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    Plenarprotokoll 11/149 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 149. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Vogel (Ennepetal), Susset, Dr. Unland, Dr. Hüsch und des Vizepräsidenten Westphal 11021 A Wahl der Abg. Frau Roitzsch als ordentliches Mitglied im Wahlprüfungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abg. Dr. Lammert 11021 B Erweiterung der Tagesordnung 11021 B Absetzung der Punkte 5 m, 7 und 19 von der Tagesordnung 11021 D Zur Geschäftsordnung Frau Teubner GRÜNE 11022 A Bohl CDU/CSU 11022 C Tagesordnungspunkt 4: a) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur sozialen Dimension des Binnenmarktes (Drucksache 11/4340) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Peter (Kassel), Dreßler, Heyenn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Europäischer Binnenmarkt und Soziale Demokratie (Drucksachen 11/4034, 11/4699) c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hellwig, Bohl, Daweke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Cronenberg (Arnsberg), Heinrich, Dr. Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sozialraum Europäische Gemeinschaft (Drucksachen 11/4163, 11/4700) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Europäischer Binnenmarkt und soziale Demokratie (Drucksachen 11/3852, 11/4750) Dreßler SPD 11023 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11025 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11027 A Frau Würfel FDP 11029 A, 11037 B Peter (Kassel) SPD 11030 C Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 11032 B Reimann SPD 11033 C Fuchtel CDU/CSU 11035 A Urbaniak SPD 11036 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 11037 D Tagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter (Drucksachen 11/3077, 11/4559) b) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Strategie des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die Schaffung der Europäischen Union (Drucksache 11/4228) c) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Beziehungen zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament (Drucksache 11/4229) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 d) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Legislative Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 des Rates über Beihilfen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr (Drucksache 11/3756) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abbau von Grenzkontrollen der Mitgliedstaaten im Straßen- und Binnenschiffsverkehr (Drucksachen 11/4019 Nr. 2.37, 11/4535) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen (Drucksachen 11/3703 Nr. 2.28, 11/4449) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den zulässigen Blutalkoholgehalt von Kraftfahrern (Drucksachen 11/4161 Nr. 2.21, 11/4558) h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über die Konsultierung und Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Flugverkehrsdienste und der Verkehrsflußregelung und Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Ausdehnung der Entscheidung 78/174/EWG auf die See- und Luftverkehrsinfrastruktur und Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über eine flexible und rationelle Nutzung des Luftraums (Drucksachen 11/4161 Nr. 2.19, 11/4597) i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Geschwindigkeitsbegrenzungen für bestimmte Kraftfahrzeugklassen in der Gemeinschaft (Drucksachen 11/4161 Nr. 2.23, 11/4557) Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Rock j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Entschließung des Rates über die Stärkung der weiteren Koordinierung der Einführung des diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes (ISDN) in der Gemeinschaft bis 1992 (Drucksachen 11/4019 Nr. 2.39, 11/4479) k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über hochauflösendes Fernsehen (HDTV) (Drucksachen 11/4019 Nr. 2.38, 11/4480) 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für die Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsregeln im Rahmen der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (Drucksachen 11/818, 11/4544) n) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments (Drucksache 11/4650) o) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Beer, Dr. Mechtersheimer und der Fraktion DIE GRÜNEN zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington (Drucksachen 11/1875, 11/4450) p) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission über ein Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über Forschung und technologische Entwicklung auf den Gebieten Rohstoffe und Rückführung (1990-1992) und Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Annahme eines spezifischen Programms der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über Forschung und technologische Entwicklung auf den Gebieten Rohstoffe und Rückführung (1990-1992) (Drucksachen 11/4337 Nr. 25, 11/4669) q) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 III Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Annahme von zwei spezifischen Programmen für Forschung und technologische Entwicklung auf dem Gebiet der Umwelt Step: Wissenschaft und Technologie für den Klimaschutz EPOCH: Europäisches Programm für Klimatologie und natürliche Risiken (Drucksachen 11/3831 Nr. 28, 11/4670) r) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum Oktober 1988 bis März 1989) (Drucksache 11/4569) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Vollendung des europäischen Binnenmarktes zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Europapolitik (Drucksachen 11/3865, 11/3851 [neu], 11/4735) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zum Europa der Bürger (Drucksachen 11/3866, 11/3087, 11/4751) Dr. Dregger CDU/CSU 11040 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 11044 B Mischnick FDP 11046 D Frau Vennegerts GRÜNE 11049 A Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11051 C Brück SPD 11053 A Kittelmann CDU/CSU 11055 A Häfner GRÜNE 11056 B Straßmeir CDU/CSU 11058 C Antretter SPD 11059B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMV 11061 D Freiherr von Schorlemer CDU/CSU 11062 D Dr. Gautier SPD 11063 D Dr. Wulff CDU/CSU 11065 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11066 C Irmer FDP (Erklärung nach § 31 GO) 11081 A Frau Wieczorek-Zeul SPD (Erklärung nach § 31 GO) 11081 C Dr. Todenhöfer CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 11082 D Abstimmungen 11080 A Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Lohnstatistik (Drucksachen 11/4118, 11/4766) 11083 B Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes (Drucksachen 11/4033, 11/4738, 11/4739) 11083 D Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines . . . Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 11/2218, 11/4643, 11/4647) 11084 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen: Einwilligung in die Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in München-Bogenhausen, Möhlstraße 3, gemäß § 64 Abs. 2 BHO (Drucksachen 11/4067 [neu], 11/4446) 11084 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 116 zu Petitionen (Drucksache 11/4656) 11084 C Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Zweite Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 11/4189, 11/4430) 11084 C Tagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über einen Verhaltenskodex im Zusammenhang mit computergesteuerten Buchungssystemen (Drucksachen 11/3703 Nr. 2.26, 11/4616) 11084 D IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung und Ergänzung von Anhang II der Richtlinie 86/280/EWG betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Liste I des Anhangs zur Richtlinie 76/464/EWG (Drucksachen 11/3832 Nr. 29, 11/4655) 11084 D Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs, einschließlich Obst und Gemüse, sowie zur Änderung der Verfahrensvorschriften der Richtlinie 76/895/EWG über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Obst und Gemüse (Drucksachen 11/4019 Nr. 2.36, 11/4671) 11085 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Beendigung des Bürgerkrieges in der Republik SUDAN (Drucksache 11/4747) 11085 B Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Apel, Poß, Brück, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Steuerliche Behandlung der Grenzgänger (Drucksache 11/2328) 11085 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksache 11/391) 11085 C Tagesordnungspunkt 18: a) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Äußerungen von Regierungssprecher Bundesminister Klein zur Waffen-SS (Drucksache 11/4585) b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Äußerung des Regierungssprechers Bundesminister Klein zur Waffen-SS (Drucksache 11/4696 [neu]) Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11085 D Waltemathe SPD 11087 B Klein, Bundesminister BPA 11088 C Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 11089 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 11090 D Mischnick FDP 11092 B Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) 11093 C Gerster (Mainz) CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 11094 A Vizepräsident Westphal 11087 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Aussprache zu den Ereignissen in der Volksrepublik China Frau Geiger CDU/CSU 11094 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 11096 B Dr. Feldmann FDP 11097 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 11098 D Schäfer, Staatsminister AA 11099 D Antretter SPD 11101 A Dr. Stercken CDU/CSU 11102 B Frau Kelly GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 11103 B Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrags der Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Lennartz, Frau Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bericht zur Lage von Natur und Umwelt (Drucksache 11/4317) Lennartz SPD 11104 B Schmidbauer CDU/CSU 11106 C Dr. Knabe GRÜNE 11108 A, 11113 D Baum FDP 11108 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11110 D Dr. Wernitz SPD 11112 D Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 11114 A Tagesordnungspunkt 21: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Teubner, Frau Oesterle-Schwerin und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Raumplanungsgesetzes (Drucksachen 11/2666, 11/4678, 11/4679) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes (Drucksachen 11/3916, 11/4678) Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau 11115 C Frau Teubner GRÜNE 11117 A Magin CDU/CSU 11118 B Großmann SPD 11120 A Dr. Hitschler FDP 11122 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 V Tagesordnungspunkt 22: a) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Häfner und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 11/4462) b) Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Trenz und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ausländerinnen und Ausländer (Drucksache 11/4463) c) Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Trenz und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur rechtlichen Gleichstellung der ausländischen Wohnbevölkerung durch Einbürgerung und Geburt (Einbürgerungsgesetz) (Drucksache 11/4464) d) Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Trenz und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Niederlassung von Ausländern und Ausländerinnen (Niederlassungsgesetz für Ausländer und Ausländerinnen) (Drucksache 11/4466) Frau Trenz GRÜNE 11124 C Spranger, Parl. Staatssekretär BMI 11126 A Dr. Olderog CDU/CSU 11127 A Schröer (Mülheim) SPD 11129 C Dr. Hirsch FDP 11131 B Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Drucksachen 11/2276, 11/4718, 11/4737) Frau Weyel SPD 11133 C Schartz (Trier) CDU/CSU 11135 C Frau Flinner GRÜNE 11139 A Heinrich FDP 11139 D Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 11140 D Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Zwischenberichts der Enquete-Kommission: „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" (Drucksache 11/3267) Kirschner SPD 11142 A Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 11144 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 11146 D Dr. Thomae FDP 11147 C Egert SPD 11150A Frau Limbach CDU/CSU 11152 A Jaunich SPD 11154 D Seehofer, Parl. Staatssekretär BMA 11157 A Tagesordnungspunkt 25: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Achte Zusammenfassung der Berichte von in Südafrika engagierten deutschen Unternehmen über die bei der Anwendung des Verhaltenskodex der Europäischen Gemeinschaft für Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika erzielten Fortschritte und deren Bewertung durch die Bundesregierung (Drucksache 11/3802) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Saibold, Frau Eid und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kein Tourismusverkehr mit dem Apartheid-Staat (Drucksachen 11/3161, 11/4453) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Eid, Frau Schilling und der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer Südafrikas —15. Mai 1989, Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerer (Drucksache 11/4572) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schmude, Ganseforth, Leidinger, Dr. Osswald, Dr. Timm, Toetemeyer, Verheugen, Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Böhme (Unna), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Aufnahme südafrikanischer Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/4652) Frau Eid GRÜNE 11159 D Dr. Hornhues CDU/CSU 11160 D Dr. Schmude SPD 11161 D Irmer FDP 11162 D Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi 11163 D Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Börsengesetzes (Drucksachen 11/4177, 11/4333, 11/4721) Dr. Solms FDP 11165 B Tagesordnungspunkt 27: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit a) zum Antrag der Fraktion der SPD: Förderung von Frauen in Entwicklungsländern b) zum Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit (Drucksachen 11/859, 11/1917, 11/3732) 11165 C VI Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 Tagesordnungspunkt 28: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz) (Drucksachen 11/2275, 11/4542, 11/4664) Werner (Ulm) CDU/CSU 11166 B Wittich SPD 11167 A Frau Würfel FDP 11168 D Frau Wilms-Kegel GRÜNE 11169 B Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 11170 A Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (Drucksachen 11/2169, 11/4759) Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU 11171 A Roth SPD 11171 D Rind FDP 11172 D Hüser GRÜNE 11173 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF 11174 C Tagesordnungspunkt 2 (Fortsetzung) : Fragestunde — Drucksache 11/4724 vom 9. Juni 1989 — Diskriminierung der Frauen durch die Bundesanstalt für Arbeit bei der Bewertung der Anforderungen an Uhrmacher MdlAnfr 14, 15 09.06.89 Drs 11/4724 Frau Würfel FDP Antw PStSekr Vogt BMA 11068 D ZusFr Frau Würfel FDP 11069A Wegfall der Fahrkostenerstattung für die Bewohner von Helgoland bei Arztbesuchen auf dem Festland nach Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes MdlAnfr 16, 17 09.06.89 Drs 11/4724 Frau Blunck SPD Antw PStSekr Vogt BMA 11069 C ZusFr Frau Blunck SPD 11069 D ZusFr Frau Wollny GRÜNE 11070 C Auslegung der §§ 29 und 30 SGB V betr. Finanzierung der Kosten für Zahnersatz und kieferorthopädische Behandlung MdlAnfr 11, 12 09.06.89 Drs 11/4724 Kirschner SPD Antw PStSekr Vogt BMA 11070 D, 11071 C ZusFr Kirschner SPD 11071A, 11071 C ZusFr Frau Blunck SPD 11072 A Bemühungen von Bundesverteidigungsminister Dr. Stoltenberg um Verringerung der militärischen Tiefflugübungen über bundesdeutschem Territorium angesichts der Auffassung des Stabschefs der Zweiten Alliierten Taktischen Luftflotte über die Lufthoheit MdlAnfr 26, 27 09.06.89 Drs 11/4724 Dr. von Bülow SPD Antw PStSekr Wimmer BMVg 11072 B, 11072 D ZusFr Dr. von Billow SPD 11072 C, 11072 D Sicherheitsmängel der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten US-Kampfhubschrauber und Stand der Umrüstung der Typen Apache und Black Hawk MdlAnfr 28, 29 09.06.89 Drs 11/4724 Frau Wieczorek-Zeul SPD Antw PStSekr Wimmer BMVg 11073 B, 11074 A ZusFr Frau Wieczorek-Zeul SPD 11073C, 11074 B ZusFr Gansel SPD 11074 A, 11074 D ZusFr Dr. de With SPD 11075 A Abstimmung über die Einladung ausländischer Marineeinheiten zur Kieler Woche, insbesondere über das nuklear bestückte US-Schlachtschiff Iowa MdlAnfr 30, 31 09.06.89 Drs 11/4724 Gansel SPD Antw PStSekr Wimmer BMVg 11075 B, 11075 D ZusFr Gansel SPD 11075 B, 11075 D ZusFr Frau Schulte (Hameln) SPD 11076 B Vereinbarungen und Umweltprojekte seit Inkrafttreten des deutsch-deutschen Umweltabkommens MdlAnfr 37, 38 09.06.89 Drs 11/4724 Hiller (Lübeck) SPD Antw PStSekr Grüner BMU 11076 C ZusFr Hiller (Lübeck) SPD 11076 D Wiederaufarbeitung atomarer Brennelemente im Ausland unter Anwendung deutscher Sicherheitsstandards; Lagerung hochradioaktiver Abfälle aus französischen Atomanlagen in Gorleben MdlAnfr 39, 40 09.06.89 Drs 11/4724 Grünbeck FDP Antw PStSekr Grüner BMU 11077 C, 11078 D ZusFr Grünbeck FDP 11077 D, 11078 D ZusFr Frau Wollny GRÜNE . 11078 C, 11079 B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 VII Fortschreibung des Aktionsprogramms „Rettet den Wald" MdlAnfr 41 09.06.89 Drs 11/4724 Dr. Knabe GRÜNE Antw PStSekr Grüner BMU 11079 C ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 11079 C Nächste Sitzung 11175 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11177* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 27 der Tagesordnung (Antrag der Fraktion der SPD: Förderung von Frauen in Entwicklungsländern und Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit) 11177* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 11021 149. Sitzung Bonn, den 15. Juni 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 16. 06. 89 Andres SPD 16.06. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 16. 06. 89 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 15. 06. 89 * Frau Conrad SPD 16. 06. 89 Daweke CDU/CSU 16. 06. 89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 15. 06. 89 Engelhard FDP 15. 06.89 Esters SPD 16. 06.89 Frau Folz-Steinacker FDP 16. 06. 89 Francke (Hamburg) CDU/CSU 16. 06. 89 Frau Frieß GRÜNE 15. 06. 89 Gattermann FDP 15. 06. 89 Dr. Geißler CDU/CSU 16. 06. 89 Dr. Glotz SPD 16. 06. 89 Frau Dr. Götte SPD 15. 06. 89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 15. 06. 89 Frau Hensel GRÜNE 16. 06. 89 Frau Hillerich GRÜNE 16. 06. 89 Hörster CDU/CSU 15. 06. 89 Ibrügger SPD 16. 06. 89 Klein (Dieburg) SPD 16. 06. 89 Kolbow SPD 16. 06. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 16. 06. 89 Kuhlwein SPD 16. 06. 89 Kühbacher SPD 16. 06. 89 Lamers CDU/CSU 16. 06. 89 Lintner CDU/CSU 16. 06. 89 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 15. 06. 89 Dr. Müller CDU/CSU 16. 06. 89 Neuhausen FDP 16. 06. 89 Niegel CDU/CSU 16. 06. 89 Frau Pack CDU/CSU 16. 06. 89 Petersen CDU/CSU 16. 06. 89 ** Reuschenbach SPD 16. 06. 89 Frau Rock GRÜNE 16. 06. 89 Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU 16. 06. 89 Tietjen SPD 16. 06. 89 Frau Dr. Timm SPD 15. 06. 89 Dr. Uelhoff CDU/CSU 16. 06. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 16. 06. 89 Vosen SPD 15. 06. 89 Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 16. 06. 89 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 16. 06. 89 Dr. Wieczorek SPD 16. 06. 89 Wilz CDU/CSU 15. 06. 89 Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 16. 06. 89 Zumkley SPD 15. 06. 89 ** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 27 der Tagesordnung (Antrag der Fraktion der SPD: Förderung von Frauen in Entwicklungsländern und Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit) Frau Luuk (SPD): Die SPD-Fraktion brachte am 25. September 1987 den Antrag „Förderung von Frauen in Entwicklungsländern" ein. Nach der im März 1988 geführten Aussprache ging der Antrag in die Ausschüsse zur Beratung. Heute kurz vor Mitternacht steht dieser Antrag hier zur Abstimmung, und ich freue mich, daß wir es bei diesem Thema zu einer gemeinsamen Haltung gebracht haben. Die Kolleginnen der Koalitionsfraktionen haben das Anliegen unseres Antrages mit unterstützt. Allerdings haben wir dieser Gemeinsamkeit als Sozialdemokraten auch Opfer gebracht, halten wir doch weiterhin die Einrichtung eines eigenständigen Querschnittreferates im BMZ, das die Aufgabe der Frauenförderung auf allen Ebenen planen, überprüfen und in die Wege leiten sollte, für notwendig. Mit der Einrichtung eines Bauchladenreferates, das neben anderen Gesichtspunkten auch die Belange von Frauen zur Aufgabe hat, sind wir nicht zufrieden, selbst wenn dieses Referat inzwischen von einer Frau geleitet wird. Selbstbewußt singen die Afrikanerinnen „Wir sind die Welt, wir sind die Frauen", und auf der Weltfrauenkonferenz in Nairobi stimmten Frauen aus allen Ländern der Welt begeistert ein. Wie aber ist die Welt der Frauen in den Entwicklungsländern im Alltag? Der Frauenreichtum an Energie, Ideen und Tatkraft, an Tänzen und Liedern, Offenheit und Freundlichkeit beeindruckt. Er steht im krassen Gegensatz zu der Härte des Überlebenskampfes der Frauen. „Wir tragen eine schwere Last", meinen die Frauen aus Simbabwe. „Aber: wer soll sie tragen, wenn nicht wir Frauen?" Kolonialismus, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Welthandel und Weltwirtschaftsordnung prägen die Lage der Frauen: sie leisten zwar zwei Drittel aller Arbeitsstunden und sind in den meisten Ländern für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zuständig. Dennoch sind sie es, die zuletzt schlafen und essen. Sie sind es, denen der Zugang zu Bildung und Ausbildung, bezahlter Erwerbsarbeit, Krediten und Grundbesitz und gesundheitlicher Grundversorgung fehlt. Sie tragen die Lasten der Unterentwicklung in ihren Ländern. Sie sind es aber auch, die „Entwicklung" bezahlen. Zu Recht beklagte Marie Schlei, die verstorbene erste und einzige Entwicklungsministerin der Bundesrepublik Deutschland, die zusätzlichen Lasten von Entwicklungshilfe auf dem Rücken der Frauen. Am Niger nahmen die Fischergenossenschaften Frauen ihren lohnenden Arbeitsplatz als Fischhändlerin und Zwischenhändlerin. In Sierra Leone verfaulten Fische am Strand, weil die Entwicklungsmaßnahmen des einheimischen Fischfangs nur an den Bedürfnissen der männlichen Fischer ausgerichtet waren. Die Frauen, die den Fisch verarbeiten und vermarkten, 11178* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 hatte „mann" vergessen. Die Nutzung des Bodens für Exportwirtschaft vertrieb Frauen von fruchtbarem Land, beschäftigte Männer als Lohnarbeiter und überließ Frauen und ihren Familien nur den Ertrag des kargen Bodens. Weder Geld noch Nahrung waren vorhanden. Die Folge: Hunger und Armut. Frauen suchen immer wieder Auswege: sie schuften als Bäuerinnen auf dem Lande, als sozial unabgesicherte Niedriglohnarbeiterinnen in den Freien Produktionszonen der Entwicklungsländer. Sie sind den Launen der Polizei ausgesetzt, wenn sie als Händlerinnen in den Städten Waren ohne Genehmigung verkaufen. Sie werden ausgebeutet als Hausgehilfinnen mit 15-Stunden-Tag. Sie tragen ihre Haut zu Markte als Prostituierte in Entwicklungsländern und in Europa, als gekaufte Ehefrauen von Europäern. Die hohe Verschuldung der Entwicklungsländer wirkt sich zusätzlich negativ aus. Frauen tragen die Verantwortung für die Familie und ihre Versorgung. Weltbank und Internationaler Währungsfonds nehmen Entwicklungsländer in den Würgegriff und verlangen ihnen Sparmaßnahmen ab, wenn sie ihnen Kreditwürdigkeit bescheinigen. Die Streichung der Subventionen für Brot und Bohnen, Mais und Reis, Strom, Gesundheit oder Bildung trifft immer die Frauen am härtesten; denn sie bezahlen mit weiterer Ausbeutung ihrer Person. Seit die Weltbank und die internationalen Entwicklungsagenturen fristgerecht zum Ende des UNO-Frauenjahrzehnts die Frau als Schlüssel zur Lösung der Probleme Überbevölkerung und Hunger entdeckten, gibt es eine neue Gefahr. Frauen sollen in die Entwicklungsprozesse ihrer Länder integriert werden. Da sich alle Entwicklungen an westlichen oder östlichen Entwicklungsmodellen orientieren, spitzen sich die Benachteiligungen der Frauen zu: zu ihrer Benachteiligung durch die fehlende Teilhabe an Entwicklung kommt die Benachteiligung als Frau in einem Industrialisierungsprozeß hinzu. Die Frau verliert ihre Rolle als Versorgerin. Sie kann sie nicht oder nur schlecht erfüllen. Sie verliert ihre sozialen und kulturellen Traditionen, weil sie sich auf neue Entwicklungswerte einläßt, ohne darauf vorbereitet zu sein oder ihre Auswirkungen zu kennen. Oft können Frauen sich gegen diese Integration nicht wehren, weil sie die einzige Chance für sie ist, den Teufelskreis von Unwissenheit, Hunger und Armut zu durchbrechen. Es gibt aber auch Frauen, die mutig genug sind, einen eigenen Entwicklungsweg zu versuchen. Sie gründen Selbsthilfeorganisationen oder Frauengruppen. Hier planen sie Projekte wie z. B. eine Schweine- oder Hühnerzucht, ein Bewässerungsprojekt und Gemüseanbau, Kunsthandwerk, Nähwerkstätten oder Lederverarbeitung. Sie planen und diskutieren, sie fangen an. Sie glauben an das, was sie tun. Diese Frauen und Frauengruppen sind es, mit denen wir Projekte machen müssen. Den Frauen fehlt es an Geld und an Ausbildung, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Wir müssen versuchen, durch Förderung dieser Projekte einen Beitrag zur Armutsüberwindung zu leisten und die Frauen zu unterstützen, auf einem von ihnen selbst gewählten Weg dieses Ziel zu erreichen. Dabei kann sich nur marginal etwas für die Frauen verändern, weil Welthandel und Weltwirtschaft die Situation der Frauen bestimmen. Was nützt ein Ausbildungsprogramm für Sekretärinnen, wenn die öffentliche Verwaltung keine Frauen einstellen kann? Was nützt ein Ausbildungsprojekt im Gemüseanbau, wenn die importierten Produkte billiger sind? Was nützt ein Nähprojekt, wenn doch Kleidung aus den Kleidersammlungen in Europa auf dem Markt billiger zu erwerben ist? Aber das Selbstwertgefühl, die Rolle und das Verhältnis von Männern und Frauen verändern sich durch die Frauenprojekte. Sie ermutigen Frauen, ihre Probleme als gesellschaftliche und nicht individuelle Fragen zu begreifen und ihren Anteil an Entwicklung zu hinterfragen. Und: die Frauen wollen Hilfe, weil sie überleben und besser leben wollen. Trotz aller Unterschiede in Kultur, Tradition und Wirtschaft teilen Mädchen aus allen Entwicklungsländern ein Schicksal: sie haben weniger Bildung und Ausbildung als Jungen. Und zwischen Analphabetentum und Armut besteht ein Zusammenhang. Unser Antrag will aber über die Förderung von Frauenprojekten hinausgehen. Wir wollen die Rahmenbedingungen ändern, um nachhaltige Wirkung für Frauen zu erzielen. Frauen und Entwicklung heißt: Die Frauen haben das Recht, den Entwicklungsprozeß ihre Landes mitzubestimmen und an der Entwicklung des Landes teilzuhaben, weil sie die gleichen Rechte wie die Männer haben. Dieser Anspruch ergibt sich nicht nur aus der UNO-Charta, sondern auch aus der Mehrzahl der Verfassungen der Länder. Dieser Anspruch verpflichtet uns, weil auch die Bundesrepublik Deutschland von der Gleichberechtigung der Frau ausgeht. Die Interessen und Bedürfnisse der Frauen sind in die Planung und Entscheidungsprozesse über Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen. Frauen sind nicht integrationsbedürftige Objekte zur Produktivitätssteigerung und Steuerung der Familienplanung, sondern als handelnde Subjekte zu betrachten. Strukturverbesserung der Gesellschaft müssen im Mittelpunkt von Entscheidungen stehen. Daher müssen alle Maßnahmen dahin gehend überprüft werden, inwieweit sie die Interessen und Bedürfnisse von Frauen beeinflussen und inwieweit sie positiv zu Strukturveränderungen beitragen, diese möglich machen oder Vorschläge von Frauen einbeziehen. Im Politikdialog kann sicher nur etwas durch die Demonstration unseres ernsthaften Bemühens erreicht werden. Außerdem wird eine weitere Vernetzung im nationalen und internationalen Bereich Resultate bringen. Es ist unsere gemeinsame Welt, in der wir leben und das Überleben gewährleisten müssen. Fangen wir an, den Frauen in den Entwicklungsländern ihr Überleben durch unsere Beiträge zu erleichtern. Ich bitte Sie, der vorliegenden Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuzustimmen. Frau Männle (CDU/CSU): Frau sein in der Dritten Welt heißt: mehr arbeiten, aber weniger gelten als ein Mann, weniger verdienen, weniger essen, weniger Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 11179* lernen, weniger politisch mitbestimmen. Als der kenianische Präsident Arap Moi 1985 bei der Weltfrauenkonferenz zum Abschluß der Dekade der Frau der Vereinten Nationen im großen Konferenzzentrum von Nairobi vor rund 2 000 Delegierten aus aller Welt seine Begrüßungsansprache hielt, bezeichnete er — in treffenden Worten das Wesentliche zusammenfassend — die Frauen als das „Rückgrat der Gesellschaft" . Sicherlich meinte er in erster Linie die Frauen der Dritten Welt, aber wohl nicht nur sie. Ich frage mich: Waren Männer in diesem Bild als Kopf mitgedacht, der obenauf sitzt? Ein Rückgrat hält viel aus. Es ist fähig, Lasten zu tragen — so wie es z. B. die Frauen in der Dritten Welt Tag für Tag tun. Da werden Brennholz und Wasser zum Kochen oft kilometerweit herangeschleppt, Steine für ein Projekt herbeigeschafft, fast immer zusätzlich ein Kind auf dem Rücken, unter der sengenden Sonne, im Gedanken an die auch noch zu verrichtende Haus- und Feldarbeit oder den zu betreibenden Handel. Frauen — so stellte eine Studie der Vereinten Nationen fest — leisten — bezahlt, unterbezahlt oder unbezahlt — weltweit zwei Drittel aller Arbeitsstunden. Sie erbringen in den Entwicklungsländern beispielsweise drei Viertel aller Arbeitsleistungen auf dem Land. Sie spielen eine Schlüsselrolle in der Energie- und Wasserversorgung, in Hauswirtschaft, Ernährung, Gesundheit, Kindererziehung — zum Teil auch in Handwerk, Handel und moderner Industrieproduktion. Frauen leben jedoch häufig unter Bedingungen, die zu Benachteiligungen und Belastungen führen, welche ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben besonders erschweren. Denken wir hier nur beispielsweise an die schwierigen Lebensbedingungen sehr vieler Frauen in Indien. Mit Kolleginnen aller Fraktionen habe ich dort unlängst Frauenprojekte besucht. Angesichts des überaus harten Überlebenskampfes war ich fasziniert von der Kraft, die von den Frauen ausgeht, von ihrem erfolgreichen Bemühen, den Widerständen zu trotzen und die Schwierigkeiten zu besiegen. Sei es als Müllsammlerin oder als Lastenträgerin, hier wie auch in anderen Teilen der Dritten Welt zeigen Frauen, daß sie in der Lage sind, eine „Kultur des Überlebens" aus eigener Anstrengung aufzubauen. Frauen sind — allerdings nicht nur in der Dritten Welt — die einzige Mehrheit mit Minderheitenstatus hinsichtlich wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Mitsprache. Durch die Dekade der Frau der Vereinten Nationen ist jedoch so viel in Bewegung geraten, daß sich eine Entwicklung in Richtung auf ein selbstbestimmtes Leben für Frauen nicht mehr verhindern läßt. Sie kann verlangsamt oder beschleunigt, aber nicht mehr aufgehalten werden. Allen dürfte inzwischen einsichtig geworden sein, daß sich die Wirksamkeit der von uns und anderen geleisteten Entwicklungshilfe erhöht, wenn Frauen — Trägerinnen von Entwicklung — gezielt in den Entwicklungsprozeß einbezogen werden, wenn man sie an Entscheidungen bezüglich der Planung und Durchführung von Projekten beteiligt. Darüber hinaus — dies ist mir wichtig — hat Frauenförderung noch eine andere Dimension. Frauen haben einen Anspruch auf Förderung aus eigenem Recht. Auch Frauen müssen die Möglichkeit haben, in Staat und Gesellschaft, in der Wirtschaft und im Bildungswesen den ihnen zustehenden Platz einzunehmen. Eine Lesart, die Menschenrechte mit Männerrechten gleichsetzt, ist falsch und gefährlich. „Ich bin eher eine Frau der Tat als der Worte. " So stellte sich im vergangenen Jahr eine Frau aus der Dritten Welt bei einer öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestages vor. Meine Damen und Herren, auch bei uns kommt es darauf an, Tatkraft zu beweisen, politischen Willen gezielt in politisches Handeln umzusetzen — und zwar in der Unterstützung dieser Frauen. Im Rahmen der Förderung von Frauen in der Dritten Welt sind einige Schritte in die richtige Richtung bereits gegangen worden. Diese will ich hier ausdrücklich begrüßen, so vor allem die Schaffung des mit Frauenfragen befaßten Referates im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das auf unser wiederholtes Anmahnen hin inzwischen von einer Frau geleitet wird, und so die vor genau einem Jahr erfolgte Vorlage des umfassenden Konzeptes für die Förderung von Frauen in den Entwicklungsländern. Der jetzt hier zur Debatte stehende Antrag „Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit" enthält weitere darüber hinausgehende, wichtige Forderungen: Durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sollen Forschungs- und Evaluierungsaufträge über kurz- und langfristige Auswirkungen von Entwicklungsprojekten auf die Lebenssituationen von Frauen vergeben werden; es sollen Fortbildungskurse durchgeführt werden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums und der Entwicklungshilfeorganisationen, die für die besonderen Probleme von Frauen in der Dritten Welt sensibilisieren; statistisches Material zur sozio-ökonomischen Situation der Frau in den Entwicklungsländern soll gesammelt bzw. ergänzt und genutzt werden; Frauenförderung soll in der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums stärkere Berücksichtigung finden; der Erfahrungsaustausch mit Nicht-Regierungsorganisationen soll verstärkt gesucht werden; Frauenförderung soll zum Gegenstand des internationalen Politikdialogs werden; bis Ende 1989 ist dem Deutschen Bundestag seitens des Ministeriums über die Umsetzung der Ziele im Bereich der Frauenförderung in der Dritten Welt Bericht zu erstatten. Daß wir uns innerhalb der Fraktionen der CDU/ CSU, der FDP und der SPD auf einen gemeinsamen Antrag einigen konnten, halte ich für einen großartigen Erfolg. Unsere Solidarität in der Dritte-Welt-Frauenförderungspolitik ist Zeichen für eine neue Art der Nord-Süd-Politikgestaltung: Kooperation statt Konfrontation, Solidarität statt Fraktionierung. Die ausscherenden GRÜNEN sollten unserem Antrag ruhig zustimmen. Meine Damen und Herren, das Rückgrat der Frauen der Dritten Welt ist gebeugt. Ungebeugt aber ist ihre Überlebensenergie, unvermindert ihre Fähigkeit, auch für andere Überleben zu sichern. In der von Katastrophenmeldungen gebeutelten entwicklungs- 11180* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 politischen Landschaft gibt es einen Lichtstreif: Das Rückgrat der Frauen trägt zugleich mit all der Last die Hoffnung auf ein zukünftig menschenwürdiges Leben für alle. Fördern wir Frauen über schöne Worte hinaus — aus eigenem Recht und zum Wohl der einen Welt. Frau Eid (GRÜNE):: Die vorliegenden Anträge sind die Konsequenz aus einer Negativbilanz der bisherigen entwicklungspolitischen Frauenförderung. Seit 1978, als im BMZ unter Ministerin Schlei ein Grundsatzpapier zur Frauenförderung verfaßt und eine halbe Stelle dafür eingerichtet worden war, ist nicht viel geschehen und allzuoft das Falsche. Die einen, stellvertretend sei die Weltbank genannt, sahen Frauen als „untergenutzte Ressource" an. Es galt, sie stärker und effektiver durch ihre Einbindung in die Geld- und Marktwirtschaft für die von außen bestimmten Entwicklungsziele einzusetzen. Auf der anderen Seite stehen, wie Christa Wichterich formuliert, die „nicht-staatlichen Frauenfreunde". Diese wollten mit ihren Maßnahmen die Frauen in der Dritten Welt zu Nutznießerinnen der Entwicklung machen mit dem Ziel von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Ihnen allen ist gemeinsam eine gehörige Portion paternalistischer Überheblichkeit — und mit selbstkritischem Blick auf meine eigene Partei füge ich hinzu: auch eine kleine Portion maternalistischer Überheblichkeit. Alle glaubten zu wissen, was für die Frauen in der Dritten Welt gut ist. Sie setzten ihre Hoffnung auf die Beseitigung der Benachteiligung der Frauen durch Förderpläne, die die Integration der Frauen in den Entwicklungsprozeß sicherstellen sollten. Schon die bisherigen bescheidenen Ansätze der Frauenförderung deckten gravierende Fehler auf und führten u. a. zu folgenden Erkenntnissen: Erstens. Es gibt keine allgemein gültigen Modelle zur Frauenförderung, ebenso wenig, wie es den Königinnenweg der Frauenbefreiung gibt. Traditionen, soziokulturelle und ökonomische Bedingungen sind so unterschiedlich, daß Fördermaßnahmen für eine moslemische Frau im Jemen nicht automatisch richtig sind für eine Bäuerin in Haiti. Zweitens. Es wurde deutlich, daß Frauenförderung keine wirksame Maßnahme gegen Verarmung von Frauen, Entwertung ihrer Leistungen im Subsistenzbereich und Verlust ihrer traditionellen Rechte und sozialen Anerkennung ist. Dies alles sind Auswirkungen einer wachstumsund exportorientierten Entwicklungsstrategie, die die meisten Länder der Dritten Welt in den Weltmarkt einbinden. Diese Strategie schadet den Frauen und der Masse der Armen. Frauenförderung kann ihr nicht entgegenwirken. Drittens. Förderprojekte für Frauen eröffnen zwar den Betroffenen neue Lebenschancen und Handlungsspielräume. Sie haben sich jedoch insgesamt bisher als Bluff erwiesen, denn Frauen blieben von politischen und ökonomischen Schlüsselpositionen weitgehend ausgeschlossen. Die traditionelle Geschlechterhierarchie wurde nicht gestört, sondern lediglich modernisiert. Frauenprojekte können angesichts der strukturellen Benachteiligung von Frauen wenig ausrichten, zumal implizite Annahmen über die Rolle der Frau, die oft der Entwicklungszusammenarbeit zugrunde liegen, selbst zu einer Verfestigung dieser strukturellen Benachteiligung beitragen. Was für Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Klar ist — das hat Gudrun Lachenmann in ihrer kürzlich vom DIE veröffentlichten Studie herausgearbeitet —, daß Frauen der Zugang zu produktiven Ressourcen, zu Organisationsmöglichkeiten, zu Informationsnetzen und zu eigener entwicklungspolitischer Gestaltungsmacht geöffnet werden muß. Ich möchte anhand von einigen Beispielen verdeutlichen, was ich damit meine: Erstens. Zugang zu Wissen. Wissen und Information sind eine wichtige Ressource, die vielen Frauen vorenthalten wird. Allgemeines Wissen, aber auch Wissen über Frauen muß angemessen aufbereitet und für Frauen zugänglich sein. Zweitens. Zugang zur Technologie. Die Erfahrungen, speziell in Afrika, zeigen, daß Zuständigkeitsbereiche und in der Folge auch Einkommensbereiche oft von Männern übernommen werden, sobald Technologien eingeführt werden. Diesem Mechanismus ist entgegenzuwirken, indem die neuen Technologien in die Lebensorganisation der Frauen eingegliedert werden. Denkbar wäre z. B., wie Gudrun Lachenmann anhand des Netzwerkes „Development Alternatives with Women for a New Era" vorschlägt die Förderung von Frauentechnologiezentren zur „Entwicklung, Umsetzung und Verbreitung von technisch angepaßter, ökologisch sinnvoller und gesellschaftlich angemessener Technologie vor allem für die Frauenarbeitsbereiche des täglichen Bedarfs". Drittens. Zugang zu Organisationsmöglichkeiten. Viele Frauen haben erkannt, daß es für ihre Zukunft nicht ausreicht, bei fremdbestimmten, in der Regel von Männern dominierten Entwicklungsprogrammen „berücksichtigt" zu werden oder „partizipieren" zu dürfen. Sie haben sich vielerorts an der Basis organisiert; denn sie haben erkannt, daß eine Verbreiterung zu einer sozialen Bewegung die Voraussetzung ist für Teilhabe an gesellschaftlicher Macht und für den Zugewinn an Entscheidungs- und Kontrollbefugnissen. Christa Wichterich zitiert Frauen aus der Dritten Welt. Sie fordern: „Zukünftig eine verstärkte Förderung des Aufbaus von Frauenorganisationen und der Widerstandskämpfe gegen ökonomische, politische und patriarchale Unterdrückung — ohne ihnen das Konzept aus der Hand zu nehmen. " Das heißt — ich zitiere weiter — „Die Frauen als Subjekte mit eigenen Interessen, Vorstellungen und Träumen, die keineswegs mit denen der Männer übereinstimmen, ernst zu nehmen, damit sie Selbstbestimmungsrechte über ihr Leben und ihre Zukunft gewinnen können. " Zum Schluß ein paar Worte zu den Anträgen: Die Tatsache, daß wir GRÜNEN auch nach der Beratung im Ausschuß unseren eigenen Antrag aufrechterhielten, bedeutet nicht, daß ich meine, er sei um vieles besser als der gemeinsame Antrag von CDU/CSU, FDP und SPD. Einige Forderungen sind aus unserem Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 11181* Antrag ja auch übernommen worden. Der Antrag in der Beschlußempfehlung trifft jedoch hauptsächlich im Teil I einige Feststellungen, denen wir nicht zustimmen können. Ich schlage deshalb meiner Fraktion vor, sich zu enthalten. Frau Walz (FDP): Simone de Beauvoir hat vor Jahrzehnten visionär über das „Andere Geschlecht" geschrieben. Sie hat von einer besseren und schöneren, von einer gerechteren Welt geredet und geträumt, in der die Frauen kraft ihres Andersseins den Mut haben werden, das Schicksal einer solchen Welt mitzubestimmen. Anders als diese Hohepriesterin der Emanzipation gedacht hat, entscheiden heute die Frauen die Zukunft unseres Globus. Sie entscheiden darüber, ob das Bevölkerungswachstum gestoppt werden kann. Sie werden mit ihrer Fruchtbarkeit darüber bestimmen, ob wir in 30 bis 40 Jahren 8,5 oder sogar 14 Milliarden Menschen ernähren müssen. Zum Vergleich: heute 5,2 Milliarden, zu denen jährlich 90 Millionen bis zur Jahrhundertwende kommen werden. Es gehört tatsächlich nicht viel Phantasie dazu, um sich die Folgen für uns alle auszumalen. Nur, uns allen geht zuvor ein Schauer über den Rücken — manche meinen sogar, wir könnten auch dieses Problem wissenschaftsgläubig lösen —, aber dabei bleibt es. Meine Damen und Herren, Fruchtbarkeit wird zum Fluch, Mutter Erde verschlingt ihre Kinder; sie läßt sie verhungern. 8,5 oder 14 Milliarden Menschen wollen ernährt sein. Doch heute schon entziehen wir den Menschen ihre Ernährungs- und damit ihre Lebensgrundlage durch Raffgier und verantwortungsloses Handeln. Die tropischen Regenwälder werden vernichtet, der Akkerboden durch Wind und Wasser zerstört. Die Wüsten breiten sich aus, und durch Versalzen und Versumpfen, durch Pestizide und Fungizide vergiften und reduzieren Menschen Anbauflächen und damit Lebensmöglichkeiten. Am meisten davon betroffen sind die Ärmsten der Armen, sind die Frauen. In den ländlichen Gebieten wird ihnen die Existenzgrundlage entzogen, und sie werden gezwungen, ihre ausgelaugten, zerstörten Böden zu verlassen und in die Städte zu ziehen. Die Urbanisierung mit ihren katastrophalen Auswirkungen ist in vollem Gange. Die Situation der Frauen verbessert sich dadurch nicht, sie sind in einer ihnen entfremdeten Welt durch Analphabetentum und schlechte Ausbildung häufig einem unvorstellbaren Elend und Erniedrigung ausgeliefert. Frauen in ihrer traditionellen Rolle kochen für ihre Familien, sie bestellen das Land, und als Händlerinnen kämpfen und feilschen sie um das tägliche Brot. In vielen Ländern sichern sie und nicht die Männer die Existenz der Familie. Sie bestimmen über das Wohlergehen ihrer Kinder und entscheiden damit über die Zukunft und den Fortschritt eines ganzen Landes. Es sind also Frauen, die darüber bestimmen, ob die Politik ihrer Länder, ob unsere Hilfen erfolgreich sind, ob sie die Grundbedürfnisse der Menschen und Sehnsüchte der Menschen jenseits von Hunger und Not zu leben, erfüllen. Frauen sind es, die durch die Zerstörung ihrer natürlichen Umwelt gezwungen werden, ihre eigene Umwelt weiter zu zerstören. Brennstoffknappheit bringt sie dazu, auch noch den letzten Strauch, den letzten Baum abzuholzen. Viele gut gemeinte Projekte — auch deutscher Entwicklungshilfe — sind so buchstäblich als Rauch und Asche übrig geblieben. Durch Brennstoffknappheit sind Frauen gezwungen, Dung zu verbrennen, den sie als Düngemittel zur Erzeugung von Frucht dringend brauchen. Welch ein verhängnisvoller Kreislauf! Dies alles wissen wir inzwischen, doch Frauen in den Entwicklungshilfeprogrammen erfordern eine neue Kategorie des Nachdenkens. Manchmal hat es jedoch den Anschein, als weigerte sich die andere Hälfte der Welt, die männliche, die westliche, diesen simplen Zusammenhängen zu folgen. Und auch wir, die reichen Schwestern, reden über unsere armen Schwestern in der Dritten Welt, als seien wir Angehörige der Heilsarmee, die mit frommen Gesängen und klingendem Spiel um einen Beitrag für die warmen Suppen der Armen bitten. Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist das Erkennen von Zusammenhängen, was wir brauchen, ist ein Umdenken in unseren Absichten zur Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft und zur Erhaltung der Schöpfung. Was wir deshalb nötig haben, ist das Erkennen: Frauen nehmen in dieser Welt eine wichtige Schlüsselrolle ein. Wir müssen erkennen, daß Frauen in vielen Ländern der Dritten Welt vorenthalten wird, was für uns selbstverständlich ist: Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, gleichberechtigtes Mitwirken an der Zukunft ihrer Länder. Wie sehr wir diese Prinzipien verletzen, zeigen unsere eigenen Entwicklungshilfeprogramme. Auch wir müssen lernen, die Frauen stärker bei der Formulierung unserer Absichten miteinzubeziehen. Für uns muß es selbstverständlich sein, Programme auf ihre nachteiligen Folgen für die Frauen zu untersuchen. Unsere Programme müssen sich in vielen Bereichen direkt an der Lebenswirklichkeit von Frauen orientieren, und sie müssen sensibel genug die kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Gegebenheiten von Frauen beachten. Unter anderem muß es darum gehen: Erstens. Unsere Bildungsprogramme müssen sich stärker an Frauen richten, sie einbeziehen. Zweitens. Familienplanungsprogramme allein helfen nicht, wir müssen den Ländern, die dazu in der Lage sind, beim Aufbau von sozialen Sicherungssystemen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der unheilvolle Gleichklang Kinderzahl — soziale Sicherung muß aufgelöst werden. Drittens. Entscheidend wird in Zukunft für die Frauen der Dritten Welt die Gewährung von Existenzgründungs- und Sicherungsdarlehen sein, wobei wir auch hier hilfreich bei der Unterstützung neuer Formen des Spar- und Kreditwesens sein können. Viertens. Eine besondere Aufgabe kommt den Industrieländern mit ihrer hochentwickelten Forschung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien zu. In den Ländern der Dritten Welt werden vor allem die Frauen und die Umwelt davon profitieren, wie schnell und wie preiswert diese Techniken eingesetzt werden können. 11182* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 Meine Damen und Herren, wir stehen am Anfang von Überlegungen, die dem anderen Geschlecht gelten und von deren offener und vorurteilsfreier Beurteilung auch unsere Chancen des Überlebens abhängen. Machen wir uns im Dialog mit den Entwicklungsländern zu den Fürsprechern der Frauen und ihrer Bedürfnisse! Repnik, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Frauen stellen die Hälfte der Weltbevölkerung. Sie leisten fast zwei Drittel aller Arbeit. Aber: Sie erhalten nur ein Zehntel des Welteinkommens, und sie besitzen weniger als ein Hundertstel des Weltvermögens. Der Beschlußempfehlung zur stärkeren Berücksichtigung der Frauen im Entwicklungsprozeß liegt einerseits ein breiter Konsens im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit — quer durch die Fraktionen — zugrunde; andererseits freut es mich, daß diese Beschlußempfehlung mit dem BMZ-eigenen Frauenkonzept vom Mai 1988 inhaltlich weitgehend übereinstimmt. Dies reicht von der „großen Linie" bis hin zu einzelnen Empfehlungen in dem Antrag des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Schade, daß sich die Fraktion der GRÜNEN der Ausschußempfehlung des AWZ nicht angeschlossen hat. Frauen nehmen in vielen Entwicklungsländern eine Schlüsselrolle ein, sie ziehen nicht nur Kinder auf. Häufig tragen sie die Hauptverantwortung für den Lebensunterhalt der ganzen Familie. Aber auch im Wirtschaftsleben, vor allem in der Landwirtschaft und im informellen Sektor der Städte, stehen Frauen oft im Zentrum. In Afrika und Asien produzieren Frauen 60 bis 80 % der Nahrungsmittel, in Lateinamerika erreicht ihr Produktionsanteil etwa 40 %. Diese Schlüsselfunktionen können aber vielfach nicht angemessen wahrgenommen werden, weil körperliche und psychische Belastung, häufige Geburten, Haus- und Feldarbeit, unzureichende Wasser- und Energieversorgung, Mängel in den Hygiene- und Wohnverhältnissen die Frauen bis zur Grenze körperlich und psychisch belasten. Damit nicht genug: Neben außerordentlichen Belastungen sind Frauen auch häufig groben Benachteiligungen ausgesetzt, die von ungleicher Behandlung vor Recht und Gesetz bis hin zu beschränktem Zugang zu Land, Kredit und Ausbildungsmöglichkeiten reichen. Auch in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit wurde der fundamentale Beitrag von Frauen zur Entwicklung lange Zeit nicht angemessen berücksichtigt. Dem Rechnung tragend, hat das BMZ ein Konzept erstellt und ein Frauenreferat gegründet. Auch damit soll sichergestellt werden, daß die Interessen der Frauen in allen Projekten und Programmen der deutschen Entwicklungshilfe angemessen berücksichtigt werden. Hauptziel hierbei ist ein gezielter Beitrag, der die besonderen Belastungen und Benachteiligungen von Frauen berücksichtigt und ihnen entgegenwirkt. So grundlegend wichtig Frauenförderung im sozialen und familiären Bereich ist, auch ihre Stellung in der Produktion, im Dienstleistungsgewerbe und im Handel muß gestärkt werden. Sie haben aber nur dann eine wirkliche Chance, eigenes Einkommen zu erwirtschaften, wenn sie, wie Männer, freien Zugang zu Produktionsfaktoren oder Aus- und Fortbildung haben. Dies soll erreicht werden, indem bereits bei der Planung unserer Projekte die Nöte und Interessen — und Potentiale — von Frauen berücksichtigt werden. Dabei ist es selbstverständlich, daß wir Frauenförderung als Querschnittsaufgabe verstehen für alle unsere Maßnahmen. Das heißt, daß wir grundsätzlich prüfen und berücksichtigen müssen, wie ein Vorhaben auf die spezifische Situation der Frauen wirkt, wo wir mit Veränderungen zu rechnen haben, ob diese erwünscht bzw. wie diese vermeidbar sind. Entscheidungssicherheit hierbei gewinnen wir durch ein größtmögliches Maß an Beteiligung der betroffenen Frauengruppen. Hierzu müssen wir das Vertrauen der Frauen gewinnen. In Situationen, in denen besondere Härten auf ihnen lasten, sind frauenspezifische Projekte angebracht. Frauen müssen in die Lage versetzt werden, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen nach eigenen Vorstellungen selbst zu verbessern. Wir wollen dazu beitragen, daß Frauen lernen, selbst zu organisieren, sich selbst zu helfen. Ich bin mir bewußt, daß der Handlungsspielraum zur Frauenförderung durch soziale, kulturelle und politische Rahmenbedingungen in den einzelnen Entwicklungsländern äußerst begrenzt ist. Wir müssen mit teilweise engagierten Widerständen rechnen. Darum sind schnelle Erfolgserwartungen unangebracht. Was mein Haus betrifft, haben wir damit begonnen, in einer Reihe von internen Fortbildungsveranstaltungen die Integration der Frauen in unsere Maßnahmen systematisch umzusetzen. Gleiche Anstrengungen werden bei unseren Durchführungsorganisationen gemacht: Gutachterrichtlinien, Projektfortschrittsberichte und Prüfungsleitfäden orientieren sich zunehmend an den spezifischen Bedürfnissen der Frauen. Nur wenn Frauen als eigene Zielgruppe bei Sektor- und Länderkonzepten bei Planung, Durchführung und Überprüfung unserer Maßnahmen volle Berücksichtigung erfahren, anerkennen wir die tiefgreifende Interdependenz von Entwicklungserfolgen und dem Beitrag, den gerade Frauen hierbei zu leisten vermögen. Die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit ist dann optimiert, wenn die Partnerschaft von Entwicklungsländern und Industrieländern durch einen offenen, intensiven Dialog um zentrale Fragen praktiziert wird. Dazu gehört untrennbar die Rolle der Frauen. Wir wollen nicht darüber hinweg reden — konsequentes Handeln ist angesagt. Wir haben die ersten Schritte getan. Frau Niehuis (SPD): Es sieht ganz so aus, als ob wir gleich mit großer Mehrheit einen Antrag zur Förderung von Frauen in Entwicklungsländern verabschieden werden. Dies ist für die Entwicklungspolitik sicherlich von großer Bedeutung. So wichtig und längst überfällig dieser Antrag auch ist, so wenig sollten wir enthusiastische Erwartungen an ihn stellen. Wenn man nach den verbalen Bekundungen ginge, so müßten wir heute schon viel weiter sein. Schon 1978 gab es ein Grundsatzpapier „Förderung der Frau in den Entwicklungsländern" , 1982 die von allen Parteien getragene Entschließung des Deutschen Bun- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Juni 1989 11183* destages, 1983 „Leitlinien der OECD" zu dieser Frage, 1984 ein Informationsvermerk des BMZ zu „Frauenprojekten in der Entwicklungszusammenarbeit", 1985 die dritte Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen usw. Auch in der ersten Lesung dieses Antrags hier im Plenum erweckten die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien den Eindruck, als sei die Regierung seit langem schon auf dem richtigen Weg. All dieses ist es, was mich skeptisch macht. Seit mindestens 11 Jahren bekundet die bundesrepublikanische Entwicklungspolitik die Bedeutung der Frauen im Entwicklungsprozeß. 11 Jahre, so meine ich, ist eine Zeitspanne, in der man schon konkrete Erfolge erwarten könnte. Als ein Erfolg wird das Mitte des Jahres 1988 im Zuge der Beratung des anstehenden Antrags vom BMZ herausgegebene „Konzept für die Förderung von Frauen in Entwicklungsländern" gelobt. Doch ein erneutes Papier ist noch nicht die Realisierung vorheriger Papiere. Hier brauchen wir konkrete Taten. Diese allerdings sind bis heute trotz aller verbalen Bekundungen nicht sichtbar, im Gegenteil. Um die Wirklichkeit bundesdeutscher Entwicklungshilfepolitik zu erfahren, braucht man nur in die vom BMZ herausgegebenen Evaluierungsberichte zu sehen. Seit 1976 wird im BMZ versucht, Projekte, wenn auch nur wenige, einer Erfolgskontrolle zu unterziehen. Bis einschließlich 1985 spielte die Frage, welche Auswirkungen bundesrepublikanische Entwicklungspolitik auf die Situation von Frauen in den Entwicklungsländern hat, keine Rolle. Erstmalig 1986 werden die Projektwirkungen auf die Situation der Frauen bewertet. Da Evaluierungskriterien sinnvollerweise mit Planungskriterien korrespondieren müssen, ist aus diesem Defizit zu schließen, daß die Berücksichtigung von Frauen auch in der Planung des BMZ zu diesem Zeitpunkt keine Rolle spielte. Dieses wird überdeutlich in der vom BMZ herausgegebenen Querschnittsanalyse mit dem Thema: „Auswirkungen von Projekten der Ländlichen Regionalentwicklung auf die Lebenssituation von Frauen". Das Ergebnis dieser Auswertungen des Zeitraumes 1985 bis 1987 ist: Entweder werden die Projektwirkungen auf die Frauen gänzlich ignoriert, oder der tatsächliche Nutzen frauenfördernder Maßnahmen bleibt hinter den Zielvorgaben zurück, oder gute Ansätze werden durch unzureichende Daten, konzeptionelle Mängel, wenig erprobte Förderinstrumente und Vorbehalte auf beiden Seiten beeinträchtigt. Gleiches sagt auch die 1988 veröffentlichte Querschnittsauswertung des BMZ über Projekte des Jahres 1986. Die nicht vorhandene Berücksichtigung der Frauen ist eine der gravierendsten Schwachstellen unserer Entwicklungspolitik. Mehrfach haben wir heute gehört, welche Schlüsselrolle die Frau in den Entwicklungsländern, speziell in der ländlichen Entwicklung, in der Bevölkerungsentwicklung, in der Armutsbekämpfung, in der Subsistenzwirtschaft usw. spielt. Im Weltbevölkerungsbericht 1989 wird dieses z. B. noch einmal ganz eindringlich betont. Und wir alle kennen doch das afrikanische Sprichwort: „Hilfst Du einem Mann, so nützt es einer Person. Hilfst Du einer Frau, nützt es der ganzen Familie. " Wieso frage ich mich allen Ernstes, ist es eigentlich möglich, daß es jahrzehntelang nicht aufgefallen ist, daß unsere Entwicklungspolitik nicht effektiv genug ist, ja sogar schädlich sein konnte, weil man schlichtweg die Frauen vergessen hat? Bis heute wäre die geringe Effektivität unserer Entwicklungsmaßnahmen nicht aufgefallen, wenn nicht die weltweite Frauenbewegung den Blick für die wahre Situation der Frauen und ihre Fähigkeiten geschärft hätte. Sicherlich liegt eine Ursache in der männlichen Alleinherrschaft in allen Planungs- und Durchführungsgremien, wodurch das Optimum menschlicher Leistungsfähigkeit auf männliche Leistungsfähigkeit reduziert blieb. Aber eine Ursache ist auch das technokratische Denken in der Entwicklungspolitik, ein Denken, das zwar den reibungslosen Ablauf von Projekten untersucht, aber nicht deren Nachhaltigkeit. Denn die Nachhaltigkeit ist es, die die Projekte weiterleben läßt, auch wenn die Entwicklungshelferinnen und -helfer das Land verlassen haben. Mein Appell an uns ist: Lassen Sie uns die Forderungen dieses Antrags durchsetzen, überprüfen wir deren Einhaltung, aber überprüfen wir auch die Nachhaltigkeit unserer Projekte, aller Projekte! Erst dann werden die Leistungen der Frauen für alle sichtbar werden.
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    Rede von Theo Magin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Teubner, Sie haben soeben die Geschichte der Gesetzentwürfe dargestellt. Aber zu den vielfältigen Problemen der Raumordnung haben Sie kaum etwas gesagt.

    (Frau Teubner [GRÜNE]: Das habe ich bei der ersten Lesung, bei der Einbringung gesagt! Das heute war die zweite Debatte! — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Sie war wenigstens jemand, der eine interessante Rede halt!)

    Wir sollten erkennen — das gilt für uns alle — , daß von der Vorlage eines Regierungsentwurfs bis zur Verabschiedung eines Gesetzentwurfs ein Prozeß abläuft und daß wir viele dazu anhören müssen, auch die Akademie für Raumordnung und Landesplanung. Sie hat uns in der Diskussion auf sehr vieles gebracht. Aber man darf doch nicht in einer Art Rechthaberei — so möchte ich beinahe sagen — oder mit einem elitären Anspruch sagen: Mein Gesetz muß durch; ich bin gar nicht erst zu einer Diskussion bereit.
    Dieser Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden, ist das Ergebnis einer sehr fruchtbaren Diskussion. Es gab nur wenige Unterschiede. Was die Unterschiede betrifft, die Sie deutlich gemacht haben, vor allem bezüglich der Landesverteidigung, so hätte außer der Fraktion DIE GRÜNEN wohl niemand zustimmen können.

    (Frau Teubner [GRÜNE]: Das ist leider so!)

    Das ist eine absolute Außenseiterrolle, die sich in diesem Parlament nur wenige zu eigen machen.

    (Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Lassen Sie mich einige grundsätzliche Anmerkungen zur Bedeutung der Raumordnungspolitik machen.
    Die Leitvorstellung, gleichwertige Lebensbedingungen für die Menschen in allen Teilräumen zu gewährleisten, die künftig ausdrücklich in diesem Gesetz genannt sein wird, kennzeichnet, wir wir meinen, eine der zentralen politischen Aufgaben, um unser ganzes Land lebenswert zu erhalten und um sozialen Frieden und Fortschritt zu vereinen.
    Wir haben Probleme. Das wissen wir sehr wohl. Wer wollte das leugnen? Aber wir dürfen auch feststellen, daß bei aller Unterschiedlichkeit unsere räumliche Ordnung dieser Leitvorstellung weitgehend entspricht und daß gerade der internationale Vergleich zeigt, daß es in unserem Land eine sehr ausgeglichene Siedlungsstruktur ohne schroffe Gegensätze zwischen einzelnen Regionen, zwischen Stadt und Land, mit einer flächendeckenden ausgezeichneten Infrastruktur, mit einer Vielzahl wirtschaftsstarker Zentren gibt. Manche unserer Nachbarstaaten mit wenigen großen Ballungszentren haben viel größere Probleme des Ausgleichs zwischen den Regionen.
    Ich sage nur einiges zu den immer wieder vorgetragenen Kritikpunkten der Opposition. Raumordnung ist eine Aufgabe von Bund und Ländern gleichermaßen. Die Länder haben dabei sogar eine dominante Stellung. Wenn immer wieder Kritik an der Raumordnungspolitik des Bundes aufkommt, müssen sich doch gerade die von der SPD geführten Landesregierungen fragen lassen, ob sie, bedingt durch ideologische Vorstellungen, überhaupt in der Lage waren, realistisch und rasch auf neue Anforderungen zu reagieren.

    (Müntefering [SPD]: Was ist denn das für ein Krampf?)




    Magin
    Das haben doch Sie, Herr Großmann, bei Ihrer Einbringungsrede so dargestellt. Deswegen bin ich heute darauf eingegangen.
    Wir meinen, es ist einfach ungerecht und sachlich nicht gerechtfertigt, der Bundesregierung immer wieder vorzuhalten, daß sie beispielsweise in ihren Raumordnungsberichten offen und deutlich jede Gefährdung der räumlichen Ordnung darstellt. Eine klare, realistische und rechtzeitige Diagnose ist eine entscheidende Voraussetzung für eine zukunftsweisende Orientierung.

    (Müntefering [SPD]: Was prognostizieren Sie für Sonntag?)

    — Lieber Herr Müntefering, wir haben nichts verunklart, wie es manche unserer Vorgänger getan haben, sondern wirklich die Probleme auf den Tisch gelegt und haben sie sauber analysiert. Deswegen waren wir überhaupt erst in der Lage, zu handeln. Die Ergebnisse dieses Handelns sind eindeutig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich gibt es immer wieder regionale Ungleichgewichte. Denen muß sich ja die Raumordnungspolitik stellen. Sie ergeben sich schon durch unterschiedliche Dynamik. Wir wissen auch, daß diese unterschiedliche Dynamik in allen Räumen, gerade unter den Bundesländern, auch eine politische Motivation hat. Dadurch kommen das oft durchaus fruchtbare Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Land und der ebenfalls gewollte Wettbewerb zwischen den Bundesländern zustande.
    Wichtig ist — das ist Aufgabe der Raumordnungspolitik — , daß die Politik diesen Wettbewerb einerseits zuläßt, um Entwicklungsimpulse auszulösen, andererseits aber da eingreift, wo sich Verschiebungen zeigen, welche die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen der Bürger in Frage stellen oder in Frage stellen können.
    Da hat diese Bundesregierung immer wieder gehandelt. Wir werden auch darauf hinwirken, daß dies immer wieder geschieht. Ich meine, das Strukturhilfegesetz ist eines dieser deutlichen Zeichen, die hierzu gesetzt wurden.

    (Müntefering [SPD]: Das ist aber eine magere Sache!)

    Sosehr sich die Raumordnungspolitik der letzten Jahrzehnte durchaus bewährt hat, so gewiß müssen wir heute neue Entwicklungen beachten, auf welche die Raumordnung eine Antwort geben muß, wenn wir unsere ausgeglichene räumliche Ordnung und mit ihr eine wesentliche Grundlage für eine insgesamt harmonische Entwicklung und Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben bewahren wollen. Ich nenne als Beispiele die immer dringlichere Harmonisierung von Wirtschaftsentwicklung und Umweltschutz sowie die neuen Herausforderungen, welche sich durch den wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Strukturwandel für ganze Regionen stellen, oder solche, die sich aus der Nutzung neuer Technologien, nicht zuletzt aus der Nutzung neuer Kommunikationstechnologien ergeben.
    Es war deshalb richtig und notwendig — so haben es auch die Wissenschaft und die Bundesländer gesehen —, dieses Raumordnungsgesetz jetzt zu aktualisieren, um es an diese neuen Anforderungen anzupassen. Der große Konsens bei den Beratungen mit der Wissenschaft und mit den Bundesländern sowie mit den kommunalen Spitzenverbänden und auch innerhalb der Ausschüsse des Bundestages zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind, wenn es darum geht, Bewährtes zu bewahren und die notwendige Aktualisierung vorzunehmen.
    Ich möchte mich, was den weiteren Inhalt der Novellierung angeht, nur auf drei Bereiche beschränken, die bei den Beratungen für uns alle besonders wichtig waren.
    Es ist von allergrößter Bedeutung, so meinen wir, daß die Leitvorstellung, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilräumen der Bundesrepublik zu schaffen, nun ausdrücklich in diesem Gesetz verankert wird. Gerade auch im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt und die fortschreitende europäische Integration ist es wichtig, daß die nationale Raumordnungspolitik die sich ergebenden Entwicklungsimpulse so steuert, daß keine neuen Disparitäten zwischen den Teilräumen unseres Landes entstehen.
    Es geht also nicht darum, wie die Opposition meinte, die Auswirkungen des Binnenmarktes auf die Regionen zu beachten — das halten wir für selbstverständlich —, sondern es geht darum, diese Auswirkungen im Sinne unserer Leitvorstellungen national zu steuern.
    Herausragende Bedeutung hat die durchgehende Verdeutlichung der Belange des Umweltschutzes und der Pflege unserer natürlichen Lebensgrundlagen als eigene Leitvorstellungen in den Grundsätzen und durch die Verbindung des Raumordnungsverfahrens mit einer dieser Planungsstufe entsprechenden sowohl frühzeitigen als auch umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung. Wir meinen, daß dadurch die Raumordnungspolitik eine notwendige und noch stärkere Ausrichtung auf einen wirksamen und vorsorgenden Schutz der Umwelt erhält.
    Bei der Nutzung des Raumes, also von Grund und Boden, ist unbedingt darauf zu achten, daß sich keine schädigenden Auswirkungen auf den gesamten Raum ergeben, aber auch darauf, daß die Gestaltungsmöglichkeiten auch für künftige Generationen erhalten bleiben. Dieses qualitative und quantitative Kriterium der Raumordnungspolitik halten wir im Abwägungsprozeß für sehr wichtig.
    Für falsch halten wir es — wie von der Opposition im Ausschuß beantragt — , für den Umweltschutz einen Abwägungsvorrang gesetzlich festzuschreib en. Dies würde nach unserer Auffassung einen wirklichen Abwägungsprozeß erst gar nicht mehr zulassen. Das Raumordnungsverfahren insgesamt muß das Instrument bleiben, das alle Belange unvoreingenommen abwägt und zu einem Ausgleich bringt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir meinen, daß gerade darin die Aufgabe und auch die Stärke dieses Verfahrens liegt.
    Diese Abwägung kann, nachdem dieses Gesetz verabschiedet ist, künftig in allen Bundesländern auf ver-



    Magin
    gleichbarer Rechtsgrundlage erfolgen. Dadurch wird es möglich, daß die Raumordnung und Landesplanung nicht nur abstrakte Entwicklungsziele vorgibt, sondern alle raumbedeutsamen Vorhaben, öffentliche und private, unter Abwägung aller in den Leitvorstellungen und Grundsätzen dargestellten Belange an den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung mißt und beurteilt.
    Das Raumordnungsverfahren, das nach dem vorliegenden Entwurf eine Umweltverträglichkeitsprüfung integriert, kann künftig maßgeblich dazu beitragen, die räumliche Entwicklung noch besser mit den Zielen in Einklang zu bringen, die wir alle unterstützen, nämlich gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilräumen bei einem harmonischen Ausgleich der wirtschaftlichen Entwicklung und bei Schutz der Umwelt zu schaffen.
    Wir haben die Gesetzesnovelle im Ausschuß sehr sorgfältig beraten. Deshalb geht, so meinen wir, der Vorwurf der GRÜNEN, hier werde etwas durchgepeitscht, ins Leere. Wir sind auch davon überzeugt, daß diese Novelle die Zustimmung der Bundesländer finden wird, nachdem eine Vielzahl der Anregungen von Bundesratsseite bei der Beratung im Ausschuß zustimmende Würdigung gefunden hat. Wir stimmen diesem Gesetz zu.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Großmann.

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    Rede von Achim Großmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man bedenkt, daß das Raumordnungsgesetz aus dem Jahre 1965 in größerem Umfange erst jetzt, also nach 25 Jahren, geändert wird, weiß man schon, daß ein derartiger Vorgang in einem Abgeordnetenleben nicht allzu häufig vorkommt. Um so größer sollte die Anstrengung sein, diese Chance kreativ zu nutzen, also ein Raumordnungsgesetz zu schaffen, das nicht nur kosmetisch behandelt wird, sondern den Problemen und den neuen Fragestellungen unserer Zeit entspricht.
    Der vorliegende Gesetzentwurf verdient weder das Prädikat „problemorientiert", noch ist er zukunftsweisend. Auch wenn an einigen Stellen durchaus begrüßenswerte Fortschritte erzielt worden sind, fehlt doch der entscheidende große Wurf.
    Der Ausgangspunkt war an und für sich klar: Veränderte Rahmenbedingungen machen eine Fortschreibung nötig. Die Beeinträchtigungen unserer Umwelt sind besorgniserregend. Die wirtschaftliche Entwicklung z. B. der altindustriellen Regionen und die Veränderungen des Altersaufbaus unserer Bevölkerung hat so vor 25 Jahren niemand vorausgesehen. Die strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft und die damit zusammenhängenden Probleme des ländlichen Raumes sind weitere Gründe dafür, das alte Gesetz fortzuschreiben. Die völlig neuen Dimensionen europäischer Politik, von denen man in den 60er Jahren in Sonntagsreden allenfalls träumte, müssen in einem solchen Gesetz auf jeden Fall berücksichtigt werden.
    Schließlich gibt es zwei weitere Gründe, über die heute schon gesprochen worden ist. Zum einen vereinbarte die Ministerkonferenz für Raumordnung 1985, ein Raumordnungsverfahren in das Gesetz hineinzuschreiben, und andererseits veranlaßt uns die EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, diese in das neue Raumordnungsgesetz einzuarbeiten.
    In einigen Teilbereichen sind wir — das hat auch Herr Magin angesprochen — durchaus zu einem Konsens gekommen. So ist unbestritten, daß die Leitvorstellungen des § 1 umfassender festgelegt werden müssen. Die Bevölkerungsentwicklung und die Entwicklung der Infrastruktur sind ebenso aufgenommen worden wie die stärkere Betonung von Umweltbelangen unter Berücksichtigung der Begrenztheit der Ressourcen. Wichtig ist auch die Festschreibung der gleichwertigen Lebensbedingungen für alle Menschen in allen Regionen unserer Republik.
    Die Grundsätze des § 2 wurden präziser gefaßt und den neuen Leitvorstellungen angepaßt. Die zunehmenden Belastungen der Umwelt finden ihren Ausdruck beispielsweise in der Formulierung — ich zitiere jetzt einen Passus, um das einmal ein bißchen klarer zu machen — :
    Soweit in Verdichtungsräumen durch Luftverunreinigungen, Lärmbelästigungen, Überlastungen der Verkehrsnetze und andere nachteilige Auswirkungen der Verdichtung ungesunde Lebensbedingungen oder unausgewogene Wirtschafts- und Sozialstrukturen bestehen oder deren Entstehen zu befürchten ist, sollen Maßnahmen zur Strukturverbesserung ergriffen werden.
    In diesem Sinne geht es dann noch über zwei, drei Sätze weiter. Ich will damit nur sagen: Früher gab es in diesem Bereich nur einen oder zwei lapidare Sätze. Man ging davon aus, daß es auch in den Verdichtungsräumen gesunde Lebensbedingungen gibt. Nach den Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren machen konnten, ist bei der Novellierung endlich der Schritt gemacht worden, daß gesagt wird: Es gibt Lebensbedingungen, die dringend reparaturbedürftig sind; wir müssen die früheren, gesunderen Lebensbedingungen wiederherstellen. Ich denke, das ist ein Plus für diesen Gesetzentwurf.
    Ähnliche Präzisierungen finden sich in den Bereichen der Land- und Forstwirtschaft, bei dem Schutz der Ressourcen, dem sparsameren Umgang mit Grund und Boden und vor allen Dingen bei einer besseren Darstellung der ökologischen Vernetzung der einzelnen Bereiche.
    Wegen der Gefahr der Abkopplung der ländlichen Regionen von der technologischen Entwicklung hat die SPD vorgeschlagen, den Text in diese Richtung zu erweitern. Im Gesetz heißt es nun, daß technologische Entwicklungen in diesen Räumen verstärkt zu nutzen sind. Auch dem Vorschlag unserer Fraktion, die Erhaltung der Naturdenkmäler aufzunehmen, wurde entsprochen.
    Meine Damen und Herren, weitgehende Übereinstimmungen gab es auch bei der Regelung des Raumordnungsverfahrens, das, in den meisten Bundesländern schon seit längerer Zeit praktiziert, rahmenrechtlich in dieses Gesetz übernommen wird.



    Großmann
    Gleichzeitig mit dem Raumordnungsverfahren wird die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Diese frühzeitige Überprüfung soll, so hoffen wir, eine möglichst sichere Einschätzung darüber bringen, welche Auswirkungen geplante Maßnahmen auf die Raumordnung, vor allen Dingen aber auf die Ökologie eines Raumes haben werden.
    Über die Regelung der Umweltverträglichkeitsprüfung im UVP-Gesetz sind wir — das wissen Sie — unterschiedlicher Meinung. Wenn wir der Regelung im Raumordnungsgesetz trotzdem unsere Zustimmung geben, dann deshalb, weil hier nach einer intensiven Diskussion vor allen Dingen mit den Bundesländern Formulierungen gefunden worden sind, die auf Zustimmung gerade der Bundesländer stoßen.
    Meine Damen und Herren, die SPD wird trotz der Übereinstimmung in diesen von mir geschilderten Fragen dem Raumordnungsgesetz heute nicht zustimmen können. Das liegt daran, daß wesentliche Gesichtspunkte im Gesetzentwurf fehlen und unsere Anträge dazu im Ausschuß abgelehnt wurden.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Unverständliche Verweigerungshaltung!)

    — Sie hören bitte erst einmal zu, und dann bilden Sie sich nachher Ihre Meinung; vielleicht ändern Sie sie dann.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Wenig wahrscheinlich!)

    — Das spricht nicht für Sie. — Ich nenne hier die Abwägungsklausel und vor allen Dingen das Stichwort Europa. Interessanterweise haben gerade diese beiden Punkte — Herr Magin, ich weiß nicht, ob Sie die letzten Entwicklungen im Bundesrat kennen — dort zu kontroversen Auseinandersetzungen geführt.
    Es ist unübersehbar, daß die europäische Politik immer stärkeren Einfluß auf die Entwicklung der Regionen nimmt. Darüber hinaus hat in den letzten Monaten bei sehr vielen Experten die Diskussion darüber angefangen, daß gerade in den grenznahen Räumen eine besondere Entwicklung nötig ist, weil gerade die grenznahen Räume in der Gefahr sind, abgehängt zu werden. Die Bundesregierung hat in den programmatischen Schwerpunkten der Raumordnung aus dem Jahre 1985 darauf hingewiesen, aber keine Konsequenzen gezogen.
    Von vielen Fachleuten wurde gefordert, den wachsenden Einfluß europäischer Entscheidungen auf die Regionen zum Anlaß zu nehmen, auch im Raumordnungsgesetz eine Leitvorstellung oder einen Grundsatz mit diesem europäischen Bezug zu verankern.
    Unser Antrag wurde abgelehnt. Der Satz zu Europa aus dem Jahre 1965 bleibt unverändert stehen, obwohl sich in den letzten 25 Jahren wirklich Enormes in Europa verändert hat. Kein Komma wurde verändert. Das ist wahrlich eine vertane Chance, mehr noch: ein unverzeihliches Versäumnis.
    Völlig unverständlich ist die Haltung der Bundesregierung und der Koalitionsparteien zur Abwängsklausel. Natürlich machen die ganzen Präzisierungen und Fortschreibungen des Raumordnungsgesetzes nur dann Sinn, wenn die Abwägungsklausel aufgenommen wird, weil gerade dort der Stellenwert eines Vorranges für den Umweltschutz vor möglichen anderen Zielen definiert werden kann.
    So war es keine Überraschung, daß die Arbeitsgruppe, die der Raumordnungsminister selber eingesetzt hatte, um Vorarbeiten zur Novellierung des Raumordnungsgesetzes zu leisten, einheitlich zu dem Votum kam, eine Abwägungsklausel vorzuschlagen. Danach soll ökologischen Belangen dann ein Vorrang eingeräumt werden, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der Umwelt und der Gesundheit droht oder die langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet ist.
    Noch aufschlußreicher ist die Begründung, die ich gerne zitieren will. Da heißt es: Einheitlich — in der Arbeitsgruppe saßen Vertreter des Ministers, Vertreter der Länder, der Städte und Gemeinden etc. — halten die Mitglieder der Arbeitsgruppe die Aufnahme eines Abwägungsvorrangs von ökologischen Belangen unter den genannten Voraussetzungen für notwendig. Dieser Abwägungsvorrang ist eine Voraussetzung zur Verwirklichung der Leitvorstellungen des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen auf der Ebene der Raumordnung. Mit der Aufnahme eines entsprechenden Gedankens soll auch den Entschließungen der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 15. Juni 1972 und vom 21. März 1985 Rechnung getragen werden.
    Mit der Ablehnung dieser Abwägungsklausel ist der Raumordnungsminister aus dem einstimmigen Beschluß der Ministerkonferenz ausgestiegen. Eine einheitliche Anwendung des Abwägungsgebotes in der ganzen Bundesrepublik ist damit nicht mehr gewährleistet. Interessant wird es, wenn man sich die Begründung der Bundesregierung zum Raumordnungsgesetz durchliest. Da heißt es:
    Der raumordnerische Grundsatz in Nummer 8 konkretisiert die Anforderungen an den Schutz, die Pflege und die Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen entsprechend der Leitvorstellung in § 1.
    Ich überschlage ein paar Sätze. Dann kommt ein ganz interessanter Passus. Da heißt es — ich zitiere — :
    Die so zu verstehende Verpflichtung zur sparsamen und schonenden Inanspruchnahme der Naturgüter ist ein wesentliches Kriterium für die Abwägung der vielfältigen Belange der Raumordnung.
    Jetzt lohnt es sich besonders zuzuhören:
    Es hat besonderes Gewicht, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung droht oder die langfristige und nachhaltige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet ist.
    Der Text kommt Ihnen bekannt vor. Er stimmt fast wortwörtlich mit unserem Antrag überein. Trotzdem haben Sie ihn abgelehnt.
    Wenn die Bundesregierung jetzt den Ländern die Entscheidung zuschiebt, eine solche Abwägungsklausel doch in ihr Programm zur Raumordnung aufzunehmen, so versäumt sie es, eine gemeinsame Grundlage für alle zu schaffen. Gerade das aber wi-



    Großmann
    derspricht der eigenen Forderung der Bundesregierung nach möglichst gleichen Investitionsbedingungen in allen Ländern. Die Bundesregierung hat also hier ein klassisches Eigentor geschossen.
    Dieser ganze Eiertanz offenbart die Misere der Koalition: Ein wenig Umweltschutz, aber bitte nicht zuviel, und ja keine allzu klaren gesetzlichen Vorgaben. Bei der Umsetzung von Umweltschutz bleibt die Koalition lieber lau und möglichst unbestimmt.
    Ich muß also zu meiner Bewertung zurückkommen, die ich eingangs machte. Dem Gesetz fehlt es an Konsequenz. Es ist eine eher mittelmäßige Fortschreibung eines alten Textes.
    Weiterhin, meine Damen und Herren, bleibt unklar, was dieses Gesetz ausrichten kann. Zunächst erwarten wir jetzt einmal von der Bundesregierung, daß die Rechtsverordnung folgt, in der die Vorhaben auf gelistet sind, für die ein Raumordnungsverfahren überhaupt durchzuführen ist. Die Anlage 1 zu den EG-Richtlinien, die noch Bestandteil des ersten Entwurfes, des Referentenentwurfes, war, fehlt in diesem Gesetz. Im Ausschuß hat die Regierung das damit begründet, daß die Liste der Vorhaben, die geplant ist, umfangreicher sei als die Liste, die in den EG-Richtlinien abgedruckt war. Darauf sind wir nun wirklich gespannt. Ich frage die Bundesregierung, wann diese Rechtsverordnung vorliegen wird.
    Als nächstes bleibt festzustellen, daß der Raumordnungsminister innerhalb des Bundeskabinetts immer noch als Leichtgewicht angesehen wird. Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Raumordnungsgesetzes erfolgt nämlich erneut eine Forderung. Sie steht in der Beschlußempfehlung. Man muß sich das vorstellen: Man beschließt ein Raumordnungsgesetz, lehnt das Raumplanungsgesetz der GRÜNEN ab und beschließt als dritten Punkt eine Empfehlung, in der es heißt: Die Mitwirkung des für die Raumordnung zuständigen Bundesministers bei den raumbedeutsamen Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung muß wirkungsvoller gestaltet werden.
    Der Beirat für Raumordnung sagt es deutlicher. Er fordert ein aufschiebend wirkendes Widerspruchsrecht, ähnlich dem, das der Justizminister habe. Mit dieser Rechtsposition könne er dann alle Ressortmaßnahmen auf ihre räumlichen Auswirkungen hin überprüfen.
    Herr Schneider konnte davon nur träumen. Ihnen, Frau Ministerin, drücken wir wenigstens die Daumen für eine bessere Behandlung im Kabinett. Es geht nicht an, daß jeder andere Minister mehr Raumordnungspolitik betreibt als der zuständige Raumordnungsminister.
    Meine Damen und Herren, angesichts der langen Tagesordnung ist mir sicher keiner böse, wenn ich mich auf die wichtigsten Punkte konzentriert habe und meine Redezeit nicht voll ausschöpfe.
    Für die SPD beantrage ich, über die Nummern 1 bis 3 der Beschlußempfehlung getrennt abzustimmen. Bei der Abstimmung über das Raumplanungsgesetz der Fraktion DIE GRÜNEN werden wir uns der Stimme enthalten. Wir haben uns in der Beratung auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung konzentriert
    und versucht, dort unsere Änderungsanträge durchzusetzen.
    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)