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    Plenarprotokoll 11/155 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 155. Sitzung Bonn, Montag, den 4. September 1989 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Becker (Nienberge) 11655 A Wahl der Abg. Frau Schätzle zur Schriftführerin als Nachfolgerin der Abg. Frau Pack 11655B Wahl der Abg. Frau Hoffmann (Soltau) als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an Stelle der ausscheidenden Abg. Frau Pack 11655 B Begrüßung einer ungarischen Gymnasiumsklasse 11674 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11655C, 11705 B Frau Matthäus-Maier SPD 11666 A Borchert CDU/CSU 11674 C Frau Rust GRÜNE 11680A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11682C Wieczorek (Duisburg) SPD 11688D Dr. Friedmann CDU/CSU 11692 B Frau Vennegerts GRÜNE 11696 B Glos CDU/CSU 11699A Esters SPD 11702 A Wüppesahl fraktionslos 11709B Cronenberg (Arnsberg) FDP 11711 C Tagesordnungspunkt 2: Einspruch des Abgeordneten Volmer gegen den am 23. Juni 1989 erteilten Ordnungsruf 11712 C Nächste Sitzung 11712 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11713* A Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 GO des Abg. Volmer (DIE GRÜNEN) 11713* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Montag, den 4. September 1989 11655 155. Sitzung Bonn, den 4. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Frau Conrad SPD 4. 09. 89 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 5. 09. 89 Duve SPD 04. 09. 89 Egert SPD 04. 09. 89 Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 *** * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 *** Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 *** Dr. Geißler CDU/CSU 4. 09. 89 Genscher FDP 07. 09. 89 Graf SPD 04. 09. 89 Gröbl CDU/CSU 04. 09. 89 Haack (Extertal) SPD 5. 09. 89 Hauser (Krefeld) CDU/CSU 04. 09. 89 Heimann SPD 05. 09. 89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 4. 09. 89 Frau Hensel GRÜNE 5. 09. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 4. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 *** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 5. 09. 89 ** Jaunich SPD 05. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 *** Kossendey CDU/CSU 04. 09. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 04. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 *** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Meyer SPD 05. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Niegel CDU/CSU 04. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Rappe (Hildesheim) SPD 4. 09. 89 Rauen CDU/CSU 04. 09. 89 Reddemann CDU/CSU 04. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Repnik CDU/CSU 04. 09. 89 Reuschenbach SPD 07. 09. 89 Frau Saibold GRÜNE 5. 09. 89 Schartz CDU/CSU 04. 09. 89 Schäfer (Mainz) FDP 04. 09. 89 Frau Schätzle CDU/CSU 04. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 04. 09. 89 Schröer (Mülheim) SPD 04. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 *** Stratmann GRÜNE 05. 09. 89 Such GRÜNE 05. 09. 89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Tietjen SPD 07. 09. 89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Vosen SPD 04. 09. 89 Westphal SPD 07. 09. 89 Wimmer (Neuötting) SPD 04. 09. 89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 *** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 *** Zander SPD 04. 09. 89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 04. 09. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 GO des Abgeordneten Volmer (GRÜNE) vom 26. Juni 1989 In der Debatte am Freitag, dem 23. Juni 1989, zum Tagesordnungspunkt 27 bekam ich von der Frau Vizepräsidentin Renger einen Ordnungsruf. Gerügt wurde meine Aussage: Ausgerechnet der Vertreter einer Bundestagsfraktion, die öfter nachgewiesen hat, daß sie nur über ein vordemokratisches Bewußtsein verfügt, deren Mitglieder hier durch rassistische Zwischenrufe aufgefallen sind, will Nachhilfeunterricht in Demokratie geben (Plenarprotokoll 11/153, S. 11601D). Ich möchte nach § 39 der Geschäftsordnung Einspruch gegen den Ordnungsruf einlegen. Begründung: Es scheint mir durchaus „vordemokratisch" zu sein, wenn etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Bötsch, in einer Debatte dem Begehren meiner Fraktion nach einem Sitz im Bundestagspräsidium entgegenhält, die Abgeordneten der Fraktion DIE GRÜNEN übten ihr Mandat in einer Art und Weise aus, wie er, Dr. Bötsch, es nicht akzeptieren könne, weshalb der Fraktion DIE GRÜNEN auch jenseits der formalen Hindernisse aus grundsätzlichen Überlegungen ein Platz im Präsidium zu verwehren sei. Hier wird von einem Mitglied des Deutschen Bundestages ein Meta-Standpunkt zur Ausübung des Mandats eingenommen, von dem aus der Vertreter der Mehrheitsfraktion Vertretern einer Minderheitsfraktion die Art ihrer Mandatsausübung vorschreiben will. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten. Herr Dr. Bötsch hat faktisch einen obrigkeitlichen Standpunkt über den freien Willen der Abgeordneten gesetzt. Der Vorwurf „rassistischer Zwischenrufe" scheint mir hinreichend gerechtfertigt mit Verweis auf die protokollierten Anwürfe der Herren Fellner (CSU) und Straßmeir (CDU) gegen meinen Fraktionskollegen Meneses Vogl. Nun möchte ich einräumen, daß mir in der frei gehaltenen Rede eine Verallgemeinerung unterlaufen ist, die suggeriert, daß alle Unionsabgeordneten dieselbe Geisteshaltung verträten wie die drei genannten Herren. Die Verallgemeinerung bitte ich als lapsus linguae zu verstehen, der selbst aber noch seine Rechtfertigung dadurch erfährt, daß sich die Fraktion der CDU/CSU von den Entgleisungen ihrer Mitglieder bisher nicht distanziert hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich bedanke mich sehr, Frau Präsidentin. Nur: Je länger die Rede dauern wird, desto stiller wird die Opposition werden. Da bin ich ziemlich sicher.
    Tatsache ist: In diesem Jahr wird die Nettokreditaufnahme eher unter als über 25 Milliarden DM liegen, und 1990 sind es nach derzeitiger Einschätzung ca. 33 Milliarden DM; es könnten auch weniger sein.
    Ich will Ihnen noch ein Zitat nicht vorenthalten:
    Die mehr als 2 % Wachstum in diesem Jahr, von denen er in letzter Zeit redet
    — mit „er" war mein Vorgänger, Bundesverteidigungsminister Dr. Gerhard Stoltenberg, gemeint —haben erneut mit der Realität nichts zu tun.

    (Zuruf von der FDP: Stimmt!)

    So Dr. Hans Apel in der Bundestagsdebatte zur ersten Lesung der Steuerreform 1990 am 21. April 1988.
    Tatsache ist: Das reale Bruttosozialprodukt ist im letzten Jahr mit 3,7 % stärker gestiegen als in allen Jahren seit 1979.

    (Zuruf von der SPD: Na und?)

    Dieser Bundeshaushalt 1990 ist ein Ausdruck finanzpolitischer Kontinuität und ist eine Antwort auf neue Herausforderungen.
    Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf und der mittelfristige Finanzplan bis 1993 sind Ausdruck finanzpolitischer Kontinuität

    (Walther [SPD]: Schuldenkontinuität!)

    und zugleich eine Antwort auf das, was uns erwartet. Er entspricht in seinen Eckdaten unseren langfristigen finanz- und wirtschaftspolitischen Zielen. Wir haben den Ausgabenzuwachs mit 3,4 % 1990 und durchschnittlich 3 % 1991 bis 1993 erneut deutlich unter den Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Leistung gedrückt. So tragen wir zur weiteren Verringerung des Staatsanteils zum Bruttosozialprodukt bei. Zugleich schaffen wir die Grundlagen für wachstums- und beschäftigungswirksame Steuerentlastung.
    Durch grundlegende finanz- und steuerpolitische Reformen konnte die Wachstumsdynamik unserer Volkswirtschaft in den letzten Jahren zunehmend gestärkt werden. So können heute wichtige zusätzliche Schwerpunktaufgaben auch bei sinkender Steuer- und Abgabenlast finanziert werden.

    (Frau Dr. Wegner [SPD]: Jäger 90!)

    Das gilt für die Bereiche Familie und Bildung, für die wichtige Aufnahme der Übersiedler und Aussiedler, für den Wohnungsbau und für wichtige Infrastrukturinvestitionen, für die die Bundesregierung erhebliche Mittel bereitstellt.
    Mein Vorgänger im Amt des Bundesministers der Finanzen, Gerhard Stoltenberg, hat am Anfang unserer Regierungszeit den Zeitbedarf für wirksame Reformen unmißverständlich klargestellt: Der Wendekreis einer neuen Finanzpolitik ist unter der aktuellen Last der Wirtschaftskrise, die wir damals hatten, sicher nicht in Monaten, sondern in Jahren zu bemessen. Aber heute, nach sieben Jahren hervorragender Arbeit — vor allem von Gerhard Stoltenberg — , können die deutlich sichtbar gewordenen Erfolge unserer finanz- und wirtschaftspolitischen Richtungsentscheidungen von keinem Kritiker mehr geleugnet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Rückbesinnung auf die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft und der beharrliche Einsatz für gesunde öffentliche Finanzen haben unserem Land zum zweitenmal nach dem letzten Weltkrieg eine von vielen nicht für möglich gehaltene wirtschaftliche Blüte gebracht. Das und der Blick über unsere östlichen Grenzen, aber auch in viele Entwicklungsländer zeigen überdeutlich: Der Fürther Ludwig Erhard hat endgültig über den Trierer Karl Marx gesiegt,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    womit ich allerdings nichts über das schöne alte Trier und schon gar nichts über das Quellensteueramt dort gesagt haben möchte.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Man kann auf Dauer Freiheit, Selbstentfaltung, Privatinitiative und Demokratie nicht unterdrücken. Bevormundung und Gängelung im wirtschaftlichen wie im gesellschaftlichen Bereich widersprechen der menschlichen Natur.
    Die einfache Wahrheit ist: In unserem Land lohnt es sich wieder, zu arbeiten, Risiken einzugehen und zu investieren. Die damit einhergehende wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung könnte geradezu einem Lehrbuch für Nationalökonomie entnommen sein:

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Um Gottes willen!)

    1988 konnten wir ein Wachstum von 3,7 % verzeichnen, 1989 von 3,5 bis 4 %. Auch 1990 dürfte eine Drei vor dem Komma stehen.
    Zwischen 1969 und 1982 wurden im Saldo rund 600 000 Arbeitsplätze vernichtet. Die Bilanz seit 1983: 1,25 Millionen zusätzliche Beschäftigungsmöglich-



    Bundesminister Dr. Waigel
    keiten für Arbeitslose, für Berufsanfänger, für Aussiedler und Übersiedler.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Jetzt ist die Arbeitslosenzahl zum erstenmal wieder unter die 2-Millionen-Grenze gedrückt. In vielen Arbeitsmarktbezirken ist inzwischen Vollbeschäftigung oder sogar Überschußnachfrage erreicht.
    Wir haben durch Konsolidierung der Staatshaushalte und in Kooperation mit der Bundesbank vor allem Preisstabilität gesichert. „Stabilität ist das Wachstum von morgen." In diesem Satz des früheren Bundesbankpräsidenten Emminger liegt ein weiterer Schlüssel zu den hervorragenden wirtschaftlichen Ergebnissen in der Bundesrepublik Deutschland. Unsere Stabilitätspolitik ist zu einem unserer wichtigsten Exportartikel geworden. Immer mehr Länder versuchen, sich an unsere Stabilitätspolitik anzukoppeln.
    Gefestigtes Vertrauen in die Verläßlichkeit unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik zeigt sich vor allem in der erheblichen Ausweitung betrieblicher Investitionen. Allein 1988 und 1989 werden die Unternehmen ihre Investitionsausgaben um insgesamt real rund 16 % steigern.
    Wir sind dabei, die scheinbare Gesetzmäßigkeit ständig abnehmender wirtschaftlicher Dynamik zu durchbrechen. Aber um dies zu erreichen, muß unsere Politik marktwirtschaftlicher Reformen konsequent fortgesetzt werden.
    In den 70er Jahren sind die Sozialdemokraten mit großen Versprechungen angetreten. Aber sie haben ihre Ziele eklatant verfehlt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Na, na!)

    Das Ergebnis sozialistischer Experimente eines ausufernden Staates — —

    (Unruhe bei der SPD)

    — Ich finde das ganz seltsam. Einmal wollen Sie Sozialisten sein, einmal wollen Sie nicht Sozialisten sein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Bohl [CDU/CSU]: Das tut weh! — Zurufe von der SPD)

    — Aber in Ihrem Noch-Godesberger Programm heißt es doch: „Die Demokratie wird durch den Sozialismus erfüllt."

    (Dr. Vogel [SPD]: Sehr wahr! — Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Das hat sich nun in der katastrophalen Finanzpolitik der Sozialdemokraten oder Sozialisten — wie Sie es haben wollen — der 70er Jahre wirklich gezeigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD]: Sie machen ja Kabarett für sich!)

    Denn das Ergebnis waren Rezession, Inflation, ein drastischer Anstieg der Arbeitslosigkeit, zerrüttete Staatsfinanzen, die weitgehende Unfinanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme und Handlungsdefizite in fast allen Bereichen staatlicher Politik.

    (Walther [SPD]: Ach Gott, ach Gott!)

    Ihre eigenen Fehlleistungen konnten die Opposition aber nicht davon abhalten, die Konsolidierungspolitik der Bundesregierung seit Herbst 1982 als „deflatorisch" zu diffamieren, die unser Land in „tiefste Depression und Massenarbeitslosigkeit" führe.
    Die alte SPD-Formel vom „Totsparen" geisterte herum und sollte unsere Bürger verunsichern. Die dringend erforderlichen Steuersenkungen wurden als „Verschleuderung knapper Steuermittel" gebrandmarkt. Der sozialistische Irrglaube verleitete die SPD zu der Fehleinschätzung, unsere Steuererleichterungen würden die privaten Investitionen nicht fördern.
    All diese falschen Prognosen sind inzwischen durch die reale Entwicklung widerlegt. Die SPD muß wieder nach einem neuen Kurs ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik suchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Heute wollen Sozialdemokraten und GRÜNE das von uns neu geschaffene wirtschaftliche Fundament für noch umfassendere wirtschafts- und gesellschaftspolitische Experimente nutzen, wollen gigantische Umverteilungsmechanismen in Gang setzen

    (Zurufe von der SPD)

    und ihre fehlgeschlagenen Konzepte unter neuen Überschriften wiederholen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist der neue Stil der Haushaltsrede!)

    Da helfen wohl auch nicht die warnenden Stimmen des klüger gewordenen Hans Apel und des anerkannten Sozialdemokraten Karl Schiller. Da werden Versprechungen aufgetürmt, die nach den eigenen Berechnungen der SPD allein für den Bund zusätzliche Belastungen von 40 bis 70 Milliarden DM 1991 bedeuten würden. Finanziert werden soll das Ganze durch sogenannte Umweltabgaben, deren Ziel es doch wohl sein soll, den Energieverbrauch und damit das Steueraufkommen auf Dauer zu reduzieren.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Reden Sie mal zu Ihrem Haushalt!)

    — Reden Sie zu dem, wozu Sie anschließend gefragt sind. Ich rede zum Haushalt, und zwar so, wie ich das für richtig halte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer so rechnet, hat die finanziellen Grundlagen unseres Staates in wenigen Jahren wieder ruiniert. Da helfen auch die derzeitigen Beteuerungen von Frau Matthäus-Maier nichts, die Neuverschuldung werde nicht erhöht. Ist dieses Versprechen eigentlich mit ihrem Kollegen Rudolf Dreßler abgestimmt?

    (Dr. Vogel [SPD]: Ja!)

    Ich bin sicher, auch hier handelt es sich wieder um eine der vielen Fehlprognosen der SPD.
    Es ist, Frau Kollegin Matthäus-Maier, einfach nicht seriös, wenn Sie heute Krokodilstränen über die Staatsverschuldung vergießen. Sie waren eine erklärte Gegnerin des Regierungswechsels 1982.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das stimmt!)




    Bundesminister Dr. Waigel
    Für Sie war die CDU/CSU in der Wirtschafts- und Finanzpolitik 1982 keine Alternative.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau MatthäusMaier [SPD]: Richtig! — Dr. Vogel [SPD]: Auch heute noch nicht!)

    Wenn Sie, Frau Matthäus-Maier, heute unsere Grundsätze aufgreifen,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ich werde mich hüten!)

    dann beweisen Sie damit zwar Flexibilität in Ihrer Einstellung, Sie gewinnen aber nicht an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft. Die Wandlung vom Saulus zum Paulus oder von der Saula zur Paula nimmt Ihnen niemand ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Für uns war die Konsolidierung der Staatsfinanzen von Anfang an eine umfassende Aufgabe. Es geht nicht nur um den Abbau von öffentlichen Finanzierungsdefiziten.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Jetzt weiß ich auch, warum Ihnen die Wähler weglaufen! Das weiß ich jetzt!)

    — Guten Morgen, Frau Unruh! Zu Ihnen komme ich noch.
    Es geht um eine neue Grenzziehung zwischen Staat und privater Wirtschaft. Wir wollen mündige Bürger von staatlicher Reglementierung befreien, Freiräume für Ideen und Wettbewerb öffnen und die Selbstverantwortung jedes einzelnen stärken.
    Seit 1985 nehmen die öffentlichen Haushalte nur noch 2 bis 2,5 % des Bruttosozialprodukts für neue Kredite in Anspruch. 1981/82 war es mit 4,5 % noch doppelt so viel. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird der Staatsanteil am Bruttosozialprodukt durch dauerhafte Ausgabenbegrenzung

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wo denn?)

    auf rund 45 % zurückgehen. 1982 waren es noch fast 50 %.

    (Zuruf von der SPD: Das sind doch Milchmädchenrechnungen!)

    Auf der Grundlage dauerhafter Ausgabenbegrenzung wurde die umfassendste Steuerreform und Steuerentlastung der letzten 40 Jahre verwirklicht. Durch die Verringerung der direkten Steuern auf Arbeitseinkommen und betriebliche Erträge um fast 53 Milliarden DM zwischen 1986 und 1990 werden wir die gesamtwirtschaftliche Steuerquote bis 1990 voraussichtlich auf 22,5 % zurückführen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Und die Zinsquote?)

    Das ist das niedrigste Niveau seit 1959.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben zahlreiche Industrieunternehmen aus dem Bundesbesitz privatisiert.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Verscherbelt!)

    Die großen Konzerne VEBA, VW und VIAG behaupten sich hervorragend im Wettbewerb. Wir sind dabei,
    weitere Privatisierungsmaßnahmen im Bereich der öffentlichen Banken zu verwirklichen. Die verbliebenen Bundesunternehmen haben ihre Situation im Wettbewerb entscheidend verbessert. Wir handeln nicht nur in der Verantwortung für den Bund, sondern für die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte. Das müssen vor allem diejenigen anerkennen, die unsere steuerpolitischen Entscheidungen über viele Monate hinweg heftig angegriffen haben.

    (Frau Rust [GRÜNE]: Die Gemeinden zum Beispiel!)

    — Ich komme gleich darauf. Denen geht es heute besser als je zuvor. Das wüßten Sie, wenn Sie je in einem kommunalen Parlament gewesen wären. Es würde Ihnen nichts schaden, wenn Sie auch einmal dafür kandidierten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Immer wieder wurde im Zusammenhang mit der Steuerreform 1986/90 die angeblich unvermeidbare Finanzkrise von Ländern und Gemeinden vorhergesagt. Das Gegenteil ist eingetreten. Während die Defizite der Gemeinden bei deutlich höherer Steuerbelastung 1981 noch rund 10 Milliarden DM und 1982 '7 Milliarden DM betrugen, können 1988 und 1989 beträchtliche Überschüsse erzielt werden. Auf der Grundlage der wesentlich verbesserten Einnahmesituation wurden die Sachinvestitionen der Gemeinden in den letzten fünf Jahren um 23 % ausgeweitet. Wichtige Investitionsvorhaben, die als Folge fehlerhafter finanzpolitischer Richtungsentscheidungen lange Zeit nicht finanzierbar waren, können jetzt nachgeholt werden.
    Die Bundesregierung unterstützt Investitionsvorhaben bei Ländern und Gemeinden zusätzlich durch die im letzten Jahr vereinbarte Strukturhilfe von 2,45 Milliarden DM jährlich. Die Strukturhilfe führt zu wesentlichen Verbesserungen im Bereich von Umweltschutz, Verkehrsinfrastruktur, Städtebau und Gewerbeansiedlung. Ich würde mir wünschen, daß alle Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte und Kämmerer, die vor Monaten und Jahren über die drohende Finanzkrise berichtet haben, jetzt mindestens in der gleichen Stärke und Länge über ihre glänzende Finanzsituation berichten würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Der Sozialhaushalt!)

    Durch die in wenigen Monaten in Kraft tretende Steuerreform 1990 werden die arbeitenden Bürger, Familien und Betriebe noch einmal netto um fast 25 Milliarden DM entlastet. Ich bin sicher, die Vorteile der Steuerreform werden im nächsten Jahr für alle deutlich sichtbar. Fast eine halbe Million Haushalte wird vom nächsten Jahr an ganz aus der Steuerpflicht entlassen. Für eine Familie mit zwei Kindern beginnt die Lohn- und Einkommensteuerpflicht künftig erst bei 24 000 DM. Bei durchschnittlichem Familieneinkommen stehen Monat für Monat 100 DM zusätzlich für private Ausgaben zur Verfügung. Das ist unser Kontrastprogramm zu den zahlreichen Vorschlägen der Opposition, die Steuer- und Abgabenlast für die Bürger wieder zu erhöhen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Dr. Waigel
    Meine Damen und Herrn, die Quellensteuer hat zeitweise den positiven Blick auf die Steuerreform 1990 verstellt. Es war notwendig und richtig, diese Regelung abzuschaffen. Die positiven Wirkungen unserer Entscheidung zeigen sich jetzt. Die Behauptung der Deutschen Steuergewerkschaft, die Abschaffung der Quellensteuer sei eine Aufforderung zur Steuerhinterziehung,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Trifft zu! — Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt!)

    ist abwegig. Selbstverständlich — das haben wir immer wieder erklärt — sind Zinsen weiterhin steuerpflichtig. Dies ist auch verstärkt in das Bewußtsein der Steuerzahler eingedrungen.

    (Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich will hier nochmals bekräftigen: Die vorhandenen Regelungen zur steuerlichen Erfassung von Kapitaleinkünften reichen aus;

    (Zuruf von der SPD: Ha, ha!)

    die Einführung von Kontrollmitteilungen kommt für uns nicht in Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin der SPD allerdings dankbar dafür, daß sie klipp und klar ankündigt, daß sie diese einführen möchte,

    (Zuruf von der SPD: Jawohl!)

    weil wir dann im Jahre 1990 den Bürgern ganz klar sagen werden, was auf sie zukommt,

    (Zuruf von der SPD: Steuerbetrügerpartei sind Sie!)

    wenn die SPD an das Ruder kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Steuerpolitik, meine Damen und Herren, bleibt für uns eine Herausforderung und wichtige Aufgabe in den 90er Jahren. Sie wird auch in der nächsten Legislaturperiode im Mittelpunkt stehen, wenn es darum geht, die Zukunft der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Markt und in der Weltwirtschaft zu sichern.
    Wer glaubt, in einem gemeinsamen Europa nationale Sonderwege in der Steuerpolitik gehen zu können, unterliegt einer gefährlichen Illusion. Mit dem Wegfall der Binnengrenzen werden Standortentscheidungen kühl kalkulierender Investoren noch stärker als bisher nach den ertragsbestimmenden Rahmenbedingungen getroffen.

    (Zuruf von der SPD: Er bereitet die Mehrwertsteuererhöhung vor!)

    Wenn wir die Wachstumsdynamik durch eine Stärkung der Investitions- und der Innovationskraft der Unternehmen erhalten wollen, müssen wir die Anreizwirkungen des Steuersystems verbessern und investitionshemmende Faktoren beseitigen. Ansatzpunkte hierfür bieten die Grenzbelastung der Erträge und die ertragsunabhängigen Steuern. Bei einer weiterhin engen Haushaltsbegrenzung haben wir vor, beides zurückzuführen und damit Anschluß an unsere wichtigsten Handelspartner zu halten.
    Eine weitere wichtige steuerpolitische Aufgabe wird es sein, den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag weiter anzuheben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Dadurch erreichen wir die notwendige Entlastung der Familien mit Kindern und der Haushalte mit geringerem Einkommen. In den nächsten Wochen werde ich eine Kommission einsetzen, die wichtige Vorarbeiten für die Steuerreform in der nächsten Legislaturperiode leisten soll.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das sind Ankündigungen! — Conradi [SPD]: Die arbeitet umsonst!)

    Mit dem Bundeshaushalt 1990 und der Finanzplanung bis 1993

    (Zuruf von der SPD: Damit brauchen Sie gar nicht mehr anzufangen!)

    wollen wir die in den letzten sieben Jahren erfolgreiche Finanzpolitik konsequent fortführen. Ausgaben- und Defizitbegrenzung bleiben Eckpunkte unserer Entscheidungen. Im laufenden Haushaltsjahr werden wir bei günstiger Ausgaben- und Einnahmeentwicklung voraussichtlich deutlich unter der im Haushaltsplan vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 27,6 Milliarden DM bleiben. Auf Grund der Steuerreform 1990, von deren Gesamtvolumen von rund 25 Milliarden DM allein rund 11 Milliarden DM auf den Bund entfallen, wird die Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr voraussichtlich wieder auf 33 Milliarden DM ansteigen. Bei verbesserten Wachstumsperspektiven liegt die Neuverschuldung in allen Jahren des Finanzplanungszeitraumes jedoch um 2 bis 2,5 Milliarden DM unter den ursprünglich angenommenen Beträgen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Ich komme gleich zu Ihnen, Frau Matthäus-Maier!

    (Dr. Vogel [SPD]: Die hat gar nichts gesagt!)

    — Jetzt bitte ich um Entschuldigung. (Dr. Vogel [SPD]: Kein Überblick!)

    — Herr Vogel, ich hatte eine ähnlich sympathische Stimme gehört, und da dachte ich mir, ich müsse mich ihr zuwenden.

    (Heiterkeit — Dr. Vogel [SPD]: Wir hören Ihre Stimme jetzt schon eine halbe Stunde!)

    — Sie brauchen ja nicht zuzuhören! (Dr. Vogel [SPD]: Ganz ruhig!)

    — Ist gut. Ganz so, wie Sie es immer sind. Ja, ganz so, wie es Ihnen gefällt.
    Die durch die Höhe der investiven Ausgaben gezogene verfassungsmäßige Obergrenze der Kreditfinanzierung wird 1990 um fast 4 Milliarden DM unterschritten. Bis 1993 wird sich dieser Abstand auf 11,5 Milliarden DM vergrößern. Der Entwurf des Bundeshaushalts 1990 entspricht voll unserer Verfassung. Wenn die Opposition gegenteiliger Meinung ist, for-
    11660 Deutscher Bundestag 11 .Wahlperiode - 155. Sitzung. Bonn, Montag, den 4. September 1989
    Bundesminister Dr. Waigel
    dere ich sie auf, Klage beim Bundesverfassungsgericht zu erheben.

    (Lachen und Zurufe von der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Habt ihr doch gemacht, selber!)

    Man kann doch nicht permanent durchs Land laufen und behaupten, dieser Bundeshaushalt sei verfassungswidrig, ohne zu klagen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Was habt ihr denn gemacht? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Sie sollten hier nicht nur die Lippen spitzen, Frau Matthäus-Maier, Sie sollten pfeifen! Warum tun Sie es denn nicht? —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Was habt ihr denn gemacht? Ihr habt euch selbst verklagt! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Weil Sie genau wissen: Das, was Sie hier über die angebliche Verfassungswidrigkeit behaupten, ist so nicht richtig. Sie sollten von dieser Falschbehauptung endlich Abstand nehmen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und Sie sollten besser darauf achten, in welchem verfassungsrechtlichen Zustand sich ein Teil der SPD-Länderhaushalte befindet. Darum sollten Sie sich kümmern!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Haushaltspolitische Solidität zeigt sich auch im vorsichtigen Ansatz des Bundesbankgewinns mit 7 Milliarden DM jährlich. Darüber hinausgehende Einnahmen sollen wie in diesem Jahr zur Schuldentilgung verwandt werden.

    (Walther [SPD]: Bitte, was?)

    Die von der SPD neuerdings immer wieder vorgetragene Forderung, den Bundesbankgewinn vollständig zur Schuldentilgung einzusetzen, ist völlig unglaubwürdig. Die SPD hat den Bundesbankgewinn in ihrer Regierungszeit stets in vollem Umfang zur Haushaltsfinanzierung eingesetzt.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Nur so wurden damals die schlimmsten Auswirkungen ihrer unverantwortlichen Finanzpolitik verschleiert. Ohne die Gewinnablieferung von 10,5 Milliarden DM im Jahre 1982

    (Walther [SPD]: Wir hatten doch gar nicht so viel!)

    wäre die Nettokreditaufnahme des Bundes damals nicht nur auf die Rekordmarke von 37,2, sondern auf fast 50 Milliarden DM gestiegen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Nur, damals war zu dieser Verwendung und zur Schuldenhöhe von Ihnen, Frau Kollegin MatthäusMaier, nichts zu hören.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Jeden Tag habe ich dazu gesprochen!)

    Es wundert mich, welche unglaubwürdige Nostalgie gegenüber der damaligen Finanzpolitik Sie heute noch an den Tag legen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gestaltende und verantwortliche Finanzpolitik zeigt sich vor allem in der Fähigkeit, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunftsaufgaben wirksam zu bewältigen. Unverzügliches Handeln war vor allem bei der Wohnungsversorgung notwendig.

    (Conradi [SPD]: Ha, ha, ha!)

    Im Zusammenhang mit dem unerwartet hohen Zustrom von Aussiedlern und Übersiedlern und der gestiegenen Wohnraumnachfrage gerade jüngerer Familien ist ein Mangel, vor allem an preisgünstigen Wohnungen in Ballungszentren, unverkennbar.

    (Zuruf von der SPD: Das haben Sie gemerkt?)

    Wir wollen das Gleichgewicht am Wohnungsmarkt wiederherstellen.

    (Conradi [SPD]: Aha!)

    Der Bundeshaushalt 1990 sieht einen Verpflichtungsrahmen von insgesamt 1,6 Milliarden DM für den sozialen Wohnungsbau vor.

    (Zuruf von der SPD: Das wird auch langsam Zeit!)

    Wir haben darüber hinaus das Wohngeld in Regionen mit besonders hohem Mietniveau noch einmal angehoben. Schließlich wird auch die bereits beschlossene Verkürzung der Abschreibungsdauer für den Mietwohnungsbau von 50 auf 40 Jahre die Rahmenbedingungen für den Mietwohnungsbau erheblich verbessern. Durch die Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus und die Abschreibungserleichterungen wollen wir den Wohnungsneubau auf 300 000 Einheiten jährlich erhöhen und so zur raschen Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen.

    (Conradi [SPD]: Welche Zahl gilt denn nun?)

    Ich glaube, man wird hier nicht leugnen können, daß die Kollegin Hasselfeldt diese Dinge mit Elan angepackt hat, unsere Unterstützung verdient und gegen jedwede Kritik — woher sie auch immer kommt — in Schutz genommen werden sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    — Im Augenblick habe ich mich besonders darüber gefreut, daß ich bei dieser Passage auch von FDP-Abgeordneten Beifall bekommen habe.

    (Zurufe von der SPD: Sehr aufschlußreich! — Dr. Vogel [SPD]: Das passiert Ihnen selten, nicht wahr?)

    Die entscheidenden Investitionen in die Sicherung unserer Zukunft sind die Förderung des Zusammenlebens in der Familie und die Verbesserung der Ausbildungsbedingungen. Seit 1983 wurden die familienpolitischen Leistungen um über 18 Milliarden DM aufgestockt.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Nachdem sie zuerst gekürzt worden sind!)




    Bundesminister Dr. Waigel
    Durch den Bundeshaushalt 1990 und die Finanzplanung bis 1993 haben wir die Finanzierung der familienpolitischen Koalitionsbeschlüsse vom März dieses Jahres sichergestellt.

    (Zuruf von der SPD: Die sind ja auch schwach genug!)

    Zum 1. Juli 1989 und zum 1. Juli 1990 wird die Gewährung des Erziehungsgeldes und des Erziehungsurlaubs um jeweils drei Monate verlängert. Die zusätzlichen Kosten hierfür belaufen sich mittelfristig auf 1,8 Milliarden DM pro Jahr. Ein Teil der Bundesländer hat die Dauer der Zahlung des Erziehungsgeldes um ein zusätzliches halbes Jahr verlängert. Vor allem in unionsregierten Ländern steht damit ab 1990 das Erziehungsgeld für volle zwei Jahre zur Verfügung. Das ist eine großartige familienpolitische Leistung dieser Koalition und dieser Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Kindergeld für das zweite Kind wird ab 1. Juli 1990 um 30 DM erhöht. Schließlich werden auch die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz spürbar verbessert.
    Solidarität und Freundschaft der Generationen ist unsere Aufgabe für die Zukunft. Ebenso wie die jungen Menschen und Familien haben unsere älteren Mitbürger Anspruch auf die Solidarität unserer Gesellschaft, auf unsere Unterstützung bei der Gestaltung eines lebenswerten Daseins.
    Zwei Millionen unserer Mitbürger sind auf ständige Pflege angewiesen. Etwa 630 000 von ihnen sind schwer- oder schwerstpflegebedürftig. Vielen von ihnen kann am besten im Kreise der Familie, im täglichen Zusammensein mit den Angehörigen geholfen werden.
    Während sich die SPD dieser Herausforderung auch in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung nie annahm, haben wir das Pflegefallrisiko im Rahmen der Kostenreform im Gesundheitswesen aufgegriffen und werden dieses Problem schrittweise lösen.

    (Zustimmung des Abg. Höpfinger [CDU/ CSU])

    Das ist eine großartige neue Antwort auf eine neue Frage der Solidarität in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Die Bundesregierung hat darüber hinaus die steuerlichen Bedingungen für die häusliche Pflege deutlich verbessert. Für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe bzw. für die Heimunterbringung können ab 1990 1 800 DM steuerlich berücksichtigt werden. Ebenfalls ab 1990 werden ein Pflegepauschbetrag von 1 800 DM sowie ein Sonderausgabenabzug von bis zu 12 000 DM pro Jahr für die Beschäftigung einer Pflegekraft eingeführt.
    Im Finanzplan bis 1993 werden erste Konsequenzen aus der Rentenstrukturreform gezogen. Zusätzlich zur üblichen Fortschreibung entsprechend der Lohnentwicklung wird deshalb der Bundeszuschuß ab 1990 um 300 Millionen DM und 1991 um 2,3 Milliarden DM aufgestockt.
    Eine neue Partei für ältere Menschen wie jetzt die „Grauen Panther" wird den Interessen dieser Gruppe unserer Gesellschaft nicht nützen, sondern schaden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Frau Unruh [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage — Lachen bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundesminister, einen Moment bitte.
Es gibt keine Zwischenfragen während der Einbringung des Haushalts. Herr Bundesminister, ich bitte Sie aber, daran zu denken, daß natürlich Polemik gegenüber anderen Parteien auch deren Zwischenrufe herausfordert. Beide Seiten sollten sich also bitte an die Regeln halten, wie sie bisher gegolten haben. Keine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete Unruh!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin, ich habe mir noch einmal genau angesehen, was ich gesagt habe. Ich vermag darin keine Polemik zu erkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe gesagt, eine neue Partei würde nur Gräben zwischen den Generationen aufreißen. Das würde zu einer gefährlichen Spaltung unserer Gesellschaft in Jung und Alt führen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Genau umgekehrt ist es, Sie reißen die Gräben auf!)

    Ich bin der Auffassung, Jung und Alt sollten gemeinsam in jeder Partei Verantwortung tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Frau Unruh [GRÜNE]: Sie wissen, daß Sie die Jungen gegen die Alten aufwiegeln!)

    — Nein. Das Gegenteil tun wir.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Stimmt nicht!)

    Aber Sie werden einen Gegensatz erzeugen, der es Ihnen schwermachen wird, das für die ältere Generation durchzusetzen, was wir sonst miteinander für die ältere Generation erreichen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im letzten Jahr sind 250 000 Deutsche aus der DDR und den osteuropäischen Staaten zu uns gekommen. In diesem Jahr rechnen wir mit bis zu 450 000 neuen Mitbürgern. Diese Menschen kommen oft nach vielen Jahren des Wartens, nach vielen Entbehrungen und behördlichen Schikanen zu uns. Wir sollten sie mit offenen Armen aufnehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere neuen Mitbürger brauchen nicht nur Wohnungen. Wir müssen ihnen die Eingliederung in unseren Alltag erleichtern und sie in die Lage versetzen, auf eigenen Füßen zu stehen, ihr Leben in eigener Verantwortung zu gestalten. Wir haben die notwendigen Mittel für die Aufnahme unserer neuen Mitbürger im Bundeshaushalt sowie im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit bereitgestellt.
    Vor allem aber ist der starke Zustrom neuer Bürger Ausdruck der Überlegenheit unserer Gesellschafts-
    11662 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Montag, den 4, September 1989
    Bundesminister Dr. Waigel
    und Wirtschaftsordnung. Der Kommunismus als Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ist nicht nur nach den ökonomischen Daten, sondern vor allem im Urteil der Bürger gescheitert. Glasnost und Perestroika, die Bemühungen zu einer revolutionären Umgestaltung der Wirtschaft, sind — um es einmal in den eigenen Kategorien von Karl Marx auszudrücken — Folge der Tatsache, daß im kommunistischen Wirtschaftssystem der Stand der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse nicht mehr mit dem Stand der Produktivkräfte übereinstimmt. Der real existierende Sozialismus ist nicht mehr in der Lage, den Menschen eine überzeugende Zukunftsperspektive zu bieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Vennegerts [GRÜNE]: Reden Sie einmal über Gorbatschow! — Singer [SPD]: Oder zu Lummer!)

    Es wird Zeit für eine umfassende Neuorientierung in den Ostblockstaaten. Wir alle verfolgen in diesen Tagen die Entwicklung in den zu Reformen bereiten Ostblockstaaten. Wir wollen diesen Ländern im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen, den Weg in die Freiheit und Selbstbestimmung zu gehen. Voraussetzung für wirksame Hilfen sind allerdings echte Reformen. Die Ostblockländer müssen Raum schaffen für privaten Wettbewerb. Sie müssen Eigentumsrechte garantieren

    (Roth [SPD]: Können Sie sich den „Ostblock" nicht abgewöhnen, Mann?)

    und politische und wirtschaftliche Stabilität gewährleisten. Erfolgreich werden diese Hilfen dann sein, wenn wir sie jenen geben, die marktwirtschaftliche Reformen durchsetzen wollen. Das ist vor allem auch die Forderung derjenigen in den Ostblockstaaten, die wie die Gewerkschaft Solidarität jetzt um die Auflösung der erstarrten Strukturen kämpfen.
    Beim Pariser Wirtschaftsgipfel haben die großen westlichen Industrieländer auf unsere Initiative ihre Bereitschaft zur Unterstützung, zur Förderung einer marktwirtschaftlichen Entwicklung unterstrichen. Die Europäische Gemeinschaft hat bereits umfangreiche Nahrungsmittelhilfen für Polen in Gang gesetzt.

    (Frau Adler [SPD]: Viele Worte um nichts!)

    Gemeinsam mit unseren Partnerländern und den internationalen Organisationen wollen wir Polen auch weiterhin wirksam helfen. Wir erwarten im Zusammenhang mit unserer Hilfe auch eine Verbesserung der Situation der dort lebenden Deutschen. Das ist auch ein politischer Zusammenhang, der hier besteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Angesichts der erheblichen Zunahme der Arbeitsplätze um 1,2 Millionen seit 1983 haben sich die Beschäftigungschancen der meisten Arbeitsuchenden erheblich verbessert. Aber auch bei weiterem starkem Anstieg der Arbeitskräftenachfrage bleiben die Aussichten auf einen Arbeitsplatz für bestimmte Gruppen, insbesondere für ältere Arbeitnehmer und Arbeitsuchende ohne Berufsabschluß, ungünstig. Wir wollen deshalb durch die neuen Beschäftigungshilfen die Einstellungschancen von Langzeitarbeitslosen in ein dauerndes Arbeitsverhältnis erleichtern. Künftig
    sollen 40 bis 80 % der Lohnkosten für ein Jahr durch Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden. Durch besondere Maßnahmen für sehr schwer vermittelbare Arbeitslose soll auch diesem Personenkreis schrittweise der Weg in das Arbeitsleben erleichtert werden.
    Die Leistungen des Bundes zur Erhaltung einer möglichst großen Zahl bäuerlicher Familienbetriebe werden fortgesetzt.

    (Lachen der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Zusammen mit den direkten Maßnahmen zum Abbau der Überschußproduktion ermöglicht diese Förderung eine Bewältigung des strukturellen Anpassungsprozesses in der Landwirtschaft ohne die von der Opposition und teilweise auch von der EG-Kommission geforderte Preisdruckpolitik. Die Fördermaßnahmen dienen darüber hinaus zur Honorierung der Leistungen unserer Landwirte für den Umweltschutz und für die Erhaltung einer intakten Landschaftskultur.
    Unser Verteidigungsbeitrag im Nordatlantischen Bündnis hat in den letzten Jahrzehnten geholfen, den Frieden sicherer zu machen. Er hat die jetzt erzielten Erfolge in der Entspannungspolitik erst ermöglicht. Die Verteidigungsausgaben 1990 sind gegenüber dem bisherigen Finanzplan nicht gekürzt worden. Im Rahmen der bereitgestellten Mittel soll unter anderem das Attraktivitätsprogramm mit jährlich 400 Millionen DM verwirklicht werden. Bei zurückgehenden Jahrgangsstärken wollen wir so junge Menschen für den Dienst in der Bundeswehr gewinnen. Insbesondere sind Laufbahnverbesserungen und höhere Bezüge für Berufs- und Zeitsoldaten, eine Reihe von Verbesserungen für Grundwehrdienstleistende sowie die Modernisierung der Infrastruktur, vor allem der Unterkünfte, vorgesehen.
    Unser wichtigstes volkswirtschaftliches Investitionsvorhaben ist die wachstums- und beschäftigungsfördernde Rückführung der Steuer- und Abgabenlast. Aber auch öffentliche Investitionsausgaben, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Forschung, Ausbau der Hochschulen, bleiben ein wichtiges Element wachstumsfördernder Finanzpolitik. Im Bundeshaushalt sind die investiven Ausgaben seit 1982 um fast 6 Milliarden DM auf 37,7 Milliarden DM gestiegen. Wir haben im Haushaltsplan 1990 vor allem die Mittel für den Bundesfernstraßenbau um 300 Millionen auf 6,6 Milliarden DM aufgestockt.

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Schande!)

    Das Bundesprogramm zur Stadtsanierung und Dorferneuerung wird entgegen den ursprünglichen Planungen nicht gekürzt, sondern auf dem Niveau von 660 Millionen DM über 1990 hinaus fortgesetzt. Das ist ein wichtiger Schritt zur Verstetigung der Baukonjunktur

    (Frau Unruh [GRÜNE]: In die falsche Richtung!)

    und ein ganz entscheidender Beitrag zur Erhaltung historisch gewachsener Ortskerne.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Darüber hinaus stellen wir erhebliche Mittel für die Forschung und den Wohnungsbau bereit.



    Bundesminister Dr. Waigel
    Als Ausgleich für den Verzicht auf die Fertigstellung der Wiederaufarbeitungsanlage werden für die mittlere Oberpfalz 230 Millionen DM vorrangig für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt.
    Struktur- und Anpassungshilfen werden immer wieder von vielen energisch gefordert und gleichzeitig der angeblich fehlende Fortschritt beim Subventionsabbau heftig kritisiert. Solche Vorwürfe sind nicht nur wegen ihrer offensichtlichen Widersprüchlichkeit völlig unberechtigt, sie entsprechen auch nicht den Tatsachen. So werden allein im Zusammenhang mit der Steuerreform 1990 Steuersubventionen im Volumen von über 6 Milliarden DM abgebaut.

    (Walther [SPD]: Was?)

    Im Bundeshaushalt 1990 sind die Finanzhilfen des Bundes gegenüber dem laufenden Jahr rückläufig, und in der mittelfristigen Finanzplanung ist ein weiterer Abbau der Finanzhilfen vorgesehen. — Ich wundere mich manchmal über die Forderungen gerade auch aus dem Bereich der Wirtschaft, den Subventionsabbau noch stärker voranzutreiben.

    (Conradi [SPD]: Hört! Hört!)

    Ich hätte gar nichts dagegen, wenn die Energieunternehmen auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber dem Verstromungsfonds verzichteten und damit einen weiteren Abbau der Subventionen für den Bundesfinanzminister ermöglichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eine der zentralen grenzübergreifenden Zukunftsaufgaben ist der Schutz unserer natürlichen Umwelt. Durchgreifende Erfolge erfordern gesamteuropäisches, ja weltweites Handeln. Auf unsere Initiative sind die in der EG erzielten Fortschritte einer gemeinsamen Umweltpolitik zurückzuführen. Durch die Initiative des Bundeskanzlers hat der Wirtschaftsgipfel in Paris den Umweltschutz zu einem vorrangigen Ziel erklärt. Die deutschen Vorschläge haben eine besondere Anerkennung gefunden. Nicht grüne Wachstumsverweigerung, sondern private und öffentliche Umweltschutzinvestitionen sowie wirksame gesetzliche Regelungen sind der entscheidende Ansatz, die bereits erzielten Fortschritte auszubauen und für die kommenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Dabei sind marktwirtschaftliche Ordnungsprinzipien und wirksamer Umweltschutz kein Widerspruch. Durch konsequente Anwendung des Verursacherprinzips sollen diejenigen die Kosten der Umweltsicherung tragen, die bisher die Allgemeinheit durch Umweltschäden belastet haben.

    (Conradi [SPD]: Wasserpfennig!)

    Umweltschutz kann es nicht kostenlos geben. Die Bundesregierung hat seit 1983 ein umfassendes rechtliches Regelwerk zur Verbesserung des Umweltschutzes geschaffen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Verschärfung der Anforderungen auf dem Gebiet des Immissionsschutzes durch die Großfeuerungsanlagen-Verordnung, die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft oder die europaweite Festlegung von Abgasgrenzwerten für Pkw, ferner an die umfangreichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Gewässerschutzes, an das Abfallgesetz und das Chemikaliengesetz.

    (Frau Flinner [GRÜNE]: Das Düngemittelgesetz für die Landwirtschaft!)

    Zugleich haben wir durch wesentlich verbesserte gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen die privaten Unternehmen und auch Städte und Gemeinden in die Lage versetzt, notwendige Umweltschutzinvestitionen ohne Gefährdung von Ertragskraft und Arbeitsplätzen zu finanzieren. Wir fördern die Durchführung der notwendigen Umweltschutzinvestitionen durch gezielte Finanzierungshilfen in Milliardenhöhe im Rahmen der ERP-Umweltschutzprogramme und des Gemeindeprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
    Umweltschutzinvestitionen stehen an erster Stelle unter den im Rahmen des Strukturhilfegesetzes geförderten Investitionsvorhaben, und schließlich werden schon jetzt gezielt Steuern und Abgaben zur Verbesserung des Umweltschutzes eingesetzt. Die Förderung schadstoffarmer Autos durch die Ermäßigung oder den Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer hat den Absatz umweltfreundlicher Fahrzeuge erheblich zunehmen lassen. Wir haben das Abwasserabgabengesetz mit der zweiten Novellierung wirksamer gestaltet und sind dabei, die marktwirtschaftlichen Anreize dieses Gesetzes zu verstärken.
    Wir wollen auch durch den weiteren Ausbau ökonomischer Anreize im Steuer- und Abgabensystem wichtige Umweltschutzziele so wirksam und kostengünstig wie möglich erreichen. Das Kabinett hat in der vergangenen Woche eine verbesserte steuerliche Förderung schadstoffarmer Autos beschlossen. Es wird weiter geprüft, wie die Kraftfahrzeugbesteuerung noch enger an den Schadstoffausstoß gebunden werden kann. Auch andere Instrumente auf dem Gebiet der Luftreinhaltung stehen zur Diskussion. Bei der Nutzung steuerpolitischer Instrumente im Umweltschutz kommt es jedoch darauf an, die vorhandenen Spielräume zu nutzen, ohne andere zentrale wirtschaftspolitische Aufgaben in Frage zu stellen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wie machen Sie das denn mit dem Trinkwasser?)

    Umweltprobleme brauchen intelligente Lösungen und nicht den Holzhammer drastischer und undurchdachter Eingriffe in unser Steuer- und Abgabensystem, wie von der SPD und den GRÜNEN vorgeschlagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer unser gewachsenes Steuersystem in Frage stellt, muß auch die schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, die Auswirkungen für jeden einzelnen Steuerzahler, für sein Einkommen und für die Sicherheit seines Arbeitsplatzes aufzeigen. Warum eigentlich sollen die Autofahrer und vor allem die Bewohner des ländlichen Raumes die Hauptlast einer ökologisch fragwürdigen Maßnahme tragen?

    (Frau Rust [GRÜNE]: Tun sie ja gar nicht!)

    Warum sind drastische Benzinpreiserhöhungen um
    fast 60 Pfennig je Liter jetzt plötzlich richtig, nachdem



    Bundesminister Dr. Waigel
    die SPD die maßvolle, mäßige Anhebung bei der Mineralölsteuer noch vor wenigen Monaten als unsozial gebrandmarkt hat? Hier sind Sie doch völlig unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Fragwürdig sind die SPD-Vorschläge vor allem wegen ihrer eklatanten Widersprüchlichkeit. Geht die Finanzierungsrechnung auf, dann wird das umweltpolitische Ziel verfehlt, wird weniger Kraftstoff verbraucht, dann stimmt die Rechnung nicht. Sie sollten also nochmals denken und nochmals rechnen, um den Zielkonflikt Ihrer Forderungen deutlich machen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Außerdem stehen die Vorstellungen der SPD im Gegensatz zu den zentralen Aufgaben der Steuerpolitik. Nach überschlägigen Berechnungen ergeben sich Mehrbelastungen für Betriebe und Arbeitsplätze von rund 7,5 Milliarden DM jährlich. Die SPD und die GRÜNEN wollen erhebliche Zusatzkosten beim Energieverbrauch aufladen und ihnen darüber hinaus auch noch die notwendige steuerliche Entlastung versagen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wieso das denn?)

    „Das, was die SPD fordert, läßt sich in Europa nicht verwirklichen. "

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Quatsch!)

    Diese klaren Worte Ihres früheren finanzpolitischen Sprechers Hans Apel sprechen für sich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Matthäus-Maier sagt zu dem, was der geschätzte Kollege Apel gesagt hat, einfach „Quatsch". Das hat der Kollege Apel von Ihnen nicht verdient; denn Sie könnten von ihm noch eine Menge lernen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Jetzt ist er wieder ein geschätzter Kollege! Vorhin war er ein falscher Prophet!)

    — Jetzt ist Ihnen eine Panne passiert, die Sie nur sehr schwer wieder ausgleichen können. Man sollte halt immer noch eine Sekunde nachdenken, Frau Kollegin Matthäus-Maier, von wem etwas sein könnte, und dann erst „Quatsch" rufen.
    Die Leidtragenden eines solchen Programms wären wir alle, insbesondere die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze der sich schließenden Schere zwischen Erträgen und Kosten zum Opfer fallen würden. Leidtragende wären die Verbraucher, die höhere Produktionskosten mit steigenden Preisen bezahlen müßten. Leidtragender wäre letztlich auch der Umweltschutz selbst, für den sowohl im Bereich der Betriebe als auch bei den öffentlichen Haushalten bei nachlassender Wettbewerbs- und Wirtschaftskraft immer weniger Mittel zur Verfügung stehen würden.
    Ein solches Programm kann man, wie der frühere Wirtschafts- und Finanzminister der SPD-Regierung, Professor Karl Schiller, wirklich nur mit Schrecken zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit solchen Vorstellungen entfernt sich die SPD zunehmend von ihren ursprünglichen Wählern im Arbeitnehmerlager. Die negativen Reaktionen gerade aus dem Bereich der Gewerkschaften sprechen eine deutliche Sprache.
    Während die SPD trotz zahlreicher Reisen ihrer verantwortlichen Politiker zunehmend den Blick für internationale Zusammenhänge und Herausforderungen verliert, bereiten wir uns systematisch und zielstrebig auf den europäischen Binnenmarkt 1993 vor. Wir stärken die Rolle der Bundesrepublik in der immer enger zusammenwachsenden Weltwirtschaft. Wir wollen die Integration der europäischen Staaten fördern und zugleich unser Land für den zunehmenden Wettbewerb rüsten.
    Unsere Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt beruht vor allem auf unserem leistungsfähigen Mittelstand. Wir setzen die bewährten Maßnahmen zur Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen fort.

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: MBB-Daimler!)

    Mit dem neuen Euro-Fitness-Programm sollen die kleinen und mittleren Unternehmen besser auf den EG-Binnenmarkt vorbereitet werden. In den Jahren 1990 bis 1992 sollen jeweils 28 Millionen DM und 1993 25 Millionen DM für Aufklärungsmaßnahmen, Beratungen und Schulungsmaßnahmen und Messebeteiligungen zur Verfügung stehen.
    Schon heute können viele finanzpolitische Entscheidungen nicht mehr allein im nationalen Maßstab getroffen werden. Wir bekennen uns zum Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion. Bei ihrer schrittweisen Verwirklichung darf die Stabilität unserer Währung nicht gefährdet werden. In einer solchen Gemeinschaft der europäischen Staaten werden die wechselseitigen Abhängigkeiten und der Koordinierungsbedarf noch zunehmen.
    Aber die Zentralisierung und Koordinierung wirtschafts- und finanzpolitischer Entscheidungen sind kein Selbstzweck, und die Ausweitung des finanziellen Rahmens sowie die Schaffung immer neuer Fonds sind kein Allheilmittel. Nachdem Wirtschaftslenkung und expandierende Staatshaushalte auf nationaler Ebene gescheitert sind, ist jede Neuauflage unter europäischen Vorzeichen sinnlos. Stabilität, Subsidiarität und Föderalismus sollen auch auf europäischer Ebene die Zusammenarbeit bestimmen.
    Die Bundesrepublik steht zu ihrer internationalen Verantwortung. Als führende Industrienation wollen wir unseren Beitrag zur Erweiterung des internationalen Handels, zum Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und zur Verbesserung der Situation der zum Teil hoch verschuldeten Entwicklungs-
    und Schwellenländer leisten.
    Weltwirtschaft und Welthandel expandieren. Trotz mancher Störungen haben wir mehr Stabilität auf den internationalen Finanz- und Devisenmärkten erreichen können. Der Abbau des amerikanischen Außenhandelsdefizits ist spürbar vorangekommen. Der bilaterale Handelsbilanzüberschuß der Bundesrepublik Deutschland mit den Vereinigten Staaten wird sich



    Bundesminister Dr. Waigel
    gegenüber 1987 in diesem Jahr voraussichtlich halbieren.
    Unser Handelsbilanzdefizit gegenüber den Entwicklungsländern hat sich spürbar ausgeweitet: von 1,2 Milliarden DM 1987 auf 5,4 Milliarden DM 1988. Durch die Öffnung unserer Märkte für die Erzeugnisse dieser Staaten tragen wir zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation ganz entscheidend bei.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Im Bundeshaushalt 1990 ist bei der Entwicklungshilfe ein überproportionaler Zuwachs von 3,7 % vorgesehen. Darüber hinaus haben wir bisher auf Forderungen im Umfang von fast 9 Milliarden DM gegenüber den ärmsten Entwicklungsländern verzichtet. Die Bundesrepublik steht mit diesem Verzicht an der Spitze der Industrieländer. Während manche andere Staaten die Prolongierung der Schulden alle paar Jahre jeweils als großen Erfolg feiern, verzichten wir auf einmal, sind aber relativ bescheiden in der Darstellung dieses großen Werkes für viele andere Länder auf der Welt.

    (Zuruf von der SPD: Klatschen!)

    Auch sieben Jahre nach Ausbruch der MexikoKrise hat sich die Situation vieler hoch verschuldeter Entwicklungs- und Schwellenländer noch nicht entscheidend verbessert.

    (Walther [SPD]: Deine Leute schlafen alle ein!)

    Wir unterstützen deshalb die im Währungsfonds und in der Weltbank getroffenen Vereinbarungen, durch Zusammenarbeit zwischen den internationalen Finanzierungsinstitutionen, privaten Gläubigerbanken und verschuldeten Ländern eine spürbare Schuldendiensterleichterung für reformwillige Schuldnerländer zu erreichen.
    In den letzten drei Jahren haben öffentliche Haushalte einen immer höheren Anteil am Kapitalfluß in die Entwicklungsländer übernommen. Während Anfang der 80er Jahre nur 30 % des Nettoressourcenflusses in Entwicklungsländer aus öffentlichen Mitteln stammten, waren es zwischen 1985 und 1988 bereits 80%.
    In der gemeinsamen Verantwortung aller Beteiligten und ebenso im eigenen Interesse an einer gesunden Entwicklung der Weltwirtschaft müssen jetzt auch die privaten Banken zu Zugeständnissen bereit sein. In der Bundesrepublik verfügen wir über großzügige steuerliche Regelungen, die die bilanzielle Vorsorge für mögliche Kreditausfälle erleichtern. Auch die deutschen Banken sind damit in der Lage, entsprechend dem Brady-Plan zur Entspannung der internationalen Verschuldungssituation beizutragen.
    Wir haben in den letzten sieben Jahren durch eine von klaren Ordnungsprinzipien geleitete Finanzpolitik politische Führungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

    (Lachen bei der SPD)

    Wir haben wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme eindeutig gewichtet und Prioritäten gesetzt.
    Wir haben nicht nur geredet, sondern wir haben gehandelt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere Politik ist ein unverwechselbares Angebot, ein Angebot, wie die Probleme von morgen zu lösen sind.
    Der Beweis für die Wirksamkeit unserer Politik ist bereits erbracht. Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahren ihre Position in der Welt ausgebaut und wichtige Beiträge zur Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit und des Welthandels geleistet. Die bei uns und in anderen westlichen Industrieländern erreichten wirtschaftlichen Erfolge beruhen vor allem auf der Begrenzung der Staatstätigkeit, auf der Rückführung öffentlicher Defizite und der Schaffung wesentlich erweiterter Wettbewerbsräume.
    Wir haben unser Land, wir haben Bürger und Staat für die Lösung unserer großen Zukunftsaufgaben gerüstet. Nur auf gefestigtem wirtschaftlichem Fundament können wir den Umweltschutz sichern. Nur in einer dynamischen Wirtschaft können wir das Zusammenleben der Generationen auch bei sich verändernden demographischen Strukturen positiv gestalten, und nur eine anpassungsfähige und wettbewerbsfähige Wirtschaft kann im weltweiten technologischen Wettlauf um die besten Verfahren und Produkte bestehen.
    Der Wohlstand unseres Landes beruht auf der Arbeit der Menschen in den Fabriken und Dienstleistungsbetrieben, auf unserer Fähigkeit, uns auf den Weltmärkten zu behaupten. Wer mit diesen Grundlagen unseres wirtschaftlichen Erfolges spielt, wer experimentiert oder Grenzen der Belastbarkeit erprobt, wie einmal geschehen, wird die Folgen spüren, und zwar negativ, und wir alle damit leider auch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesrepublik Deutschland genießt heute durch ihre wirtschaftlichen Erfolge weltweit hohes Ansehen. Auf internationalen Konferenzen, bei der NATO-Tagung in Brüssel, beim EG-Gipfeltreffen in Madrid und beim Wirtschaftsgipfel in Paris, wurden unsere wirtschafts- und finanz-, beschäftigungs- und stabilitätspolitischen Erfolge uneingeschränkt anerkannt. Deshalb darf unser Land nicht zum Spielball der politischen Kräfte gemacht werden, die wirtschaftspolitische Experimente und die Erprobung der Grenzen der Belastbarkeit zu ihrem politischen Programm gemacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In gesamtwirtschaftlicher Hinsicht ernten wir jetzt, was wir in den ersten Jahren nach dem Regierungswechsel gesät haben. Um diese Erfolge auch in Zukunft zu sichern und auszubauen, werden diese Bundesregierung und diese Koalition ihre erfolgreiche Arbeit, ihre erfolgreiche Politik auch über 1990 hinaus fortsetzen.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)