimmungsrecht der Deutschen? Es war Konrad Adenauers historische Leistung, die ungelöste deutsche Frage zu einer Sache des gesamten Westens zu machen. Der Art. 7 des Deutschland-Vertrages von 1952, der nach wie vor gilt, enthält die gemeinsame Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verbündeten Frankreich, Großbritannien und Vereinigte Staaten — ich zitiere — :
    Ein wiedervereinigtes Deutschland (anzustreben), das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.
    So diese völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung unserer wichtigsten Alliierten in Art. 7 des Deutschland-Vertrages. Meine Damen und Herren, darauf können wir uns berufen, darauf müssen wir uns berufen, und darauf werden wir uns berufen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die deutsche Frage — und das muß auch einmal gesagt werden, insbesondere nach diesem Plädoyer von Herrn Vogel, das ja manches Richtige enthielt,

    (Jäger [CDU/CSU]: Wenig!)

    dem auch wir Beifall gezollt haben, aber vieles, vieles, was die Geschichte etwas verfälscht hat, hatte ich den Eindruck — —

    (Duve [SPD]: Was? Wo hat Herr Vogel die Geschichte verfälscht? — Zuruf von der CDU/CSU: Hat er gar nicht gemerkt!)

    — Die SPD hat mehrfach versucht, die deutsche Einheit in Freiheit als lästiges und unrealistisch erscheinendes Ziel aufzugeben. SPD-Repräsentanten haben dafür plädiert, die Präambel des Grundgesetzes zu ändern. SPD-Repräsentanten haben die Anerkennung einer eigenen Staatsbürgerschaft für die Deutschen in der DDR gefordert.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Wir, die Union, sind standfest geblieben. Wir haben an der staatlichen Einheit der deutschen Nation, ausgedrückt in der gemeinsamen Staatsbürgerschaft, festgehalten. Hätten wir nachgegeben, dann hätten die Botschaften in Budapest, in Prag und in Warschau den Flüchtlingen aus der DDR nicht helfen können, wie sie es getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und deswegen wiederhole ich nur einen bekannten Tatbestand, wenn ich sage: Wir, die Union, stehen zum Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes und zur staatlichen Wiedervereinigung der Deutschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die nächste Frage: Wie wird das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen ausgeübt, die jetzt in zwei Staaten leben, soweit sie in zwei Staaten leben? Im Grundgesetz, Art. 23, steht, das Grundgesetz gelte zunächst im Gebiet der Länder, die damals beitreten konnten. Sie sind alphabetisch in der Reihenfolge aufgezählt: „Baden, Bayern ...". Und dann heißt es in Art. 23 des Grundgesetzes — ich zitiere —:
    In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.
    Von „Beitritt" ist hier die Rede, nicht von „Anschluß". Den Willen zum Beitritt kann nur das Volk erklären, das Volk in den „anderen Teilen", das beitreten will. Es geht also auch in dieser Grundfrage der nationalen Existenz des deutschen Volkes um freie Wahlen und freie Abstimmungen, das einzige Instrument, das eines freien Volkes würdig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eine frei gewählte Regierung der DDR wäre der Partner, mit dem wir gemeinsam die deutsche Frage lösen und die Modalitäten des Beitritts aushandeln könnten.
    Die letzte Frage: Wie soll die gesamteuropäische Friedensordnung aussehen, in deren Rahmen das deutsche Volk sein Recht auf Selbstbestimmung verwirklicht?
    Die Völker Europas allein können sie nicht schaffen. Wir leben nicht mehr in einem europäischen, sondern in einem Weltmächtesystem, in dem die USA und die Sowjetunion dominieren. Beide Weltmächte sind Staatenunionen, wenn auch ganz unterschiedlichen Charakters. Beide sind notwendige Partner einer gesamteuropäischen Friedensordnung — beide: die Sowjetunion wie die Vereinigten Staaten.
    Der dritte und wichtigste Partner sollte das vereinte Europa sein, das zwischen den USA und der Sowjetunion liegt, d. h. das Europa von Polen bis Portugal. Es wird ein Europa der Nationalstaaten sein, die ihre nationalen Kulturen nicht aufgeben und damit die Vielfalt Europas — und das ist sein Reichtum — erhalten. Dieses vereinte Europa wird aber auch schon deshalb nicht zentralistisch, sondern dezentral organisiert sein. Das bedeutet, daß es nicht angriffsfähig, sondern nur defensivfähig sein kann.



    Dr. Dregger
    Dieses Europa würde zur friedenerhaltenden Mitte zwischen den Weltmächten werden. Es würde diesen ersparen, mitten in Europa, d. h. in Deutschland, einander hochgerüstet gegenüberzustehen. Es würde dadurch diese Weltmächte von Lasten befreien, die für sie immer größer werden.
    Bei dem Entwicklungsprozeß, der uns vorschwebt, kommt der Sowjetunion eine besonders wichtige Rolle zu. Die innere Entwicklung der Sowjetunion ist natürlich auch für ihre Außenbeziehungen von größter Bedeutung, und umgekehrt. Je mehr die Sowjetunion das Selbstbestimmungsrecht ihrer eigenen Völker und ihrer Nachbarvölker, z. B. das Selbstbestimmungsrecht der Polen, anerkennt, um so enger kann und muß unsere und des ganzen Westens Zusammenarbeit mit der Sowjetunion werden. Schon jetzt tun wir alles, um den Reformprozeß in der Sowjetunion durch technisch-ökonomische und auch abrüstungspolitische Zusammenarbeit zu unterstützen.
    Im Zeichen der Einheit und Freiheit Europas werden auch Polen und Deutsche zueinander finden, wie nach dem Krieg Franzosen und Deutsche zueinander gefunden haben. Was den Ausgleich im Osten schwieriger als den im Westen macht, ist die Tatsache, daß im Osten nicht nur Herrschaftsgrenzen verändert, sondern auch Millionen Menschen aus ihrer seit Jahrhunderten angestammten Heimat vertrieben wurden. Hier wurde schweres Unrecht, das vorausgegangen war, mit schwerem Unrecht vergolten. Es traf auf beiden Seiten Millionen Unschuldiger.
    Polen und Deutsche müssen die Schwierigkeiten, die sich aus dieser geschichtlichen Last ergeben, gemeinsam meistern. Das kann nicht einseitig, es kann nur auf der Grundlage der geschichtlichen Wahrheit, zu der auch die Massenvertreibung gehört, und auf der Grundlage des Rechts und in dem Bewußtsein geschehen, daß Polen und Deutsche nur gemeinsam eine gute Zukunft haben können.
    Der Bundeskanzler beginnt morgen seine Gespräche in Warschau. Unsere besten Wünsche begleiten ihn.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Wir hoffen, daß er dort Gesprächspartner trifft, die unseren Wunsch nach Verständigung und Zusammenarbeit teilen. Nach seiner Rückkehr wird er eine Regierungserklärung abgeben, die uns Gelegenheit zu einer ausgiebigen Debatte über die deutsch-polnischen Beziehungen gibt. Heute möchte ich nur folgendes sagen. Das, was als Aufgabe vor uns steht, vor Polen, Deutschen, Russen, vor Europäern und Amerikanern, ist so groß, daß unsere Partner und wir es ohne die Kräfte des Herzens, des Geistes und des Glaubens nicht erreichen können. Es geht ja um nicht weniger als um eine gemeinsame friedliche Zukunft, um eine Zukunft ohne Haß, ohne Angst, ohne Willkür, ohne Gewalt, um ein versöhntes, einiges und freies Europa, das mit beiden Weltmächten zusammenarbeitet, und in der Mitte Europas um ein freies und auch staatlich geeintes Deutschland.
    Meine Damen und Herren, die Staatspräsidenten der beiden Weltmächte werden sich in Kürze auf ihren Schiffen im Mittelmeer treffen. Sie werden die deutsche Frage nicht aussparen können. Wir erwarten von unserem amerikanischen Verbündeten, Präsident Bush, daß er entsprechend dem Deutschland-Vertrag für die Freiheit und Einheit der Deutschen eintreten wird, und nach seinen öffentlichen Äußerungen kann daran auch gar kein Zweifel bestehen. Wir hoffen auch auf die Bereitschaft des sowjetischen Staatspräsidenten, zu einer Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas beizutragen. Die Zukunft der Welt hängt davon ab, daß die Sowjetunion im Osten, die Vereinigten Staaten von Amerika im Westen und das Vereinigte Europa in der Mitte, von Polen bis Portugal, eine gesamteuropäische Friedensordnung vereinbaren, die auf den Menschenrechten und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker beruht.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)