Rede von
Dr.
Herta
Däubler-Gmelin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind noch ziemlich am Anfang der Aktuellen Stunde. Ich denke, wir sollten deshalb eine kurze Überlegung anstellen, welchen Sinn sie eigentlich haben soll.
Der Sinn könnte darin bestehen, Einigkeit darüber zu erzielen, daß wir hier genausowenig wie die Kolleginnen und Kollegen in Hamburg, die gestern in der Bürgerschaft diskutiert haben, oder die Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen, die dieses Thema ebenfalls gestern erörtert haben, ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Hungerstreikenden sind, auch nicht derjenigen, die sie unterstützen. Die Einigkeit, die wir herstellen sollten, geht auch in eine andere Richtung: daß heute hier kein Platz sein sollte für parteipolitisch motivierte Auseinandersetzungen oder gar den Kampf um die Luftherrschaft über den Stammtischen.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir tragen auch Verantwortung, obwohl wir, jedenfalls nicht im Bundestag, zu dem Kreis der verantwortlich Handelnden gehören. Es geht um Menschenleben. Wir sollten die Verantwortung, die wir gerade auch für die Hungerstreikenden haben, die wegen terroristischer Gewalttaten verurteilt wurden und sich jetzt wieder bis zu ihrem eigenen Tod fanatisch verrennen, ernst nehmen.
Wir tragen aber auch Verantwortung dafür, soweit wir können, dabei mitzuwirken, daß sich jener schreckliche Kreis — Opfer von Menschenleben durch Gewalt, staatliche Reaktion und neue Gewalt — nicht wieder schließt. Er zieht alle diese bitteren Folgen an Leid und Schaden auch für unseren inneren Frieden nach sich, die wir nun wahrhaftig lange genug kennen.
Was können wir heute sagen? Ich denke, wir sollten feststellen, daß es einen Sonderstatus oder Sonderrechte für politisch motivierte Gewalttäter nicht gibt und nicht geben kann, daß sie nicht richtig und auch nicht wünschenswert sind, und zwar weder bei der Anwendung der Strafgesetze noch im Strafvollzug. Wir sollten klar herausstellen, daß das Forderungspaket der Hungerstreikenden deshalb nicht durchsetzbar sein kann und daß es eine schreckliche, ja eine tödliche Illusion wäre, wenn die heutige Aktuelle Stunde bei den Hungerstreikenden selber, bei ihren Angehörigen und bei allen, die mit ihnen sprechen können — dieser Kontakt muß ja ausgebaut werden; ich denke, da sind wir einig — , daran Zweifel aufkommen lassen könnte.
Aber wir sollten auch klar und deutlich erklären, daß wir, wenn wir sagen, es kann keine Sonderrechte und keinen Sonderstatus geben, auch dazu ermutigen müssen, daraus die Folgerungen zu ziehen, wo immer das möglich ist, gerade weil die vorhandene Zeit so schrecklich schnell abäuft: Bei der Begnadigung gibt es sehr dankenswerte Schritte von Ministerpräsidenten der Länder. Bundespräsident von Weizsäcker hat letzte Woche eine wohlüberlegte und durchdachte Entscheidung getroffen. Die Angriffe gegen ihn waren das weniger, weil sie diese Sonderrolle und den Sonderstatus verurteilter Terroristen eher bestätigt haben.
Aber, meine Damen und Herren, noch etwas sollte als Signal von der heutigen Aktuellen Stunde ausgehen: Folgerungen können und müssen auch im Strafvollzug in bezug auf Hungerstreikende und politisch motivierte und wegen terroristischer Gewalttaten verurteilte Straftäter gezogen werden.
Ich spreche hier den Normalvollzug an. Ich frage mich wirklich, und ich frage alle, die verantwortlich handeln müssen, ob es noch ausreichen kann zu erklären, warum das im Einzelfall nicht möglich ist. Ich meine: Nein. Ich spreche auch die Frage der Hochsicherheitstrakte an, deren Auswirkungen — wir wissen das heute — mehr als bedenklich und zweifelhaft sind.
Meine Damen und Herren, es gibt in den letzten Tagen eine ganze Reihe anderer Überlegungen. Sie sind öffentlich geworden; sie hätten schon längst von den zum Handeln Verantwortlichen aufgegriffen werden müssen, ausgelotet werden können,
und wir danken all denen, die das wirklich ernsthaft versuchen.
Uns Sozialdemokraten geht es darum, auch heute diese Aufforderung zu unterstreichen und den Appell an die Verantwortlichkeit der Handlungsbeauftragten zu unterstützen. An der Bestärkung falscher Positionen oder auch an der Verhärtung falscher oder zu starrer Fronten, Herr Laufs, beteiligen wir uns nicht.
Danke schön.