Rede von
Dr.
Johannes
Gerster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist keinesfalls so, daß die CDU/CSU mit großem Enthusiasmus an dieses Gesetz herangegangen ist. Es ist aber doch festzustellen, daß wir nicht von uns aus darangegangen sind, dieses Gesetz mit den anderen Fraktionen zu beraten und zu verabschieden, sondern durch das Bundesverfassungsgericht dazu veranlaßt worden sind. Das muß einmal klar gesagt werden.
Es ist schon merkwürdig: Wenn uns das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung auf anderen Feldern der Politik einen Handlungsauftrag gibt — ich erinnere einmal an die Datenschutzgesetze —, können sich manche nicht genug beeilen, die Stoppuhr anzuwerfen, um uns kurze Zeit später an den Fristablauf zu erinnern.
Wenn uns das Bundesverfassungsgericht aber verpflichtet, die Parteienfinanzierung noch einmal zu überprüfen, dann wird das Ganze so dargestellt, als wollten wir aus bloßer Überheblichkeit und Raffgier einen tiefen Griff in die Staatskasse tun.
Festzuhalten ist folgendes: Nicht nur das Bundesverfassungsgericht hat uns mit seinem Urteil von 1986 zu einer Überarbeitung verpflichtet, auch der Bundestagspräsident hat — ebenfalls auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung — darauf hingewiesen, daß der Chancenausgleich, der ja nicht von uns, sondern von einer Sachverständigenkommission entwickelt worden war, entgegen der ursprünglichen Absicht Parteien mit hohen Eigenanstrengungen nicht begünstigt, sondern bestraft. Oder, anders gesagt: Je geringer die Spenden- und Mitgliederwerbung, um so mehr Staatsknete — wie die GRÜNEN zu sagen belieben — winkt auf Grund der noch geltenden Regelung der Parteikasse der GRÜNEN.
So bekommt in diesem Jahr die CDU mit 750 000 Mitgliedern null DM aus dem Chancenausgleich. Und die GRÜNEN erhalten bei 40 000 Mitgliedern 5,9 Millionen DM.
Es gehört zu ihrem scheinheiligen Gehabe, daß sie letzten Endes, weil sie da im Verhältnis zu anderen Parteien ein Stück beschnitten werden, protestieren und dies in ein puritanisches Mäntelchen fassen.
Man kann es noch drastischer formulieren: Nach geltendem Recht finanziert ein privater Spender, der die großen Parteien unterstützen will, ungewollt, aber wirksam über den Chancenausgleich die kleinen Par-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8603
Gerster
teien mit. Das konnte nicht gewollt sein und kann daher so nicht bleiben.