Rede von
Dr.
Ludger
Volmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute unter anderem über El Salvador und über Nicaragua. Dazu möchte ich einige Dinge sagen.
Nach der Machtübernahme Christianis von der ARENA-Partei wurde die Entwicklungszusammenarbeit von der Bundesregierung eingefroren, in dem keine Neuzusagen mehr ausgesprochen wurden. Dies ist der Hintergrund für den gemeinsamen Antrag, den wir erarbeitet haben. Wir begrüßen im Prinzip diese Tendenz, weil dies bedeutet, daß ein Bruch mit der Kontinuität der Entwicklungszusammenarbeit stattgefunden hat. Wir GRÜNEN waren aber immer schon und seit langem der Auffassung, daß El Salvador keine Entwicklungshilfe erhalten sollte, auch nicht während der Regierungszeit von Duarte, weil wir immer meinten, daß eigentlich gar keine Grundlage für eine armutsorientierte Entwicklungspolitik in El Salvador gegeben sei. Nun, nach der Machtübernahme durch die faschistische Partei, hat auch in der Union ein Umdenken stattgefunden. Wir begrüßen die Tendenz, die darin zu erkennen ist.
Wir müssen aber auch deutlich sagen: Wenn nun Kriterien angegeben werden, nach denen die Entwicklungszusammenarbeit beurteilt werden soll — nämlich Einhaltung der Menschenrechte, Förderung des Friedensprozesses und Einhaltung demokratischer Entwicklungen —, dann würden wir GRÜNEN auf dem Hintergund dieser Kriterien heute sagen, die Entwicklungshilfe müßte eigentlich sofort gestoppt werden, weil nämlich die Regierung von El Salvador eklatant gegen diese Kriterien verstößt.
Einige Beispiele: Christiani hat sein Versprechen, direkt nach der Wahl Verhandlungen mit der Guerilla aufzunehmen, nicht eingehalten. Sein heutiges Verhandlungsangebot ist die simple Forderung an die Guerilla, sich zu ergeben. Die Repression ist weiter verschärft worden. Es gibt interne Kämpfe zwischen dem Wirtschaftsflügel der ARENA um Christiani und dem Todesschwadronflügel um D'Aubuisson. Wir nehmen an, daß die Ermordung von Minister Porth wohl auf diese Diadochenkämpfe zurückzuführen ist. Der faschistische Charakter der ARENA wird auch dadurch deutlich, daß vor einiger Zeit Zivilverteidigungskomitees eingerichtet wurden. Solche Komitees sind nichts anderes als legalisierte Todesschwadronen. Außerdem findet der Aufbau eines ARENA-eigenen Geheimdienstes statt, der eigentlich nur noch mit der deutschen Gestapo zu vergleichen ist. Dort werden Denunziationsbüros eingerichtet, wie wir sie nun auch in China erlebt haben. Die Antiterrorgesetze, die die Regierung eingebracht hat, sind nichts anderes als die Legalisierung des Regierungsterrorismus. Dieser Auffassung ist auch der Weihbischof von El Salvador. Deshalb meinen wir, die Entwicklungshilfe müßte auf dem Hintergrund der heute nun gemeinsam verabschiedeten Kriterien eigentlich sofort gestoppt werden.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß einige Projekte der technischen Zusammenarbeit, nämlich die Ausbildung von Kommunalbeamten, und Projekte mit der Stadtverwaltung von San Salvador faktisch Kooperationen mit der ARENA-Verwaltung bedeuten. Denn die Kommunalverwaltungen sind fast alle in der Hand von ARENA. Die Bundesregierung muß sich also überlegen, ob sie den weiteren Rechtsruck über die technische Zusammenarbeit noch mit unterstützen möchte.
Nun, Herr Pinger, noch einige Worte zu Nicaragua. Hier gibt es eigentlich nur noch sehr Trauriges zu berichten. Herr Warnke hat sich bei seiner jüngsten Nicaragua-Reise furchtbar blamiert. Er hat einen außerordentlich miesen Eindruck hinterlassen: Statt die Entwicklungshilfe für Nicaragua endlich in vollem Umfang freizugeben, wurde Warenhilfe angeboten, wurde Wahlhilfe angeboten. Beide Dinge sind absurd. Ausgerechnet der Vertreter einer Bundestagsfraktion, die öfter nachgewiesen hat, daß sie nur über ein vordemokratisches Bewußtsein verfügt,
deren Mitglieder hier durch rassistische Zwischenrufe aufgefallen sind,
will Nachhilfeunterricht in Demokratie geben.
Und warum wird die Warenhilfe nicht über das Internationale Rote Kreuz, eine wirklich neutrale Instanz, sondern über den Kardinal Obando y Bravo abgewickelt, von dem wir wissen, daß er ein ideologischer Träger der Contra ist? Wir meinen, daß diese Dinge nicht akzeptabel sind.