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ID1113809500

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    Plenarprotokoll 11/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. April 1989 Inhalt: Verfahrensanträge des Abg. Wüppesahl . 10186A Absetzung des Punktes 20 — deutsche Staatsangehörigkeit — und des Zusatzpunktes 4 — Staatsangehörigkeit — von der Tagesordnung 10218D Tagesordnungspunkt 18: Eidesleistung der neuernannten Bundesminister Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 10185 B Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 10185 C Seiters, Bundesminister für besondere Auf- gaben 10185D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 10186B Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drucksachen 11/2834, 11/4359) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Verteidigung der inneren Liberaltiät und Stärkung der Demokratie (Drucksachen 11/17, 11/4359) Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 10187 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 10191B Kleinert (Hannover) FDP 10195 D Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 10198 C Wüppesahl fraktionslos (zur GO) 10198D, 10203 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10199B, 10204 B Häfner GRÜNE 10199 C Frau Nickels GRÜNE 10204 A Dr. de With SPD 10206A Fellner CDU/CSU 10208 B Graf SPD 10209 C Irmer FDP 10211B Wüppesahl fraktionslos 10214 A Eylmann CDU/CSU 10214 C Frau Hillerich GRÜNE (zur GO) 10216A Dr. Hirsch FDP (Erklärung nach § 31 GO) 10216D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . . 10217D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 10218A Namentliche Abstimmung 10218 C Ergebnis 10219D Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu jüngsten Äußerungen der Gewerkschaften IG Metall, IG Medien sowie Handel, Banken und Versicherungen zu Kriegsdienstverweigerung und Bundeswehr Ronneburger FDP 10219A Bahr SPD 10221 B Lowack CDU/CSU 10222 B Frau Schilling GRÜNE 10223 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 10224 B Koschnick SPD 10226A Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 10227A Nolting FDP 10228 A II Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. April 1989 Frau Beer GRÜNE 10229 A Genscher, Bundesminister AA 10229 C Gilges SPD 10231 A Breuer CDU/CSU 10232 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 10233 A Frau Fischer CDU/CSU 10234 A Kossendey CDU/CSU 10234 D Nächste Sitzung 10236 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10237* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 10237* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. April 1989 10185 138. Sitzung Bonn, den 21. April 1989 Beginn: 9.15 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 21. 04. 89 Dr. Ahrens SPD 21. 04. 89 * Amling SPD 21. 04. 89 Bamberg SPD 21. 04. 89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 21. 04. 89 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 21. 04. 89 Böhm (Melsungen) CDU/CSU 21. 04. 89 * Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 21. 04. 89 Clemens CDU/CSU 21. 04. 89 Egert SPD 21. 04. 89 Eimer (Fürth) FDP 21. 04. 89 Engelsberger CDU/CSU 21. 04. 89 Frau Fuchs (Köln) SPD 21. 04. 89 Funke FDP 21. 04. 89 Gattermann FDP 21. 04. 89 Dr. Glotz SPD 21. 04. 89 Grünbeck FDP 21. 04. 89 Dr. Hauff SPD 21. 04. 89 Dr. Häfele CDU/CSU 21. 04. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 21. 04. 89 Zuydtwyck Heimann SPD 21. 04. 89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 21. 04. 89 Dr. Holtz SPD 21. 04. 89 * Kleinert (Marburg) GRÜNE 21. 04. 89 Kolbow SPD 21. 04. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 21. 04. 89 Kreuzeder GRÜNE 21. 04. 89 Dr. Langner CDU/CSU 21. 04. 89 Frau Luuk SPD 21. 04. 89 * Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 21. 04. 89 Meyer SPD 21. 04. 89 Mischnick FDP 21. 04. 89 Dr. Mitzscherling SPD 21. 04. 89 Oesinghaus SPD 21. 04. 89 Oostergetelo SPD 21. 04. 89 Paintner FPD 21. 04. 89 Reuschenbach SPD 21. 04. 89 Frau Rock GRÜNE 21. 04. 89 Roth (Gießen) CDU/CSU 21. 04. 89 Schäfer (Offenburg) SPD 21. 04. 89 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 21. 04. 89 von Schmude CDU/CSU 21. 04. 89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 21. 04. 89 Schröer (Mülheim) SPD 21. 04. 89 Seidenthal SPD 21. 04. 89 Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 21. 04. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 21. 04. 89 Stiegler SPD 21. 04. 89 Stobbe SPD 21. 04. 89 Stratmann GRÜNE 21. 04. 89 Dr. Struck SPD 21. 04. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 21. 04. 89 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 21. 04. 89 Frau Dr. Wilms CDU/CSU 21. 04. 89 Frau Wollny GRÜNE 21. 04. 89 Würtz SPD 21.04.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Drucksache 11/3090 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/2956 Nr. 2.1 Drucksache 11/3311 Nr. 2.2 Finanzausschuß Drucksache 11/3882 Nr. 3.1 Drucksache 11/3927 Nr. 3.1 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/3831 Nr. 24 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/2956 Nr. 2.6 Drucksache 11/3117 Nr. 2.15 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/883 Nr. 137 Drucksache 11/1707 Nr. 30 Drucksache 11/3021 Nr. 2.15 Drucksache 11/3311 Nr. 2.20
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    Rede von Hermann Fellner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident, ich würde darum bitten — nicht meinetwegen, sondern im Interesse der Kollegen, da wir ohnehin schon so weit in Verzug sind —, daß ich meine fünf Minuten schnell erledigen kann und daß wir es nicht weiter verzögern.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Herr Fellner!)

    Meine Damen und Herren, ein Wesensmerkmal des Rechtsstaates besteht darin, daß er die Ausübung staatlicher Gewalt durch ihre Bindung an Recht und an Gesetze — und deshalb machen wir Gesetze — in Umfang und Einsatzmöglichkeiten begrenzt und dadurch den Bürger davor schützt, an der Ausübung seiner Freiheit von Staats wegen willkürlich gehindert zu werden.
    Aufgabe des Rechtsstaates ist es aber darüber hinaus auch, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, indem er sie davor bewahrt, Opfer von Übergriffen anderer Mitbürger zu werden, die es auf die Rechts- und Wirtschaftsgüter ihrer Nachbarn abgesehen haben.
    Aufgabe des Rechtsstaates ist also gleichermaßen, Übergriffe des Staates wie auch rechtswidrige Handlungen der Bürger zu bekämpfen und zu verhindern. Der Rechtsstaat hat also Sorge zu tragen, daß die gel-



    Fellner
    tende Rechtsordnung gewahrt und der innere Frieden aufrechterhalten wird.
    Zu den demokratischen Grundprinzipien gehört es, daß die Richtung der Politik von der Mehrheit des Volkes bestimmt wird. Ein Rechtsstaat muß gewährleisten können, daß rechtlich einwandfrei getroffene Entscheidungen von Parlament, Regierung und Administration auch umgesetzt und verwirklicht werden können. Ein Rechtsstaat kann es nicht hinnehmen, daß Entscheidungen und Maßnahmen des Staates gewaltsamer Widerstand entgegengesetzt wird. Es kann nicht hingenommen werden, daß Minderheiten, die aus guten Gründen keine Mehrheit für ihre Begehren erreichen, diese mit Gewalt und unter Mißachtung der Mehrheitsentscheidungen durchsetzen wollen.
    Ganz offensichtlich gibt es in der Bundesrepublik Deutschland politische Strömungen und Gruppen, die glauben, sich von der für alle gültigen Verbindlichkeit des Rechts lösen zu können. Zu ihren Strategien der Systemüberwindung gehören die Leugnung der Verbindlichkeit der Gesetze für sich selber und, als ein Mittel hierzu, die Ersetzung des strafrechtlichen Gewaltbegriffs durch einen sie entlastenden soziologischen Gewaltbegriff. Beispiele und Erwartungen dazu haben wir ja heute schon wieder ausreichend erleben dürfen.
    Sie definieren die Anwendung von Gewalt in politischen Auseinandersetzungen als sogenanntes Widerstandsrecht und behaupten, dies sei legitim und notwendig. Gegen diesen Versuch, schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsordnung zu legitimieren, muß klare Position bezogen werden. Das haben wir u. a. bei dieser jetzt zur Verabschiedung anstehenden Novelle getan. Die Zuhilfenahme eines Widerstandsrechts in diesem Zusammenhang ist nichts anderes als die Perversion dieses Begriffs. In einer Diktatur beruht die geistig-moralische Berechtigung des Widerstandes darauf,

    (Frau Hillerich [GRÜNE]: Wovon reden Sie eigentlich?)

    daß der Staat seinen Bürgern die elementaren Freiheitsrechte vorenthält. Gegen rechtsstaatliches Handeln im Rahmen der Gesetze und die demokratische Entscheidungsbildung im Verfassungsstaat kann es dagegen keine Legitimation zum Widerstand geben.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Widerspruch ja, Widerstand nein! — Frau Unruh [GRÜNE]: Republikaner lassen grüßen!)

    Wer das Entscheidungsrecht des demokratischen Rechtsstaates und die Bindung aller Bürger an das Gesetz in Frage stellt, betreibt die Auflösung des Rechtsstaates.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Er nimmt in Kauf, daß die Schutzfunktion des Staates außer Kraft gesetzt wird. Unser Rechtsstaat lebt nun einmal von der Verbindlichkeit des Rechtes für alle, egal ob es uns paßt oder nicht.

    (Frau Hillerich [GRÜNE]: Setzen Sie es doch außer Kraft!)

    Er lebt von der Gleichheit aller vor dem Gesetz und
    von der Gesetzestreue seiner Bürger. Niemand ist berechtigt, seine subjektiven Auffassungen zum allgemein maßgeblichen Maßstab für sein Verhalten zu machen und sich über das geltende Recht hinwegzusetzen.
    Gewalt und Rechtsbruch dürfen nicht beschönigt und nicht entschuldigt werden. Die Durchsetzung des Rechtsfriedens ist allein dem demokratisch legitimierten Staat übertragen. Die Alternativen wären Willkür und Faustrecht. Weil wir in der Vergangenheit mehrmals erleben mußten, daß diese Grundprinzipien mißachtet wurden und daß dieser Rechtsstaat nicht die Instrumente hatte, sich dagegen erfolgreich zur Wehr zu setzen, weil wir der Polizei nicht das ausreichende Instrumentarium dazu gegeben hatten, haben wir uns entschlossen, diese Novelle auf den Weg zu bringen. Wir halten das für ein Instrumentarium, das uns zumindest eine Chance gibt, daß sich Ereignisse, wie wir sie leider erleben mußten, in der Zukunft nicht wiederholen werden.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Graf.

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    Rede von Günter Graf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, daß der heutige 21. April als ein denkwürdiger Tag in die Geschichte dieser Bundesrepublik Deutschland eingehen wird, dies deshalb, weil die christlich-liberale Koalition heute hier mit einem liberalen Justizminister einen äußerst illiberalen Gesetzentwurf verabschieden will.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

    Illiberal ist dieser Gesetzentwurf unserer Auffassung zufolge, weil er dem eigentlichen Ziel, gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen wirksam zu bekämpfen, nicht gerecht wird. Vielmehr tangieren die gesetzgeberischen Maßnahmen in ganz erheblichem Umfange Grundrechtspositionen. Darüber hinaus gefährden sie die Akzeptanz des für das Strafrecht entscheidenden Legalitätsprinzips.
    Ich möchte zu zwei Bereichen kurz Stellung nehmen. Zum einen geht es um die Regelung für Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bei öffentlichen Versammlungen, und zum zweiten um die Strafbewehrung der Verbote der Vermummung und der passiven Bewaffnung bei öffentlichen Veranstaltungen.
    Zunächst zu § 12 a, der sich mit Ton- und Bildaufnahmen befaßt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre wünschenswert, die Befugnisse der Polizei bundeseinheitlich zu regeln. Dieses erscheint mir schon deshalb notwendig, weil die Regelungsversuche der verschiedenen Bundesländer in dieser Frage nicht zustande gekommen sind. Die Entwürfe zur Novellierung der Polizeigesetze der Länder Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes, aber auch der CDU-geführten Länder Niedersachsen und Hessen trugen eine weitaus liberalere Handschrift als der Gesetzentwurf der Bundesregierung,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)




    Graf
    ganz zu schweigen von dem von der SPD erarbeiteten Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder vom 21. Juni 1988.
    Dem vorliegenden Gesetzentwurf zufolge soll die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei künftig schon dann zulässig sein, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen. Dies bedeutet doch schlicht und ergreifend nichts anderes, als daß allein das Vorliegen einer Gefahr für nicht unerhebliche Vermögenswerte, was immer das sein mag, ausreicht, um Dokumentation zu betreiben.
    Ich frage Sie: Was bedeutet eigentlich die Formulierung, die da lautet: ,,... oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen" ? Meinem Rechtsempfinden zufolge läßt es diese Formulierung zu, bereits bei nichtöffentlichen Vorbereitungstreffen in privaten Räumlichkeiten Bild- und Tonaufzeichnungen durch die Polizei zuzulassen. Dies bedeutet dann doch wohl auch nichts anderes, als daß die Polizei künftig Wanzen oder ähnliche Geräte anbringen darf, um Gespräche abzuhören, ohne selbst anwesend zu sein.

    (Zurufe von den GRÜNEN: Genauso ist es! Unglaublich!)

    Ein solches vom Wortlaut des Gesetzes gedecktes Vorgehen verstößt nicht nur gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, sondern auch gegen die in Art. 13 des Grundgesetzes geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Des weiteren sieht der Gesetzentwurf vor, Bild- und Tonaufnahmen auch dann aufbewahren zu dürfen, wenn die betroffene Person verdächtigt wird, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der öffentlichen Versammlung lediglich vorbereitet zu haben. Dieses heißt im Klartext, künftig dürfen Speicherungen auch dann vorgenommen werden, wenn es sich um nach unserer Rechtsordnung straflose Vorbereitungshandlungen handelt. Mit dieser Vorschrift wird eine Ermächtigungsnorm geschaffen, nach der gerade Daten kritischer Mitbürger, die sich in aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen engagieren — ich sage und betone ausdrücklich, wir brauchen diese kritischen Mitbürger — , auf Dauer gespeichert werden dürfen.

    (Häfner [GRÜNE]: Noch schlimmer ist der nächste Satz!)

    Kolleginnen und Kollegen, es ist mehr als bedauerlich, daß derart verfassungsrechtlich bedenkliche Regelungen Eingang in das Versammlungsgesetz finden sollen. Vielleicht wäre dies nicht geschehen, hätte man rechtzeitig die Datenschutzbeauftragten zu Rate gezogen.
    Lassen Sie mich noch kurz auf einen weiteren Tatbestand des Versammlungsgesetzes zu sprechen kommen. Denn aus über 10jähriger Berufserfahrung als Zug- und Hundertschaftführer einer Polizeihundertschaft, die in dieser Republik an vielen Standorten bei vielen gewalttätigen Demonstrationen teilgenommen hat, glaube ich — ich habe es hier schon einmal gesagt — , daß Sie, wenn Sie dieses ein bißchen ernsthaft betrachten, die Glaubwürdigkeit meiner Angaben nicht anzweifeln werden.

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Das wäre schön, wenn Sie teilgenommen hätten!)

    Kolleginnen und Kollegen, diese Bundesregierung erweckt den Anschein, als werde durch die jetzt vorgesehene Einführung der Strafbewehrung des Verbots der Vermummung und der passiven Bewaffnung die zunehmende Gewalt radikaler Gruppen bei demonstrativen Anlässen gesenkt oder verhindert. Tatsache ist jedoch — darauf ist bereits mehrfach hingewiesen worden — , daß die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen im Jahre 1988 gegenüber den Vorjahren rückläufig war. Es steht fest — das ist unumstritten —, daß in den vergangenen Jahren beständig ca. 96 bis 97 % aller Demonstrationen friedlich verlaufen sind.
    Aufgabe der Politik ist es, zum Abbau des Gewaltpotentials beizutragen, d. h. die Politik muß geeignete Maßnahmen und geeignete Gesetze schaffen. Hier gibt es nun den politischen Streit über die Frage, ob das Sich-Vermummen in einer friedlichen Demonstration ein Straftatbestand werden soll oder nicht. Aus welchen rechtspolitischen Gründen das Sich-Vermummen in einer friedlichen Demonstration ein Straftatbestand werden muß, vermag ich auch nach der bisherigen Debatte nicht einzusehen. Schon jetzt kann die Polizei gegen Vermummte einschreiten. Sie darf deren Identität feststellen. Im Falle des Widerstandes macht sich der Vermummte strafbar. Wer sich vermummt, muß heute mit einer Geldbuße und morgen mit einer Geldstrafe rechnen. Ist dieses wirklich so entscheidend? Ich denke, daß sich diejenigen, die Straftaten planen und sich deswegen vermummen, durch ein strafbewehrtes Vermummungsverbot sicher nicht dazu bringen lassen werden, auf die ihnen schutzbietende Maskierung künftig zu verzichten. Vielleicht hinterläßt die Strafbewehrung einen nachhaltigeren Eindruck auf nicht gewaltbereite Bürger, aber sicher bin ich mir da nicht.
    Viel entscheidender dürfte sein, ob der Bürger erkennt, daß der Staat entschlossen ist, seinen Strafanspruch durchzusetzen. Dieses scheint mir bei der Einführung des Straftatbestandes der Vermummung nicht gewährleistet zu sein, denn durch den Ersatz des Opportunitätsprinzips durch das Legalitätsprinzip verliert der polizeiliche Einsatzleiter das entscheidende Mittel, die Friedlichkeit zunächst friedlicher Demonstrationen zu wahren. Ihm wird die Freiheit der Entscheidung genommen, auch dann für einen friedlichen Verlauf der Demonstration zu sorgen, wenn Vermummte auftreten. Vor diesem Hintergrund wage ich hier die Behauptung, daß sich künftig Bild und Charakter bisher friedlich verlaufender Demonstrationen ändern werden, wenn die Strafbewehrung des Vermummungsverbots durchgesetzt wird, und dies ist ja wohl der Fall. Ein solches Gesetz, wie es heute hier beschlossen werden soll, wird nicht das Gewaltpotential abbauen, sondern das Gegenteil bewirken.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeodneten der GRÜNEN)

    Kolleginnen und Kollegen, die von mir nur stichwortartig aufgegriffenen wesentlichen Änderungen



    Graf
    des Versammlungsgesetzes lassen eindeutig erkennen, daß die geplanten Neuregelungen verfassungsrechtlich mehr als bedenklich sind.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    In dem Volkszählungsurteil hat das Bundesverfassungsgericht u. a. ausgeführt, daß, wer damit rechnet, bei der Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert zu werden, möglicherweise von vornherein auf die Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichtet. In der Brokdorf-Entscheidung hat das gleiche Gericht hierauf verwiesen und darüber hinaus gefordert, daß der Maßstab für staatliche Maßnahmen, die das Grundrecht der Versammlungsfreiheit beschränken, wegen der besonderen Bedeutung dieses Grundrechts in einer Demokratie besonders streng sein muß. Diesem Maßstab wird der vorliegende Gesetzentwurf nicht gerecht. Er ermächtigt die Polizei zur Vornahme exzessiver Maßnahmen, die geeignet sind, den staatsfreien Charakter von Versammlungen zu beeinträchtigen und die Bürger von der Wahrnehmung ihrer Grundrechte abzuhalten. Hierin liegt nach unserer Auffassung ein Verstoß gegen den Art. 8 des Grundgesetzes und auch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
    Ein letztes Wort. In der Anhörung des Rechtsausschusses am 30. November 1988 zu dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen die vorgesehenen Neuregelungen abgelehnt, kritisiert und zum Teil als schädlich bezeichnet. Vor diesem Hintergrund frage ich: Welchen Sinn haben eigentlich Anhörungen, wenn die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP die Ergebnisse rüde ignorieren? Daß die FDP ihre liberalen und rechtsstaatlichen Grundsätze auf dem Altar des Koalitionsfriedens geopfert hat, ist bezeichnend für die Qualität dieses Gesetzes.
    Die SPD-Fraktion lehnt aus den vorgenannten Gründen diesen Gesetzentwurf ab.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)