Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen oder können Sie mir vielleicht sogar zustimmen, daß die Adressaten meines Themas „Bankenmacht" mir zwar ebenfalls viele Angriffsflächen geboten haben, aber doch nicht so viele, wie seinerzeit die Adressaten des Lambsdorff-Papiers?
Roth (SPD): Ich bitte Sie!
Zum einen hätten Sie an dieser Stelle ein bißchen Ausgewogenheit Ihrer wirtschaftspolitischen Konzeption zeigen können, wenn Sie die Bankenmacht und diese sozialen Probleme gleichzeitig angesprochen hätten. Das hätte sehr zu Ihrer Glaubwürdigkeit beigetragen. Im übrigen, Graf Lambsdorff: Jeder, der in der Bundesrepublik Politik beobachtet, weiß, wie kunstvoll Sie in der Lage sind, manchmal Kontrapunkte zu setzen, die freilich dann, wenn sie angeklungen sind, schon verklungen sind. Das haben Sie jahrelang so betrieben, und das haben Sie auch bei dem Thema der Bankenmacht so getan. Im übrigen gibt es in unseren Reihen immer noch den Verdacht, die ganze Geschichte mit Ihrer Bankendiskussion habe nicht so viel mit der Begrenzung der Bankenmacht, sondern mit der Tatsache zu tun, daß es ein sehr intelligentes, schlaues — solche Eigenschaften kann man Ihnen durchaus zubilligen — Ablenkungsmanöver bei der Sache Daimler-Benz/MBB war. Das war es, Graf Lambsdorff.
Aber, Graf Lambsdorff, die List der Geschichte wird sein, daß wir eines Tages eine Gesetzgebungsmehrheit haben, und dann müssen Sie dazu ja sagen. Sie haben das heute geschworen; das werden wir nicht vergessen, Graf Lambsdorff.
Im letzten Punkt wollte ich in unserer Diskussion noch etwas ansprechen, war mir zunehmend Bedenken macht, und ich hoffe, daß alle Kollegen im Deutschen Bundestag an der Ecke ein Stück mitdenken. Wir haben derzeit im Finanzsektor bei den Versicherungen auf der einen Seite und bei den Banken auf der anderen Seite den Wahn oder die Wahnvorstellung, man müsse jetzt Allfinanzkonzerne aufbauen: Die Deutsche Bank muß unbedingt eine Versicherung haben, die Aachen-Münchener muß schon alles haben: eine Versicherung, eine weitere Bank und selbst eine Bausparkasse in Karlsruhe. Ich habe auch nicht mit Wohlgefallen gesehen, daß die BGAG, die gewerkschaftseigene Holding, gerade die Volksfürsorge in Richtung auf die Aachen-Münchener verkauft hat. Hier zeigen sich mit der Theorie, man müsse alles unter einem Dach anbieten, nun erneute Konzentrationen von Macht und von Einfluß auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft, die ich für bedrohlich halte. Wir stehen hier im Bundestag und diskutieren noch die alten Bankenmachtthemen, und die neue Tendenz auf den Kapital- und Finanzmärkten wird überhaupt nicht diskutiert.
Sie haben in dieser Woche besprochen, daß publiziert werden solle, wer wo in welchem Umfang sitzt. Damit erspare ich mir beim Herausbekommen, wer wo zusammen sitzt, zwei, drei Stunden Arbeit, und das war dann die gesetzliche Innovation, die Sie uns bieten. In den Märkten, in der Realität der Märkte hat sich etwas ganz anderes durchgesetzt. Die Behauptung, Konglomerate, die alles anbieten, seien besser als Spezialinstitute, die beispielsweise eine gute Versicherung sind oder eine gute Bank darstellen, läßt sich doch durch nichts als durch Machtansprüche begründen. Ich finde, dem sollten wir entgegenwirken.
Ich überlege mir auch, den Vorschlag zu machen — da hätte ich gern Ihre Unterstützung — , ob wir nicht so, wie wir zu anderen Fragen Enquete-Kommissionen im Deutschen Bundestag gemacht haben, einmal eine Enquete-Kommission zum Thema der Finanzmärkte machen, wo natürlich auch die internationalen Aspekte einbezogen werden. Ich bin nicht so naiv, zu sagen: Wir brauchen keine großen Banken. Wir haben die japanischen Großbanken mit ihrem Einfluß auf die Weltkapitalmärkte, und dazu braucht es wiederum eine Gegenmacht. Aber es ist ganz selbstverständlich, daß es durch diese Allfinanzkonzerne bei uns einen Abbau von Wettbewerb gibt. Es gab sogar verhängnisvolle Finanzierungen beim Zusammenkaufen dieser Allfinanzkonzerne, wo man sich überlegen muß, ob es eigentlich legitim ist, daß eine große Versicherung ihre gesamten Zukäufe über den Kreditmarkt auf Pump finanziert und dann für künftige negative Entwicklungen am Kapitalmarkt hoch anfällig wird, z. B. für die jetzigen Hochzinsphasen. Sie wissen vermutlich, wen ich in Richtung Aachen meine. Das ist — Herr Gies hat das zugegeben — völlig auf Pump gekauft worden. Das ist nicht aus eigenen Mitteln entstanden. Man braucht nur mal eine Zinsphase wie Anfang der 80er Jahre zu betrachten und zu beobachten, was an derartigen Märkten geschehen ist, um hier bedrohliche Tendenzen auch für Arbeitsplätze und Strukturen zu sehen.
Ich wollte mit diesen letzten Bemerkungen niemanden attackieren, denn da hat jeder seine Probleme, ich möchte uns nur auffordern, wie es der amerikanische Senat und Kongreß machen, das Thema Finanzmärkte, deren Einflüsse auf unsere Wirtschaft exakter zu studieren, als das bisher geschehen ist, und in diese Kritik beziehe ich mich ausdrücklich selbst mit ein.
Vielen Dank für das Zuhören.