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    Plenarprotokoll 11/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. März 1989 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 12: Aktuelle Stunde betr. politische Reaktion auf den Hungerstreik von Gefangenen aus der Rote-Armee-Fraktion und anderen Frau Dr. Vollmer GRÜNE 9961 B Dr. Laufs CDU/CSU 9962 B Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 9963 A Wolfgramm (Göttingen) FDP 9963 D Engelhard, Bundesminister BMJ 9963 D Dr. Schmude SPD 9964 B Seesing CDU/CSU 9965 B Dr. Penner SPD 9965 D Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 9966 C Frau Nickels GRÜNE 9967 D Geis CDU/CSU 9968 B Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 9969 A Wüppesahl fraktionslos 9969 D Dr. de With SPD 9970 C Eylmann CDU/CSU 9971 B Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt (Drucksache 11/2375) Schreiner SPD 9972 C Frau Hasselfeldt CDU/CSU 9975 C Frau Frieß GRÜNE 9977 C Heinrich FDP 9979 B Heyenn SPD 9982 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 9985 C Vennegerts GRÜNE 9989 B Doss CDU/CSU 9990 C Dr. Ehrenberg SPD 9992 C Scharrenbroich CDU/CSU 9994 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär, BMWi 9996 C Vizepräsident Cronenberg 9994 B Nächste Sitzung 9997 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9999* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9999* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. März 1989 9961 135. Sitzung Bonn, den 17. März 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Adler SPD 17.03.89 Dr. Ahrens SPD 17.03.89 * Dr. Apel SPD 17.03.89 Austermann CDU/CSU 17.03.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 17.03.89 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 17.03.89 Böhm (Melsungen) CDU/CSU 17.03.89 * * Dr. Briefs GRÜNE 17.03.89 Frau Conrad SPD 17.03.89 Diller SPD 17.03.89 Dreßler SPD 17.03.89 Egert SPD 17.03.89 Frau Eid GRÜNE 17.03.89 *** Gansel SPD 17.03.89 Gattermann FDP 17.03.89 Dr. Gautier SPD 17.03.89 Frau Geiger CDU/CSU 17.03.89 *** Genscher FDP 17.03.89 Glos CDU/CSU 17.03.89 Dr. Glotz SPD 17.03.89 Dr. Götz CDU/CSU 17.03.89 Dr. Hauff SPD 17.03.89 Haungs CDU/CSU 17.03.89 Hauser (Esslingen) CDU/CSU 17.03.89 Dr. Haussmann FDP 17.03.89 Häfner GRÜNE 17.03.89 Frau Hämmerle SPD 17.03.89 Heimann SPD 17.03.89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 17.03.89 Dr. Holtz SPD 17.03.89 *** Hoss GRÜNE 17.03.89 Ibrügger SPD 17.03.89 Irmer FDP 17.03.89 *** Jung (Düsseldorf) SPD 17.03.89 Kirschner SPD 17.03.89 Kittelmann CDU/CSU 17.03.89 ** Klein (Dieburg) SPD 17.03.89 Klein (München) CDU/CSU 17.03.89 Dr. Kohl CDU/CSU 17.03.89 Koltzsch SPD 17.03.89 Koschnick SPD 17.03.89 Kroll-Schlüter CDU/CSU 17.03.89 Lambinus SPD 17.03.89 Lutz SPD 17.03.89 Frau Luuk SPD 17.03.89 * Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 17.03.89 Meneses Vogl GRÜNE 17.03.89 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 17.03.89 Meyer SPD 17.03.89 Mischnick FDP 17.03.89 Dr. Mitzscherling SPD 17.03.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller CDU/CSU 17.03.89 * Peter (Kassel) SPD 17.03.89 Dr. Pinger CDU/CSU 17.03.89 Reddemann CDU/CSU 17.03.89 * Repnik CDU/CSU 17.03.89 *** Reuschenbach SPD 17.03.89 Frau Roitzsch CDU/CSU 17.03.89 (Quickborn) Schmidt (Salzgitter) SPD 17.03.89 *** Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 17.03.89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 17.03.89 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 17.03.89*** Schütz SPD 17.03.89 Dr. Sperling SPD 17.03.89 Dr. Stercken CDU/CSU 17.03.89 *** Stratmann GRÜNE 17.03.89 Frau Terborg SPD 17.03.89 Tillmann CDU/CSU 17.03.89 Timm FDP 17.03.89 Frau Dr. Timm SPD 17.03.89*** Dr. Unland CDU/CSU 17.03.89 * Voigt (Frankfurt) SPD 17.03.89 Vosen SPD 17.03.89 Dr. Warnke CDU/CSU 17.03.89 Wartenberg (Berlin) SPD 17.03.89 Frau Dr. Wilms CDU/CSU 17.03.89 Wissmann CDU/CSU 17.03.89 Würtz SPD 17.03.89 Würzbach CDU/CSU 17.03.89 Zeitler SPD 17.03.89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 17.03.89 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. März 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen: Gesetz zu dem Protokoll vom 26. November 1976 zum Abkommen vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters Gesetz zu dem Übereinkommen vom 18. Oktober 1969 zur Errichtung der Karibischen Entwicklungsbank Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2013 Drucksache 11/3088 Drucksache 11/3127 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/3995 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2153 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/1993 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2099 10000* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. März 1989 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/3909 Nr. 2 Drucksache 11/2580 Nr. 11 Drucksache 11/3021 Nr. 2.4 Drucksache 11/3636 Nr. 2.2 Drucksache 11/3882 Nr. 3.10, 3.28 Drucksache 11/4019 Nr. 2.4-2.9, 2.11-2.17 Drucksache 11/4081 Nr. 2.6 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/3558 Nr. 3.39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/839 Nr. 3 Drucksache 11/2899 Nr. 3.32
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christa Vennegerts


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Schönfärberei, Herr Minister Blüm, wird Ihnen nichts nützen. Es ist schon wirklich peinlich, wie Sie über die Massenarbeitslosigkeit hier gesprochen haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    In dieser Woche wurde im Fernsehen eine Sendung über den Duisburger Stadtteil Bruckhausen ausgestrahlt.

    (Günther [CDU/CSU]: Eine Verleumdung dieser Stadt!)

    Dort lebt über die Hälfte der Menschen von der Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe. Eine beklemmende Wirklichkeit hinter der Fassade der vermeintlichen Wohlfahrtsgesellschaft wurde offenbar: Sozial deklassierte und ausgegrenzte Menschen müssen in heruntergekommenen Wohnungen leben, teilweise ohne Strom. Bei diesen Opfern der Massenarbeitslosigkeit geht es um das nackte Überleben.

    (Günther [CDU/CSU]: Ein heuchlerischer Bericht war das! Fahren Sie mal hin und gukken Sie sich das mal an! Hetzkampagne des WDR!)

    Es dürften inzwischen einige Millionen Menschen sein, die in der Bundesrepublik in offener oder versteckter Armut leben müssen. Das ist leider die traurige Realität, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wer die Fernsehsendung über Duisburg-Bruckhausen gesehen hat,

    (Günther [CDU/CSU]: Ich wohne da, ich brauche keine Fernsehsendung!)

    muß den Eindruck gewinnen, daß es in der materiell reichen Bundesrepublik inzwischen so etwas wie die soziale Apartheid gibt.

    (Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Im 200. Jahr nach der welthistorisch bedeutsamen bürgerlichen Revolution in Frankreich sind deren Losungen in der Bundesrepublik nicht für alle Menschen verwirklicht. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, dies gilt offensichtlich nicht für die Dauererwerbslosen und die Sozialhilfeempfängerinnen, die mit 700 oder 800 DM im Monat auskommen müssen, und dies in einer Gesellschaft, die im Fernsehen, Rundfunk und in den Zeitungen wahre Reklamefeldzüge für schnelle Autos, teuren Schmuck und ähnlichen Luxus führt. Luxus, der Ersatz für Solidarität und Humanität!
    Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit hat zur Entsolidarisierung und brutalen Ausgrenzung von Minderheiten geführt. Inzwischen ist schon mehr als ein Drittel der Beschäftigten mindestens einmal arbeitslos gewesen. Die Regierung stellt sich nicht auf die Seite der Schwachen, im Gegenteil, sie unterstützt die Unternehmer in ihrer Forderung nach längeren Maschinenlaufzeiten. Wir GRÜNEN dagegen treten für eine Politik ein, die dauerhafte sinnvolle Arbeit und existenzsichernde Einkommen für alle anstrebt. Wir haben dazu zahlreiche Vorschläge ausgearbeitet. Ich erinnere an unser Programm „Umbau der Industriegesellschaft" , Schritte zur Überwindung von Erwerbslosigkeit, Armut und Umweltzerstörung, an unsere Gesetzentwürfe zur Arbeitszeitverordnung, zum Überstundenabbau und zur Förderung lokaler Beschäftigungsinitiativen, an unsere Konzepte zur existenzsichernden Grundsicherung für diejenigen, die ansonsten durch die Maschen des Sozialstaates fallen.

    (Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Wer Arbeitslosigkeit und Armut überwinden will, muß die Arbeit und die Einkommen umverteilen. Es gibt keinen anderen Weg. Dabei kommt der Verkürzung der Erwerbsarbeit eine zentrale Bedeutung zu. Es war deshalb ein Schritt in die richtige Richtung, als die Gewerkschaft ÖTV der Verkürzung der Wochenarbeitszeit, verbunden mit niedrigen Lohn- und Gehaltssteigerungen, zugestimmt hat. Die öffentlichen



    Frau Vennegerts
    Arbeitgeber haben dabei einige Milliarden DM für bereits eingeplante höhere Personalausgaben gespart, die für Neueinstellungen ausgegeben werden sollten. Was ist damit passiert? Wenn sich Bundesländer, wie Baden-Württemberg, Hessen und auch das Saarland mit Ministerpräsident Oskar Lafontaine, weigern, Neueinstellungen im öffentlichen Dienst vorzunehmen, kommt dies einem Betrugsmanöver nahe.

    (Zustimmung des Abgeordneten Scharrenbroich [CDU/CSU])

    Dies ist eine fatale Politik, die zukünftige beschäftigungsfördernde Arbeitszeitverkürzung konterkariert, eine Politik, mit der die Massenarbeitslosigkeit verfestigt wird.
    Wir GRÜNEN wollen eine aktive Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik. Das Beispiel Schwedens beweist, daß Massenarbeitslosigkeit kein unentrinnbares Schicksal sein muß. Massenarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, muß auch bei uns gesellschaftlich geächtet werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Doss [CDU/ CSU]: Beseitigen ist besser! — Louven [CDU/ CSU]: Wie soll die Ächtung aussehen, Frau Kollegin?)

    Es kommt eben auch auf eine Regierung an, die etwas gegen Arbeitslosigkeit tun will. Da haben Sie versagt. Im übrigen beweist Schweden auch, daß Sonderprogramme, die Sie immer so diffamieren, gegen Arbeitslosigkeit keineswegs zu dem von Ihnen vielbeschworenen Staatsbankrott führen müssen. Den Staatsbankrott bekommen Sie ganz alleine mit Ihrer Politik hin.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es muß daran erinnert werden, daß die jährlichen Kosten der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik schon gegenwärtig bei 55 Milliarden DM liegen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Eben!)

    Die Arbeitslosigkeit und auch die Umweltschäden konzentrieren sich in der Bundesrepublik in bestimmten Krisenregionen. In der regionalen Strukturpolitik müssen deshalb neue Akzente gesetzt werden. Das Instrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsförderung" sollte weiterentwickelt werden. Neben der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskraft müssen auch die Umweltbedingungen als Kriterium für die Bestimmung von Fördergebieten berücksichtigt werden.
    Ziel einer sinnvollen regionalen Strukturpolitik muß es sein, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen, z. B. im Bereich Altlastensanierung, Recyclingwirtschaft, Energieeinsparung und soziale Dienstleistungen. Es gibt durchaus Maßnahmen, um die Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, z. B. Beschäftigungs-
    und Qualifizierungsgesellschaften für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Erwerbslosen, wie das zum Teil im SPD-Antrag, der hier vorliegt, richtig angesprochen worden ist.
    Unerträglich und beschämend ist es, wie sich diese Regierung verhält: passiv und ignorant gegenüber
    Millionen von Menschen, die unverschuldet, Herr Minister, in Not geraten sind.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nach jeder neuen Wahlniederlage dieser Koalition behaupten Sie, es liege nicht an Ihrer Politik. Sie glauben, Ihren Schwindel nur besser und mediengerechter verkaufen zu müssen.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Na, na, na!)

    Das versuchen Sie wohl auch mit diesem Flugblatt, in dem Sie von der CDU den lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern frohe Ostern wünschen und sagen, Sie seien mit dem zufrieden, was Sie erreicht hätten, und führen die wenigen Arbeitsplätze an, die Sie geschaffen haben.

    (Louven [CDU/CSU]: Die wenigen?)

    Das ist Zynismus, das sind faule Eier. Sie werden die Quittung für diese Politik erhalten, einen Teil haben Sie schon bekommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Lautstärke ist kein Argument!)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Doss.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hansjürgen Doss


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Heyenn sprach von einem Skandal. Ich empfinde es als einen Skandal, wie ein Teil der politisch tätigen Menschen mit der Attitüde der höheren Moral Horrorszenarien aufbaut, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben

    (Heyenn [SPD]: Gibt es keine 700 000 Langzeitarbeitslosen?)

    und die uns daran hindern, in einer sachlichen Diskussion die wirklich drängenden Probleme zu lösen. Es ist wirklich unerträglich, wie Sie als die besseren Menschen die Bemühungen anderer, für die Massenarbeitslosigkeit, wo sie ist, bedrängend und bedrückend ist, darstellen.

    (Frau Traupe [SPD]: Wir kennen noch die Reden von 1981 und Ihre großen Sprüche, die Sie verbreitet haben!)

    — Sehen Sie, Sie sprechen jetzt wieder von „Sprüchen". Das ist das ganze Vokabular, auf das sich das reduziert, was Sie hier im Grunde genommen zum Anlaß dieser sehr ernsten Debatte von sich geben. Ich finde das bedauerlich; Ihre Dialogfähigkeit ist stark eingeschränkt.

    (Reimann [SPD]: Sagen Sie doch einmal was zur Sache!)

    — Das tue ich doch. (Andres [SPD]: Wann?)

    — Ich beginne damit. Das war ein hervorragender Beitrag von großem geistigem Anspruch.
    Der vorliegende Antrag der SPD — ich habe mich damit wirklich beschäftigt, weil es der Respekt vor Ihrer wirklich großen Fraktion gebietet — ist insoweit interessant, als er deutlich macht, daß die SPD mit ihrer Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik auf fal-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 135, Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. März 1989 9991
    Doss
    schen Analysen aufbaut — ich will das gleich nachweisen — und danach konsequent zu falschen Ergebnissen kommt, was nicht unlogisch ist.
    Der SPD-Antrag spricht von mäßigem Wirtschaftsaufschwung und von einer Stagnation der Konjunkturentwicklung. Tatsache ist, daß mit 3,5 % Wachstum 1988 die größte Steigerung des Bruttosozialproduktes in den 80er Jahren erfolgt ist.
    Der SPD-Antrag spricht von einem schwachen Beschäftigungsanstieg, der zum Erliegen gekommen sei. Tatsache ist: Ende 1988 gab es 145 000 Arbeitsplätze mehr als 1987. Von 1984 bis 1988 wurden mehr als 800 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.
    Der SPD-Antrag spricht von steigenden Arbeitslosenzahlen 1987 und 1988. Tatsache ist, Herr Kollege: Im Dezember 1988 hatten wir 120 000 Arbeitslose weniger als im Dezember 1987, trotz weiter zunehmender Erwerbsbeteiligung der Frauen — das ist eine Realität —,

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Aber im Jahresdurchschnitt mehr! — Andres [SPD]: Nennen Sie mal den Jahresdurchschnitt!)

    trotz 50 000 mehr Zugängen als Abgängen aus dem Erwerbsleben — das ist ja doch eine Realität — und trotz 243 000 deutscher Aus- und Übersiedler. Meine Damen und Herren, das können Sie doch nicht völlig ignorieren. Auch das ist doch ein Teil der Realität.

    (Andres [SPD]: Nennen Sie mal den Jahresdurchschnitt! Sie haben doch eben den Seriösen gespielt!)

    Der SPD-Antrag spricht von einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen von 1982 bis 1988 um fast eine halbe Million. Tatsache ist, daß die Zahl der Arbeitslosen im gleichen Zeitraum um rund 20 000 abgenommen hat. Das ist nicht so wahnsinnig viel, zugegeben.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Von 1982 bis 1988 abgenommen? Habe ich Sie richtig verstanden? — Sie hat um 20 000 abgenommen. (Dr. Ehrenberg [SPD]: Von wann bis wann?)

    — Von 1982 bis 1988.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Wie bitte? Sie hat um 400 000 zugenommen!)

    — Es ist doch gar nicht wahr.

    (Frau Traupe [SPD]: Daß Sie noch nicht mal Zahlen lesen können!)

    Die Zahl der Kurzarbeiter ist um eine halbe Million zurückgegangen und die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen um 60 000.
    Der SPD-Antrag spricht weiter von 22,44 Millionen abhängig Beschäftigten und von einer nur unwesentlichen Zunahme bis 1988. Tatsache ist, daß wir mit rund 26,2 Millionen Beschäftigen den höchsten Beschäftigungsstand erreicht haben, den die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Geschichte kennt.
    Also, ich finde, man sollte die Ablehnung der Volkszählung nicht so weit treiben, daß man deren Ergebnisse nicht mehr zur Kenntnis nimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der SPD-Antrag geht von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Konjunktur und Arbeitsmarktentwicklung aus. Dieser Zusammenhang besteht. Das beweisen die Zahlen von 1981 und 1982. 1981 gab es Null-Wachstum. Sie werden sich erinnern, oder haben Sie es vielleicht schon verdrängt? Es gab 186 000 verlorene Arbeitsplätze und 420 000 Arbeitslose mehr. Das war ein explosiver Anstieg um rund 43 %. 1982 gab es 1 % Minuswachstum, 441 000 verlorene Arbeitsplätze und 560 000 Arbeitslose mehr. Das war noch einmal eine Explosion um 44 %.

    (Günther [CDU/CSU]: Nackte Tatsachen!)

    Der Zusammenhang zwischen Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung besteht. Er ist nur nicht ausschließlich wirksam. Das ist das Problem, über das man mit Ihnen reden muß. Hier würde unser, wenn man so will, beschäftigungspolitischer Nachhilfeunterricht für die SPD ansetzen müssen.
    Nur wer daran glaubt, daß es eine Monokausalität der Arbeitslosigkeit gibt, ist zu dem Vorschlag fähig, scheinbare Wachtumsdefizite durch staatliche Programme zu kompensieren, um auf diese Weise die notwendigen Arbeitsplätze zu schaffen. Daraus ist die Illusion entstanden, Arbeitslosigkeit könnte allein durch staatliche Maßnahmen beseitigt werden.

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Nicht allein, sondern auch!)

    Vollbeschäftigung wäre demnach nur eine Frage der Höhe der einzusetzenden Mittel.
    Tatsache ist jedoch: Arbeitslosigkeit hat viele, aber vor allem strukturelle Ursachen, die zu ignorieren Beschäftigungspolitik zur Erfolglosigkeit verurteilt. Es kann nur verwundern, daß die SPD aus ihren eigenen Erfahrungen von 1974 bis 1982 nichts gelernt hat: 17 Konjunkturprogramme, 50 Milliarden DM Kosten, Beschäftigungseffekt gleich Null, darüber hinaus noch kontraproduktiv durch wettbewerbsverzerrende Nebenwirkungen und über 1,2 Millionen zusätzliche Arbeitslose.
    Natürlich erkennt die Bundesregierung die Notwendigkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit an. Mit 3,3 Milliarden DM haben wir 1988 die Mittel für ABM gegenüber 1982 vervierfacht. 5,6 Milliarden wurden für berufliche Weiterbildung und für aktive Arbeitsmarktpolitik insgesamt 6,9 Milliarden DM ausgegeben. Der Bundesregierung vor diesem Hintergrund beschäftigungspolitische Tatenlosigkeit, wir hier geschehen, vorzuwerfen, das ist schon ganz schön unverfroren.

    (Heyenn [SPD]: Eine halbe Million Arbeitslose mehr!)

    Eine Million zusätzliche Arbeitsplätze in sechs Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wirklich ein beschäftigungspolitischer Erfolg einer Wirtschaftspolitik ohne teure manipulative staatliche Eingriffe in den Markt.



    Doss
    Man hat den Eindruck, als wehre sich die SPD dagegen, die tatsächlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit zu erkennen und zu diskutieren. Eine differenzierte Betrachtung könnte ja dem Killerargument Massenarbeitslosigkeit die Schlagkraft nehmen.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Sind zwei Millionen keine Massen?)

    Das Erzielen von Erfolgen auf dem Arbeitsmarkt ist nicht so einfach, wie hier dargetan. Mit Schlagworten und Parolen ist da nichts zu machen.

    (Heyenn [SPD]: Das sollten Sie sich einmal merken!)

    Die Voraussetzungen dafür sind stabile politische Rahmenbedingungen und eine stabile positive Konjunkturentwicklung.
    Sind diese Voraussetzungen gegeben, müssen wir zunächst die Frage stellen: Wie können wir die Betriebe befähigen, die benötigte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen?
    Zweite Frage: Wie lösen wir das in verschiedenen Branchen und Regionen bestehende Problem des gravierenden Arbeitskräftemangels insbesondere bei Facharbeitern.
    Die dritte Frage: Inwieweit sind Arbeitslose in bestehende und neu zu schaffende Stellen zu vermitteln?
    Diese Fragen zu tabuisieren nutzt niemandem. Ihre Beantwortung von der monatlichen Statistik der Bundesanstalt zu verlangen hat nichts mit Bilanzschönung zu tun. Eine umfassende Problembeschreibung geht der Lösung notwendigerweise voraus.
    Die Diagnose der Ursachenforschung kommt aber im Antrag der SPD zu kurz. Der Vorschlagskatalog ist demzufolge unvollständig, überholt, ordnungspolitisch bedenklich und dort, wo er Arbeit weiter verteuert, kontraproduktiv.

    (Frau Traupe [SPD]: Gebetsmühle!)

    Ich kann der SPD nur raten, ihren Antrag zurückzuziehen.
    Denken wir gemeinsam darüber nach, wie wir die mittelständischen Betriebe — dort sind die meisten Arbeitsplätze — in die Lage versetzen können, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wie sie investieren können, wie wir die Arbeitslosen befähigen, die Arbeitsplätze, die unbesetzt sind, zu besetzen und wie wir die Bundesanstalt für Arbeit beim Verwalten entlasten, damit sie sich wieder stärker dem Vermitteln zuwenden kann.
    Das Problem Arbeitslosigkeit lösen wir nicht mit mehr Staat, sondern nur mit mehr Markt, mit mehr privater Initiative, mit mehr Wettbewerb und mehr Leistung. Arbeit entsteht durch Arbeit und nicht durch Verordnung und erst recht nicht durch zweckfremde Anträge, die das Problem der Arbeitslosigkeit im Prinzip zu polemischen Auseinandersetzungen degradieren.
    Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Traupe [SPD]:Nein, das war schlimm!)