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ID1111701600

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    Plenarprotokoll 11/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 Inhalt: Anteilnahme am Schicksal der Opfer des Absturzes eines amerikanischen Kampfflugzeuges auf ein Wohngebiet in Remscheid 8553 A Erweiterung der Tagesordnung 8553 B Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 8553 C Seiters CDU/CSU 8554 C Bernrath SPD 8555 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 8555 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Straßmeir, Fischer (Hamburg), Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Richter, Gries, Kohn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Seeschiffahrtsregisters für deutsche Handelsschiffe im internationalen Verkehr (Drucksachen 11/2161, 11/3679) Fischer (Hamburg) CDU/CSU 8556 B Frau Faße SPD 8559 A Richter FDP 8560 C Frau Rock GRÜNE 8561 D Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV 8563 B Straßmeir CDU/CSU 8563 D Ewen SPD 8564 B Funke FDP 8566 A Tagesordnungspunkt 26: Eidesleistung der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und des Bundesministers für Wirtschaft Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 8566 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi 8567 A Tagesordnungspunkt 27: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernrath, Bindig, Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Menschenrechte in der Türkei (Drucksache 11/2600) c) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Hinrichtung von politischen Häftlingen in Indonesien (Drucksachen 10/6275, 11/3575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Menschenrechte in Kolumbien (Drucksache 11/2404) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Abgeordneten Bindig, Dr. Schmude, Frau Bulmahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (VN-GV- Res. 39/146) (Drucksache 11/3668) Dr. Kohl, Bundeskanzler 8568 A Brandt SPD 8573 B Frau Geiger CDU/CSU 8576 C Frau Olms GRÜNE 8578 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8581 D Schäfer, Staatsminister AA 8584 A Dr. Schmude SPD 8585 C Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 8587 B Bindig SPD 8588 D Frau Eid GRÜNE 8590 C Zusatztagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3672 [neu], 11/3697) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung des Parteiengesetzes (Drucksachen 11/3097, 11/3672, 11/3697) Bernrath SPD 8591 C, 8594 D Spilker CDU/CSU 8592 B Lüder FDP 8596 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 8600 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 8602 C Conradi SPD 8605 C Häfner GRÜNE 8609 B Wüppesahl fraktionslos 8611D Stiegler SPD 8613 A Namentliche Abstimmung 8614 A Ergebnis 8614 B Nächste Sitzung 8616A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8617* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Struck und Catenhusen (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) 8617* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer und Frau Dr. Hamm-Brücher (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) 8617* D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 8618* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8553 117. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1988 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Antretter* 9. 12. Bangemann 9. 12. Frau Beck-Oberdorf 9. 12. Becker (Nienberge) 9. 12. Frau Berger (Berlin) 9. 12. Dr. Biedenkopf 9. 12. Dr. Blens 9. 12. Böhm 9. 12. Börnsen (Bönstrup) 9. 12. Dr. Briefs 9. 12. Bühler (Bruchsal) 9. 12. Frau Conrad 9. 12. Daweke 9. 12. Deres 9. 12. Duve 9. 12. Engelsberger 9. 12. Frau Fischer 9. 12. Gansel 9. 12. Gattermann 9. 12. Gautier 9. 12. Genscher 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Dr. Götz 9. 12. Dr. Grünewald 9. 12. Dr. Hauff 9. 12. Frau Hämmerle 9. 12. Heinrich 9. 12. Dr. Hennig 9. 12. Hiller (Lübeck) 9. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 12. Hoss 9. 12. Irmer 9. 12. Jens 9. 12. Jung 9. 12. Kalb 9. 12. Dr. Köhler 9. 12. Kossendey 9. 12. Kreuzeder 9. 12. Dr. Kronenberg 9. 12. Frau Luuk* 9. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 9. 12. Möllemann 9. 12. Frau Pack 9. 12. Paintner 9. 12. Petersen 9. 12. Pfuhl 9. 12. Rappe (Hildesheim) 9. 12. Regenspurger 9. 12. Reuschenbach 9. 12. Frau Schilling 9. 12. Frau Schmidt-Bott 9. 12. von Schmude* 9. 12. Freiherr von Schorlemer 9. 12. Dr. Soell* 9. 12. Steiner* 9. 12. Frau Trenz 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Warnke 9. 12. Wetzel 9. 12. Wilz 9. 12. Wimmer 9. 12. Zierer* 9. 12. Dr. Zimmermann 9. 12. Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Struck und Catenhusen (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) Da nach meiner Überzeugung die Einführung eines Sockelbetrages und die Heraufsetzung der Publizitätspflicht für Spenden von DM 20 000 auf DM 40 000 auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt, werde ich mich der Stimme enthalten. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer und Frau Dr. Hamm-Brücher (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) Die Unterzeichner dieser Erklärung sehen sich (abgesehen von möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken) aus folgenden Gründen nicht imstande, der Novelle des Parteienfinanzierungsgesetzes zuzustimmen: 1. Die Mehrkosten von jährlich 68 Millionen DM, die zur Parteienfinanzierung aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden sollen und die eine Steigerung der Zuwendungen von 20 Prozent ausmachen, können im Hinblick auf notwendige Kosteneinsparungen bei anderen öffentlichen Aufgaben gegenüber dem Bürger nicht überzeugend vertreten werden. 2. Die Bürger erwarten zu Recht von den Parteien, daß Wahlkämpfe so sparsam wie möglich geführt werden. Dies ist immer wieder nachzuweisen und auch möglich. 3. Die Berufung einer unabhängigen Kommission zur Festlegung der Zuschüsse an die Parteien durch den Bundespräsidenten ist ein wichtiger Schritt, um den notwendigen Bedarf der Parteien für ihre Ausgaben transparenter zu machen. Deshalb sollte vor einer Erhöhung der Wahlkampfkostenerstattung auf jeden Fall erst das Votum dieser unabhängigen Kommission eingeholt und die Erhöhung der Zuschüsse bis dahin zurückgestellt werden. 8618* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/936 Drucksache 11/1301 Drucksache 11/1537 Drucksache 11/1676 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/4184 Nr. 3 Drucksache 11/138 Nr. 3.39, 3.40 Drucksache 11/973 Nr. 2.4 Drucksache 11/2465 Nr. 2.8, 2.10 Drucksache 11/2580 Nr. 22 Drucksache 11/2956 Nr. 2.4 Drucksache 11/3021 Nr. 2.5 Drucksache 11/3200 Nr. 2.4 — 2.9 Drucksache 11/3311 Nr. 2.3-2.5, 2.7, 2.9 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2724 Nr. 24, 25 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/439 Nr. 2.12
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Manfred Richter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die problematische Lage, in der sich die deutsche Seeschiffahrt befindet, ist seit langer Zeit bekannt. Weltweite Übertonnage, Verfall der Frachtraten, eine Konkurrenzsituation zu Billiglohnländern hatten dazu geführt, daß immer mehr deutsche Reeder ausflaggten, also ihr Schiff unter einer anderen Flagge registrieren ließen. Die Kosten der deutschen Flagge waren einfach zu hoch geworden, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Eine weitere Entwicklung bahnte sich an: die Verlagerung der Betriebssitze ins Ausland. Am Beispiel Zyperns läßt sich zeigen, wie fleißig auf dem deutschen Seeschiffmarkt in diese Richtung akquiriert wird.
    Auch der neuerdings spürbare Aufschwung des Welthandels und die damit verbundene positive Entwicklung der Raten darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Strukturprobleme damit leider nicht gelöst sind.
    Überall in unseren europäischen Nachbarländern gab es bereits zweite Seeschiffahrtsregister unterschiedlicher Struktur oder sie wurden neu eingerichtet, so in Großbritannien, in Frankreich, in Dänemark, in Norwegen. Sogar die nun nicht eben traditionelle Seefahrtnation Luxemburg tummelt sich auf diesem Markt, erkennbar auf die für Luxemburg interessanten deutschen Schiffe zielend, die drauf und dran sind, auszuflaggen. Es mußte etwas geschehen, es mußte gehandelt werden, und zwar schnell, denn bereits heute fahren mehr deutsche Schiffe unter fremder Flagge als unter deutscher Flagge. Allein im Jahre 1987 verloren wir 10 % unserer Flotte durch Ausflaggung.
    Nun ist es nicht etwa so, daß nichts getan wurde. Die Bundesregierung hat erhebliche Anstrengungen unternommen, um der deutschen Seeschiffahrt zu helfen — Kollege Fischer hat darauf hingewiesen — , etwa durch die Wiedereinführung der Finanzbeiträge,
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8561
    Richter
    durch die Umwandlung in nicht rückzahlbare Zuschüsse, die Trennung von Schiffahrts- und Schiffbauhilfe, durch Erleichterung bei den ertragsunabhängigen Steuern usw. Aber all das reichte nicht aus, um die Ausflaggung zu stoppen. Im Gegenteil, die Situation hat sich trotzdem noch verschärft.
    Über 2 000 deutsche Seeleute fahren unter fremder Flagge. Das bedeutet für sie, daß sie nicht krankenversichert, daß sie nicht rentenversichert, daß sie nicht arbeitslosenversichert, nicht unfallversichert sind. Die deutschen Sicherheitsstandards gelten an Bord nicht.
    Bei all dem Lärm, den die Gewerkschaften im Vorfeld veranstaltet haben: Meine Damen und Herren, wer fragt eigentlich diese Seeleute, ob sie nicht lieber unter den Bedingungen eines deutschen Zusatzregisters fahren wollen?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Koalitionsfraktionen haben gehandelt. Sie legen einen Gesetzentwurf vor, der die deutschen Sicherheitsstandards und die deutschen Sozialstandards für die deutschen Seeleute an Bord erhält.

    (Frau Rock [GRÜNE]: Für alle oder nur für einen geringen Teil?)

    Dieses Gesetz ermöglicht es deutschen Reedern, die im internationalen Verkehr tätig sind, ausländische Seeleute zu den Heuerbedingungen ihrer Heimatländer an Bord zu nehmen. Damit wird beim drückendsten Kostenblock, den Heuerkosten, eine Erleichterung geschaffen. Dieser Schritt ist nicht einfach gewesen, denn sicherlich gehen auch deutsche Arbeitsplätze dabei verloren. Aber es ist der einzige Weg, um deutsche Bordarbeitsplätze überhaupt für die Zukunft zu sichern. Die Alternative wäre die Totalausflaggung

    (Reimann [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr! Das ist doch Quatsch!)

    und damit der Verlust aller deutschen Arbeitsplätze an Bord unserer Schiffe.
    Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist bei aller Kontroverse in der Diskussion einfach notwendig. Zu einigen rechtlichen Aspekten wird mein Kollege Funke im Verlaufe der Debatte noch Stellung nehmen.
    Die Kritiker bieten als Alternative vor allem den im Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf der Freien Hansestadt Bremen an. Wenn man sich die Historie dieses Gesetzentwurfs anschaut, so wird man feststellen, daß Herr Senator Kunick zunächst das Prinzip der Heimatlohnheuer sehr wohl in seinen Gesetzentwurf hineingeschrieben hatte. Er wollte eine Ausländerquote zu den Bedingungen der Heimatländer einstellen. Das ist schon bemerkenswert, denn er hat damit anerkannt, daß ohne ein Herangehen an den Heuerkostenblock alle anderen Maßnahmen nicht greifen würden. Allerdings war die Heimatlohnheuer bei gleichzeitiger Quotierung mit einem Messer ohne Griff vergleichbar: Es nützt zwar etwas, aber es ist schlecht handhabbar. Senator Kunick hat sich damit nicht durchsetzen können. Die Heimatlohnheuer wurde ihm von seinen Genossen in Bremen herausgestrichen. Was jetzt übriggeblieben ist, meine Damen und Herren, gleicht einem Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die im Gesetzentwurf Bremens vorgeschlagenen Maßnahmen bleiben hinter denen zurück, die die Koalitionsfraktionen Ihnen in ihrem Gesetzentwurf vorstellen.
    Sie mögen im einzelnen diskutabel sein; alleine lösen sie das Problem der deutschen Seeschiffahrt nicht. Sicherlich ist das zweite Register nicht alles. Unsere Schiffahrtspolitik erschöpft sich nicht in einem einzigen Gesetzeswerk. Es wird zu prüfen sein, ob Entlastungen bei den ertragsunabhängigen Steuern möglich sind oder ob man etwa den Montage-Erlaß auf Seeleute anwenden kann. Das Zusatzregister ist nicht alles, aber ohne das Zusatzregister ist alles nichts; denn diese übrigen Maßnahmen allein werden die weitere Ausflaggung nicht verhindern.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir wollen der deutschen Seeschiffahrt eine Zukunft erhalten. Es soll auch weiterhin deutsche Seeleute unter deutscher Flagge auf den Meeren geben; es soll vor allem weiterhin eine deutsche Seemannsausbildung geben. Aus diesem Grunde ist der nächste Schritt — dazu fordern wir die Bundesregierung jetzt schon auf — , durch eine Neufassung der Schiffsbesetzungsverordnung dafür Sorge zu tragen, daß eine deutsche Fahrbesatzung ihren Platz an Bord behält und daß eine deutsche seemännische Ausbildung auch durch Ausbildungsplätze an Bord gesichert bleibt.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dies ist, meine Damen und Herren, auch im wohlverstandenen Interesse der deutschen Reeder.
    Der Deutsche Bundestag freilich muß heute die Grundsatzentscheidung treffen. Es geht um nichts anderes als um die Frage, ob in Zukunft die einzigen deutschen Schiffe auf den Weltmeeren die grau gestrichenen Schiffe der deutschen Bundesmarine sein werden oder ob wir weiterhin Handelsschiffahrt betreiben können. Es geht um eine dauerhafte Sicherung qualifizierter Bordarbeitsplätze und damit im Zusammenhang stehender Arbeitsplätze an Land; Kollege Fischer hat auch darauf hingewiesen. Deshalb fordere ich Sie auf, meine Damen und Herren, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Rock.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helga Brahmst-Rock


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute hier zur Verabschiedung anstehende Gesetzentwurf zur Einführung eines Zweitregisters ist ein weiterer Markstein in der Geschichte der unsozialen Gesetzeswerke dieser Bundesregierung.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    8562 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
    Frau Rock
    Er paßt in eine Reihe mit der Novellierung des AFG, der Steuerreform und der Gesundheitsreform.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Er mißachtet in eklatanter Weise die Rechte und die Bedürfnisse von 17 000 Seeleuten und deren Familien, die mit Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs sozialpolitisches Freiwild werden.
    Dieser Entwurf, dessen negative Folgen für die Arbeitnehmer weit über den Bereich der Schiffahrt hinausgehen, sollte und soll im Schnellverfahren ohne große Debatte über die Bühne geschafft werden. Die Oppositionsfraktionen haben eine Anhörung durchgesetzt, nach deren Ergebnis die Koalitionsfraktionen diesen Entwurf eigentlich zurückziehen müßten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dem Rechtsausschuß als mitberatendem Ausschuß lag bei seiner Beratung das Protokoll dieser Anhörung noch nicht einmal vor, ebensowenig wie bis heute das Protokoll der Sitzung des Rechtsausschusses vorliegt, so daß die dortige Beratung nicht nachvollzogen werden kann. Der Arbeits- und Sozialausschuß hat noch gar nicht darüber beraten, hat aber erheblichen sozialpolitischen Beratungsbedarf signalisiert.
    Das alles stört Sie nicht, ebensowenig wie es Sie stört, daß eine Reihe von Verfassungsgrundsätzen wie das Diskriminierungsverbot, die Koalitionsfreiheit und die Berufsfreiheit verletzt werden. Darüber gehen Sie mit ungeheurer Leichtigkeit hinweg. Genauso gehen Sie über die Tatsache hinweg, daß Seeleute einen 20tägigen Hungerstreik auf sich genommen haben, um gegen das Zweitregister und damit gegen den Verlust ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren. Ich frage Sie: Was nehmen Sie eigentlich ernst? Was nehmen Sie überhaupt wahr? Was muß denn eigentlich passieren, damit Sie aufgerüttelt werden? Oder ist inzwischen das Wort Ihres Bundeskanzlers „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter" die politische Leitlinie der Koalition?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Daß mit diesem „Internationalen Schiffsregister" Arbeitsplätze bundesdeutscher Seeleute vernichtet werden, sagen Sie ja ganz offen. Sie tun so, als ob das eine notwendige Operation sei, damit der Patient Handelsschiffahrt überleben könne. Ich finde nur, es ist eine arg merkwürdige Operationsmethode, wenn zwei Drittel des Körpers amputiert werden, damit ein Drittel überleben kann.
    Weniger offen und direkt sagen Sie, daß der Patient Handelsschiffahrt nach dieser Amputation auch nur am Tropf der Subvention überleben kann. Die Anhörung hat sehr deutlich gemacht, daß von der in der Begründung angeführten Ersparnis von 680 Millionen DM überhaupt keine Rede sein kann. Sie hätten gut daran getan, dieses Argument des Verbandes Deutscher Reeder nicht ungeprüft zu übernehmen.
    Maximal 350 Millionen DM sind durch die Einführung eines Zweitregisters einzusparen. Das klingt nach einer ungeheuer großen Summe. Aber sie wird sehr klein, wenn. Sie eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aufmachen. Wenn Sie einmal die Kosten für die Vernichtung von nur 10 000 Arbeitsplätzen, von denen ja auch Sie ausgehen, dagegenrechnen, ergeben Arbeitslosengeld, Steuerausfall und Sozialversicherungsausfall Kosten in Höhe von ca. 350 Millionen DM. Sie haben in der Beratung des Verkehrsausschusses und auch hier eben wieder flankierende Maßnahmen gefordert. Das heißt im Klartext: Subventionen. Es wird also nicht bei diesen 350 Millionen DM bleiben. Genausowenig wird es bei der Vernichtung von nur 10 000 Arbeitsplätzen bleiben. Das ist alles nur die erste Runde.
    Sie haben ebenfalls eine Änderung der Schiffsbesetzungsordnung angekündigt. Da ist, finde ich, Vorsicht angeraten. Sie sagen zwar, damit solle sichergestellt werden, daß Kapitän und Offiziere Bundesbürger seien. Sie sagen aber auch, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die deutsche Handelsschifffahrt gerettet werde. Ich denke, diese Änderung der Schiffsbesetzungsordnung muß sehr genau geprüft werden.
    Ich will nur kurz anreißen, welche Folgen es für die Sicherheit eines Schiffes hat, wenn der soziale Standard herabgesetzt wird, welche Folgen es auch für die Umwelt haben kann, wenn sich da Veränderungen ergeben. Die Kollegin Faße hat schon auf das Schicksal der Elmar Tres hingewiesen. Ich möchte des weiteren an das Schicksal der Amoco Cadiz und der betroffenen Bevölkerung in Bretagne erinnern. Das spricht für sich und bedarf keiner weiteren Erläuterung.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das alles nehmen Sie wohlwissend in Kauf. Ich frage mich: Wofür eigentlich? Ich werde den Verdacht nicht los, daß es Ihnen weniger um die deutsche Handelsflotte geht als vielmehr darum, mit diesem Gesetzentwurf die Tür für eine Schwächung der Gewerkschaften und der Tarifautonomie zu öffnen;

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    denn mit dem Ansatz der Heuerkosten setzen Sie am völlig falschen Hebel an. Zum einen liegt der Anteil der Heuern an den Gesamtkosten nach Angaben des Instituts für Schiffs- und Meerestechnik der Technischen Universität Berlin in der Linienschiffahrt bei 9 %, in der Trampschiffahrt bei 21 %. Der Kapitalkostenanteil liegt jedoch bei 41 %.
    Zum anderen lassen Sie die Tatsache unberücksichtigt, daß es bereits heute in der Bundesrepublik möglich ist, Verträge außerhalb des Manteltarifvertrags abzuschließen, da die Mehrzahl der Reedereien nicht Mitglied in der Tarifgemeinschaft deutscher Reeder ist.
    Das zeigt, daß der Gesetzentwurf eben keine Alternative zum Ausflaggen ist und erst recht keine Rückflaggungen stattfinden werden. Sie wollen unter dem Deckmäntelchen des freien Wettbewerbs zurück in die Zeiten des Manchestertums, in denen das Kapital nicht von so etwas Lästigem wie Gewerkschaften, Tarifverträgen und Arbeitszeitverordnungen gestört wurde.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wie soll denn z. B. ein mauretanischer Seemann, der für Unterkunft und Verpflegung arbeitet, den freien Wettbewerb mit einem Reeder aufnehmen? Das sollten Sie vielleicht erst einmal klarmachen.
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8563
    Frau Rock
    Mit der Annahme des Gesetzentwurfes wird aber auch absehbar, daß in anderen Bereichen ausgeflaggt wird. Ein Indiz dafür ist die Pressemitteilung der DAG und der Pilotenvereinigung Cockpit vom 21. November diesen Jahres, in der sich gegen das Ausflaggen von fünf Maschinen der Lufthansa gewandt wird. Ich denke, weitere Bereiche des Transportgewerbes werden sich diese vermeintliche Chance des Ausflaggens nicht entgehen lassen. Sie werden versuchen, gewerkschaftlich erkämpfte Rechte zurückzunehmen.
    Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den ich wegen der Kürze der Redezeit jetzt leider nicht mehr ausführen kann. In letzter Zeit wird nämlich über den Sinn eines internationalen Wirtschaftsgebietes diskutiert. Dabei geht es darum, nach dem Vorbild der Freizonen in Vigo, Barcelona und Cadiz sogenannte Industriezonen zu schaffen, die nicht nur steuerliche Vorteile bieten, sondern auch Vergünstigungen im Arbeits- und Sozialrecht wie etwa die Aufhebung der nationalen Vorschriften zur Arbeitszeit. Auch die Handelskammer Bremen hat vorgeschlagen, eine solche Zone für Bremen zu schaffen. In der Kürze der Zeit ist es mir leider nicht mehr möglich, auf diesen Bremer Vorschlag einzugehen. Ich möchte mich aber ganz nachdrücklich nicht gegen die Beschäftigung ausländischer Seeleute auf bundesdeutschen Schiffen aussprechen, möchte mich jedoch dagegen aussprechen, daß auf bundesdeutschen Schiffen ein Sozialdumping mit Hilfe ausländischer Seeleute gefahren wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich wollte jetzt noch einige Worte zu dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN sagen. Das ist mir leider nicht mehr möglich; hier blinkt das rote Licht auf.
    Ich möchte einen Appell an die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion richten. Wenn dieser Entwurf der Koalitionsfraktionen — womit ja zu rechnen ist, weil Sie es einfach so durchziehen wollen — heute hier angenommen wird, möchte ich Sie bitten, sich bereitzufinden, gemeinsam mit den GRÜNEN eine Normenkontrollklage einzureichen. Ich weiß, daß es sicherlich nicht günstig ist, wenn letztendlich das Bundesverfassungsgericht Gesetze macht. Einen solchen Weg gehen alle mit gewissen Bauchschmerzen. Aber bei mangelnder Bereitschaft der Koalition, Sachargumente aufzunehmen, erscheint mir dies als der einzige Weg, betroffenen Seeleuten und ihren Familien zu helfen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)