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ID1113201200

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    Plenarprotokoll 11/132 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 132. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9729 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) (Drucksache 11/4124) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Drucksache 11/4125) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Altersversorgung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Bundesministern und Parlamentarischen Staatssekretären (Drucksache 11/4142) Dr. Blüm CDU/CSU 9729 C Dreßler SPD 9734 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 9738 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 9741 D Günther CDU/CSU 9745 A Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 9749 C Heinrich FDP 9751 D Frau Unruh GRÜNE 9754 C Heyenn SPD 9756 C Gerster (Mainz) CDU/CSU 9759 C Bernrath SPD 9761 D Richter FDP 9764 A Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . . 9765D Wüppesahl fraktionslos 9767 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 9771 C Nächste Sitzung 9771 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9773* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9773* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. März 1989 9729 132. Sitzung Bonn, den 10. März 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 10. 03. 89 * Austermann CDU/CSU 10. 03. 89 Bohl CDU/CSU 10. 03. 89 Böhm (Melsungen) CDU/CSU 10. 03. 89 ** Brandt SPD 10. 03. 89 Breuer CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. von Bülow SPD 10. 03. 89 Catenhusen SPD 10. 03. 89 Egert SPD 10. 03. 89 Ehrbar CDU/CSU 10. 03. 89 Engelsberger CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. Faltlhauser CDU/CSU 10. 03. 89 Francke (Hamburg) CDU/CSU 10. 03. 89 Gattermann FDP 10. 03. 89 Dr. Gautier SPD 10. 03. 89 Dr. Geißler CDU/CSU 10. 03. 89 Genscher FDP 10. 03. 89 Dr. Göhner CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. Götz CDU/CSU 10. 03. 89 Graf SPD 10. 03. 89 Dr. Hauchler SPD 10. 03. 89 Dr. Hauff SPD 10. 03. 89 Heistermann SPD 10. 03. 89 Herkenrath CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 10. 03. 89 Ibrügger SPD 10. 03. 89 Dr. Kappes CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. Klejdzinski SPD 10. 03. 89 * Koltzsch SPD 10. 03. 89 Koschnick SPD 10. 03. 89 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 10. 03. 89 Dr.-Ing. Laermann FDP 10. 03. 89 Lennartz SPD 10. 03. 89 Link (Diepholz) CDU/CSU 10. 03. 89 Meneses Vogl GRÜNE 10. 03. 89 Meyer SPD 10. 03. 89 Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU 10. 03. 89 Mischnick FDP 10. 03. 89 Dr. Mitzscherling SPD 10. 03. 89 Dr. Müller CDU/CSU 10. 03. 89 ** Müller (Düsseldorf) SPD 10. 03. 89 Müller (Schweinfurt) SPD 10. 03. 89 Niegel CDU/CSU 10. 03. 89 * Dr. Niese SPD 10. 03. 89 Pfuhl SPD 10. 03. 89 Reuschenbach SPD 10. 03. 89 Rixe SPD 10. 03. 89 Dr. Scheer SPD 10. 03. 89 * Schmidt (München) SPD 10. 03. 89 ** Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Schoppe GRÜNE 10. 03. 89 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 10. 03. 89 Dr. Schöfberger SPD 10. 03. 89 Schreiber CDU/CSU 10. 03. 89 Schröer (Mülheim) SPD 10. 03. 89 Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 10. 03. 89 Stratmann GRÜNE 10. 03. 89 Frau Dr. Timm SPD 10. 03. 89 Frau Trenz GRÜNE 10. 03. 89 Vahlberg SPD 10. 03. 89 Dr. Vogel SPD 10. 03. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 10. 03. 89 Wilz CDU/CSU 10. 03. 89 Wischnewski SPD 10. 03. 89 Würzbach CDU/CSU 10. 03. 89 Zierer CDU/CSU 10. 03. 89 * Dr. Zimmermann CDU/CSU 10. 03. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Februar 1989 ihren Antrag Initiativen zum Verbot der Herstellung und Lagerung chemischer Waffen und der Verhinderung ihrer Wetterverbreitung - Drucksache 11/3639 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Haushaltsausschuß Drucksache 11/3664 Drucksache 11/3808 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 10/5325 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/1030 Drucksache 11/2096 Drucksache 11/2097 Drucksache 11/2734 Drucksache 11/3069 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/3882 Nr. 3.4, 3.6-3.9, 3.11-3.21 Drucksache 11/3927 Nr. 3.3, 3.4 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/2089 Nr. 27 Drucksache 11/3558 Nr. 3.36 Drucksache 11/2724 Nr. 21-23 Drucksache 11/2899 Nr. 3.20-3.26 Drucksache 11/3021 Nr. 2.10 Drucksache 11/3831 Nr. 21- 23 Drucksache 11/2465 Nr. 2.21 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/4019 Nr. 2.44 9774* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. März 1989 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 24. Februar 1989 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1987 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß ist vom Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt worden. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 24. Februar 1989 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1988 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Nachtrag zum Wirtschaftsplan im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Marieluise Beck-Oberdorf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens stelle ich fest: Wie Herr Cronenberg soeben noch einmal sehr deutlich



    Frau Beck-Oberdorf
    dargelegt hat, ist diese Rentenreform in einer reinen Männerrunde ausgehandelt worden. Ich werde Ihnen darlegen, daß die Ergebnisse in der Tat damit auch etwas zu tun haben. Die Frauen kommen bei dieser Rentenrunde schlecht weg. Das ist eben immer so, wenn man die Männer unter sich läßt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zweitens. Herr Dreßler, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, hätte ich mir doch überlegt, was ich denn nun falsch gemacht habe. Denn daß Sie nun Lob von allen Seiten bekommen, sowohl von der FDP als auch von Herrn Blüm, das müßte Sie in der Tat doch etwas stutzig machen.
    Die Debatte um die Rente wird hier ja sehr schnell auf den Kampf um Prozente, Anrechnungsmodelle, Laufzeiten und Schwankungsreserven verkürzt. Uns GRÜNEN geht es aber um sehr viel mehr. Es geht um die Frage, wie mit dem Alter in dieser Gesellschaft umgegangen wird. Es geht um die Frage, was für Rechte, was für Lebensräume alten Menschen eingeräumt werden sollten, d. h. auch, ob wir Jungen uns darauf verständigen können, daß wir nie und nimmer von „Alterslast" oder von „Altersberg" reden und dementsprechend auch nicht versuchen, die Kosten für die Alten möglichst niedrig zu halten. Ausgangspunkt für die Debatte um die Versorgung der Alten muß deswegen die Frage sein: Was braucht ein Mensch, um in Würde alt zu sein? und nicht etwa: Was glauben wir für die Alten ausgeben zu können?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Chance, im Alter in Würde zu leben, hat viel mit unseren gesellschaftspolitischen Entscheidungen zu tun: mit unserer Wohnungspolitik, mit Bildungs- und kulturellen Angeboten, ja, selbst mit solchen Fragen wie Schönheitsidealen, wo nur die der Jungen und nicht die der Alten gelten.
    Aber das alles hat auch mit Geld zu tun. Würdevolles und vor allem aktives Leben im Alter ist kaum möglich, wenn man arm ist; denn Armut schneidet vom Leben ab. Wenn jede Busfahrkarte zum finanziellen Problem wird, können auch keine sozialen Kontakte gepflegt werden. Wenn die Kinokarte nicht mehr ins Budget paß oder wenn das Gläschen Wein im Gasthaus zur finanziellen Hürde wird, von Ausflügen und Reisen ganz zu schweigen, dann eben beginnt das elende Leben in Einsamkeit und Isolation.
    Die Hauptfrage, an der sich diese Reform messen lassen muß, ist also, ob sie geeignet ist, die Armut im Alter zu beseitigen, und das, meine Damen und Herren, leistet sie nicht. Diese Reform kann es auch gar nicht leisten. Denn sie hält am System der lohn- und beitragsbezogenen Rente fest.

    (Dreßler [SPD]: Das ist richtig! — Weitere Zurufe von der SPD: Jawohl!)

    Einer der vielen Lieblingssprüche unseres verehrten Sozialministers ist ja der von der Rente als Alterslohn für Lebensleistung. Nun haben Hunderttausende von alten Menschen, insbesondere Frauen, Renten zwischen 300 und 500 DM. Haben die also in ihrem Leben nichts geleistet? Oder wie ist es mit den Arbeiterinnen, die trotz jahrzehntelanger Arbeit Renten unterhalb der Sozialhilfe haben? Wie steht es mit
    deren Leistung? Oder wie ist es mit der Frau, die als Putzfrau — vielleicht neben der Pflege der Kinder oder der Schwiegermutter — nur das Zubrot erarbeitet hat? Sie alle bekommen keine ausreichende Rente, weil Leistung bei uns anders definiert ist, weil sich unser Rentensystem an der lebenslangen Erwerbstätigkeit, also eigentlich am männlichen Normalarbeitnehmer mit 45 Verdienstjahren, orientiert.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch barer Unsinn!)

    Aber Frauen haben Brüche in ihren sogenannten Erwerbsbiographien. Oft waren sie gar nicht sozialversicherungspflichtig tätig. Sie haben unverschämt niedrige Löhne. Sie sind oft Jahre aus dem Beruf herausgegangen, um die Kinder zu betreuen, und die Quittung bekommen sie im Alter. Denn dieses Leben bezahlen sie obendrein oft mit Armut. Solange das System der Rente von der vollen Erwerbsbiographie als Normalfall ausgeht, wird es Armut im Alter geben, insbesondere für Frauen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es ist geradezu infam, wenn gerade von seiten der CDU und der FDP das hohe Lied der Teilzeitbeschäftigung und der flexiblen Arbeitsverhältnisse gesungen wird — und Sie betreiben diesen wirtschaftspolitischen Kurs — , während Sie gleichzeitig im sozialen Sicherungssystem keinerlei Anstalten machen, sich von der Fiktion der Vollerwerbstätigkeit zu lösen.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN — Dr. Probst [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist barer Unsinn!)

    Hier richtet sich mein Zorn auch gegen Sie von der SPD. Sie wissen, daß das Normalarbeitsverhältnis allerorten aufgeweicht wird. Sie wissen, daß Frauen keine geschlossenen Erwerbsbiographien haben, sonst hätten Sie auf dem Münsteraner Parteitag nicht die soziale Mindestsicherung gefordert. Aber Ihre Parteitagsbeschlüsse scheinen Sie selbst ja nicht zu interessieren.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Sie sehen das alles nur durch Ihre verklärte Brille!)

    So haben Sie gemeinsam mit Herrn Blüm an einem Rentensystem festgehalten, das die Armut im Alter fortschreibt.
    Daran ändert auch die Rente nach Mindesteinkommen nichts, die in diesem Entwurf fortgeschrieben wird. Der Anspruch gilt nur für Frauen, die wenigstens 35 Versicherungsjahre aufzuweisen haben.

    (Reimann [SPD]: Für 75 %!)

    Das heißt, der Korb ist noch höher gehängt worden. Selbst die Frauen — Frauen sind zumeist betroffen — die die Aufstockung in voller Höhe bekommen, werden trotzdem häufig noch unterhalb des Sozialhilfeniveaus liegen. Die Rente nach Mindesteinkommen kann aber auch bei 653 DM liegen, wenn z. B. nur 25 aufstockungsfähige Jahre vorliegen. Das werden Sie doch wohl nicht Beseitigung von Altersarmut nennen wollen, Herr Dreßler.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Frau Beck-Oberdorf
    Die Grundzüge des vorliegenen Rentenkompromisses, der genau wie die sogenannte Gesundheitsstrukturreform eine Sparreform ist, werden langfristig eher noch zur Verschärfung der Armut im Alter führen. Ich werde das belegen.
    Erstens. Mit der Absenkung des Nettorentenniveaus auf etwa 70 % nach 45 Versicherungsjahren kann von einer Lebensstandardsicherung nicht mehr gesprochen werden. Der Anteil derjenigen, die ein Leben lang durchschnittlich verdienen, ist gering. Zumindest ein Vierteil von ihnen erreicht nicht einmal 40 Versicherungsjahre. So liegen 90 % der Frauen unterhalb dieses Modellfalles, der als Meßlatte angelegt wird.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Ja, derzeit!)

    Zweitens. Der Entwurf baut Momente des Solidarausgleichs ab. Zeiten von Erwerbslosigkeit und Langzeitkrankheit werden jetzt auch in der Rente zu Buche schlagen, weil Sie den Rentenanspruch auf 80 % für diese Zeiten senken. Die Bestrafung erfolgt also doppelt, erst während der Erwerbslosigkeit oder Krankheit — beide sind wahrlich unverschuldet und nicht freiwillig gewählt — und dann noch einmal im Alter. Das ist wieder einmal ein Bausteinchen des sogenannten Umbaus des Sozialstaats von Herrn Blüm nach dem Motto: freie Fahrt dem Starken, nur daß die SPD diesmal aktiv mit dabei war.
    Drittens. Die Heraufsetzung der Altersgrenze wird indirekt zu Rentenkürzungen für viele führen. Während heute die Gewerkschaften im Tausch für Arbeitszeitverkürzung Lohnzurückhaltung üben — dazu werden sie auch ständig aufgefordert —, während die Flexibilisierung im Tausch für Arbeitszeitverkürzung ständig vorangetrieben wird, wird durch die Ausdehnung der Lebensarbeitszeit dieser Gewinn am Ende wieder kassiert.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Auch da haben Sie mitgemacht. All diejenigen, die vor 65 in Rente gehen wollen, und all die, die in Rente gehen müssen, weil sie verbraucht und mürbe sind — durch die Art von Arbeitshetze, die unsere Betriebe und unsere Produktion bestimmen — , werden das mit hohen Renteneinbußen zu bezahlen haben. Stellen Sie sich vor: Eine Frau, die in der Regel sowieso schon eine Minirente hat, muß nun auch noch auf über 10 Rente verzichten, wenn sie mit 62 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen will. Ich werde darauf warten, Frau Schmidt, ob Sie nachher tatsächlich noch einmal behaupten wollen, diese Rentenreform sei zugunsten der Frauen ausgegangen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Viertens. Das Süssmuth-Bonbon — ich meine die Anrechnung von drei Kindererziehungsjahren — ist zum Genuß für das Jahr 2025 oder 2030 vorgesehen. Man mache sich das einmal klar. Herr Blüm sagt selber, daß er über das Jahr 2010 hinaus kaum etwas über die Entwicklung der Rentenkassen sagen kann. Das ist vermutlich auch realistisch. Nun kommt er daher und verspricht den Frauen für den Sankt-Nimmerleins-Tag einen Bonus für die Kindererziehung. Vermutlich wird man neben der Stiftung „Mutter und Kind" demnächst den Frauen auch noch mit den Rentenjahren kommen, wenn sie zum Austragen eines Kindes gebracht werden sollen.
    Ich möchte hier sehr deutlich sagen: Der Gedanke der Anrechnung von Kindererziehung in der Rente ist grundsätzlich richtig. Denn endlich wird eine andere Leistungsidee mit aufgenommen. Er trägt der Tatsache Rechnung, daß fast jede Frau, die ein Kind hat, deswegen Unterbrechungen oder Einschränkungen in der Erwerbstätigkeit hinnehmen mußte oder wollte.
    Aber der vorgelegte Vorschlag ist geradezu grotesk. Nicht nur, daß er die Frauen auf das Jahr 2030 vertröstet, sondern er gewährt die Anrechnung nur denen, die aus dem Beruf herausgegangen sind. Oft sind das Frauen, die sich das nur leisten können, weil sie z. B. einen gut verdienenden Ehemann haben und weil sie eben die Erwerbstätigkeit nicht aus finanzieller Not weiterführen müssen. Die Alleinerziehende aber, die gar nicht die Wahl hat zwischen Zu-Hause-Bleiben und Berufstätigkeit, die Frau, deren Ehemann so schlecht verdient, daß sie selbstverständlich auch verdienen muß, die wird mit ihren Versicherungsbeiträgen also die Erziehungsrente der Nachbarin zahlen und guckt obendrein selber bei ihrer Rente in die Röhre.
    Nein, dieses System ist schreiend ungerecht.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich kann nur hoffen, daß die Frauen und die Frauenverbände Ihnen das um die Ohren schlagen werden. Ganz abgesehen davon, daß es ja wohl vollkommen willkürlich und unmöglich ist, diese Regelung ab 1991 anlaufen zu lassen und die Frauen von heute außen vor zu lassen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sehr richtig!)

    Da hätten wir ja eine Neuauflage der TrümmerfrauenDiskussion. Sie scheinen offensichtlich nichts dazuzulernen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nun wird zur Begründung dieser Reform wieder einmal das Wörtchen Ausgewogenheit beschworen. Das haben wir heute ja des öfteren gehört. Jeder trage ein bißchen von der Last, ein Teil die Rentner und Rentnerinnen, ein Teil die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, ein Teil der Staat mit seinem Bundeszuschuß. Dabei wird elegant darüber hinweggemogelt, daß der Bund meilenweit davon entfernt ist, den Anteil in die Kasse hineinzugeben, den er die Versichertengemeinschaft für allgemeine Aufgaben zahlen läßt. Nur mit einem rechnerischen Trick, nämlich der Aufstockung um die Kindererziehungsbeiträge, kommen Sie auf 20 % Bundeszuschuß. Die Kosten der sogenannten Fremdleistungen liegen aber bei 30 %.

    (Dreßler [SPD]: Quatsch!)

    — Das sagt doch der VdR selbst, Herr Dreßler.

    (Dreßler [SPD]: Das sagt keiner vom VdR! Diese Angabe ist Quatsch!)

    Der Bund hat sich Jahr für Jahr aus der Finanzierung der eigentlich ihm obliegenden sozialen Aufga-



    Frau Beck-Oberdorf
    ben zurückgezogen, und zwar sowohl zu Zeiten der CDU/CSU als auch zu Zeiten der SPD.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Natürlich, eine Steuerreform des Hauses Stoltenberg wie im vergangenen Jahr und sozialer Ausgleich, wie jetzt bei der Rente nötig, gehen nicht zusammen. Ich sage Ihnen: Wir hätten bei dieser Reform ohne weiteres die Möglichkeit zu einer Mindestsicherung im Alter gehabt, wenn der Bundeszuschuß auf den Anteil aufgestockt worden wäre, der auch aus den Kassen herausfließt, nämlich auf die 30 %.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das weiß auch die SPD, das wußte auch Herr Dreßler. Sie werden Rede und Antwort stehen müssen, warum Sie sich auf diesen Deal eingelassen haben, Herr Dreßler. Der Rentenarmut wird mit dieser Reform nicht zu Leibe gerückt. Im Gegenteil.
    Auf ganz sanfte Pfoten allerdings haben Sie sich bei zwei Gruppen begeben, die sich vor Armut im Alter nicht fürchten müssen, nämlich bei den Beamten und bei der Knappschaft. Daß die Idee der Grundsicherung nicht falsch ist, wissen ja die Beamten; sonst gäbe es bei ihnen nicht das System der Mindestsicherung, das einem Beamten nach fünf Dienstjahren eine grundständige Absicherung gewährt.

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Nach zehn Jahren!)

    Was aber für Beamte recht ist, sollte für andere Alte billig sein.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das Niveau der Beamtenversorgung ist so hoch, daß sie 36 % ihres Einkommens in eine Rentenversicherung einzahlen müßten, wenn mit gleichen Maßstäben gemessen würde. Aber an diese Pfründe hat sich niemand herangetraut.

    (Zuruf von der SPD: Pfründe?)

    Daran ändert auch der windelweiche Vorschlag zur Angleichung nichts, der vorgelegt wurde. Wir werden ihn deswegen ablehnen.
    Eine wirkliche Reform der Alterssicherung hätte in der Tat bedeutet, daß neue Finanzierungsquellen erschlossen werden. Dazu gehören die Beamtenpensionen, dazu gehören die Selbständigen und die Unternehmensgewinne.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Sie werden ja nicht müde, den Leuten zu erzählen, daß die demographische Entwicklung die Hauptursache für die vorgesehenen Einschnitte sind.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

    Das klingt vordergründig auch plausibel. Was Sie dabei verschweigen, ist, daß die Misere der Rentenkassen durch die Massenerwerbslosigkeit herbeigeführt worden ist. Wenn Sie ein anderes Beschäftigungs- und Wirtschaftssystem anstreben würden, wenn Sie eine aktive Beschäftigungspolitik machen würden, hätten wir neue Spielräume und neue Finanzen, die in
    die Rentenkassen hineinfließen würden. Vorschläge dafür gibt es genug.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Gerade weil es nie mehr die geschlossenen Erwerbsbiographien geben wird, ist es Zeit, in Richtung einer Grundrente für alle zu gehen. Unser kleines Nachbarland Holland zeigt uns, daß das möglich ist. Langfristig brauchen wir die Umstellung auf ein neues System. Kurzfristig aber ist es unabdingbar, eine bedarfsorientierte Grundsicherung einzuführen. Es darf keinen alten Menschen geben, der mit weniger als 1 200 DM auskommen muß.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir dürfen alten Menschen nicht den oft entwürdigenden Gang zum Sozialamt zumuten, den sie häufig erst gar nicht antreten, weil sie ihre Kinder nicht belasten wollen. Das hat auch Ihr Kollege Fink verstanden. Aber Sie haben sich nicht bewegt, weder die CDU noch die SPD.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Für eine solche Reform, die sich dann auch wirklich so hätte nennen können, hätte es allerdings mehr als nur der Kosmetik bedurft:
    Erstens. Die Beamtenversorgung müßte wirklich harmonisiert werden.
    Zweitens. Der Bundeszuschuß muß so hoch sein, daß alle Fremdleistungen abgedeckt werden.
    Drittens. Die Versicherungspflicht muß auch auf Selbständige, Freiberufler und Hausfrauen ausgedehnt werden.
    Viertens. Zeiten der Pflege müssen zur Gewährung von Rentenansprüchen führen, die über die Berücksichtigungszeiten hinausgehen.
    Fünftens. Statt einer. Heraufsetzung der Regelaltersgrenze bessere Möglichkeiten des Teilrentenbezugs ohne Abschläge.

    (Reimann [SPD]: Wer soll das denn bezahlen?)

    Sechstens. Zeiten der Erwerbslosigkeit und Krankheit müssen als volle Beitragszeiten ohne Abschläge gewertet werden.
    Siebtens. Die überholte Trennung von Arbeiter-, Angestellten- und Knappschaftsversicherung ist aufzuheben, und ihre Leistungen sind anzugleichen; denn es geht um soziale Gerechtigkeit.
    Meine Damen und Herren, diese Reform, die keine ist, haben Sie durch Ihre Absprache ja quasi unter Dach und Fach. Aber wir gehen davon aus, daß die alten Menschen in dieser Gesellschaft streitbarer werden. Frau Unruh ist ein Beispiel dafür.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir setzen darauf, daß das Selbstbewußtsein der alten Menschen zunimmt, weil sie nicht mehr die Schuld bei sich suchen, wenn sie arm sind, sondern von uns jungen ihr Recht auf Teilhabe einklagen. Auf dieser Basis wird dann hier hoffentlich bald die nächste De-



    Frau Beck-Oberdorf
    batte stattfinden. Und dann wird eine wirkliche Reform gefragt sein.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Günther.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Günther


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Diese Rentenreform ist nicht nötig, weil Vergangenes zu bewältigen wäre, sondern weil die demographische Entwicklung der Zukunft einzufangen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Ich möchte mich in aller Freundschaft mit den ersten Aussagen der Rede des Kollegen Dreßler ganz kurz auseinandersetzen, um nicht stehenzulassen, daß wir damals in der Rentenversicherung volle Kassen übernommen und — es klang so — verwirtschaftet hätten.

    (Zuruf von der SPD: Habt ihr auch!)

    Erstens. Durch die im Jahre 1982 drastisch angestiegene Arbeitslosigkeit — um über 44 % gegenüber dem Vorjahr — war die Kasse in Nürnberg leer.

    (Kolb [CDU/CSU]: 7 Milliarden!)

    Wir haben in einem Umbau — wir hätten es anders machen können, aber wir konnten uns nur aussuchen, wo wir die Finanzen herholen — die Rentenversicherung etwas belastet. Das ist richtig.

    (Dreßler [SPD]: Etwas?)

    Aber die vollen Kassen in der Rentenversicherung, Kollege Dreßler, kamen daher — auch das gehört zur Redlichkeit, wenn wir schon Vergangenes aufarbeiten —, daß in den letzten Jahren Ihrer Regierungstätigkeit die Rentner um über 11 To der ihnen zustehenden Erhöhungen herumgekommen waren. Sie haben sie nicht gewährt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Dann kann man volle Kassen haben. Über 11% sind den Rentnern vorenthalten worden, die sie hätten bekommen müssen, weil die Bruttolohn- und -gehaltsentwicklung entsprechend war. — Ich bin aber nicht dafür, daß wir die Vergangenheit deshalb hier noch einmal aufrollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Doch! Doch!)

    — Deshalb habe ich wenigstens das korrigiert.

    (Dreßler [SPD]: Weiter so: Alles auf den Tisch!)

    — Wir können uns jetzt natürlich gegenseitig auch vorhalten, wer zuerst was gesagt, propagiert, vorgelegt hat. Ich halte davon nicht viel. Ich finde, das gefährdet auch so ein wenig die Zusammenarbeit. Wir sollten in die Zukunft gucken.

    (Dreßler [SPD]: Leg alles auf den Tisch!)

    — Das ist alles überprüfbar, da haben Sie recht, Kollege Dreßler. Auch das, was ich gesagt habe, ist überprüfbar.

    (Urbaniak [SPD]: Auch die 28 Milliarden!)

    Da bin ich schon sehr froh, daß wir in diesem wichtigen Bereich den Konsens mit den Sozialdemokraten erreicht haben, um diesen Entwurf vorzulegen, und ich gehe davon aus, daß das so bleibt.
    Meine Damen und Herren, alle maßgeblichen politischen Kräfte sind sich darüber einig, daß wir eine Rentenreform brauchen. Das entsprechende Gesetz muß in diesem Jahr verabschiedet werden.
    Die Ursachen des Reformbedarfs sind genauso klar: Der Anteil der Älteren an der gesamten Bevölkerung steigt ständig, weil die Lebenserwartung zunimmt, was auf der einen Seite sehr erfreulich ist, während das Geburtendefizit andauert, was sehr problematisch ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Unsere Rentenreform hat folgende Ziele:
    Erstens. Die Rente soll auch in Zukunft den Lebensstandard sichern, den man sich erarbeitet und durch Beiträge versichert hat.
    Zweitens. Die Rentenversicherungsbeiträge der Erwerbstätigen müssen tragbar bleiben.
    Dem entspricht das gemeinsame Konzept der Koalition und der SPD: Stabilisierung der Rentenausgaben und des Rentenniveaus, Begrenzung des Beitragsanstiegs, Anhebung der Altersgrenzen, Sicherung des Generationenvertrages durch den Ausbau der Anerkennung von Kindererziehungszeiten sowie durch eine verbesserte Bewertung der Versicherungsjahre von Müttern, die infolge der Kindererziehung größere Beitragslücken haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch deshalb, meine Kolleginnen und Kollegen, ist das Reformmodell nicht nur besonders frauenfreundlich, es sichert zudem die soziale Ausgewogenheit der Reform.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das waren unsere Vorschläge! — Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß für die Reform der Rentenversicherung nach Möglichkeit ein breiter tragfähiger politischer Konsens erforderlich ist. Dies wurde auch von meinen Vorrednern hier eindrucksvoll bestätigt. Ich begrüße das ausdrücklich. Es wäre allerdings nur der untaugliche Versuch einer Legendenbildung, wenn kolportiert würde, die Bereitschaft und die Suche nach einem Konsens seien zumindestens auch ein Ergebnis der politischen Auseinandersetzungen um das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen. Die völlige Maßlosigkeit, mit der die Opposition dieses Reformvorhaben kritisiert hat, und mit der sie eine Unterminierung versucht hat, war eher eine denkbar schlechte Voraussetzung für den Konsens bei der Rentenreform.

    (Heyenn [SPD]: Wer kolportiert das denn?)

    Aber eines wird deutlich: Wäre ein Konsens in der
    Gesundheitsreform gefunden worden, hätte die SPD
    auch dort unpopuläre Maßnahmen mitvertreten müs-



    Günther
    sen. So ist das nun einmal, wenn man Verantwortung trägt oder mitträgt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eben!)

    Es kann nicht nach dem Motto gehen: Das Gute von der SPD, und das, was an entsprechenden Opfern zu erbringen ist, hat die CDU/CSU zu vertreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich möchte aber ebenso klar aussprechen, daß die Verhandlungsführer der SPD-Fraktion, die Kollegen Dreßler, Egert und Heyenn, faire und verläßliche Verhandlungspartner waren und klare und eindeutige Sachpositionen eingenommen haben. Ich stelle mit Genugtuung fest: So geht es also auch, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben aber auch verschiedentliche Versuche von anderen Repräsentanten der SPD sehr genau vermerkt, Ergebnisse des Einigungskonzeptes umzudeuten oder in Frage zu stellen. Ich kann vor solchen Bestrebungen, auf welcher Seite auch immer, nur warnen. Ich sage dem gegenüber: Das jetzt Vereinbarte gilt in allen wesentlichen Teilen. Ich greife damit den Einzelberatungen weiß Gott nicht vor, denn selbstverständlich muß der Gesetzentwurf in all seinen Einzelvorschriften sorgfältig beraten werden, und selbstverständlich muß es hier Änderungen geben können, aber immer auf der Grundlage des gemeinsam Verabredeten.
    Dagegen ist gerade diese Reform für parteipolitische Profilierungsbedürfnisse ein völlig ungeeignetes Betätigungsfeld.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Für alle Veränderungen, welcher Art auch immer, gilt, so meine ich, ab jetzt das Prinzip der Einstimmigkeit. Wechselseitige Geschäfte zu Lasten Dritter, vielleicht auch noch mit wechselnden Allianzen, wird die CDU nicht dulden können. Ich gehe davon aus, das sehen die anderen Kolleginnen und Kollegen auch so. Andernfalls würde nämlich der Konsens verwässert und entwertet. Die Übereinstimmung bei der Rentenreform — ich setze ein vernünftiges, vertretbares Konzept voraus — ist aber ein Wert an sich, meine Damen und Herren,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wofür wollt ihr denn noch Anhörungen machen? Das ist doch wohl der größte Quatsch!)

    denn die breite politische Übereinstimmung bei dieser Reform ist eine wichtige Hilfe für ihre Akzeptanz auch in der Bevölkerung. Deshalb begrüße ich es noch einmal sehr deutlich.
    Die Reform zielt und wirkt weit in die Zukunft hinein. Sie benötigt daher Verläßlichkeit. Allen voran die Bürger, aber auch die Politik und die Verwaltung müssen sich darauf verlassen können, daß die wesentlichen Grundsätze der Reform auch auf Dauer nicht in Frage gestellt werden. Die Herausforderungen an die Alterssicherungssysteme sind schwierig genug. Deswegen müssen die wesentlichen Entscheidungen jetzt getroffen werden. Sie müssen so getroffen werden, daß ihre Beständigkeit gewährleistet und für jedermann sichtbar ist.
    Der gemeinsam vereinbarte tragende Inhalt der Reform ist klar. Ich respektiere, daß es über diesen gemeinsamen Bestand hinaus bei den Beteiligten jeweils abweichende Vorstellungen gibt, auf die man sich hat nicht verständigen können und denen man unbeschadet des Konsenses nicht ein für allemal abschwören kann. Aber trotzdem ist auch insofern Inhalt und Bestandteil des Konsenses, daß diese divergierenden Vorstellungen gerade nicht Gegenstand des gemeinsam Verabredeten und der gemeinsam getragenen Reformmaßnahmen sind und daß diese Maßnahmen, für jeden der Beteiligten erkennbar und in seinem Willen aufgenommen, in die Zukunft wirken und für die Zukunft gelten. Das ist ja gerade der entscheidende Wert, der Inhalt und das Motiv: die verläßliche Geltung für die Zukunft und damit eine verläßliche Grundlage für die Bürger, wenn es um ihre Altersvorsorge, um entsprechende Dispositionen dafür geht, die ja langfristig, auf Jahrzehnte, berechnet werden müssen.
    Konkret bedeutet das beispielsweise: Die Weichen werden jetzt so gestellt, daß auf die Herausforderungen der Bevölkerungsentwicklung geantwortet wird, u. a. durch einen Ausbau der familienbezogenen Elemente dieses Alterssicherungssystems. Dazu gehört in erster Linie die Einführung von zwei weiteren Jahren bei der Anerkennung der Kindererziehung. Das schließt ein, daß diese Regelung für die künftigen Geburten gilt, aber nicht bereits für geborene Kinder, meine Damen und Herren.
    Das ist auch sinnhaft und vernünftig; denn hinsichtlich der demographischen Herausforderungen kann man nur zukunftsbezogene Antworten geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vor allem kann man nur solche Antworten geben, die auch bezahlbar sind. Zum dritten kann man nur Antworten geben, die etwas mit der Rentenversicherung zu tun haben. Also geben wir eine Antwort, was die Höhe der späteren Renten im Zusammenhang mit der Kindererziehung anlangt.
    Dagegen ist eine Verminderung der finanziellen Lasten im Zeitpunkt der Kindererziehung keine Angelegenheit der Rentenversicherung, sondern eine solche des Familienlastenausgleichs. Über Kindergeld usw. wird nicht heute, sondern, wie ich denke, in naher Zukunft auch von diesem Pult gesprochen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist doch was ganz anderes!)

    Eine rückwirkende Anerkennung des zweiten und dritten Kindererziehungsjahres wird es nicht geben, wie ich bereits gesagt habe.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das bestimmen Sie doch nicht allein!)

    Allerdings sollte das Jahr 1992 zugunsten eines früheren, aber nicht rückwirkenden Zeitpunkts überprüft werden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das bestimmen Sie auch nicht allein! Ein Diktator!)

    Wer dennoch etwas anderes anstreben sollte, muß wissen, daß es entweder die jetzt vorgesehene Lösung für künftige Geburten geben wird oder überhaupt keine Ausweitung der Kindererziehungszeiten.



    Günther
    Frau Unruh, das ist nicht diktatorisch,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, sicher!)

    sondern das ist eine klare Position, damit die Bevölkerung weiß, was wir wollen und was wir vereinbaren wollen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wir werden das umkippen, Mensch!)

    Wer sich auch dem verschließen will — wie Sie —, den möchte ich bei aller Bejahung des Rentenkonsenses entsprechend darauf aufmerksam machen, daß dieses dann zu Schwierigkeiten führt.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ihr sitzt alle im Fettnäpfchen drin! Verzeihung, Frau Präsidentin!)

    Meine Damen und Herren, die SPD hat erklärt, aus ihrer Sicht helfe den Frauen die Gewährleistung einer Mindestrente mehr als die Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Die SPD hat schließlich erklärt, im Falle der rückwirkenden Anerkennung des zweiten und dritten Kindererziehungsjahres würde sie auch die Anerkennung von Pflegezeiten in der Rentenversicherung verlangen. Dem ist die Koalition, die die Berücksichtigung von Pflegezeiten im Rahmen des Gesamtleistungsmodells vorgesehen hat, in entsprechender Weise dann nicht gefolgt. Dies war ein Bestandteil unseres Reformkonzepts. Diese Maßnahme wirkt sich vorteilhaft für Frauen aus, die Angehörige gepflegt haben und pflegen; denn sie vermindert die dadurch bisher in der Rentenbiographie entstandenen Lücken und verbessert die Bewertung entsprechender beitragsfreier Zeiten.
    Überhaupt hilft der Wegfall der Voraussetzung der Halbbelegung und an dessen Stelle die Einführung der Gesamtleistungsbewertung, also eines Modells der Beitragsdichte, besonders den Frauen, die gepflegt oder Kinder erzogen oder sogar beides getan haben. Aber die Gleichsetzung von Pflegezeiten mit Kindererziehungszeiten im Sinne ihrer vollen rentenrechtlichen Anerkennung war für die Koalition nicht möglich, denn dies hätte die Finanzierungsmöglichkeiten völlig gesprengt.
    Außerdem wäre die Rentenversicherung das ungeeignete System, um insoweit eine Antwort auf die Überalterung der Bevölkerung zu geben. Es muß ja die Aufgabe sein, die Rentenversicherung von den Folgen der Überalterung zu entlasten. Dagegen kann man ihr nicht zusätzliche Lasten aus der Überalterung auferlegen. Jedenfalls kann man das nicht, wenn man ernsthaft den Anspruch wahrnehmen will, die Rentenversicherung zu konsolidieren und für die Zukunftsaufgaben wetterfest zu machen.
    Ich sage also mit allem Nachdruck: Wer die Rentenversicherung konsolidieren will und wer eine Antwort auf die demographischen Herausforderungen geben will, der darf auf keinen Fall so viel Gutes wollen, weil er dann nämlich nichts erreicht und am Ende nichts mehr bezahlbar ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein anderer Bereich, in dem wir uns zwar geeinigt haben, in dem wir aber in verschiedene Richtungen denken, ist die Lebensarbeitszeit. Die Koalition hat auch hier ihr Konzept gewahrt. Aber sie hat graduelle
    Einschränkungen mitgemacht. Anderenfalls hätte sich die SPD nicht bereit erklären können, entsprechende Regelungen heute zu treffen und gesetzlich verbindlich zu machen.
    Ich stelle fest: Wenn die Menschen erfreulicherweise immer älter werden und wenn wir deshalb immer länger und auch mehr alte Menschen haben werden und wenn gleichzeitig weit weniger junge Menschen nachwachsen, dann muß es den Alteren in vertretbaren Grenzen möglich sein und auch zugemutet werden, länger einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Mensch, wir haben Massenarbeitslosigkeit!)

    Denn selbst dann wachsen die Beitragslasten der Jungen erheblich, und bei Verzicht auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit würden diese Lasten noch mehr wachsen. Und da stellen sich die Frage der Zumutbarkeit und auch die Frage der sozial gerechten Verteilung der Lasten auf die Schultern aller.
    Hier unterschätzt die Sozialdemokratische Partei das soziale Konfliktpotential, wenn immer mehr jüngere Alte im frühen Ruhestand sind und immer weniger Junge unter diesen Finanzierungslasten ächzen. Diese schwer belastete künftige Erwerbstätigengeneration könnte aber sehr nachdrücklich fragen, wieso sie ganz vorwiegend dafür aufkommen soll, daß ihre Eltern eine ganz simple Einsicht mißachtet haben, nämlich daß ein umlagefinanziertes Alterssicherungssystem und damit die Sicherheit der Renten ganz entscheidend von den nachwachsenden Kindern abhängen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das gibt's doch nicht!)

    Und diese dann erwerbstätige Generation könnte ihren Eltern und Großeltern vorhalten: Wenn und soweit ihr schon den Lasten der Kindererziehung aus dem Weg gegangen seit, hättet ihr wenigstens anderweitige finanzielle materielle Vorsorge für euer Alter treffen können und treffen müssen.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: So ist es!)

    Sie würden weiter sagen: Ihr könnt aber nicht von uns verlangen, daß wir auch ein Rentenniveau finanzieren, wohlgemerkt über ein Umlageverfahren, als wäre die Umlagebasis dafür ungeschmälert vorhanden, so wie ihr — Eltern und Großeltern — seinerzeit genügend Beitragszahler zur Finanzierung der damaligen Renten wart.
    Wer also an die Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht heran will, muß sich darüber im klaren sein, was er in Kauf nimmt. Er nimmt in Kauf, daß eine Senkung des Rentenniveaus erzwungen wird. Er hätte der dann alten Generation, statt Belastungen zu ersparen, vielmehr ungeahnte Belastungen auferlegt, auf die diese dann alte Generation aber zu gegebener Zeit überhaupt nicht mehr reagieren kann.
    Demgegenüber wird den Menschen nach unserem Konzept und nach dem, was nun auch mit der SPD verabredet ist, heute schon angekündigt, daß es ohne eine längere Lebensarbeitszeit nicht abgehen wird. Zugleich wird ihnen aber die Möglichkeit eröffnet, gleichwohl mit mehr Flexibilität in gleitenden Übergängen und auch nach wie vor früher als mit 65 Jah-



    Günther
    ren ganz oder teilweise in Rente zu gehen, dafür dann aber eine angemessene, doch auch vertretbare Verminderung ihrer Renten hinnehmen zu müssen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sie züchten ja Generationenhaß!)