Er hat den Erlös der Briefmarken, die ich verkauft habe, anschließend ausgegeben.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Gesetzentwurf der antragstellenden Fraktionen ist am 8. Juni eingebracht worden, der Antrag der Fraktionen DIE GRÜNEN am 12. Oktober. Anschließend haben wir das Ganze im Innenausschuß beraten, dort auch eine Anhörung gehabt. Wir haben es in den Fraktionen erörtert, und die Schlußabstimmung im Innenausschuß hat am Mittwoch dieser Woche stattgefunden. Das Gesetz wurde also eingehend und sorgfältig beraten, und es wurde der Rat der fachlich zuständigen Ministerien, von sachverständigen Ver-
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Fassungsrechtlern und anderen kenntnisreichen Leuten eingeholt.
An Notwendigkeit und Ergiebigkeit der Anhörung ändert auch die Tatsache nichts, daß einer der um Rat gebetenen Sachverständigen diese Bitte wohl mißverstanden hatte und — anstatt sachverständigen Rat zu geben — sozusagen zu einem persönlichen Generalangriff auf die Parteien blies. Dies hat sich übrigens diesertage noch einmal in einer Pressekonferenz wiederholt. Ich meine, daß den Parteien jedenfalls eine solche Attacke nicht angelastet werden sollte.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Anhörung sich natürlich nicht ausschließlich auf Verfassungs- und Rechtsnormen bezogen hat. In der Anhörung wurden auch verfassungspolitische und praktische Fragen erörtert. Auch in dieser Hinsicht sind wir den Sachverständigen dankbar, die uns damit in unserem Ermessen als Gesetzgeber nicht einschränken können — wahrscheinlich auch nicht wollten. Andernfalls würde es uns bald so gehen, wie es den Kommunen häufig vor den Verwaltungsgerichten geht, die sich angewöhnt haben, das den Kommunen nach den Gemeindeordnungen und anderen Gesetzen zustehende Ermessen vielfach lediglich durch ihr eigenes Ermessen zu ersetzen.
Immerhin wurde der ursprüngliche Entwurf dieses Gesetzes in sieben Punkten geändert und verbessert. Ich will diese Punkte im einzelnen nicht aufzählen. Ich möchte aber zu der einen oder anderen Einzelregelung noch folgendes sagen:
Erstens. Mit dem nun im Gesetz verankerten Sokkelbetrag und seiner Einbeziehung in die gesamte Wahlkampfkostenerstattung ist ein erster Schritt hin zu einer stärker funktionsorientierten Wahlkampfkostenerstattung getan. Dies rechtfertigt auch das auf 2 % abgesenkte Quorum. Diese Sperrklausel hat die Beratungen besonders schwierig gemacht, weil einerseits die Chancengleichheit auch für kleinere Parteien gesichert, die Staatsabhängigkeit für diese Parteien aber vermieden werden mußte. Ein wie enger Spielraum uns dafür zur Verfügung stand, ergibt sich daraus, daß bei allen Parteien, die bis zu 7,5 % der Stimmen erhalten, der Sockelbetrag immerhin 80 % der erfolgsabhängigen Wahlkampfkostenpauschale ausmacht. Das muß man wissen.
Auch praktisch gab es in der Vergangenheit - und das wird nach aller Einschätzung auch in naher Zukunft so sein — keine Notwendigkeit, diese Sperrklausel zu verändern. Dies wird daran deutlich, daß in den sechs Bundestagswahlen seit 1969 23 Parteien insgesamt 42mal angetreten sind, aber nicht in den Bundestag gewählt wurden. Nur fünfmal haben solche Parteien die 0,5-%-Grenze überschritten. Das war 1969 die NPD mit 4,3 % — sie wäre also im Sockel gewesen —, die ADF mit 0,6 %. Es war wiederum die
NPD 1972 und 1987 mit je 0,6 %, und es waren DIE GRÜNEN 1980 mit 1,5 % der Stimmen.
— Aber Sie wollen das Geld ja nicht, dann brauchen wir es auch nicht aufzustocken.
Es gab und gibt sehr unterschiedliche Betrachtungen zur sogenannten Vertrauensgrenze, also zu der Frage, ob die Pflicht zur Veröffentlichung von Einzelspenden bei 20 000 DM oder bei 40 000 DM liegen sollte. Uns steht hierfür lediglich ein Urteil aus dem Jahre 1967 zur Verfügung, das damals auf 20 000 DM bezogen war. Sinngemäß wird in diesem Urteil ausgeführt, daß wegen der geringen Höhe der Steuerermäßigung etwaige Prämierungseffekte für die politische Meinung von Beziehern größerer Einkommen und für die von diesen getragenen Parteien nicht ins Gewicht fallen. Diese Betrachtung wird man nach wie vor auf die Vertrauensgrenze von 20 000 DM beziehen müssen. Die gleiche Einschätzung wird natürlich schwieriger, wenn 40 000 DM als Vertrauensgrenze fixiert werden sollten. Dies ist auch Anlaß für meine Fraktion, dies in der zweiten Lesung noch einmal zu dokumentieren.
Häufig ist in den Debattenbeiträgen von „Selbstbedienung" und „Staatsfinanzierung" die Rede gewesen, dies aber insbesondere seitens derjenigen, die den höchsten Anteil an, wie sie oft sagen, „Staatsknete" bei ihren Einnahmen haben.
Es ist jedermann bekannt, daß beispielsweise die Partei DIE GRÜNEN fast 50 % ihrer Einnahmen aus Steuermitteln bezieht.
Dieser „Staatsquote" genannte Finanzierungsanteil spielt bei den anderen Parteien eine wesentlich geringere Rolle. Er liegt durchschnittlich zwischen nur 31 und 33 %.
Daran Anstoß zu nehmen, wie das auch die kritische Presse durchweg tut, wäre, meine ich, nicht fair; denn der Verfassungsauftrag der Parteien und ihre sich daraus ergebenden vielfältigen Aufgaben können nicht, auch nicht bei den mitgliederstärksten Parteien, ausschließlich aus Mitgliederbeiträgen finanziert werden. Ebensowenig, meine Damen und Herren, wäre es wünschenswert, die Parteien noch stärker von Spenden, schon gar nicht von Großspendern, abhängig zu machen. Das Finden also des rechten Anteils ist auch ein Grund dafür, daß der Innenausschuß, übrigens auf Vorschlag von Herrn Dr. Hirsch, empfiehlt, künftig Empfehlungen einer unabhängigen Sachverständigenkommission einzuholen. Dabei gehe ich davon aus, daß der Bundespräsident zu jedem ihm richtig oder notwendig erscheinenden Zeitpunkt unabhängige Sachverständige nach seiner Wahl berufen
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und um ihre Empfehlung zur Parteienfinanzierung bitten kann.
In der Anhörung und während der Beratungen hat sich erneut bestätigt, was Professor Dr. Friauf bereits in der Anhörung im Jahre 1983 gesagt hat, nämlich daß wir uns bei allen verfassungsrechtlichen Betrachtungen zum Parteiengesetz in einer schwierigen Lage befänden, weil wir in einer Scherensituation zwischen zwei Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stehen. Diese Schere ergibt sich auf der einen Seite aus der Spenden-Entscheidung, zum anderen aus dem Parteifinanz-Urteil. Beide Entscheidungen haben, meine ich, etwas apodiktisch in den Raum gestellt, was dann später auch kritisiert worden ist, nämlich daß es in der Tat schwierig ist, einerseits die Abhängigkeit der Parteien von Spenden zu verhindern oder zu mildern, andererseits unerwünscht, unzulässige Staatsnähe zu vermeiden.
Das Nebeneinander dieser beiden Entscheidungen, die nicht aufeinander bezogen sind, je für sich gefallen sind, hat dazu geführt, daß man bei einer sehr engen Betrachtung der Dinge möglicherweise zu dem formal abzuleitenden Schluß kommen kann, bei einer legitimen Parteienfinanzierung laufe — abgesehen von Mitgliederbeiträgen — beinahe gar nichts mehr. Dies aber kann nicht im Sinne der grundgesetzlichen Ordnung sein, die einen legitimen und auch verfassungsrechtlich korrekt finanzierbaren Parteienbedarf voraussetzt.
Wörtlich erklärte Herr Friauf damals:
Es scheint mir deshalb darum zu gehen, eine pragmatische Lösung zu finden, die von den Eingrenzungen her den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird, die aber wahrscheinlich nicht wird umhinkönnen, in dem einen oder anderen Punkt immerhin die Grenzen dessen auszuloten, was die verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorgezeichnet haben.
Dies, meine Damen und Herren, ist exakt das, was auch das Bundesverfassungsgericht in einer seiner Entscheidungen angedeutet hat, als es die Zulässigkeit eines an einen Grundbetrag zu knüpfenden Quorums erörterte. Es heißt dort:
Eine andere Frage ist, ob nicht jedenfalls den Parteien, die die Sperrklausel des § 18 Abs. 2 Nr. 1 PartG
— gemeint ist die damalige Sperrklausel im Rahmen einer allgemeinen Parteifinanzierung —
übersprungen haben, ein Grundbetrag gewährt werden sollte, der ihnen nach § 18 Abs. 3 PartG nicht zusteht. Ob eine solche Regelung verfassungsnäher wäre als die gegenwärtige, ist jedoch vom Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Gibt es verschiedene Regelungen, die mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar sind, so bleibt es Sache des Gesetzgebers, die ihm am zweckmäßigsten und am besten erscheinende Lösung zu finden.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung zu akzeptieren, selbst wenn eine andere Regelung nach seiner eigenen Auffassung vielleicht „verfassungsnäher" wäre.
Im übrigen wird auch im Kommissionsbericht die Berücksichtigung der Bedeutung einer Partei bei der Bemessung des von der Kommission befürworteten Grundbetrags, den wir jetzt Sockel nennen, vorgeschlagen, allerdings nach einem anderen, immerhin aber noch vergleichbaren Modell. Letztlich steht die Entscheidung dieser Frage also im pflichtgemäßen Ermessen des Gesetzgebers.
Schließlich möchte ich noch die vielen Hinweise auf eine Kostenminderung bei den Parteien, insbesondere während der Wahlkämpfe, aufnehmen. Was die Kostenminderung in den Geschäftsstellen der Parteien angeht, hören die Parteien nichts als gute Ratschläge. Konkrete Vorschläge werden nicht gemacht, auch aus der Mitgliedschaft heraus nicht. Nachdem die Parteien ihre Geschäftsstellen in den letzten Jahren — ich nenne das einmal so — rationalisiert haben, wird es dort nicht mehr viel Spielraum geben. Die Abhängigkeit von der allgemeinen Kosten-, besonders Personalkostenentwicklung ist damit auch offenkundig. Je enger Sie organisieren, je stärker werden Sie dann von der allgemeinen Kostenentwicklung abhängig.
Anders sieht es allerdings bei den Wahlkampfkosten aus. In der Rechtsprechung wird von den „notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes" gesprochen. Hier stehen uns zweifellos noch Spielräume für Kostenminderungen und Kostenbegrenzungen zur Verfügung. Ich will das hier nicht im einzelnen populistisch darstellen, meine aber, daß die Parteien, so wie sie in der Vorbereitung dieses Gesetzes aus guten Gründen und verantwortungsbewußt zusammengearbeitet haben, auch Verständigungen über die — ich wiederhole das — notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes finden werden.
Bürger und Wähler werden ihnen das danken.
Ich meinerseits danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und empfehle die Annahme des Gesetzentwurf es in der zweiten und dritten Lesung unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß es notwendig war, den jetzt erstmals eingeführten Sockelbetrag in dieser Wahlperiode um die zwei abgelaufenen Jahre, also um 3 Prozentpunkte, zu kürzen.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.