Rede von
Thomas
Wüppesahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Eine kurze Vorbemerkung: Ich will in keinster Weise das Recht des Präsidenten in Abrede stellen, die Redereihenfolge zu bestimmen, aber ich denke doch, wenn ich als Redner gesetzt bin, daß ich es dann erfahren kann, wenn ich umgesetzt werde! U. a. deshalb, damit mir solche Situationen wie eben erspart bleiben können.
Meine Damen und Herren, klar ist doch, daß durch dieses Gesetz die Parteien mehr Geld bekommen werden. Auch mit der geplanten Änderung wird es den Parteien aber an Geld fehlen. Das werden wir sehr schnell feststellen. Sicherlich innerhalb von wenigen Jahren, vielleicht schon innerhalb von wenigen Monaten. Den Parteien wird es immer an Geld fehlen, weil sie aus ihrem augenblicklichen Geist heraus eine Ausgabenmentalität haben, die unerträglich ist ge-
8612 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
Wüppesahl
genüber den Ansprüchen, die sie gegenüber den anderen Bevölkerungsgruppen formulieren. Deshalb wird es auch immer verlockend sein, sich aus dem Steuersockel selbst reichlich — und ich denke, überreichlich — zu bedienen. Was sollen eigentlich die Rentner, Sozialhilfeempfänger und andere Benachteiligte in unserer Gesellschaft denken, wenn an diese Gruppen ständig Sparappelle gehen, die Parteien aber nicht eine solche Vorgehensweise praktizieren, sondern ständig ins Volle greifen?
Herr Spilker von der CDU/CSU hat als Gründe, weshalb das Gesetz aufgelegt wurde, den § 10b des Einkommensteuergesetzes und den § 9 des Körperschaftsteuergesetzes aufgeführt. Wir müssen aber feststellen, daß die Novellierung in diesem Gesetzentwurf sehr viel weitergeht, und zwar genau in dem Bereich, in dem es darum geht, daß die Parteien sich selbst besser finanziell ausstatten.
Genauso hat Herr Bernrath von der SPD lange Ausführungen darüber gemacht, daß die jetzt im Gesetz formulierten Passagen verfassungsgemäß sind.
Sie gucken gar nicht danach, was die optimale Lösung ist, sondern nach derjenigen, die gerade noch verfassungsgemäß ist und bei der Sie sich gleichzeitig übermäßig bedienen können.
Dann dröhnen Sie in die Öffentlichkeit — aber wirklich: Sie dröhnen — , um die Menschen draußen Glauben zu machen, wie stark Sie sich selbst bescheiden und wie bitter notwendig es ist, daß die armen Menschen in den Parteien, die angeblich so karg leben, eine solch große Finanzausstattung bekommen, wie Sie sie sich jetzt selbst genehmigen.
Die Chancengleichheit wird durch diesen Gesetzentwurf zudem nicht gewährleistet. Benachteiligt werden nicht nur kleinere Parteien oder solche mit weniger wohlhabenden Gönnern, sondern vor allem die Wählergemeinschaften, die auf kommunaler Ebene unverzichtbare, weil bürgernahe, politische Arbeit leisten. Sie werden ohne erkennbaren Grund vom Finanz- und Spendentopf abgekoppelt.
Der Vorschlag der GRÜNEN, den auch der Bund der Steuerzahler begrüßt hat, an Hand eines Bürgerbonus den Bürger bei der Wahl selber bestimmen zu lassen, welche Partei das Geld und welche die Stimme erhalten soll, ist unbedingt zu unterstützen.
Besonders am Herzen liegt mir aber, wie schon erwähnt, die Untersützung der unabhängigen Wählergemeinschaften durch die steuerliche Begünstigung von Zuwendungen und Spenden an sie. Während die großen Parteien durch das Parteienfinanzierungsgesetz und andere Geldquellen, nicht zuletzt durch die Möglichkeit der steuerlichen Absetzung der Beiträge und Spenden für ihre Gönner, umfangreiche Mittel erhalten, haben kleine Wählervereinigungen und -gruppen diese Finanzierungsmöglichkeit nicht. Dabei gebieten auch das Demokratieprinzip und der Minderheitenschutz, daß auch die kleinen, meist örtlichen Vereinigungen ohne Parteicharakter, die an der politischen Willensbildung teilnehmen, finanziell bezuschußt und unterstützt werden, selbst wenn für sie wegen der 5-%-Klausel relativ wenige Chancen bestehen, in den Bundestag oder die Landesvertretungen einzuziehen.
Unterstellen Sie doch nicht im Umkehrschluß mit Ihrer vorgetragenen Logik, daß sich irgendeine Gruppierung oder Partei an einem Wahlkampf beteiligt, nur um in den Genuß eines mit Steuergeldern finanzierten Wahlkampfs zu gelangen. Genauso wie Vereine, karitative Einrichtungen, Interessenverbände und ähnliche die Möglichkeit haben, ihren Spendern und Förderern Spendenbescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt auszustellen, muß dies auch für diese unabhängigen Wählervereinigungen gelten, und zwar im gleichen Umfang wie bei den Parteien; natürlich erheblich reduziert gegenüber der jetzt von Ihnen vorgelegten Fassung des Gesetzentwurfs.
Die Wählervereinigungen sind für diese Demokratie und Gesellschaft von eklatanter Bedeutung. Sie wissen, daß gerade dieser Bereich in dem Gesetzentwurf einer der größten Gefahrenpunkte für die Frage der Verfassungsgemäßheit ist.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die kommunale Selbstverwaltung nach Art. 28 des Grundgesetzes, in der diese unabhängigen Gruppen insbesondere tätig werden, ebenso durch das Grundgesetz geschützt ist, wie es die Parteien durch Art. 21 des Grundgesetzes sind.
Daher ist es aus Gründen der Gleichbehandlung, der Demokratie und des Minderheitenschutzes zwingend geboten, diese unabhängigen Wählervereinigungen als Keimzellen politischer Betätigung wenigstens insofern zu unterstützen, als die steuerliche Absetzbarkeit ihrer Spenden und Mitgliedsbeiträge vergleichbar mit den Möglichkeiten der Parteien geregelt wird.
Abzulehnen ist auch der neue Sockelbetrag. Er ist eindeutig — da darf es im Grunde keine Frage geben — verfassungswidrig. Durch diese Regelung fallen wieder einmal die kleinen Gruppen und Parteien aus einer Förderung durch das Parteienfinanzierungsgesetz heraus. Durch die 5-%-Klausel — die übrigens an keiner Stelle unserer Verfassung steht und sich auch mit ihrer historischen Begründung aus den 50er Jahren in bezug auf Weimar längst überlebt hat — sind diese kleinen Parteien und Wählervereinigungen sowieso zum Großteil von der politischen Einflußnahme ausgenommen. Darum sollte wenigstens die finanzielle Ausstattung zur Unterstützung der Tätigkeit großzügig ausfallen.
Die Pflicht zur Veröffentlichung von Großspenden ab 40 000 DM ist nur noch als peinlich zu bezeichnen. Sie wissen ganz genau, daß bestimmte Großspender in Ihre Schatzmeisterschatullen kein Geld mehr gäben, wenn sie wüßten, daß eine Veröffentlichung stattfindet. Was sonst spricht denn dagegen, daß Großspender bereits ab einem Betrag von etwa 5 000 DM in den Rechenschaftsberichten auftauchen müssen? Ist es schlechtes Gewissen? Oder ist es den Spendern etwa peinlich, die Träger — so ist ja Ihre Logik — der parlamentarischen Demokratie, nämlich die sich den Staat zur Zeit immer mehr aneignenden Parteien, zu unterstützen? — Wie dem auch sei, die Pflicht, Großspender im Rechenschaftsbericht der Partei er-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8613
Wüppesahl
scheinen zu lassen, muß bei einer weit geringeren Summe von beispielsweise 5 000 DM einsetzen.
Abschließend bringe ich Ihnen kurz zu Gehör, was mir in diesen Tagen von einem die politischen Geschehnisse sehr interessiert verfolgenden Bürger unserer Republik erzählt wurde. Sie wissen, wie häufig gesagt wird, daß hier in Bonn die Bonzen herrschen. Und wie häufig gesagt wird: Das sind teilweise ja geradezu Ganoven, wie die mit uns Bürgern umgehen. Diese Person hat — Sie wissen, aus welcher Logik heraus ich Ihnen das sage — geäußert: So geschickt, wie sie sich dort Geld beschaffen — da ist mir ja ein „ehrlicher" Mafioso auf Sizilien lieber, der mit einer Pistole in die Bank geht und sich das Geld beschafft.
Sie wissen, daß Sie kriminologisch betrachtet, die Möglichkeit haben, Recht zu setzen. Das, was Sie in diesem Gesetz formulieren, ist in anderen Ländern als rechts- und verfassungswidrig ausgewiesen. Wie problematisch Ihre Vorgehensweise ist, zeigt nicht nur dieses Zitat, das ich gebracht habe. Es zeigt sich auch in dem Schwall an Gegenwind, den Sie durch die Medien in den Vortagen zu diesem Gesetz und zu dieser Diskussion heute erlebt haben und hoffentlich auch danach bekommen werden.