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    Plenarprotokoll 11/120 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 120. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 8811A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Wollny, Dr. Daniels (Regensburg), Weiss (München), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Entzug der Betriebsgenehmigung für die Atomkraftwerke Biblis A und B und Sicherheitsüberprüfung deutscher Atomkraftwerke (Drucksache 11/3838) 8811B Tagesordnungspunkt X: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (Drucksachen 11/2972, 11/3005, 11/3859, 11/3860) Funk (Gutenzell) CDU/CSU 8811D Wimmer (Neuötting) SPD 8813 D Heinrich FDP 8816A Kreuzeder GRÜNE 8817 D Kißlinger SPD 8819B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 8821 B Namentliche Abstimmung 8822 D Ergebnis 8828 C Tagesordnungspunkt VII: Beratung des Antrags der Abgeordneten Häfner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Allgemeine namentliche Kennzeichnung von Polizeibeamten (Drucksache 11/2001) Häfner GRÜNE 8823 B Clemens CDU/CSU 8824 B Tietjen SPD 8825 B Dr. Hirsch FDP 8826 A Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . . 8827 C Tagesordnungspunkt XI: 1. Beratung des Antrags des Abgeordneten Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Verwendung tropischer Hölzer in bundeseigenen Einrichtungen (Drucksache 11/1838) 2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Göhner, Harries, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm (Göttingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Klima- und Artenschutz durch Erhaltung der tropischen Regenwälder (Drucksache 11/2010) 3. Beratung des Antrags der Abgeordneten Volmer, Dr. Knabe, Frau Eid und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umfassender Schutz für die Trocken- und Feuchtwälder in den Ländern der Dritten Welt (Drucksache 11/2933) 4. Beratung des Antrags der Abgeordneten Schanz, Frau Adler, Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhaltung der tropischen Regenwälder zum Schutz einheimischer Bevölkerungen, des Klimas und der genetischen Artenvielfalt durch entwicklungspolitische Maßnahmen (Drucksache 11/3740) Klein, Bundesminister BMZ 8830 C Schanz SPD 8832 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU . . 8834 C Volmer GRÜNE 8837 A Frau Dr. Segall FDP 8838 D Frau Dr. Hartenstein SPD 8840 A Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 8842 A Frau Folz-Steinacker FDP 8843 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 8845 A Tagesordnungspunkt XII: Beratung des Antrags der Abgeordneten Schmidbauer, Carstensen (Nordstrand), Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Kleinert (Hannover), Frau Dr. Segall, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffoxidemissionen aus Kraftfahrzeugen (Drucksache 11/3598) Schmidbauer CDU/CSU 8847 B Schütz SPD 8849 B Baum FDP 8851 B Brauer GRÜNE 8852 D Dr. Göhner CDU/CSU 8854 A Stahl (Kempen) SPD 8856 A Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . . 8856 D Tagesordnungspunkt XIII: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Rock, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Lärmschutz an Bundesstraßen (Drucksache 11/2698) Weiss (München) GRÜNE 8859 B Harries CDU/CSU 8860 A Frau Faße SPD 8861 A Gries FDP 8861 D Nächste Sitzung 8862 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8863* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Schartz (Trier) (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit — Drucksachen 11/2972, 11/3005, 11/3859, 11/3860 — . 8863* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 8864* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 8811 120. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 1. Frau Beck-Oberdorf 20. 1. Frau Berger (Berlin) 20. 1. Dr. Biedenkopf 20. 1. Börnsen (Ritterhude) 20. 1. Frau Conrad 20. 1. Conradi 20. 1. Cronenberg (Arnsberg) 20. 1. Engelsberger 20. 1. Eylmann 20. 1. Dr. Fell 20. 1. Fellner 20. 1. Gattermann 20. 1. Dr. Geißler 20. 1. Gröbl 20. 1. Grünbeck 20. 1. Frau Hämmerle 20. 1. Dr. Hauchler 20. 1. Dr. Hauff 20. 1. Heimann 20. 1. Frau Hensel 20. 1. Dr. Hüsch 20. 1. Ibrügger 20. 1. Frau Krieger 20. 1. Link (Diepholz) 20. 1. Louven 20. 1. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 1. Dr. Mertens (Bottrop) 20. 1. Mischnick 20. 1. Mitzscherling 20. 1. Dr. Müller 20. 1. Nagel 20. 1. Dr. Neuling 20. 1. Niegel' 20. 1. Oesinghaus 20. 1. Dr. Osswald 20. 1. Regenspurger 20. 1. Reschke 20. 1. Reuschenbach 20. 1. Rühe 20. 1. von Schmude* 20. 1. Dr. Schöfberger 20. 1. Schröer (Mülheim) 20. 1. Dr. Soell* 20. 1. Tillmann 20. 1. Dr. Todenhöfer 20. 1. Uldall 20. 1. Dr. Waffenschmidt 20. 1. Frau Wollny 20. 1. Wüppesahl 20. 1. Dr. Zimmermann 20. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Schartz (Trier) (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit - Drucksachen 11/2972, 11/3005, 11/3859, 11/3860 - Die Zielsetzung dieses Gesetzes, älteren aufgabewilligen Landwirten ohne Betriebsnachfolger eine Rente zu gewähren und sie damit sozial abzusichern, ist richtig und findet meine volle Unterstützung. Ich gebe diese persönliche Erklärung ab, weil ich die Bestimungen über die Abgabe der landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere der landwirtschaftlichen Nutzflächen, für falsch halte. Der Gesetzentwurf schreibt vor, daß die Abgabe des Betriebes sowohl in der Form der Verpachtung als auch in der Form der Flächenstillegung erfolgen kann. Werden die Flächen stillgelegt, so zahlt der Bund auf Antrag die Alterskassenbeiträge weiter, damit nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rentensteigerung erfolgen kann. Wird die Fläche an andere Landwirte verpachtet, so zahlt der Bund nicht wie im Falle der Stillegung den vollen Alterskassenbeitrag - das sind immerhin 220 DM im Monat -, sondern nur die Hälfte dieses Betrages. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung hatte für den Fall der Verpachtung überhaupt keine finanzielle Hilfe des Bundes für die Weiterzahlung von Alterskassenbeiträgen vorgesehen. Nicht zuletzt auf Grund meiner Initiative und der anderer Kollegen aus der Koalition haben die Koalitionsfraktionen beschlossen, daß auch im Falle der Verpachtung der Bund die Hälfte der Alterskassenbeiträge weiterzahlt. Für diese Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf spreche ich meinen Kollegen in den Koalitionsfraktionen meinen Dank und meinen Respekt aus. Wenn ich trotzdem diese Bestimmungen nicht mittragen kann, so habe ich dafür folgende Gründe: Erstens. Es ist für mich unzweifelhaft, daß besonders in den kleinbäuerlich strukturierten Gebieten der Bundesrepublik die Produktionsaufgaberente am stärksten in Anspruch genommen wird. Sowohl die aufgebenden Betriebe wie die weiterwirtschaftenden Betriebe in diesen Regionen haben eine weit unterdurchschnittliche Größe. Wer in diesen Gebieten eine flächendeckende Landwirtschaft auf Dauer erhalten will, muß die weiterwirtschaftenden Betriebe sowohl der Fläche nach wie auch in der Produktionskapazität vergrößern. Um dies zu erreichen, ist der Übergang der landwirtschaftlichen Nutzflächen der aufgebenden Betriebe in die weiterwirtschaftenden Betriebe unbedingt notwendig. Die Tatsache, daß der Bund bei der Verpachtung der Fläche aus den Betrieben, die die Produktionsaufgaberente in Anspruch nehmen, nur die Hälfte der Alterskassenbeiträge zahlt, im Falle der Stillegung aber den ganzen Alterskassenbeitrag übernimmt, wird dazu führen, daß gerade dort, wo die weiterwirtschaftenden Betriebe noch vergrößert werden müssen, zu viele Flächen stillgelegt werden und 8864* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 damit nur eine ungenügende Möglichkeit für die Aufstockung dieser Betriebe verbleibt. Deswegen widerspreche ich mit allem Nachdruck den Bestimmungen der §§ 6 und 14 dieses Gesetzentwurfes. Ich halte sie für falsch. Die Lebensinteressen der weiterwirtschaftenden Betriebe in meiner Heimat und in allen benachteiligten Regionen der Bundesrepublik Deutschland und die Lebensinteressen der Junglandwirte haben bei mir einen absoluten Vorrang vor der Stillegung der Flächen und damit der Verringerung der Produktion. Zweitens. Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen. Offensichtlich hat die Bundesregierung die Absicht, eine 50 %ige Kürzung der Milchkontingente zugunsten des Bundes einzuführen, wenn diese Milchkontingente von einem die Produktionsaufgaberente beziehenden Betrieb auf einen weiterwirtschaftenden Betrieb übertragen werden. Auch dies halte ich für falsch. Eine Übersicht über die Verteilung der Milchkontingente innerhalb der Bundesrepublik Deutschland läßt deutlich erkennen, daß die Höhe der Milchkontingente in den weiterwirtschaftenden Betrieben der benachteiligten Gebiete weit unter der Höhe der Milchkontingente in anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland liegt. Ausgehend von der Annahme, daß gerade in den benachteiligten Regionen die Zahl der Produktionsaufgaberentenbezieher überdurchschnittlich hoch ist, würde ein 50 %iger Abzug bedeuten, daß dort ein weit überdurchschnittlicher Anteil an Milchkontingenten zugunsten des Bundes abgezogen wird. Dies würde den weiterwirtschaftenden Betrieben nur eine ungenügende Aufstokkungsmöglichkeit ihrer Milchkontingente ermöglichen und darüber hinaus die Gesamtproduktionskapazität dieser Gebiete, zu denen auch meine Heimat zählt, weit überdurchschnittlich schwächen. Aber gerade dort ist die Produktionskapazität heute schon weit unter dem Bundesdurchschnitt. Es gibt also zwei Gründe, die 50 %ige Kürzung von Milchkontingenten nicht durchzuführen. 1. Die notwendigen Aufstockungen der Milchkontingente in den weiterwirtschaftenden Betrieben könnten nicht durchgeführt werden, was insbesondere die Junglandwirte treffen würde und 2. die sowieso schon geringe Produktionskapazität dieser Gebiete würde weiter verringert und dadurch die gesamte Marktposition dieser Gebiete verschlechtert. Damit würden sowohl dem Einzelbetrieb wie der Landwirtschaft in den benachteiligten Regionen insgesamt die Möglichkeit einer Existenzsicherung für die Zukunft in nicht zumutbarer Weise erschwert. Deswegen appelliere ich in aller Eindringlichkeit an die Bundesregierung, diesen 50 %igen Abzug bei Übertragung von Milchquoten nicht vorzunehmen. Damit diese persönliche Erklärung nicht falsch interpretiert werden kann, möchte ich ausdrücklich feststellen, daß ich die von der Bundesregierung und dem Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle eingeführte neue Agrarpolitik in ihren Grundzügen für absolut richtig halte, und daß ich sie aus innerer Überzeugung mittrage. Ich fasse meine Meinung zusammen: Die Bestimmungen der §§ 6 und 14 des vorliegenden Gesetzentwurfes entsprechen nicht den Interessen der weiterwirtschaftenden Betriebe in den benachteiligten Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Ich lehne sie ab. In der Gesamtabstimmung über diesen Gesetzentwurf werde ich dennoch meine Zustimmung geben, weil ich in dem Gesetz trotz der von mir aufgezeigten Fehler eine gute Grundlage sehe, den aufgabebereiten Bauern eine soziale Absicherung zu gewähren. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. Dezember 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1988 — VerbStÄndG 1988 —) Gesetz zu dem Beschluß des Rates zur Europäischen Gemeinschaft vom 24. Juni 1988 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern Gesetz über die Umwandlung der Deutschen Pfandbriefanstalt in eine Aktiengesellschaft Gesetz zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch — Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung — Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes Gesetz zu den Protokollen vom 22. Januar 1988 zum Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen Fünftes Gesetz zur Änderung des Weinwirtschaftsgesetzes Achtes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Gesetz zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften Neuntes Gesetz zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (9. ÄndG KgfEG) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren und des Bundesberggesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1989 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1989) Gesetz über die Erhebung von Meldungen in der Mineralölwirtschaft (Mineralöldatengesetz — MinÖlDatG) Fünftes Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1988 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1988 — BBVAnpG 88) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 8865* Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GesundheitsReformgesetz — GRG) Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989) Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Haushaltsbegleitgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand Zu den fünf letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt bzw. angenommen. Zum Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1988 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1988 — BBVAnpG 88): Der Bundesrat begrüßt, daß der Bundestag dem Begehren des Bundesrates (BR-Drs. 289/88 [Beschluß]) nachgekommen ist, die Beamten des Justizvollzugsdienstes mit den Beamten des Polizeivollzugsdienstes bei der Erhöhung von Erschwerniszulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten gleichzustellen. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, daß die Beamten im Einsatzdienst der Feuerwehr sich in der dienstlichen Beanspruchung zu ungünstigen Zeiten nicht von den Beamten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben oder von den Beamten des Justizvollzugsdienstes unterscheiden. Vielfach sind Polizei und Feuerwehr gemeinsam zu ungünstigen Zeiten eingesetzt. Eine unterschiedliche Abgeltung dieser Dienste ist deshalb nicht gerechtfertigt. Der Bundesrat bittet aus diesen Gründen die Bundesregierung, § 4 Abs. 1 der Erschwerniszulagenverordnung entsprechend zu ändern. Zum Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz — GRG): 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, daß es dringend notwendig ist, das Gesundheitssystem, dessen Kern das über 100jährige System der gesetzlichen Krankenversicherung ist, insgesamt zu reformieren. Um das hohe Niveau unseres Gesundheitswesens zu erhalten, duldet die Verabschiedung des Gesundheits-Reformgesetzes keinen Aufschub. Der Bundesrat begrüßt, daß mit dem Gesundheits-Reformgesetz ein Einstieg in eine Gesundheitspolitik erfolgt, welche Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens dauerhaft miteinander verbinden soll. Besonders positiv ist, daß die Reform bei der Absicherung der Gesundheitsrisiken eine Umschichtung von den kleinen, dem Verantwortungsbereich des einzelnen zuzumutenden Risiken zu den großen Risiken vornimmt. Dies gilt insbesondere für die neu eingeführten Leistungen bei der Absicherung des Pflegefallrisikos und in der Gesundheitsvorsorge. Dadurch werden Einschränkungen in anderen Bereichen gerechtfertigt. — Organisationsrecht Das Gesetz kann nicht das Ende der Reformbemühungen um das Krankenversicherungssystem darstellen. Es ist eines der gravierendsten Probleme, daß sich die Beitragssätze der verschiedenen Krankenkassen aufgrund der Veränderungen bei den Risikostrukturen immer weiter auseinanderentwickeln. Die erheblichen Beitragssatzunterschiede führen zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen und Verschlechterungen der Mitglieder- und Leistungsstrukturen insbesondere der Ortskrankenkassen. Sie gefährden von daher den Bestand des gegliederten Systems der Krankenversicherung. Der Bundesrat fordert deshalb die Bundesregierung auf, die angekündigte Organisationsreform der Krankenversicherung noch in dieser Legislaturperiode zu verwirklichen. — Einstieg in die Absicherung des Pflegefallrisikos Der Bundesrat begrüßt, daß das Gesetz die neue Herausforderung des Pflegefallrisikos annimmt und einen Beitrag der Krankenkassen bei der Absicherung dieses Risikos in der häuslichen Umgebung vorsieht. — Häusliche Krankenpflege Auch im übrigen muß es das Ziel sein, alle Möglichkeiten der ambulanten Krankenversorgung auszuschöpfen und stationäre Behandlungen auf den notwendigen Umfang zu beschränken. Die Behandlung in der häuslichen Umgebung ist nicht nur billiger, sondern auch humaner als eine Krankenhausunterbringung. Aus diesem Grund muß sichergestellt sein, daß die für die Gewährung der häuslichen Krankenpflege erforderliche Feststellung der sonst notwendigen Krankenhauseinweisung durch den medizinischen Dienst nicht letztlich aufgrund eines umständlichen Prüfungsverfahrens doch zu einer Krankenhauseinweisung führt. Der Bundesrat geht deshalb davon aus, daß die in § 37 Abs. 1 Satz 4 SGB V vorgesehene Prüfung durch den medizinischen Dienst nur ausnahmsweise eine Vorstellung des Patienten und seine körperliche Untersuchung erforderlich macht. — Sicherstellung der Versorgung psychisch Kranker Der Bundesrat begrüßt, daß mit dem Gesundheits-Reformgesetz die in den letzten Jahren zu verzeichnenden Verbesserungen bei der Versorgung psychisch Kranker weiter verfolgt werden. Auch wenn die für notwendig gehaltenen weiteren Schritte erst dann vorgenommen werden sollen, wenn die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellprogramms und die Reformvorschläge der Expertenkommission vorliegen, so muß doch sichergestellt sein, daß durch das Gesundheits-Reformgesetz der bisherige Leistungsumfang der Krankenkassen auch bei der Behandlung psychisch Kranker nicht eingeschränkt wird. — Zahnersatz, § 30 SGB V Es ist positiv anzumerken, daß bei der Versorgung mit Zahnersatz gegenüber der ursprünglichen Gesetzesfassung nunmehr Verbesserungen eingetreten sind. Die Beteiligten werden jedoch aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß die Patienten nicht infolge des Kostenerstattungsprinzips für den von den Krankenkassen zu tragenden Kostenanteil zunächst in Vorlage treten müssen. — Härteregelungen, §§ 61, 62 SGB V Der Bundesrat begrüßt, daß durch umfassende Härte- und Sozialklauseln eine übermäßige Belastung der Versicherten durch Eigenbeteiligungen vermieden wird. Hierdurch ist gewährleistet, daß jeder, unabhängig von seinem Einkommen, eine auch unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts notwendige Versorgung erhält. Der Bundesrat fordert die Krankenkassen jedoch auf, sicherzustellen, daß die Versicherten schnell und unbürokratisch die Befreiungsregelungen in Anspruch nehmen können und so vor unzumutbaren Belastungen geschützt werden. Dabei ist darauf zu achten, daß das Vertrauensverhältnis zwischen Krankenkassen und Patienten nicht beeinträchtigt wird. — Medizinischer Dienst Der Bundesrat ist der Auffassung, daß von der Einschaltung des neu eingeführten medizinischen Dienstes sparsam und zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte. Bei der Einrichtung dieser Dienste ist jede überflüssige bürokratische Organisation zu vermeiden. 2. Zu Artikel 1 § 35 Der Bundesrat schließt sich der vom Deutschen Bundestag an die Bundesregierung gerichteten Bitte an, über die Auswirkungen der Festbeträge bei Arzneimitteln nach § 35 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) zu berichten. Er ist jedoch der Auffassung, daß im Hinblick auf die Bedeutung dieser Vorschriften der Bericht bereits nach zwei Jahren erstattet werden sollte. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in diesem Bericht insbesondere auf folgende Punkte einzugehen: 1. Stand der Umsetzung des § 35 GRG und Ausgabenentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel, 2. angewandte medizinisch-wissenschaftliche Kriterien bei der Bildung der Arzneimittelgruppen nach § 35 Abs. 1 GRG, 8866* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 3. Schwierigkeiten bei der Umsetzung des § 35 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 GRG, 4. Auswirkungen auf die Patientenversorgung und die ärztliche Therapie sowie die Verordnungsweise der Ärzte, 5. Auswirkungen auf das Verhalten der Versicherten, insbesondere die Anreizfunktion und die Akzeptanz der Festbeträge, 6. Auswirkungen auf die für den medizinischen Fortschritt entscheidende Forschungs- und Innovationsfähigkeit der Arzneimittelhersteller, 7. Auswirkungen auf den Wettbewerb unter den pharmazeutischen Unternehmen und das Preisniveau für Arzneimittel. Darüber hinaus hält der Bundesrat wegen der erheblichen Verunsicherung der an der Arzneimittelversorgung Beteiligten eine baldige Vorlage der Kriterien für die Umsetzung des § 35 GRG für geboten. Die Bundesregierung wird gebeten, darauf hinzuwirken, daß alsbald dargelegt wird, welche konkreten Vorstellungen in diesem Zusammenhang bestehen, insbesondere — welche Arzneimittel/Arzneimittelgruppen nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen betroffen sein werden, — wann für diese jeweils mit einer Festbetragsregelung zu rechnen ist, — nach welchen Bemessungskriterien die Höhe des jeweiligen Festbetrags bestimmt werden soll, — welche Schritte nach Ablauf der Frist für die Festlegung der Festbeträge nach § 213 Abs. 3 GRG beabsichtigt sind. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung weiterhin, bei der Realisierung des EG-Binnenmarktes darauf hinzuwirken, daß für Arzneimittelhersteller in den Europäischen Gemeinschaften gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, um dadurch die Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland als Industriestandort zu erhalten. Der Bundesrat wiederholt in diesem Zusammenhang seine Bitte, die patentschutzrechtlichen Regelungen für Arzneimittel in die Überprüfung einzubeziehen und auch hierüber zu berichten. Zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989): 1. Der Bundesrat stellt fest, daß mit dem Bundeshaushalt 1989 trotz des überproportionalen Anstiegs der Ausgaben der Kurs verantwortungsbewußter Verwendung öffentlicher Mittel und damit die 1983 begonnene Haushaltskonsolidierung fortgesetzt wird. Die überproportionale Ausgabensteigerung für 1989 beruht auf Sonderumständen und stellt keine Abkehr von der auf Konsolidierung ausgerichteten Haushaltspolitik dar. Vor allem der zur Vermeidung einer Beitragsanhebung zwangsläufig erhöhte Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit und die Finanzierung der Finanzhilfen zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern zwingen zu einem vorübergehend höheren Ausgabenanstieg. Das Festhalten an diesem Kurs und an der Steuerentlastung hat bereits im Verlaufe dieses Jahres entscheidend zu der feststellbaren wirtschaftlichen Belebung beigetragen. Die günstige wirtschaftliche Entwicklung wird im nächsten Jahr zu beträchtlichen Steuermehreinnahmen führen. Deshalb kann die Nettokreditaufnahme deutlich zurückgeführt werden. 2. Der Bundesrat hält nach wie vor daran fest, daß die Aufgabe des sozialen Wohnungsbaues, unabhängig von der Aufnahme von Aussiedlern und Zuwanderern, angesichts des regional weiterhin bestehenden hohen Bedarfs an preiswertem Wohnraum, keineswegs abgeschlossen ist. Er kann daher einen einseitigen Rückzug des Bundes in diesem Bereich nicht hinnehmen. Der Bundesrat erwartet, daß die Bundesregierung in künftigen Haushaltsplänen entweder wieder ausreichende Bundesmittel bereitstellt oder zu Verhandlungen über eine Entflechtung dieser Mischfinanzierung gegen angemessenen Ausgleich bereit ist. 3. Bezüglich der beschlossenen globalen Minderausgaben bekräftigt der Bundesrat seine Erwartung, daß die Bundesregierung beim Vollzug darauf Rücksicht nimmt, daß die Haushaltspläne gemeinsam finanzierter Einrichtungen nur einvernehmlich geändert werden können und einseitige Kürzungen insoweit unterbleiben. Der Bundesrat geht davon aus, daß die gemeinsam finanzierte überregionale Forschungs- und Kulturförderung von der im § 4 Abs. 11 Haushaltsgesetz vorgesehenen Sperre nicht betroffen wird, und bittet die Bundesregierung, die hierauf entfallenden Kürzungsbeträge an anderer Stelle zu erbringen. Dies gilt namentlich für die Max-PlanckGesellschaft, aber ebenso für die anderen gemeinsam von Bund und Ländern geförderten Einrichtungen der sogenannten Blauen Liste und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Zum Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Haushaltsbegleitgesetz 1989): 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im ersten Halbjahr 1990 über die Entwicklung des Aufkommens an Quellensteuer in den Ländern und die Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen zu berichten. 2. Weiter wird die Bundesregierung gebeten, eine Änderung der Umsatzsteuer-Richtlinien unverzüglich vorzulegen des Inhalts, in Abschnitt 149 Absatz 9 den Vervielfältiger zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Umsätze aus Geldspielautomaten ohne verplombte Zählwerke von bisher 1,5 auf 2,5 zu erhöhen. Zum Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand: Der Bundesrat stimmt dem Ziel des Gesetzes, die bewährten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auch für die Zukunft zu sichern, gleichzeitig jedoch das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit zu begrenzen, grundsätzlich zu. Pauschale Kritik an dem Gesetz ignoriert, daß der derzeitigen Finanzsituation der Bundesanstalt für Arbeit Leistungsverbesserungen im Umfang von mehreren Milliarden vorausgegangen sind. Zu nennen sind insbesondere — die sog. Qualifizierungsoffensive, — die Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs für „ältere Arbeitslose", — die Verbesserung der Relation zwischen Beitragszeit und Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und — die Ausweitung der Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Von diesen Leistungsverbesserungen konnten viele Arbeitnehmer profitieren. Die Eintritte von Teilnehmern in Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung stiegen von 265 000 (1982) auf 596 400 (1987), die jährliche durchschnittliche ABM-Beschäftigung im gleichen Zeitraum von 29 200 auf 114 700. Der Bundesrat begrüßt, daß die Bundesregierung zum Ausgleich des für 1989 auf rund 5,9 Milliarden DM geschätzten Defizits in Anerkennung ihrer Verantwortung einen Zuschuß von 4 Milliarden DM an die Bundesanstalt für Arbeit erbringen wird, Er begrüßt auch, daß durch die mit der 9. Novelle zu erwartende Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit um 1,26 Milliarden DM und den Bundeszuschuß die Beitragssatzstabilität sichergestellt werden kann. Er hält dies für einen wesentlichen beschäftigungspolitischen und zugleich das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft fördernden Beitrag. Er erwartet aber, daß die Bundesregierung überprüft, ob die Verlagerung der Finanzverantwortung für die Sprachförderung auf die Bundesanstalt für Arbeit angesichts der hohen Ausiedlerzahlen aufrecht erhalten werden kann. Der Bundesrat hält jedoch zwei der vorgesehenen Maßnahmen für bedenklich: — Im Bereich der beruflichen Bildungsmaßnahmen hätte eine Konsolidierung der Ausgaben auch ohne Gesetzesänderung herbeigeführt werden können. Insbesondere hätte auf eine Umwandlung des Rechtsanspruchs auf Erstattung von Maßnahmekosten in eine Ermessensleistung der Arbeitsämter verzichtet werden können. Die von der Bundesanstalt für Arbeit bereits eingeleiteten Schritte haben gezeigt, daß durch die strikte Anwendung des vorhandenen Instrumentariums, gegebenenfalls durch eine zusätzliche Konkretisierung der Anordnung, die Entwicklung bei den freien Trägern gesteuert, die Kostenentwicklung insgesamt begrenzt und wieder Raum für mehr Auftragsmaßnahmen für Arbeitslose gewonnen werden kann. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1989 8867* — Die vorgesehene Änderung der Rahmenregelung für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird zu einer Verschlechterung für schwer vermittelbare Arbeitslose und Träger von Maßnahmen in den meisten Landesarbeitsamtsbezirken führen, Die angestrebte Konsolidierung könnte auf weniger einschneidende Weise erreicht werden, wenn in allen Landesarbeitsämtern gleiche Maßstäbe bei der Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angewendet würden. Insgesamt gesehen kann es nicht hingenommen werden, daß die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zunehmend den Charakter von Strukturhilfeinstrumenten erhalten. Vielmehr ist die Zielgruppenorientierung aller im AFG enthaltenen Maßnahmen eine unabdingbare Grundlage des AFG, die keinesfalls aufgeweicht werden darf. Der Bundesrat erwartet, daß die mit den Maßnahmen der 9. Novelle zum AFG beabsichtigte qualitative Konsolidierung, die er im Grundsatz bejaht, im tatsächlichen Vollzug nicht zu unvertretbaren Folgen im Wirkungsbereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik führt. Er erwartet, daß dem insbesondere bei der Umsetzung der Einsparauflage von 540 Millionen DM für den Haushalt 1989 der Bundesanstalt für Arbeit Rechnung getragen wird, also die aktiven Instrumente der Arbeitsmarktpolitik möglichst gering berührt werden. Er geht davon aus, daß die Bundesregierung zusätzliche Haushaltsmittel für den Fall bereitstellt, daß die Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt nicht den Annahmen entsprechen, die der vorliegenden Novelle in diesen Punkten zugrunde liegen. Im Hinblick auf die mit der Konsolidierung der Leistungsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit verbundenen Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes erwartet der Bundesrat zum 1. Mai 1990 einen Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der 9. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz. Der Bericht soll darlegen, inwieweit es gelungen ist, die Leistungsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit auf hohem Niveau zu erhalten, die Förderungsstrukturen stark auf die eigentlichen Zielgruppen des Arbeitsförderungsgesetzes zu konzentrieren und eine regional angemessene Verteilung der Förderungsmittel sicherzustellen. Dazu erwartet der Bundesrat Auskunft — wie sich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in quantitativer Hinsicht entwickelt haben und wie sich die regionale Verteilung der zu 100% geförderten Maßnahmen im Vergleich zum 31. Dezember 1988 darstellt, — ob der Anteil der arbeitslosen, von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedrohten und ungelernten Arbeitnehmer an den beruflichen Bildungsmaßnahmen erhöht und damit der eigentliche Auftrag der Arbeitsförderung wieder stärker zur Geltung gebracht werden konnte, — wie sich die Leistungsänderungen im Bereich Fortbildung und Umschulung auf die Bereitschaft von Frauen zur Teilnahme an entsprechenden Kursen ausgewirkt haben und — welche ersten Erfahrungen mit der Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vorliegen. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 18. Januar 1989 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Erweiterung des Untersuchungsauftrages für den 2. Untersuchungsausschuß gem. Drucksache 11/1680 und 11/1683 (neu)" auf Drucksache 11/3658 zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Haushaltsausschuß Drucksache 11/2629 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/2714 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Haushaltsausschuß Drucksache 11/2198 Nr. 2.1 Drucksache 11/2465 Nr. 2.2 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/2465 Nr. 2.25, 2.26 Drucksache 11/2724 Nr. 33 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/2724 Nr. 34 Drucksache 11/3021 Nr. 2.14 Drucksache 11/3200 Nr. 2.32
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Liesel Hartenstein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Vernichtung der tropischen Regenwälder erschreckende Ausmaße angenommen hat, wurde bereits dargestellt. Ich stimme allen zu, die sagen, daß dringender Handlungsbedarf besteht. Wir befinden uns in einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit. Die Frage ist aber: Wo besteht der dringendste Handlungsbedarf? Besteht er wirklich nur in den Tropenländern? Das Lamentieren über das Bevölkerungswachstum, Herr Minister Klein, hilft uns überhaupt nicht weiter. Es ist natürlich wahr, daß der Bevölkerungsdruck einen wichtigen Anteil am Raubbau an den tropischen Regenwäldern hat. Es ist auch wahr, daß eine verfehlte staatliche Siedlungspolitik wie in Brasilien oder Indonesien Millionen landloser Bauern in die Wälder treibt auf der Suche nach einem Stück Boden, von dem sie sich und ihre Familien ernähren können. Es ist unbestritten, daß ungerechte Besitzverteilung, nicht durchgeführte Landreformen und ein fatales Steuersystem, das Abholzung und Brandrodung begünstigt, den Waldverlust beschleunigen. Das müssen die betroffenen Länder selber regeln und ändern.
    Nur, diese Ursachen sind erst die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist, daß die Industrieländer an der Ausplünderung des letzten großen Ökosystems der Erde kräftig mitwirken. Der Regenwald stirbt auch in Europa, auch in Japan, auch in den USA.
    Dafür nur zwei Beispiele: Im Jahr 1980 wurden 81 Millionen Kubikmeter tropische Edelhölzer in die wohlhabenden Industrieländer exportiert; 1950 waren es erst 4,3 Millionen Kubikmeter. Die Menge hat sich also verzwanzigfacht. Dafür, und nicht wegen des Bevölkerungsdrucks, wurden riesige Gebiete in Westafrika und Südostasien der Abholzung preisgegeben. Der Umweltausschuß des Europäischen Parlaments hat in einem im Juni 1988 veröffentlichten Bericht festgestellt, daß die EG bei weitem der größte Importeur von Schnittholz aus dem malaysischen Bundesstaat Sarawak ist, der vor 25 Jahren noch fast völlig mit Regenwald bedeckt war und heute weitgehend verwüstet ist. 1986 betrug der Importanteil der EG 32%.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Wahnsinn!)

    Es ist kein stichhaltiges Gegenargument, wenn Holzhandel und Holzimportfirmen darauf hinweisen, daß man doch heute die Methode des selektiven Holzeinschlags anwende, bei der nur wenige kommerziell nutzbare Bäume pro Hektar geschlagen würden. Trotzdem werden dabei schwerste Schäden verursacht: durch den Einsatz schwerer Bulldozer und Traktoren beim Abtransport, durch die Verwüstung des umgebenden Waldes beim Fällen der fast ausschließlich großen Bäume, durch den Bau von Holzfällerstraßen, die den Primärwald aufreißen und die Einfalltore für nachfolgende Siedlertrupps bilden.
    Beispiel 2: Mit der Anlage ausgedehnter Plantagen, sei es für Rinderzucht oder zum Anbau von Futtermitteln, werden dem Tropenwald weitere riesige Wunden geschlagen.

    (Dr. Holtz [SPD]: Sehr wahr!)

    In Brasilien hat sich keiner der großen Konzerne, sei es
    die amerikanische Reifenfirma Goodyear oder VW do
    Brasil, die Chance des Einstiegs in dieses Plantagengeschäft entgehen lassen, auch wenn sich wegen der dünnen Humusdecke des Waldbodens die Rendite bald als geringer herausgestellt hat, als erwartet. Brasilien ist heute der größte Exporteur von Sojaschrot. Für den Anbau von Soja und anderen Produkten, die dann in die Futtertröge unserer Massentierhaltung wandern, werden aber gerade die Flächen genutzt, die nötig wären, damit die hungernden Millionen ihren Mais und ihre schwarzen Bohnen anbauen könnten, um für die eigene Ernährung Sorge zu tragen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN Mit anderen Worten: Die Verschwendungswirtschaft der reichen Länder verstärkt die Not der armen Länder. Wenn wir diese fatale Wirkungskette durchbrechen wollen, dann, denke ich, müssen wir zuallererst bei uns selber anfangen: Wir müssen die Agrarpolitik der sinnlosen Überschußproduktion schleunigst beenden. Wir müssen unseren enormen Fleischkonsum einschränken, d. h., wir müssen auch unsere eigenen Ernährungsgewohnheiten korrigieren. Wir müssen aufhören, unsere Sitzungssäle, unsere Wohndielen und auch noch unsere Kellerbars mit tropischen Edelhölzern auszustaffieren. Eine drastische Einschränkung der Importe ist auch hier die Mindestforderung. Die öffentliche Hand sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Statt dessen tut die Bundesregierung das Gegenteil; mein Kollege Schanz hat bereits darauf hingewiesen. Interessant ist die Begründung — ich habe ja ein paar parlamentarische Anfragen gestellt — der Bundesregierung, die Begründung nämlich, die Tropenhölzer seien wirtschaftlicher. Das heißt doch im Klartext: Sie sind billiger als die einheimischen Hölzer. Meine Damen und Herren, eine Ökosteuer oder eine Abgaberegelung könnte die Preisrelation hier wieder ins richtige Lot bringen. Meine Damen und Herren, Willy Brandt sagte bei der Eröffnung des Klimakongresses in Hamburg, der Verdacht sei begründet, daß die Menschheit einer Katastrophe zusteuere. Ursache seien vielfach Bequemlichkeit und Unwissenheit — und jetzt wörtlich — , „aber fast immer ein falsches Verständnis von wirtschaftlicher und technischer Entwicklung". Das ist ein entscheidender Punkt. Denn eine Form der Technisierung und Industrialisierung, die keinerlei Rücksicht auf die besondere Eigenart der Tropenländer nimmt, führt auch, und zwar geradewegs, zur massiven Tropenwaldvernichtung. 'Der wohl rabiateste Eingriff in das hochsensible Gebilde Regenwald sind jene technischen Großprojekte, die ausschließlich mit Geldern der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, aber auch mit Geldern der EG und der Bundesrepublik direkt finanziert wurden: gigantische Kraftwerke, Industrialisierungsprojekte , Straßenbauvorhaben, Erzabbau. Heute zeigt sich, daß der erhoffte ökonomische Vorteil oft in krassestem Mißverhältnis zu den irreparablen ökologischen Folgen steht. Dennoch werden weiter Gelder für Großvorhaben bereitgestellt. Der Plan Brasiliens, mehr als 140 neue Frau Dr. Hartenstein Staudämme im Amazonasgebiet zu errichten, hätte unabsehbare Auswirkungen. Am Rio Xingu sollen z. B. zwei Mammutkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 17 000 Megawatt entstehen. Für einen — nur für einen! — der beiden Stauseen wird ein Gebiet überflutet, das zehnmal so groß ist wie der Bodensee. Hinzu kommt ein Weiteres — man muß davon reden, auch wenn Sie es schon erwähnt haben — : Der Stamm der Kayapo-Indianer, die in diesem Gebiet seit Jahrhunderten leben — mit dem Wald leben und von dem Wald leben — , würde durch dieses Projekt von Vertreibung und letztlich wohl auch von Ausrottung bedroht. Da werden Menschenrechte brutal mit Füßen getreten. Nicht selten endet der Kampf blutig wie bei all jenen, die ihren Einsatz für die Rechte der heimischen Bevölkerung und die Rechte der Natur mit dem Leben bezahlt haben. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Folz-Steinacker [FDP])


    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)




    Der Tod von Chico Mendes ist nur das jüngste erschütternde Beispiel dafür.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was schlagen Sie denn nun vor?)

    „Der weiße Mann lebt von Zerstörung. Er hat diese Welt nicht begriffen" , sagte der Häuptling der Kayapo-Indianer, der im Dezember auch in Bonn war und mit dem wir gesprochen haben. Er wollte dafür werben, daß der Wald nicht in den Wasserfluten eines Stausees versinkt.
    Wir fordern die Bundesregierung eindringlich auf — ich möchte die Bitte meines Kollegen Schanz noch einmal unterstützen — , dem 2. Energiesektorkredit für Brasilien nicht zuzustimmen und in den Gremien der Weltbank diejenigen zu unterstützen, die eine umwelt- und ressourcenschonende Politik in Gang bringen wollen. Diese Bestrebungen gibt es ja Gott sei Dank.

    (Dr. Pinger [CDU/CSU]: Woher wollen Sie denn die Energie nehmen?)

    Meine Damen und Herren, langsam setzt sich die Erkenntnis durch, daß der rapide Rückgang der tropischen Regenwälder auch unmittelbar mit der folgenschweren Aufhetzung des globalen Klimas zu tun hat. Der Regenwald spielt eine elementare Rolle für die Stabilisierung unseres Klimas, für den Wärmehaushalt, für die Niederschlagsmengen und vor allem für den Kohlendioxidkreislauf. Die letzte Eigenschaft erklärt die Bezeichnung „grüne Lungen" der Erde, denn die gewaltige Biomasse der Regenwälder baut große Mengen des in der Luft gespeicherten Kohlendioxids ab und gibt dafür Sauerstoff frei. Der Anteil der Waldvernichtung an den globalen CO2-Emissionen wird auf ca. 20 % geschätzt. Das ist nicht wenig und ein weiterer Grund, schleunigst alles zur Erhaltung der noch vorhandenen tropischen Regenwälder in die Wege zu leiten. 80 % der Treibhausgase, meine Damen und Herren, werden jedoch von den nördlichen Industrieländern durch Verbrennung von Öl, Kohle und Gas in die Atmosphäre ausgestoßen. Das heißt, auch hier geht die erste Forderung wiederum an uns selbst, durch Einsparung von Energie und durch
    Erhöhung der Energieeffizienz die Emissionen zu reduzieren.
    Ein Viertel der Weltbevölkerung auf der Nordhalbkugel verbraucht immerhin drei Viertel der gesamten Weltenergieproduktion. Das kann doch nicht auf die Dauer in Ordnung sein.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Nur wenn wir durch eigenes Beispiel demonstrieren, daß z. B. ein neues energiesparendes Verkehrssystem kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt ist, daß nicht Großkraftwerke, sondern dezentrale Energieversorgungssysteme die besseren Lösungen sein können, daß die Solarenergie, vor allen Dingen für die Tropenländer, die beste Energiequelle der Zukunft ist, werden wir die Entwicklungsländer zu überzeugen vermögen, daß dauerhafter Fortschritt — Brundlandt-Kommission — nicht mit der Zerstörung unserer natürlichen Ressourcen gekoppelt sein muß, sondern nur im Einklang mit der Natur möglich ist.
    Es gibt in den Tropenländern selbst vielfältige Anstrengungen, den totalen Raubbau zu stoppen; das soll ausdrücklich anerkannt werden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Man bemüht sich um eine nachhaltige Bewirtschaftung mindestens der Sekundärwälder. Einige Länder, wie Indien, Simbabwe oder Brasilien, haben mit Wiederaufforstungsprogrammen begonnen. Aber, meine Damen und Herren, das Verhältnis von Wiederaufforstung zu Abholzung bzw. Brandrodung beträgt in Südamerika 1: 10, in Afrika 1 : 29. Alle diese Versuche bleiben also punktuell, so konstruktiv sie im einzelnen sein mögen; sie können den rapiden Zerstörungsprozeß nicht stoppen, geschweige denn ausgleichen, was bereits vernichtet ist.
    Es fehlt bis heute eine wirksame Gegenstrategie. Vorhandene internationale Ansätze sind zu schwach oder gehen in die falsche Richtung. Das gilt auch für den Tropenwald-Aktionsplan der FAO, Frau Kollegin Segall; darüber werden wir reden müssen. Nur 8 der Mittel sind für Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung tropischer Wälder vorgesehen, dagegen 25 % für die industrielle Nutzung. Das ist ein Mißverhältnis, denn Pläne, die auf schnelle ökonomische Rendite angelegt sind, verfehlen das ökologische Ziel.
    Erforderlich ist also ein international abgestimmtes Konzept, das Industrieländer und Entwicklungsländer nur gemeinsam verwirklichen können. Es muß a) die weitestgehende Erhaltung der noch vorhandenen tropischen Regenwälder zum Ziel haben — ich weiß, wie schwierig das sein wird — , es muß b) die Lebensräume und Kulturen der Indianerstämme bewahren und ihre Menschenrechte garantieren, es muß c) die Schuldenlast der Tropenländer erleichtern und ihnen die Chance eines neuen, umweltverträglichen Entwicklungsmodells geben.
    Lutzenberger hat recht, wenn er mahnt: In der Dritten Welt wird sich nichts ändern, wenn sich in den Industrieländern nichts ändert. — Das heißt aber: Auch wir müssen uns bequemen, einen neuen Fortschrittsbegriff zu definieren, und ihn nicht nur zu definieren, sondern auch danach zu handeln.



    Frau Dr. Hartenstein Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lippold.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus W. Lippold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Globale Herausforderungen erfordern unverzügliches Handeln: das Ozonloch über der Arktis, die drohende Klimakatastrophe, das schnelle Sterben der Regenwälder. Der Bundeskanzler hat unverzüglich diese Fragen in die internationalen Konferenzen wie den Weltwirtschaftsgipfel und auch auf EG-Ebene eingebracht. Der nächste Parteitag der Union wird sich diesen Themen stellen. In gleicher Weise greift die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" diese Problematik auf. Die Zusage steht, daß der nächste Zwischenbericht zu diesem Thema läuft.
    Ich will nicht wieder die Zahlen wiederholen, die hier zur raschen Zerstörung der tropischen Regenwälder, der Primärwälder, bereits genannt worden sind. Diese hat gravierende ökologische, aber auch soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Sie führt zu einer erheblichen Änderung des lokalen Klimas, des regionalen Klimas und auch des Weltklimas. Die Brandrodungen und die dadurch freigesetzte Menge an Kohlenstoff tragen entscheidend zum Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre und dadurch zum Treibhauseffekt bei, mit 7 bis 32 %. Bodenerosion, Versteppung, Wüstenbildung und die Absenkung des Grundwasserspiegels sind die Folge, eine Fülle negativer ökologischer Folgewirkungen.
    Von besonderer Problematik ist das Sterben der Arten. Die durchschnittliche Überlebenszeit einer Art betrug in der Erdgeschichte 5 Millionen Jahre. Es wird geschätzt, daß durchschnittlich 1 Million Arten von 5 Millionen, die es je gab, pro Jahrmillion aussterben. Das sind 200 Millionen Arten in 200 Millionen Jahren; eine Art pro Jahr war die durchschnittliche Rate in der Weltgeschichte, so die Schätzung. Wenn ich jetzt allein auf den tropischen Regenwald, auf das Amazonasbecken, abstelle, dann können wir bei ganz vorsichtiger konservativer Schätzung zu dem Ergebnis kommen, daß sich diese Artenvernichtung verfünfzigtausendfacht hat, verhunderttausendfacht hat in der Jahresrate, ja, daß die Ziffern wahrscheinlich noch darüber hinausgehen. Das macht das Problem in seiner Dringlichkeit erst recht deutlich.
    Die wichtigsten Ursachen sind das enorme Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, nämlich 3 bis 6 % jährlich, damit verbunden der Mehrbedarf an landwirtschaftlicher Fläche, einerseits zur dauerhaften Bewirtschaftung, aber auch — noch wesentlich bedeutsamer — der Wanderfeldbau. Weiter sind zu nennen: eine verfehlte Besiedlungspolitik als Folge nicht durchgeführter Reformen in Verbindung mit agroindustrieller Viehwirtschaft,

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    falsche finanzwirtschaftliche Signale, stärkere Besteuerung von Landbesitz, der mit tropischem Wald
    bewachsen ist, als die Besteuerung viehwirtschaftlich
    genutzten Landes bei gleichzeitiger staatlicher Subventionierung der Viehwirtschaft, die Brennholzbeschaffung, die auch ein Faktor ist, der mit dem Bevölkerungswachstum verbunden ist, die kommerzielle Nutzung tropischer Hölzer, die nicht auf nachhaltige langfristige Nutzung angelegt sind, entwicklungspolitische Großprojekte, deren Umweltverträglichkeit nicht geprüft wurde.
    Aber ich sage in diesem Zusammenhang auch den Satz: Was ich der Diskussion entnommen habe, ist eigentlich die totale Verurteilung jeglicher entwicklungshilfepolitischer Projekte, sowohl Straßenbau wie Kraftwerksbau.

    (Dr. Pinger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich nenne Ihnen mal die Namen Inga 1 und 2 am Kongo. Ohne die wäre eine sinnvolle Energieerzeugung, Wasserwirtschaft gar nicht nötig. Wenn Sie das durch andere Energie ersetzen wollten, würde dort der Tropenwald noch auf Jahrzehnte hinaus sterben. Wir brauchen also auch vernünftige Großprojekte, und wir brauchen auch Straßenbau in diesen Ländern, um landwirtschaftliche Regionen mit armen Regionen zu verbinden, um dort Agrartransport möglich zu machen, der dazu führt, daß der Druck auf die Besiedlungsfläche geringer wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Wir brauchen auch die verstärkte Nutzung schnell wachsender Hölzer. Ich sage Ihnen das: Wir brauchen die Plantagen, in denen durch geklonte Hölzer, sehr schnell wachsend, Brennholz, Nutzholz für verschiedene Nutzfunktionen bereitgestellt wird, damit der Druck auf den Regenwald geringer wird. Wir brauchen dies in den Regionen der Ballungszentren, damit die Entnahme aus dem Wald gestoppt wird.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Wer stellt das denn in Frage, was Sie da jetzt sagen?)

    — Das habe ich bei einer Reihe Ihrer Kollegen, Herr Stahl, nicht so deutlich gehört, wie ich auch ansonsten bei Ihnen eine immer etwas differenziertere und der Sache gerechtere Aussage finde, als das bei einigen Ihrer Freunde der Fall ist.

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Sie sollten handeln!)

    Wir brauchen in Zukunft eine wesentlich verstärkte Wiederaufforstung, eine verstärkte Ausweisung von Naturparks und Waldschutzgebieten wegen der Arterhaltung, verstärkten Aufbau von Forst- und Naturschutzverwaltung. Es nützt nichts, wenn wir etwas unter Naturschutz stellen und die Einhaltung nicht kontrollieren, wie das in Pantanal der Fall ist. Dann haben Sie ein hervorragendes Gesetz, wie Ihr Importholzverbot, und hinterher läuft unkontrolliert alles schlimmer, als es früher gewesen ist. Gut gemeint — das geht an die Fraktion der GRÜNEN — ist oft der Gegensatz von dem, was dann erzielt ist.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen die Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutzung, ihre Orientierung auf die kleinen, auf die lokalen Märkte, keine Großfarmen. Wir brauchen verstärkt, wie es schon anklang, Agroforstprojekte, um auch hier erstens den Druck auf die Besiedlung zu



    Dr. Lippold (Offenbach)

    nehmen, zweitens aber auch, um den Druck auf Brennholz zu nehmen.
    Aber für all dies ist unabweisbare Voraussetzung, der Schuldenerlaß für die ärmsten Länder der Dritten Welt, der notwendig, aber nicht hinreichend ist. Die industrialisierten Länder müssen zusätzlich erhebliche Mittel zur Umsetzung der Finanzierung der Maßnahmenkataloge, nach Regionen differenziert, bereitstellen, wenn sich überhaupt etwas tun kann. Die Mittel, die in die Kredite gegangen sind, sind verbraucht. Da steht kein Geld mehr zur Verfügung, das genutzt werden könnte, um Projekte zu finanzieren.
    Ich sage Ihnen noch eines: Auch die Pilotprojekte im Agroforstbereich, im Wiederaufforstungsbereich nützen uns nichts, wenn nicht ihre großräumige Umsetzung insgesamt erfolgt. Dann haben wir nämlich ein stolzes Projekt, das wir zu den Akten nehmen, das aber nur ein Minimum zur Lösung des regionalen Problems beiträgt. Wir brauchen die großräumige Umsetzung. Das erfordert wesentlich mehr Geld. Nur durch eine massive Unterstützung ist das zu machen.

    (Volmer [GRÜNE]: Was ist mit den Schulden von Brasilien?)

    — Das müssen Sie sehr differenziert betrachten. Wenn Sie mehrfach dahin fahren, werden Sie merken, daß Sie das nicht einfach über einen Leisten schlagen können. Das gleiche gilt hinsichtlich der Schulden Argentiniens. Da muß man auch die Hintergründe sehen. Ich möchte nicht darauf hinaus, daß ich bei dem einen oder anderen Land einen großzügigen Schuldenerlaß mache, um verfehlte Wirtschaftspolitik, verfehlte Finanzpolitik, auch im Außenbereich, weiter zu stützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber ich sage auch eines allgemein an unsere Adresse und insbesondere an die der GRÜNEN ganz deutlich: Ich glaube, wir brauchen im Umgang mit den Ländern der Dritten Welt wesentlich weniger Arroganz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Besserwisserei fängt z. B. beim Importverbot an.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    — Ja, reden Sie doch einmal mit den Umweltministern der betroffenen Länder, mit den Umweltministern aus Malaysia, aus Zaire, aus der Volksrepublik Kongo. Dann werden Sie hören, was die Ihnen sagen. Sie können das Problem nur partnerschaftlich mit diesen Ländern lösen, nicht gegen sie.

    (Volmer [GRÜNE]: Reden Sie mal mit den GRÜNEN in Brasilien!)

    Wenn Sie in Ihrer Arroganz dahin kommen und fragen, was sie denn tun wollen, dann sagen die Ihnen: Sie verbrennen doch mehr Kohle und geben über die Kohleverbrennung mehr CO2 ab als wir durch die Brandrodung im tropischen Regenwald. Wenn von Ihnen die Signale kommen, den Kohleverbrauch bei uns noch zu verstärken oder, wie früher, aus der Kernenergie auszusteigen,

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Auch heute noch!)

    die alten Kohleschleudern wieder ans Netz zu bringen, und wenn Sie dann gleichzeitig von den anderen den Verzicht verlangen, dann entbehrt das doch jeglicher Logik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Volmer [GRÜNE]: Sie haben doch Buschhaus ans Netz angeschlossen!)

    Ich sage auch ganz deutlich: Wir, die wir überhaupt keinen natürlich erhaltenen Wald mehr haben — bei uns gibt es keinen Quadratmeter natürlichen Wald mehr —, die wir jährlich mehr Holz einschlagen als alle Tropenländer zusammen, in alle Industrieländer exportieren — 30 Millionen Festmeter Holzeinschlag bei uns, 26 Millionen Festmeter Tropenholz für den Export in die Industrieländer — , sollten etwas zurückhaltender werden. Wir sollten uns auf die Probleme dieser Länder konzentrieren — differenziert, lokal, im partnerschaftlichen Sinn — , aber keine Arroganz an den Tag legen. Ich glaube, dann kommen wir bei der Problemlösung erheblich weiter.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP — Schanz [SPD]: Danke, Herr Oberlehrer!)