Rede von
Thomas
Wüppesahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Elf Minuten von seinem 20-Minuten-Kontingent mußte der Innenminister bei den Ausländerproblemen und hier insbesondere bei den Aussiedlerfragen und den dabei zu konstatierenden Versäumnissen dieser Bundesregierung verweilen. Er verweilte dort nicht nur, er strampelte regelrecht.
Herr Schäuble, ich darf Ihnen versichern, auch ohne Rücksprache bei den mehr als 200 übrigen Kolleginnen und Kollegen bei der Opposition, daß Sie sicher sein können, daß wir schon glücklich darüber sind, daß Sie keine Viehwaggons nach Österreich schicken, um die DDR-Flüchtlinge aufzunehmen.
Ich möchte aber zunächst zwei polizeiliche Probleme ansprechen,
die nicht nur von uns — Sie wissen: ich bin kritischer Polizeibeamter —
mit großer Distanz betrachtet werden, sondern auch
von Kräften in diesem Hause. Sie, meine Damen und
Herren, haben wieder in einer großen Allianz — mit Ausnahme der GRÜNEN — Bundesgrenzschutzbeamte nach Namibia geschickt. Sie wissen gleichzeitig, daß dies verfassungsrechtlich unhaltbar ist, auch wenn Herr Schäuble das Gegenteil behauptet. Weder im Grundgesetz noch im Bundesgrenzschutzgesetz steht irgend etwas über eine Tätigkeit im Ausland, bei der UNO-Friedenstruppe, oder über die Unterstützung solcher Einrichtungen wie der UNO-Friedenstruppe.
Herr Schäuble behauptet zwar, diese BGS-Beamten würden freiwillig und ohne Maschinenpistole und ohne Stahlhelm nach Namibia gehen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sie sich dort in hoheitlicher Funktion aufhalten; in hoheitlicher Funktion nach deutschem Beamtenrecht, unter der Befehlsgewalt der UN, eines Militärgenerals.
Gleichzeitig wissen Sie genauso wie wir, daß es auf diese UNO-Friedenstruppe in Namibia schon Sprengstoffanschläge gegeben hat. Wer will denn jetzt hier ausschließen, daß auch BGS-Beamte von solchen Sprengstoffanschlägen betroffen sein werden, in naher Zukunft oder auch in fernerer Zukunft?
Hier ergibt sich das Stichwort: Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Nicht nur die verfassungsrechtlichen Probleme, die Sie hier einfach übergehen — allerdings mit der SPD, gegen die Stimmen nicht nur kritischer Polizisten, sondern auch der Gewerkschaft der Polizei —, sondern auch der Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht werden sträflich vernachlässigt. Sie können dann nicht sagen, wenn ein BGS-Beamter getötet wird: Huch, damit haben wir nicht gerechnet!, denn Sie schicken sie sehenden Auges in solche denkbaren Konstellationen hinein.
Gleichzeitig zeigt sich aber noch etwas anderes, und das nährt die Kritik aus bestimmten Reihen der Opposition: daß der Bundesgrenzschutz nach wie vor keine Polizeiorganisation ist, und zwar nicht nur deshalb, weil er im Kriegsfalle den Kombattantenstatus genießt, sondern weil er in so einem Fall militärische Aufgaben wahrnimmt. Sie geben uns praktisch Argumentationsnahrung für die massive Kritik am Bundesgrenzschutz und die weitestgehend notwendige Beseitigung, damit der Spagat zwischen polizeilichen Aufgaben und grenzschutzpolizeilicher Tätigkeit, der in der Tat nicht angeht, beendet werden kann.