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ID1112300200

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    Plenarprotokoll 11/123 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 123. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1989 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Harries 9035 A Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zum Antrag der Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Pinger, Feilcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau FolzSteinacker, Hoppe, Frau Dr. Hamm-Brücher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Der entwicklungspolitische Beitrag zur Lösung von Weltflüchtlingsproblemen (Drucksachen 11/1954, 11/3455) Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 9035 B Frau Luuk SPD 9037 B Frau Folz-Steinacker FDP 9038 C Frau Olms GRÜNE 9040 A Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ . . 9041A Bindig SPD 9042 B Dr. Holtz SPD (Erklärung nach § 29 GO) 9043 D Frau Olms GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 9044 A Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis 1987 (Drucksache 11/2215) Nolting FDP 9044 B Dr. Scheer SPD 9046 A Lamers CDU/CSU 9049 B Frau Beer GRÜNE 9051 D Genscher, Bundesminister AA 9054 A Lowack CDU/CSU 9056 A Erler SPD 9058 A Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Export von TORNADO-Flugzeugen nach Jordanien (Drucksache 11/3283) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lippelt (Hannover), Dr. Mechtersheimer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Zustimmungsverweigerung des Deutschen Bundestages zur geplanten Lieferung von Tornado-Kampfflugzeugen an das Königreich Jordanien (Drucksache 11/3242) Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (zur GO) . . 9060A, 9077 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 9060 A Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . . 9060 B Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 9060 C Gansel SPD 9060 D Dr. Schäuble, Bundesminister für besondere Aufgaben, Chef des Bundeskanzleramtes . 9062D, 9081 A Dr. Mechtersheimer GRÜNE 9067 C Wissmann CDU/CSU 9069 D Kolbow SPD 9072 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1989 Beckmann FDP 9074 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 9076 A Voigt (Frankfurt) SPD (zur GO) 9076 D Bohl CDU/CSU (zur GO) 9077 A Frau Unruh GRÜNE 9077 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 9078 D Genscher, Bundesminister AA 9081 B Schily GRÜNE 9082 B Dr. Lammert CDU/CSU 9082 D Dr. Vogel SPD 9084 A Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . . 9084 B Gansel SPD (zur GO) 9085 A Präsidentin Dr. Süssmuth 9069 A Nächste Sitzung 9085 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9087*A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1989 9035 123. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Berger (Berlin) 27. 1. Carstensen (Nordstrand) 27. 1. Frau Conrad 27. 1. Conradi 27. 1. Dr. Dollinger 27. 1. Eylmann 27. 1. Feilcke 27. 1. Francke (Hamburg) 27. 1. Gallus 27. 1. Dr. von Geldern 27. 1. Gerster (Mainz) 27. 1. Dr. Glotz 27. 1. Dr. Götz 27. 1. Gröbl 27. 1. Grünbeck 27. 1. Dr. Hauchler 27. 1. Dr. Hauff 27. 1. Frhr. Heereman von Zuydtwyck 27. 1. Frau Hensel 27. 1. Hiller 27.1. Ibrügger 27. 1. Dr. Jahn (Münster) 27. 1. Jaunich 27. 1. Kalisch 27. 1. Kastning 27. 1. Kittelmann 27. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlict Klein (München) 27. 1. Dr. Knabe 27. 1. Koschnick 27. 1. Kossendey 27. 1. Frau Krieger 27. 1. Dr. Graf Lambsdorff 27. 1. Frau Dr. Martiny-Glotz 27. 1. Nagel 27. 1. Dr. Neuling 27. 1. Dr. Osswald 27.1. Pesch 27. 1. Petersen 27. 1. Dr. Pfennig 27. 1. Pfuhl 27. 1. Rappe (Hildesheim) 27. 1. Reddemann 27. 1. Reuschenbach 27. 1. Frau Roitzsch (Quickborn) 27. 1. Schäfer (Offenburg) 27. 1. Dr. Schmude 27. 1. Frhr. von Schorlemer 27. 1. Schulze (Berlin) 27. 1. Stobbe 27. 1. Tillmann 27. 1. Dr. Waigel 27. 1. Waltemathe 27. 1. Weiss (München) 27. 1. Weisskirchen (Wiesloch) 27. 1. Dr. Wieczorek 27. 1. Frau Wieczorek-Zeul 27. 1. Wischnewski 27. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Graf Alois von Waldburg-Zeil


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 21. April des vorigen Jahres hat der Deutsche Bundestag den Antrag „Der entwicklungspolitische Beitrag zur Lösung von Weltflüchtlingsproblemen" in erster Lesung behandelt. Inzwischen haben der Auswärtige Ausschuß, der Innenausschuß, der Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit sowie der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft seine Annahme empfohlen, die beiden letztgenannten mit einer Verbesserung hinsichtlich der Ausbildungschancen, die Kinder und Jugendliche bei uns wahrnehmen können sollten, die aus Flüchtlingsfamilien kommen.
    Ganz und gar nicht unverändert blieb die Flüchtlingssituation selbst. Auch 1988 haben Verfolgung, Krieg, Bürgerkrieg, Menschenrechtsverletzungen und lebensbedrohende Not Millionen Menschen zur Flucht getrieben, heimatlos gemacht, die Bewegung innerhalb eines Landes gar nicht mitgerechnet. Umgekehrt haben sich Chancen zur Rückkehr eröffnet; beide Veränderungen fordern die Entwicklungshilfe heraus. Insofern ist und bleibt das Anliegen des Antrags hochaktuell.
    Lassen Sie mich einige Veränderungen in der Weltflüchtlingssituation im Verlauf des letzten Jahres nennen.
    Die größte zusätzliche Flüchtlingsbewegung hat 1988 mit 800 000 Menschen, in Afrika stattgefunden. Auslösend waren im wesentlichen der Völkermord an Angehörigen des Stammes der Hutu in Burundi, der Bürgerkrieg im Norden Somalias und der Bürgerkrieg im Sudan. Gefragt wäre hier mehr Weltöffentlichkeit. Es ist unerträglich, wenn in Burundi in genau dem Zeitabstand, in dem eine junge Bildungselite heranwächst, diese wieder ermordet wird, um das Machtmonopol des Tutsi-Stammes über die Hutu aufrechtzuerhalten.
    Unsere Projekte werden in Zukunft dieser besonderen Lage sicher Rechnung tragen müssen. Neben der Beseitigung der Schweigespirale gehören aber auch die Ethnologen an die Entwicklungsfront, die Fachleute für föderative Verwaltungssysteme, die helfen, Konflikte zu lösen, statt sie wie Naturkatastrophen dauernd oder in Intervallen hinzunehmen.
    Der Menge nach kleiner, den Schicksalen nach nicht weniger tragisch ist die Zahl der kurdischen Flüchtlinge. Die 60 000 Flüchtlinge aus dem Irak im letzten Jahr sind das Spiegelbild einer ansonsten erfreulichen Entwicklung, nämlich des Waffenstillstands zwischen Iran und Irak. Seitdem werden aber leider die freigewordenen militärischen Kapazitäten nicht gegen den äußeren Feind, sondern im Inneren gegen die Kurden eingesetzt. Das gehört wiederum



    Graf von Waldburg-Zeil
    zum Thema des Einwirkens auf Fluchtursprungsländer.
    Relativ stabil geblieben sind die Zahlen der Flüchtlinge aus Afghanistan, deren Gesamtzahl aber nach wie vor enorm ist: 2,2 Millionen allein im Iran, 3,1 Millionen in Pakistan. Die sich hier abzeichnende Rückkehrmöglichkeit weist auf ein Aufgabenfeld, das in der Größenordnung dem des Fluchtproblems nicht nachsteht, ja, es mit Sicherheit übertreffen wird. Hier klingen die Themenbereiche aus dem Antrag „Hilfe für Nachbarländer" und „Rückkehrhilfe" an.
    Ein anderer Wandel in der Flüchtlingssituation: In Südostasien haben im letzten Jahr immer noch etwa 20 000 Flüchtlinge aus Vietnam in Booten und zu Fuß in die Nachbarländer gefunden. Die Situation hat sich aber deshalb besonders angespannt, weil die Nachbarländer mit den Flüchtlingen immer restriktiver verfahren. Am schwierigsten ist die Situation seit langem in den Lagern mit den verbliebenen Flüchtlingen aus Vietnam, den übriggebliebenen Alten, Kranken und Kindern, von denen in den Nachbarländern um Vietnam herum niemand etwas wissen will.
    Hier werden Ursache-Wirkungs-Ketten sichtbar. Die USA haben die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge zugunsten anderer Gruppen fast völlig eingestellt; die Europäer verhalten sich reserviert. Die Nachbarländer wollen die Last nun ohne „Abnahmegarantie" — ein sehr unmenschliches Wort in diesem Zusammenhang — nicht mehr tragen. Die Leidtragenden sind die Flüchtlinge. Hier klingt der Dreiklang unseres Antrags auf: Einwirken auf die Fluchtursprungsländer, Hilfe in den Nachbarländern, aber auch Konsequenzen bei uns selbst.
    Einwirken auf die Fluchtursprungsländer: In Vietnam ändert sich die Situation. Hier gibt es Chancen, etwas zu tun. Hier wäre eine Möglichkeit gegeben, das Tor für die Rückkehr bald zu öffnen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt Flüchtlinge, die im eigenen Kulturraum willkommen sind, wie etwa in Pakistan, und andere Flüchtlinge, die im eigenen Kulturraum unwillkommen sind; das ist der unwillkommene Flüchtling.
    In schlechten Zeiten und in armen Ländern gibt es viele Bettler. Das Anbringen eines Schildes „Betteln verboten" löst das Problem mit Sicherheit nicht. Sozialpolitik muß dafür sorgen, daß niemand ums nackte Leben betteln muß. Auch die Weltflüchtlingsprobleme lösen sich nicht, wenn die Fluchtursprungsländer — ein somalisches Dekret z. B. verbietet Somaliern unter 40 Jahren, das Land zu verlassen, es sei denn, sie hinterlegen 5 000 Dollar — , wenn die Fluchtnachbarländer — vor nicht zu langer Zeit wurde in Thailand auf vietnamesische Bootsflüchtlinge geschossen — und wenn die hochindustrialisierten Länder einschließlich unserer Bundesrepublik Deutschland im übertragenen Sinne Schilder aufstellen: Flüchten verboten.
    Unseren Beitrag zu einer Weltsozialpolitik für Flüchtlinge fordert dieser Antrag ein.
    Nun liegt die Schwierigkeit dieses Antrags weder in seiner Konzeption noch in politischen Auffassungsunterschieden. Auf Fluchtursprungsländer einzuwirken,
    Fluchtursachen zu bekämpfen, Nachbarländern bei der Bewältigung verdoppelter Entwicklungsschwierigkeiten zu helfen und vorübergehende Aufenthalte von Flüchtlingen bei uns bildend und ausbildend für die vielfältigen Optionen auch der Rückkehr, der Weiterwanderung, des Einsatzes in Entwicklungsländern zu nutzen, das findet weitgehende Zustimmung, wie die Ausschußberatungen ja gezeigt haben. Die Schwierigkeiten liegen zum einen in einer gewissen Skepsis, wie der winzige Klecks Bundesrepublik Deutschland auf dem farbigen Globus der Staaten dieser Welt einen ernsthaften Beitrag zur Lösung eines Weltproblems liefern sollte, und zum anderen in der Sorge, eine Flüchtlingshilfe, die ihren Schwerpunkt dort sieht, wo die meisten Fluchtbewegungen stattfinden, in den Entwicklungsländern, in der Dritten Welt, könnte ablenken oder gar eine Alibifunktion in der Debatte um das Asylrecht und seine Handhabung bei uns erfüllen.
    Zu beidem eine kurze Anmerkung: Wir sind in dieser Aufgabe ja nicht allein. Wir unterstützen den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen. Wir können die empfohlene verstärkte Koordinierung kurzfristiger humanitärer und langfristiger Entwicklungshilfe europaweit verknüpfen. Vor allem aber: Kleine Ursachen können auch große Wirkungen haben.
    Die große Chance des Rückzugs sowjetischer Truppen aus Afghanistan ist für die Rückkehr von Flüchtlingen vertan, wenn dann ein Bürgerkrieg losgeht. Die Nachrichten, die uns erreichen, sind nicht ermutigend. Rückkehrerstrom und neue Flucht würden sich dann die Waage halten. Vor allem hat Entwicklungshilfe zum Wiederaufbau dann überhaupt keine Chance.
    Jede Initiative, Kooperation zwischen Exilafghanen zu fördern, ist sinnvoll. Um ein Beispiel zu nennen: Das Projekt Afghanistanforum des Arbeitnehmerzentrums Königswinter zu fördern, ist im Verhältnis zu den zur Debatte stehenden Flüchtlingsmillionen ein minimaler Beitrag, der aber hilfreich sein kann. Geordnete Verhältnisse im Nachkriegsafghanistan sind die Voraussetzung einer wirksamen Wiederaufbauhilfe.
    Oder: Unsere Bundestagspräsidentin wird im März im Parlament von Zimbabwe an der Feier „10 Jahre Flüchtlingsprogramm im südlichen Afrika" der OttoBeneke-Stiftung teilnehmen. Jeder Aufruf und Ansporn zur Versöhnung rückkehrender Flüchtlinge mit den Daheimgebliebenen schafft mehr Voraussetzung für friedlichen Aufbau als das teuerste Programm, das diese Voraussetzung nicht erfüllt.
    Damit bin ich bei der Prophylaxe. Die Förderung des Gesprächs aller politischen Kräfte in Namibia z. B. kann eine geordnete Entwicklung einleiten, vielleicht sogar zu einem Musterland einer Einheit in Vielfalt, einer rechtsstaatlichen Demokratie in Afrika führen. Brechen aber tribalistische Gegensätzlichkeiten auf und führen zum Bürgerkrieg, so ist jede Entwicklungshilfe für die Katz — genauso wie zur Zeit im Sudan oder in Somalia —, und den Flüchtlingsrückströmen, die aus Angola zurückkehren, würden neue entgegengesetzt, und von neuem würde ein Exodus beginnen.



    Graf von Waldburg-Zeil
    Den im Antrag genannten 17 Einwirkungsmöglichkeiten auf Fluchtursprungsländer, Nachbarländer und bei uns selbst in Einzelvorschlägen nachzugehen, verbietet leider die begrenzte Zeit. Wir werden aber, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, mit Sicherheit die Bundesregierung in einiger Zeit abfragen, nicht danach, was sie getan hat — denn sie hat schon sehr viel getan —, sondern danach, was sie mehr getan hat.
    Nun noch zum Vorwurf der Alibi-Funktion. Daß die Alternative zur Hilfe vor Ort nicht die Aufnahme aller Flüchtlinge bei uns, gleich, warum sie geflohen sind, sein kann, braucht man nicht zu erläutern. Ganz abgesehen von den bei uns entstehenden Problemen, lebt die überwiegende Mehrzahl der Flüchtlinge sehr viel lieber im eigenen Kulturraum, wenn schon nicht zu Hause. Ein gutes Beispiel dafür ist das Projekt von Misereor für Tamilen-Flüchtlinge in Tamil Nadu in Indien.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Ich möchte aber eigentlich auf etwas anderes hinaus. Dieser Antrag geht weg von der Mentalität: „Flüchten verboten" . Er will Flüchtlingshilfe an der Wurzel. Lassen Sie mich deshalb einfach einen Appell an uns alle richten. Ich meine, mit derselben Einmütigkeit, mit der es uns bei diesem Antrag gelungen ist, ein Problem positiv zu diskutieren, sollten wir an die Problematik der Lösung von Flüchtlingsproblemen in der Bundesrepublik Deutschland, in Europa und in den Industrieländern herangehen. Der Kern unseres gemeinsamen Anliegens ist ja, sicherzustellen, daß der, der wirklich politisch verfolgt ist, Asyl bei uns und in ganz Europa haben wird. Unser Anliegen ist genauso, daß diejenigen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention und ihren Zusatzprotokollen ein Recht haben, als Flüchtlinge nicht abgeschoben zu werden, Sicherheit bei uns und in Europa genießen.
    Darüber hinaus ergibt sich eine Frage ja nur dort, wo die Grenze bei Menschen zu ziehen ist, die aus anderen — sehr verständlichen — Gründen kommen, aber nicht unbegrenzt in diesen Raum einströmen können. Gerade hier bietet unser Antrag den Ansatzpunkt. Das eben ist mein großes Anliegen: daß wir das Thema nach vorn und positiv, aber nicht unter einem negativen Aspekt diskutieren.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Luuk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dagmar Luuk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag beschließt heute über eine innen- und außenpolitisch wichtige Vorlage. Das spiegelt sich auch in dem breiten Konsens wider, den wir im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch in den anderen Ausschüssen gefunden haben.
    Es besteht Einigkeit darüber, daß Flüchtlingspolitik zunächst einmal Entwicklungspolitik ist. Flüchtlingspolitik heißt Vorsorge in den Herkunftsländern und den von Flüchtlingsströmen betroffenen Regionen der Welt.
    Eine solche Feststellung darf aber nicht verdecken, daß Flüchtlingspolitik auch Innenpolitik ist.

    (Frau Olms [GRÜNE]: Und Außenpolitik!)

    Flüchtlingspolitik als Entwicklungspolitik darf nicht die Solidarität mit den Flüchtlingen bei uns ersetzen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Es handelt sich hier um zwei Seiten einer Medaille: Solidarität in unserem Lande und Unterstützung von Solidarität in der Dritten Welt.
    Unser Jahrhundert ist von so großen Flüchtlingsbewegungen gekennzeichnet, daß sich schon früh der Begriff „Jahrhundert der Flüchtlinge" geradezu aufgedrängt hat. Schon 1958 haben die Vereinten Nationen ein Weltflüchtlingsjahr ausgerufen, um die Weltöffentlichkeit auf die immer größer werdenden internationalen Flüchtlingsprobleme aufmerksam zu machen.
    Diese Flüchtlingsströme haben sich seither noch verstärkt. Sie haben sich in ihrer Struktur verändert, und sie haben sich — was das Entscheidende ist —verlagert, verlagert von der Ersten in die Dritte Welt, von den Staaten Mitteleuropas, welche die aus den Weltkriegen resultierenden Flüchtlingsströme zu bewältigen hatten und sie ja letzten Endes auch bewältigt haben, in die Entwicklungsländer hinein. In der Dritten Welt, wo Not und Elend am größten sind, potenzieren Flüchtlingsströme von einer Region in die Nachbarregion die Probleme.
    170 Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen sind seit 1945 weltweit registriert worden. Neun Zehntel davon fanden in der Dritten Welt statt. Nur durch friedliche Konfliktlösung und umfängliche Entwicklungszusammenarbeit kann das Flüchtlingsproblem gelöst werden. Das ist nicht nur, aber auch eine Frage von Geld.
    In der Diskussion um Ansätze zur Lösung des Weltflüchtlingsproblems ist immer wieder von einem Konzept der Regionalisierung die Rede. Nun bleiben aber bereits 90 % der Flüchtlinge in der Region, aus der sie stammen. Wir müssen klarstellen, welchen Part wir, die westlichen Industriestaaten, übernehmen wollen; denn Regionalisierung darf keine Zauberformel sein, mit der die relativ reichen Länder die Zuwanderung von Flüchtlingen verhindern können. Wenn die Industrieländer die Hauptaufnahmeländer und zugleich sich selbst entlasten wollen, ist das nur über größere Leistungen für Flüchtlinge überhaupt zu haben. Dabei gilt es, zwischen zeitweiligem Asyl und dauerhafter Ansiedlung in der neuen Heimat zu unterscheiden.
    Hunger, tägliche Sorge um die Erfüllung elementarster Lebensbedürfnisse, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung lassen die Flüchtlingsströme anwachsen. Mittelamerika, Kambodscha, Afghanistan, Iran und Irak sind Beispiele für das Flüchtlingselend unserer Zeit, und weite Regionen Afrikas kommen hinzu.
    15 Millionen Menschen sind auf der Flucht, vegetieren irgendwo in Lagern und destabilisieren das



    Frau Luuk
    Gastland, das unmittelbar an jene Regionen angrenzt, aus denen die Flüchtlinge vertrieben wurden.
    Während sich die Industrieländer gegenüber den Flüchtlingen abweisend zeigen, während der Ausländerhaß Wasser auf die Mühlen radikaler Gruppierungen hierzulande bedeutet, während sogar ein bayerischer Innenminister von der Gefahr der Durchmischung und Durchrassung bei uns spricht und im Berliner Wahlkampf ein Wahlkampfspot vor der Melodie „Spiel mir das Lied vom Tod" ganz offen Ausländerhaß predigt, ticken anderswo die Zeitbomben — Stichwort: Südafrika, Namibia — , und wir alle ahnen, daß das Jahrhundert der Flüchtlinge seinen Höhepunkt noch vor sich hat.
    In dieser Situation also verabschiedet der Deutsche Bundestag heute einen Antrag, der als entwicklungspolitischer Beitrag ganz praktische Anstöße zur Lösung von Weltflüchtlingsproblemen geben soll. Wir Sozialdemokraten stimmen diesem Antrag zu, weil wir Kerngedanken dieser Initiative unterstützen können und wollen. Es gilt einmal mehr, durch die Möglichkeiten des politischen Dialogs entwicklungspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Fluchtursachen zu mindern, d. h. um vor allem präventiv tätig zu werden. Die Suche nach präventiven Maßnahmen ist und bleibt der wichtigste Weg zur Entschärfung der Weltflüchtlingsproblematik.
    Wir Sozialdemokraten unterstützen — das liegt in der Kontinuität unserer Politik — jeden Einsatz entwicklungspolitischer Möglichkeiten zur präventiven Friedenssicherung und Konflikteingrenzung. Ich füge aber hinzu: Den Export von Waffen und sensitiven Technologien in Spannungsregionen verurteilen wir.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Eine Regierung, die eine solche Praxis duldet, bei der deutsche Unternehmer und Banken durch den Export tödlicher Gefahren Bilanzen verbessern, eine Regierungspraxis, die sich durch Duldsamkeit mitschuldig macht am Risikoexport, verurteilen wir. Denn damit wird jede glaubwürdige Politik, gerade auch solche zur Reduzierung des Flüchtlingselends, konterkariert.
    Wir werden aufmerksam beobachten, welche Kluft sich zwischen der guten politischen Absicht Ihres Antrages, z. B. asylsuchenden Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik Zugang zu Bildungseinrichtungen nicht zu verwehren, und der aktuellen Asyldebatte im Koalitionslager auftut.
    Was bedeutet denn eigentlich das Berufs- und Ausbildungsverbot für hier ankommende jugendliche Flüchtlinge? Ist ein deutscher Jugendlicher ein Jahr arbeitslos, dann gilt er als schwer vermittelbar. Hier wird ein jahrelanges Arbeitsverbot durchgesetzt und damit eine Chance vergeben, die Flüchtlinge in ihre Heimatländer wieder zu integrieren und damit für diese Länder wirkliche Hilfe zu leisten. Darum: Schluß mit dem Arbeitsverbot für jugendliche Flüchtlinge!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die Einengung des Begriffes „politische Verfolgung" des Art. 16 durch die Asylverfahrensgesetzgebung und das Zurück der deutschen Asylpolitik hinter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention lehnen wir ab. Es geht um einen verbesserten Status der sogenannten De-facto-Flüchtlinge sowie um eine Harmonisierung der Asylpolitik der EG-Staaten jenseits der bloßen Ausgrenzungsdiskussion in der Schengen-Kommission. Unser Antrag dazu liegt diesem Hause vor. Wir werden mit Interesse beobachten, ob auch dann wie bei der Beratung des jetzt vorliegenden Antrags ein Stück politischer Gemeinsamkeit erreicht werden kann.
    Was wir sofort benötigen, ist eine Abstimmung zwischen den zuständigen Ministerien, dem Außen-, dem Entwicklungs-, dem Bildungs- und dem Innenressort, eine dringende Einbeziehung von EG-Einrichtungen und die Mobilisierung der Forschung für eine schnelle, unbürokratische, aber trotzdem wirksame Hilfe zugunsten der Flüchtlinge hier im Lande und in der Dritten Welt. Die SPD-Fraktion wird dazu ihren Beitrag leisten.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)