Rede von
Karl
Lamers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Diese Gefahren, Herr Kollege Scheer, sieht jedermann. Sie wissen, daß es Anstrengungen gibt — gottlob auch solche von Ost und West gemeinsam —, sie zu bannen. Sie sind aber mit der Frage etwa der Entfernung von atomaren Waffen in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht gelöst. Ich bitte Sie zu bemerken, daß ich gesagt habe: Für die absehbare Zeit muß die nukleare Abschrekkung eine Rolle spielen. Über die mehr philosophische Frage, ob und wann die atomare Abschreckung zu überwinden ist, ob die atomaren Waffen überhaupt jemals verschwinden werden — was wiederum noch eine andere Frage ist — , darüber zu diskutieren, haben wir hier leider keine Zeit.
Ich möchte ein drittes sagen. Weil das so ist, wie ich gesagt habe, müssen wir unsere nationalen Hoffnungen so definieren, daß sie nicht auf den Widerstand der anderen Europäer stoßen, sondern daß sie ihre Unterstützung finden. Das heißt, wir müssen sie so definieren, wie der Bundeskanzler das immer getan hat und tut.
Viertens, meine Freunde, müssen wir uns vor allem in ruhiger Selbstgewißheit unserer eigenen Stärke bewußt sein. Sie beruht einmal auf unserer Lage, die natürlich exponiert und daher gefährdet ist und besondere Abhängigkeiten einschließt. Aber das ist doch nichts anderes als die Kehrseite der Tatsache, daß nichts in Europa, weder im Westen noch im Osten noch in Gesamteuropa gewissermaßen um uns herum, ohne uns geschehen kann. Weder kann es ein freies starkes Westeuropa ohne die Bundesrepublik geben noch eine gesamteuropäische Lösung ohne eine Lösung der deutschen Frage.
Weiter beruht unsere Stärke auf unserer Wirtschaft. Dazu brauche ich heute nichts zu sagen.
Schließlich beruht sie aber doch auch und nicht zum letzten auf der Bundeswehr. Deswegen ist es mit den Interessen unseres Landes unvereinbar, wenn sie von manchen wie ein Übel, von anderen wie ein unvermeidliches, aber dennoch wie ein Übel behandelt wird, das man so schnell wie möglich und gleich wie loswerden will. Das hat diese Bundeswehr nicht nur nicht verdient, das liegt auch nicht im Interesse unseres Landes.
Es liegt im Interesse unseres Landes, mit diesem Pfund zu wuchern, bei den Abrüstungsverhandlungen so gut wie bei der Entwicklung neuer militärischer Strukturen in Europa, welche die notwendige Voraussetzung sind, um auch die Abrüstung zu einem schlußendlichen Erfolg zu führen.
Ich danke für Ihre geneigte Aufmerksamkeit.