Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum wiederholten Male und wahrscheinlich zum letztenmal zum Antrag der Koalitionsfraktionen und zur Beschlußempfehlung über den entwicklungspolitischen Beitrag zur Lösung von Weltflüchtlingsproblemen Stellung nehmen.
Die Diagnose, die in diesen Anträgen gegeben wird, ist zutreffend. 17 bis 20 Millionen Menschen fliehen aus Gründen der politischen, rassischen oder religiösen Verfolgung, vor Kriegen und Bürgerkriegen, vor Menschenrechtsverletzungen, aber auch aus der erdrückenden wirtschaftlichen Not.
Richtig ist auch, daß sich die Flüchtlingsströme auf bestimmte Länder und Regionen in der sogenannten Dritten Welt konzentrieren. Das gilt nicht nur für die Flucht-, sondern auch für die Hauptaufnahmeländer.
Aber ansonsten hören sich die Forderungen, die Sie an die Bundesregierung richten, schön an. Das Problem dabei ist nur, daß sie sich ausschließlich auf die entwicklungspolitischen Beiträge reduzieren. Dies ist ein höchst untauglicher Versuch, die Lage der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern langfristig verbessern zu helfen oder gar die Fluchtursachen zu vermindern.
Dafür einige Beispiele. Sie fordern Politikdialog und den Einsatz entwicklungspolitischer Möglichkeiten zur präventiven Friedenssicherung und Konflikteingrenzung. Ganze 200 Millionen DM haben Sie für flüchtlingsrelevante Projekte verwendet. Was sind schon 200 Millionen DM, wenn andererseits und erwiesenermaßen bundesdeutsche Firmen Anlagen zur Herstellung von Chemiewaffen an den Irak lieferten, mit denen das dortige Regime irakische Kurden auf grausame Weise tötete oder vertrieb? Was sind 200 Millionen DM, wenn nunmehr bundesdeutsche Firmen beschuldigt werden, nicht nur an C-, sondern auch an B-Waffen-Exporten beteiligt gewesen zu sein? Was sind 200 Millionen DM angesichts der Polizeihilfe an südamerikanische Diktaturen und der Rüstungsexporte an das südafrikanische Apartheidsregime? Hier hätte ihr Beitrag zur Lösung des Weltflüchtlingsproblems anzusetzen gehabt.
Sie fordern weiter langfristige Maßnahmen in den Entwicklungsländern zur Beseitigung der ökonomischen und sozialen Ursachen von Hunger und Not. Wo bitte hat die Bundesregierung im Rahmen des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank mitgewirkt, den völligen Aderlaß von materiellen und finanziellen Reserven aus der Dritten Welt zu stoppen? Wo haben Sie sich für die Schuldenstreichung eingesetzt? Wo haben Sie Ihre Stimme erhoben, wenn die EG mit Dumpingpreisen für Agrarwaren die ländlichen Subsistenzwirtschaften in den Ländern der Dritten Welt zerstört? Natürlich nirgendwo; denn dieses mächtige ökonomische Land hat überhaupt kein Interesse daran, daß sich an der bestehenden Weltwirtschaftshierarchie irgend etwas ändert; denn dieser Staat profitiert doch in erster Linie von dieser Form der Arbeitsteilung.
Ihre vorgeschlagenen entwicklungspolitischen Beiträge sind doch nichts anderes, als einen kleinen Bruchteil des Schadens und der Probleme, die Sie zusammen mit anderen Industrieländern erst angerichtet haben, mit unzureichenden entwicklungspolitischen Mitteln zu begrenzen.
Solange jedoch die Bundesregierung diese Zusammenhänge von Ursachen und Folgen ignoriert, solange nicht der Gesamtzusammenhang von Ihrer Außenpolitik Außenwirtschaftspolitik, Rüstungsexportpolitik, Finanzpolitik und Innenpolitik mit einfließt, ist und bleibt ein rein entwicklungspolitischer Beitrag ein kleiner Tropfen auf den berühmten heißen Stein.
Die vorliegenden Anträge enthalten interessante Sichtweisen, die der Flüchtlings- und Asylpolitik dieser Regierung widersprechen. Zum einen erkennen Sie die wirtschaftliche und soziale Not als Fluchtursache an. Das ist positiv und steht im krassen Gegensatz zur herrschenden Innenpolitik, wo Flüchtlinge, die aus wirtschaftlicher Not überhaupt zu uns gelangen können, als sogenannte Scheinasylanten oder Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert werden.
Zweitens wollen Sie asylsuchenden Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildungseinrichtungen nicht verwehren. Auch das ist gut.
Drittens heißt es unter Punkt 2.3, daß vorübergehende Aufenthalte von Flüchtlingen auch zur Vorbereitung auf Rückführung, auf Weiterwanderung oder für den Einsatz in anderen Entwicklungsländern genutzt werden sollen. In der Konsequenz hieße das, daß Sie damit die sogenannten De-facto-Flüchtlinge anerkennen und daß Sie das bestehende fünfjährige Arbeitsverbot für Flüchtlinge aufheben müßten.
Interessant daran ist, daß Sie offenbar von der entwicklungspolitischen Betrachtungsweise her zu anderen Schlußfolgerungen gelangen als Ihre Fraktionskollegen aus dem Innenausschuß. Denn Ihr zaghaftes Pflänzchen, das Sie im Bereich der hiesigen Flüchtlingspolitik gezogen haben, steht im eklatanten Widerspruch zum Hause Zimmermann. Insgesamt gilt jedoch auch hier: Was nützen ein paar vorgeschlagene Maßnahmen zugunsten eines Teils der hier lebenden Flüchtlinge, wenn Flüchtlinge mit fünfjährigem Arbeitsverbot und der Unterbringung in Sammelunterkünften abgeschreckt und menschenunwürdig behandelt werden? Was nützen solche Beschlußempfehlungen, wenn die Bundesregierung die wenigen Flüchtlinge aus den Ländern der Dritten Welt durch eine ganze Reihe von Maßnahmen daran hindert, überhaupt hiesigen Boden zu betreten, um Asyl zu beantragen?
Allein von der entwicklungspolitischen Seite läßt sich dem Weltflüchtlingsproblem nicht beikommen, solange diese Regierung an der bestehenden Weltwirtschaftsordnung festhält und von ihr in hohem Maße profitiert.