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ID1114410300

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    Plenarprotokoll 11/144 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 144. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum § 218 StGB nach dem Memminger Urteil Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 10681B, 10689D Geis CDU/CSU 10682 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 10684 A Frau Würfel FDP 10685 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10686 B Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 10687 B Frau Limbach CDU/CSU 10688 D Kleinert (Hannover) FDP 10690 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 10691 C Singer SPD 10692 C Dr. Hüsch CDU/CSU 10693 C Wüppesahl fraktionslos 10694 D Frau Dempwolf CDU/CSU 10695 C Frau Conrad SPD 10696 C Werner (Ulm) CDU/CSU 10697 D Präsidentin Dr. Süssmuth . . . 10682C, 10690A Tagesordnungspunkt 18: Zweite und Dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Mißbrauchs in der Ehe (Drucksachen 11/474, 11/3878) Dr. de With SPD 10699 A Eylmann CDU/CSU 10701 B Frau Nickels GRÜNE 10703 C Kleinert (Hannover) FDP 10705 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10707 B Frau Becker-Inglau SPD 10708 D Frau Männle CDU/CSU 10710A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 10711A Tagesordnungspunkt 19: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (Drucksache 11/4268) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Wartenberg (Berlin), Dr. Penner, Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (Drucksache 11/2795) Wartenberg (Berlin) SPD 10713 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 10715 A Frau Trenz GRÜNE 10717 C Dr. Hirsch FDP 10719A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 10720A Schröer (Mülheim) SPD 10721 B Lüder FDP 19723 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (Drucksache 11/4507) Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 10724 C Poß SPD 10726A Dr. Solms FDP 10728 C Hüser GRÜNE 10730 B Glos CDU/CSU 10732 A Huonker SPD 10734 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 10736D Nächste Sitzung 10737 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10739* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 10739* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 10681 144. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Adler SPD 12. 05. 89 Dr. Ahrens SPD 12. 05. 89 * Amling SPD 12. 05. 89 Antretter SPD 12. 05. 89 ** Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 12. 05. 89 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 12. 05. 89 Bindig SPD 12. 05. 89 * Frau Blunck SPD 12. 05. 89 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 12. 05. 89 ** Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Briefs GRÜNE 12. 05. 89 Buschbom CDU/CSU 12. 05. 89 Büchner (Speyer) SPD 12. 05. 89 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 12. 05. 89 * Carstens (Emstek) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Conrad SPD 12. 05. 89 Cronenberg (Arnsberg) FDP 12. 05. 89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 12. 05. 89 Dr. Ehrenberg SPD 12. 05. 89 Eich GRÜNE 12. 05. 89 * Feilcke CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Feldmann FDP 12. 05. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 12. 05. 89 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 12. 05. 89 Funk (Gutenzell) CDU/CSU 12. 05. 89 Gallus FDP 12. 05. 89 Gattermann FDP 12. 05. 89 Dr. Gautier SPD 12. 05. 89 Frau Geiger CDU/CSU 12. 05. 89 Genscher FDP 12. 05. 89 Dr. Glotz SPD 12. 05. 89 Günther CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Haack SPD 12. 05. 89 Dr. Hauff SPD 12. 05. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 12. 05. 89 Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Hennig CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Hensel GRÜNE 12. 05. 89 Heyenn SPD 12. 05. 89 Hiller (Lübeck) SPD 12. 05. 89 Höffkes CDU/CSU 12. 05. 89 * Irmer FDP 12. 05. 89 Jungmann (Wittmoldt) SPD 12. 05. 89 Kalisch CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Kelly GRÜNE 12. 05. 89 Kittelmann CDU/CSU 12. 05. 89 ** Klein (Dieburg) SPD 12. 05. 89 Dr. Klejdzinski SPD 12. 05. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 12. 05. 89 Kroll-Schlüter CDU/CSU 12. 05. 89 Dr.-Ing. Laermann FDP 12. 05. 89 Leidinger SPD 12. 05. 89 Lenzer CDU/CSU 12. 05. 89 * Link (Frankfurt) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Luuk SPD 12. 05. 89 * Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 12. 05. 89 Dr. Müller CDU/CSU 12. 05. 89 * Niegel CDU/CSU 12. 05. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Pack CDU/CSU 12. 05. 89 * Paintner FDP 12. 05. 89 Pfeifer CDU/CSU 12. 05. 89 Pfuhl SPD 12. 05. 89 * Rappe (Hildesheim) SPD 12. 05. 89 Reddemann CDU/CSU 12. 05. 89 * Frau Renger SPD 12. 05. 89 Reuschenbach SPD 12. 05. 89 Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 12. 05. 89 Rühe CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Schäuble CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Scheer SPD 12. 05. 89 * Schemken CDU/CSU 12. 05. 89 Schmidt (München) SPD 12. 05. 89 * von Schmude CDU/CSU 12. 05. 89 * Schütz SPD 12. 05. 89 Dr. Soell SPD 12. 05. 89 * Spilker CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 12. 05. 89 Voigt (Frankfurt) SPD 12. 05. 89 Vosen SPD 12. 05. 89 Dr. Warrikoff CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Dr. Wilms CDU/CSU 12. 05. 89 Windelen CDU/CSU 12. 05. 89 Wissmann CDU/CSU 12. 05. 89 Wittich SPD 12. 05. 89 Dr. Wulff CDU/CSU 12. 05. 89 * Würzbach CDU/CSU 12. 05. 89 Zander SPD 12. 05. 89 Zierer CDU/CSU 12. 05. 89 ** Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/3196 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/4161 Nr. 2.4-2.7, 2.9, 2.10 Drucksache 11/4238 Nr. 2,2, 2.3 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/3831 Nr. 12-19 Drucksache 11/3882 Nr. 3.22-3.27, 3.29-3.40 Drucksache 11/3927 Nr. 3.5-3.8 Drucksache 11/4019 Nr. 2.18-2.25, 2.27-2.30 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2465 Nr. 2.22 Drucksache 11/4238 Nr. 2.13 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/2724 Nr. 28 Drucksache 11/2841 Nr. 15, 16, 17 Drucksache 11/3703 Nr. 2.29 Drucksache 11/4019 Nr. 2.40 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/3117 Nr. 2.14 Drucksache 11/3703 Nr. 2.30, 2.31
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerd Wartenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute über die Große Anfrage der SPD zur Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit und zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit beschäftigen, möchte ich das im Zusammenhang mit einigen Fragen des Ausländerrechts stellen.
    Seit diese Bundesregierung im Amt ist, ist über Ausländer und Ausländerintegration, über Abschrekkungsmaßnahmen gegen Ausländer mit viel Emotion gestritten worden. Die Sensibilität in der Öffentlichkeit hat durch diese emotionale und teilweise aggressive Diskussion auch aus den Reihen der CDU abgenommen.
    Das Steigen des Anteils der Rechtsradikalen an den Wählerstimmen macht dies besonders deutlich; ein Ansteigen, für das auch die CDU in Haftung genommen werden muß.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Na, na, na!)

    Trotz der vielen Diskussionen im Lager der Regierung und trotz der markigen Worte des bisherigen Innenministers Zimmermann ist eine paradoxe Situation eingetreten: daß nicht eine einzige Regelung im Ausländerrecht seit 1982 in Kraft gesetzt worden ist.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Und davor? Auch nichts!)

    Gleichwohl ist allein durch die negative Diskussion die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik nicht gerade leichter geworden.
    Vor zwei Wochen hat sich nun die Koalition auf Eckwerte zum Ausländerrecht geeinigt. Soweit uns die Ergebnisse zur Verfügung stehen, meine ich, daß das eine Grundlage ist, zumindest die härteste Polemik aus der Diskussion herauszunehmen. Wir sind bereit, dieses Thema Ausländerintegration und Rechte für Ausländer in der Bundesrepublik auf eine sachliche Ebene zurückzuführen, und hoffen, daß damit die Polarisierung in der Gesellschaft aufhört. Das ändert nichts daran, daß wir diese Eckwerte natürlich nicht für ausreichend halten, daß wir auch in dieses Haus Gesetzentwürfe mit weitergehenden Vorstellungen in allen Bereichen des Ausländerrechts eingebracht haben.
    Wir haben ein weiteres Element der Ausländerpolitik durch einen Gesetzentwurf zu regeln versucht. Die Einbürgerung ist nur ein Aspekt im Gesamtkontext einer liberalen und humanitären Ausländerpolitik. Einbürgerungsmöglichkeiten sollen den Ausländern, die hier geboren sind, die hier schon lange leben, zu Bedingungen angeboten werden, die leicht erfüllbar sind, ohne bürokratische Hürden. Ja, die Bundesrepublik muß bestimmten Gruppen von Ausländern, insbesondere denen, die hier geboren sind, automatisch die Staatsangehörigkeit gewähren.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage bestätigt eindrucksvoll, daß nur ein äußerst geringer Teil der Ausländer, die sich in der Bundesrepublik Deutschland einbürgern lassen könnten, den Einbürgerungsantrag auch wirklich stellen. Seit zehn Jahren stagniert die Zahl der Einbürgerungen im Ermessenswege, während die Zahl derjenigen steigt, die die zeitlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen. Während mehr als 60 % der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer die in den Einbürgerungsrichtlinien geforderte Mindestaufenthaltsdauer von zehn Jahren vorweisen können und 69 % der unter 16 Jahre alten Kinder und Jugendlichen bereits hier geboren sind, stagniert die Einbürgerungsquote seit 1977 bei etwa 0,3 %.
    Die Einbürgerungsquote hat sich, bezogen auf den Personenkreis, der die zeitlichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt, zwischen 1977 und 1986 sogar um zwei Drittel verringert. Die geringe und partiell sogar gesunkene Bereitschaft von Ausländern, sich einbürgern zu lassen, hängt mit der Vielzahl und Art der geforderten Voraussetzungen zusammen. Es ist natürlich nicht leicht, nachzuweisen, in welchem Umfang die vorgeschlagenen Verbesserungen die Akzeptanz steigern könnten.
    Eine im März 1986 abgeschlossene Repräsentativuntersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung für den Fall einer Anerkennung von Mehrstaatigkeit hat eine Erhöhung der Einbürgerungsbereitschaft von etwa 6 % auf nahezu 20 % bei den Angehörigen der ehemaligen Anwerbestaaten ergeben. Eine im August/September 1988 unter 800 türkischen und jugoslawischen Jugendlichen in Berlin durchgeführte Umfrage hat eine Akzeptanzquote von 61 % bei Türken und von 72 % bei Jugoslawen ergeben. Das heißt also, daß die Hemmnisse, die in der Verweigerung von Mehrstaatigkeit liegen, offensichtlich ein ganz wesentlicher Faktor sind, um die Einbürgerungszahlen so extrem niedrig zu halten.
    Ein weiteres Hindernis sind die hohen Gebühren bei Einbürgerungen. Diese Frage wird sei längerem zwischen Bund und Ländern diskutiert, was jedoch nicht zu einer befriedigenden Lösung geführt hat. Derzeit ist durch das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz bundeseinheitlich die Erhebung einer Gebühr von bis zu 5 000 DM vorgesehen. Für uns ergibt sich daraus die Forderung, daß Einbürgerungen gebührenfrei vorgenommen werden müssen.
    Eine weitere Forderung der Sozialdemokraten ist der Anspruch auf Einbürgerung für hier aufgewachsene und geborene Kinder. Auch hier äußert sich die Bundesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage ausweichend oder teilweise gar nicht. Das



    Wartenberg (Berlin)

    Problem der Integration der Kinder von ausländischen Arbeitnehmern, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen sind, ist seit längerem im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. In Zukunft wird sich die Zahl derjenigen Kinder erhöhen, von denen mindestens ein Elternteil ebenfalls schon in der Bundesrepublik geboren ist, ohne daß die deutsche Staatsangehörigkeit erworben wurde.
    Soziale und humanitäre Gründe erfordern, diesem Personenkreis eine angemessene gesellschaftliche Eingliederung zu ermöglichen. Diese liegt aber auch im deutschen staatlichen Interesse. Es besteht nämlich ein öffentliches Interesse an der Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit an diesen Personenkreis, weil es für keinen Staat auf Dauer vernünftig ist, wenn ein zahlenmäßig bedeutender Teil der Bevölkerung über Generationen nicht voll eingegliedert wird.
    Auch der dauernde Ausschluß dieser Minderheit von der gleichberechtigten Teilhabe an der staatlichen Willensbildung kann nicht im deutschen Interesse liegen.
    Die bisherigen Versuche, den Angehörigen der zweiten Ausländergeneration einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung zu verschaffen, sind fehlgeschlagen. Ein entsprechender Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom Jahre 1980 ist vom Bundesrat nicht an den Bundestag weitergeleitet worden. Der Gesetzentwurf der sozialliberalen Bundesregierung von 1982 ist infolge der vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages damals gegenstandslos geworden. Weitere Gesetzesinitiativen der SPD-regierten Länder von 1986 und 1988 haben keine Mehrheit gefunden. Deswegen fordern wir hier noch einmal, daß den hier geborenen Angehörigen der dritten Generation die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes dann zuzuerkennen ist, wenn ein Elternteil bereits ebenfalls in der Bundesrepublik geboren ist.
    Bei den Angehörigen der dritten und der folgenden Ausländergeneration kann davon ausgegangen werden, daß die Verbindungen zu dem Heimatland ihrer Groß- und Urgroßeltern weitgehend abgerissen sind und sich die Betroffenen nicht mehr als Angehörige der Herkunftsnation ihrer Vorfahren fühlen. Die ausländische Staatsangehörigkeit wird daher nur noch formal bestehen und in aller Regel ineffektiv bleiben. Aus diesem Grunde kann hier auch das Entstehen von Mehrstaatigkeit hingenommen werden. Den Eltern soll jedoch das Recht eingeräumt werden, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit für das Kind auszuschlagen.
    In den meisten westeuropäischen Ländern bestehen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Ausländerkinder besondere gesetzliche Vorschriften. So sind in Belgien und in den Niederlanden 1985 neue Staatsangehörigkeitsgesetze in Kraft getreten, die eine Erleichterung für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Ausländerkinder beinhalten. Dies sind — ebenso wie in unseren anderen Nachbarländern — Zeichen dafür, daß die Bundesrepublik im Vergleich zu den Nachbarländern auch in dieser Frage das Schlußlicht ist. Ich glaube, dies kann sich die Bundesrepublik Deutschland angesichts ihres sehr hohen Anteils an Ausländern,

    (Dr. Nöbel [SPD]: So ist es! Sehr richtig!)

    die schon sehr lange in der Bundesrepublik leben, nicht mehr lange leisten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Nöbel [SPD]: Nein, das schaffen die nicht, das halten die nicht durch!)

    Lassen Sie mich noch einige Gedanken zur Problematik der Mehrstaatigkeit anführen. Die Mehrstaatigkeit wurde in der Vergangenheit immer wieder mit dem seltsamen Hinweis auf den Kriegsfall oder den Militärdienst in Friedenszeiten diskutiert, da die Staatsangehörigkeit als Treueverhältnis begriffen wurde, das eine Parzellierung verbiete. Die Bundesrepublik sieht sich zur Vermeidung der Mehrstaatigkeit durch das Übereinkommen des Europarats zur Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatlern auch völkerrechtlich verpflichtet. Die hier aufgestellten Grundsätze werden von der Bundesrepublik jedoch nicht nur gegenüber Angehörigen der Signatarstaaten angewendet, sondern gegenüber allen Ausländern, die einen Antrag auf Einbürgerung stellen.
    Allerdings hat sich das Ministerkomitee im Rahmen des Europarates im Herbst 1988 darauf geeinigt, die Konvention unter zwei Aspekten zu überprüfen: ob die doppelte Staatsangehörigkeit bei gemischt-nationalen Ehen und den daraus hervorgegangenen Kindern zugelassen werden kann und ob den Ausländern der zweiten Generation der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates gestattet werden kann, ohne daß die bisherige Staatsangehörigkeit verlorengeht.
    Ausgangspunkt für die Überarbeitung der Konvention war die Feststellung, daß die Anwendung des Übereinkommens Probleme im Bereich der Mehrstaatigkeit nicht reduziert, sondern zunehmend selbst geschaffen hat. Allein im Jahr 1985 waren 11,7 % der in der Bundesrepublik geschlossenen Ehen binational. Das heißt: Jede zehnte Ehe war nicht eine Ehe nur zwischen deutschen Partnern. Diese Zahl wird in Zukunft wachsen.
    In einem Gutachten für die Europäische Kommission wurde festgestellt, daß die aktuelle Zahl von Doppelstaatlern zwar nicht bekannt ist, weil exakte Statistiken nicht vorhanden sind. Die verfügbaren Daten weisen jedoch darauf hin, daß heute in Europa vielleicht sogar mehr als drei Millionen Doppelstaatler leben und daß diese Zahl ständig zunimmt. Unter diesem Aspekt der Realität, die sich in Europa und auch in der Bundesrepublik entwickelt hat, vernünftige Regelungen zu finden, muß eine Novellierung des Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsrechts gesehen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Fragen sind bisher von der Bundesregierung völlig unzureichend diskutiert worden, und auch die Vorschläge, die jetzt im Koalitionsbeschluß der Öffentlichkeit vorgestellt worden sind, sind offensichtlich nicht zureichend. Trotz alledem hoffe ich, daß in den nächsten Wochen und Monaten eine Diskussion



    Wartenberg (Berlin)

    über die Ausländerpolitik und damit auch über die Erleichterung der Einbürgerung in der Bundesrepublik Deutschland auf der Basis eines breiteren Grundkonsenses stattfinden kann. Gerade die Frage der Einbürgerung und auch die Gestattung von Mehrstaatigkeit müssen deswegen in der Bundesrepublik ernsthaft diskutiert werden, weil die Realität in Europa und die Schaffung eines Europa ohne Binnengrenzen eine andere Haltung verbieten. Deswegen bitten wir als Sozialdemokraten Sie, daß Sie diese Fragestellung auf der Grundlage unseres Vorschlages offensiv in Angriff nehmen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerster (Mainz).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johannes Gerster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ausländerrecht von 1965 ist dringend novellierungsbedürftig. Herr Wartenberg, da stimme ich Ihnen voll zu.

    (Zurufe von der SPD)

    Wenn Sie allerdings hier Vorhaltungen an diese Koalition machen, sollten Sie der Wahrheit gemäß auch sagen, daß das auch in den 70er Jahren längst novellierungsbedürftig war. Wir haben es in sieben Jahren nicht geschafft, Sie in 13 Jahren nicht; wir werden es in dieser Wahlperiode noch machen und dann, wenn wir das innerhalb von neun Jahren novelliert haben, noch besser sein, als Sie es damals waren. Das nur zur Klarstellung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Penner [SPD]: Der Dompropst von Mainz spricht!)

    Diese Ausländerpolitik muß nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an einem humanen, christlichen Menschenbild sowie an dem berechtigten Interesse der deutschen Bevölkerung ausgerichtet werden. Lassen Sie mich auf dieser Basis einige Vorbemerkungen machen.
    Die Regelung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für die zum Teil seit vielen Jahren hier lebenden Ausländer darf nicht zusammenhanglos ohne Blick auf übrige ausländerrechtliche Regelungen betrachtet werden. Die heutige Debatte zur Staatsangehörigkeit gibt daher Veranlassung, zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen über unser Verhältnis zu den hier lebenden Ausländern zu machen.
    Eine Novellierung des Ausländergesetzes — ich sagte das bereits — ist vorgesehen. Dies hat auch der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigt. Wir wollen damit Rechtssicherheit schaffen und zu einer guten Nachbarschaft zwischen Deutschen und den hier lebenden Ausländern beitragen. Es kommt darauf an, die hier lebenden Ausländer mit ihren Familien in Gesellschaft, Staat, Arbeitsleben und Kultur zu integrieren. Daneben sind Maßnahmen zur sozialen Integration, zur Verfestigung ihrer Rechtsstellung sowie zur Erleichterung der Einbürgerung erforderlich. Gleichzeitig soll die neue Regelung des Ausländerrechtes aber deutlich machen, daß keine schrankenlose Einwanderung stattfinden darf.
    Entsprechend diesen Vorgaben ist es einer Koalitionsarbeitsgruppe gelungen, sich über Eckwerte für ein neues Ausländerrecht zu verständigen. Es nahmen die Kollegen Fellner für die CDU/CSU und Dr. Hirsch für die FDP sowie die Staatssekretäre Neusel und Kinkel teil. Ich darf diesen Herren für eine wirklich konstruktive Zusammenarbeit im Interesse eines neuen Ausländerrechts herzlich danken. Ich bin sicher, daß wir in diesem Geiste auch mit diesem Gesetz in dieser Wahlperiode zu Rande kommen werden.

    (Beifall bei der FDP)