Rede von
Dr.
Johannes
Gerster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Schily, ich komme noch zu Ihrer Partei. Stellen Sie Ihre Frage ein bißchen zurück. Sie werden noch viel Gelegenheit haben, sich zu Zwischenfragen zu melden. Das verspreche ich Ihnen.
Beides, der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts und die Kritik des Bundestagspräsidenten, verpflichtet uns, mit der jetzigen Gesetzesvorlage die Schwachstellen in der Parteienfinanzierung auszuräumen und auf eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage zu stellen.
„Die Parteien sollen nicht zuviel Geld verschwenden mit Plakaten, Luftballons und anderen Werbematerialien" — auch dieses Argument hört man immer wieder. Richtig! Aber komisch ist: Man hört es nur, wenn es um die Parteien geht, nicht bezüglich anderer Organisationen und Verbände. So muß einfach einmal zur Kenntnis genommen werden: Die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien findet ja nicht irgendwo, etwa in der Wüste Gobi, statt, sondern auf den Straßen und Plätzen der Bundesrepublik Deutschland. Da sind die Parteien nicht allein, sondern stehen in Konkurrenz zu vielen anderen, die ebenfalls sehr geschickt um Aufmerksamkeit werben.
Die Parteien haben vor der letzten Bundestagswahl für die Öffentlichkeitsarbeit rund 250 Millionen DM ausgegeben. Das macht pro Jahr etwa 63 Millionen DM aus. Allein die bundesdeutsche Zigarettenindustrie gibt in jedem Jahr rund 300 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit aus, also das Fünffache. Auch sie ist nicht allein auf dem Markt.
Dazu kommen Waschmittelwerber, die Autowerber, die Süßigkeitenwerber, die Getränkewerber, die Zahnpastawerber, und ich weiß nicht welche Werber noch. Alle gehen mit riesigen Beträgen auf den Werbemarkt — dagegen will ich hier jetzt gar nichts sagen —, aber die Parteien sollen sich auf die Mundzu-Mund-Propaganda beschränken. Das kann doch nicht im Sinne von Art. 21 unseres Grundgesetzes sein, der die Parteien zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung verpflichtet.
Ich will noch einen Vergleich ziehen. Die Parteien erhalten pro Wähler 5 DM an Wahlkampfkosten erstattet. Nehme ich einmal die Bundestags-, Landtags- und Europawahlen zusammen, sind das in vier Jahren ungefähr 15 DM pro Wähler, pro Jahr also nicht einmal 4 DM. Manche derjenigen, die uns da so moralträchtig wegen überzogener staatlicher Parteienfinanzierung kritisieren, sitzen in Rundfunk- und Fernsehanstalten, die von jedem Bürger im Monat
16,60 DM oder — umgerechnet — fast 200 DM im Jahr erhalten.
Die Frage muß doch einmal erlaubt sein, ob die Parteien mit 4 DM im Jahr in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu hoch unterstützt werden gegenüber 200 DM an Quasi-Steuergeldern für Fernsehanstalten, die auch nicht ganz — ich will es einmal vorsichtig ausdrücken — auf die politische Einflußnahme verzichten.
Darüber hinaus hängen die gleichen Rundfunkanstalten auch noch kräftig am Tropf der Werbeeinnahmen.