Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zusätzlich zu den vom Kollegen Dr. Hirsch auch für mich vorgetragenen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurf es, die mein Nein insgesamt begründen, stütze ich meine Ablehnung auf einen weiteren für mich rechtsstaatlich wichtigen Punkt.
In § 112 a StPO soll als weiterer Haftgrund der Verdacht des wiederholten Verstoßes gegen die Strafbestimmung des schweren Landfriedensbruchs aufgenommen werden. Die Ausschußberatungen haben hier zu meiner Überzeugung ergeben, daß es keine rechtstatsächlichen Anhaltspunkte dafür gibt, daß auf Grund dieser neuen Vorschrift tatsächlich richterliche Haftbefehle ergehen werden. Ich habe da sehr intensiv im Rechtsausschuß gebohrt. Es gibt fast keinen Verurteilten, der als Wiederholungstäter erfaßt wurde.
Die Vorschrift wird, befürchte ich aber, trotzdem angewandt werden, nur nicht vom Richter, sondern von der Polizei,
um Demonstrationsteilnehmer wegen des lediglich
befürchteten Verdachts der Wiederholungstat erst
10218 Deutschei Bundestag — 11. Wahlperiode - 138. Sitzung. Bonn, Freitag; den 21. April 1989
Lüder
einmal vorläufig festzunehmen. Vor Ablauf der Garantiefrist des zweiten Tages, aber eben nach Ende der Demonstration, wird dieser Mensch dann entweder vom Richter oder von der Polizei wieder freigelassen, weil eben doch nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des neuen Paragraphen nachweisbar waren.
Das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit wird so in nicht vertretbarer Weise gefährdet.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner BrokdorfEntscheidung u. a. ausgeführt: Wer damit rechne, daß ihm durch die Teilnahme an einer Versammlung Risiken entstehen könnten, werde möglicherweise deswegen auf eine Ausübung seines Grundrechts verzichten. Gerade das aber soll nicht sein dürfen.
Deswegen lehne ich auch wegen dieser Vorschrift den Gesetzentwurf ab.