Rede von
Charlotte
Garbe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Alle Welt redet von Ökosteuern als dem Stein der Weisen.
Es gibt da ja aber noch das Instrument der Abgabe, z. B. die Abwasserabgabe, über die wir debattieren.
Die Zielsetzung der Abwasserabgabe damals vor 15 Jahren, also in der sozialliberalen Ära, war — ich zitiere — „eine wirksame Reinhaltung der Gewässer und eine gerechte Zuordnung der Kosten für die Vermeidung, die Beseitigung und für den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung entstandenen Schäden". Erst 12 DM pro Schadeinheit, dann auf 40 DM ansteigend, wurde jedoch der Anreiz der Abwasserabgabe durch die Geldentwertung bis 1986 wesentlich reduziert.
Der Abgabensatz hat sich dann gegebenenfalls noch nach den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 des Abwasserabgabengesetzes halbiert, so daß mit Fug und Recht zu sagen ist: Das Abwasserabgabengesetz in seiner konkreten Ausgestaltung war nicht der Weisheit letzter Schluß, Herr Kollege Baum. Obwohl das Gesetz — das können wir heute auch sagen — damals im Umweltschutzbereich ohne Vorbild war — denn wegweisend wurden in ihm Ordnungsfunktion und ökonomische Anreize miteinander verzahnt — , ließ die politische Wirksamkeit hinsichtlich der Gewässergüte doch zu wünschen übrig.
Wird nun die dritte Novelle des Abwasserabgabengesetzes der ihr zugedachten Aufgabe gerecht? Hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Wir GRÜNEN befürchten nein; denn nur scheibchenweise wird die Abgabe pro Schadeinheit auf 60 DM angehoben, und das auch erst ab 1. Januar 1993. 1974 hielt die damalige Bundesregierung in der Begründung des Abwasserabgabengesetzes einen Abgabensatz von 80 DM pro Schadeinheit für notwendig.
Frau Garbe
In den letzten 15 Jahren ist fast alles teurer geworden, nur die Umwelt wird immer noch unter Preis verschleudert. So müssen wir die Vorlage des Umweltministers interpretieren.
Nehmen wir die Schadstoffparameter: Erst das Umkippen von Teilen der Ostsee und erst der Algenteppich auf der Norsee haben es vermocht, in die Liste der Gewässerschadstoffe auch Stickstoff und Phosphor aufzunehmen. Viel zu spät. Herr Kiehm, Sie haben völlig recht: Die Forderung war längst gestellt.
Daß andere Parameter immer noch in der Liste sind, ist hingegen schlimm. Zum Beispiel Cadmium: Der Minister muß wissen, wie stark unsere Ökosysteme mit Cadmium belastet sind, so daß uns unsere Lebensmittel täglich eine Fracht an Cadmium zuführen, die bereits über 50 % des ADI-Wertes liegt. Sie wissen, daß die Vögel an der Nordsee schon in leichten Hungersituationen sterben, wenn die im Gewebe deponierten Schwermetalle und langlebigen organischen Gifte mobilisiert werden.
Solange die Produktion und Anwendung gefährlicher Stoffe gängige Praxis bleibt, kann es keine Entlastung der toxischen Gesamtsituation geben. Umweltschutz in erster Linie über die Verringerung der Schadstoffeinleitungen durch der Produktion nachgeschaltete Reinigungstechniken erreichen zu wollen, muß scheitern. Es wird lediglich eine Verlagerung von Schadstoffen vom Abwasser in den Klärschlamm, in den Abfall usw. vollzogen.
So geht es nicht weiter. Für all die persistenten, mutagenen, kanzerogenen, terratogenen Stoffe muß es sofort Produktions- und/oder Gebrauchsverbote geben, nicht erst einen langsam wirkenden ökonomischen Anreiz zur Minimierung.
Der Ausstieg aus der Chlorchemie muß erfolgen; daran geht kein Weg vorbei. Erst dann kann es unseren Flüssen, erst dann kann es den Meeren, mit allem was darin und darauf lebt, besser gehen; uns dann natürlich auch.
Wir werden unsere Vorstellungen für einen wirksamen Gewässerschutz in einem Änderungsantrag zur Novelle des Abwasserabgabengesetzes darlegen. Aus Zeitgründen möchte ich auf eine Aufzählung unserer Forderungen hier und heute verzichten.
Herzlichen Dank.