Rede von
Editha
Limbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Donnerstag, dem 5. Oktober, beschäftigt sich derjenige unter unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, der die Zeitung aufschlägt, der das Radio andreht, der in das Fernsehen schaut, mit dem bewegenden Umstand, daß Tausende von Menschen Haus und Hof, Nachbarn und Freunde, Familien und Schulfreundschaften aufgeben,
weil sie es nicht mehr ertragen können, bevormundet, gegängelt und daran gehindert zu werden, sich frei zu bewegen.
— Also, dieses Thema muß Sie ja furchtbar aufregen, daß Sie mich hier nicht einmal ausreden lassen können. — An einem solchen Tag, an dem solche auch mich wirklich bewegende Dinge passieren, beschäftigt sich der Deutsche Bundestag mit den angeblichen Auswirkungen eines Vorgangs in einer von mehr als 8 500 Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland auf die Bundespolitik und ist zudem noch gekränkt, wenn sich einer der Redner einmal die Mühe macht, die Grundlage für diese Vorwürfe so darzustellen, daß man überhaupt erkennen kann, ob solche Vorwürfe, wie sie erhoben worden sind, richtig sind oder nicht.
Nun hat meine Partei ganz gewiß keinen Grund, besorgt zu sein. Denn wir haben uns nicht nur durch die Aussage unseres Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers Kohl, durch den Beschluß unseres Präsidiums, unseres Vorstandes, unzähliger Landes- und Kreisvorstände, nein auch durch einen Beschluß unseres höchsten beschlußfähigen Gremiums, nämlich unseres Bundesparteitags, eindeutig von Koalitionen, Vereinbarungen und Absprachen mit radikalen Kräften distanziert, und wir haben klargemacht, daß
solche Absprachen gegen den Geist, den Sinn und das politische Wollen der CDU gerichtet sind.
Dies müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Gerade Sie, Herr Kleinert, stellen sich hier in der Rolle eines schwertschwingenden Erzengel hin und fordern Dinge ein, die schon längst geleistet wurden, und Sie betreiben dabei das Geschäft, das Radikale in unserem Land hochkommen läßt.
Jeder, jede Frau und jeder Mann, der nur ein wenig Kenntnis von den Problemen hat, die zum Untergang der Weimarer Republik geführt haben und die dazu geführt haben, daß auf deutschem Boden zwölf Jahre lang eine schlimme Diktatur menschenverachtend, menschentötend und Krieg über die Welt bringend geherrscht hat,
weiß, daß das unter anderem daran gelegen hat, daß sich die Demokraten im Kampf gegen alles Radikale, gegen alles, was Gewalt zur Durchsetzung seiner Politik nimmt, nicht einig waren. Die Definition, was radikal ist, kann man nicht Radikalen überlassen, sondern das müssen die Demokraten selber definieren.
Es ist schon — und das ist ein sehr wichtiger Satz — von bundespolitischer Bedeutung — da gebe ich dem Kollegen Hirsch recht — , daß man darüber einmal diskutiert, warum z. B. in einer dieser 8 500 Gemeinden die SPD sich einem Bündnis mit der CDU entzieht
und damit überhaupt erst die Möglichkeit schafft, daß nicht SPD-Stimmen, sondern Stimmen von anderen
gezählt werden.
Ich bin sehr besorgt, wenn sich jemand mit einer Haltung hier hinstellt, die viele Leute möglicherweise als scheinheilig empfinden könnten, und von Demokraten Konsens einfordert, ohne sich selbst nur einen Fingerbreit zu rühren, damit dieser Konsens hergestellt wird.