Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Rüttgers hat hier ausgeführt, die Forschungspolitiker der SPD-Fraktion seien die Verlierer in der Weltraumdebatte — fraktionsintern — gewesen. Das ist nicht so, Herr Rüttgers, denn das, was als Antrag hier vorliegt, ist das Ergebnis der Diskussionen der Forschungspolitiker der SPD. Wir haben uns mit unseren Vorstellungen in der Fraktion durchgesetzt
und Sie liegen, wenn ich das inhaltlich etwas präzisieren darf, falsch, wenn Sie uns als Weltraumfeinde hier apostrophieren.
Sondern: Wir haben erstens ein klares Ja gesagt zur unbemannten Weltraumfahrt und zu dem Trägersystem Ariane; das haben wir schon in Rede und Gegenrede hier erörtert. Wir haben auch grundsätzlich ein Ja zur bemannten Weltraumfahrt gesagt. Wir wollen die D-Missionen weiterführen, und wir verschließen uns auch nicht weiterführenden Überlegungen Richtung „Sanger" usw. Wir haben unsere Bedenken angemeldet, was die zwei Projekte Hermes und Columbus anlangt. Dies ist nicht ein grundsätzliches Nein zur bemannten Weltraumfahrt, kein Nein für alle Ewigkeit.
Ich will die Gründe, die uns bewogen haben, zu Hermes und Columbus nein zu sagen, hier nicht weiter ausführen; das ist schon geschehen. Im übrigen soll ich zur Informationstechnik 2000 reden, zu dem Programm oder zu dem hoffentlich irgendwann vorliegenden Programm.
Wir haben nur die Sorge, weil Sie von Verlierern sprechen, daß letztlich der Bundesminister und die Bundesregierung Verlierer bei dem Mittelverzehr sein werden, der bei der Weltraumfahrt zu erwarten ist, daß eben andere Projekte, zielorientierte Projekte wie die Entwicklung regenerativer Energien, Energieeinsparen, aber auch so etwas wie Programme im Bereich Informationstechnik bei der Situation, die die Weltraumfahrt schafft, unter die Räder kommen.
Herr Bundesminister, Sie wissen selbst, daß Sie und Ihr Haus auf dem forschungspolitischen Feld der Informationstechnik zur Zeit kein überzeugendes Bild abgeben, unaggressiv ausgedrückt.
Ende dieses Jahres läuft der alte Bericht aus, und weder das Parlament noch die Industrie, noch andere
wichtige interessierte Organisationen, wie etwa Gewerkschaften oder Kirchen, wissen bis jetzt, wohin die Reise in den 90er Jahren gehen soll. Ich fürchte, auch Sie wissen dies bis zum heutigen Zeitpunkt nicht. Dabei mußte Ihnen klar sein, daß es zu einer solchen Debatte wie jetzt über die Informationstechnik kommen würde, denn: Erstens. Sie konnten wissen, daß der 31. Dezember 1988 mit Sicherheit kommt, Auslaufen des alten Berichts. Zweitens. Die vier Berichte zur Informationstechnik der Arbeitskreise der Industrie liegen seit rund anderthalb Jahren vor; die Industrie hat also ihre Vorstellungen entwickelt. Der QueisserBericht, auf dem diese vier Berichte basieren, liegt seit, ich glaube, Herbst 1985 vor. Drittens. Der Ausschuß für Forschung und Technologie hatte den Punkt Informationstechnik 2000 in diesem Jahr dreimal auf der Tagesordnung und hat damit sein ganz besonderes Interesse an diesem Thema bekundet.
Nun haben Sie in der Sitzung des Ausschusses am 9. November angekündigt, der Bericht werde voraussichtlich im ersten Quartal 1989 von Ihnen vorgelegt werden, nachdem sie ihn schon einmal für den Frühsommer angekündigt hatten. Wir hoffen, daß es bei dem jetzigen Termin bleibt: erstes Quartal 1989. Wir hoffen, daß sich die zusätzliche Zeit, die Sie gebraucht haben, auf die Qualität des Berichts und die darauf fußenden Programme auswirken wird.
Mit unseren Sorgen wollen wir dennoch nicht hinter dem Berg halten, die Sorgen nämlich — das habe ich eben schon angedeutet — , daß die Informationstechnik als die entscheidende Schlüsseltechnik für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft nicht den gebotenen Platz bekommen wird, der ihr gebührt, und daß Ihr Ministerium zu einem Raumfahrtministerium degeneriert.
Dabei besteht ja — wenn ich die GRÜNEN, Herrn Briefs, einmal ausnehme — bei allen Fraktionen Einvernehmen darüber, daß auf den Feldern Mikroelektronik , Informationsverarbeitung, Kommunikationstechnik, aber auch in ausgewählten Bereichen der Unterhaltungselektronik, wenn ich an den hochauflösenden Bildschirm denke, Förderprogramme notwendig und sinnvoll sind. Bei wichtigen Projekten, wie etwa dem 4-Megabit-Projekt JESSI hüllen Sie sich nach wie vor in undurchdringlichen Nebel. Herr Briefs, wenn Sie zu Recht sagen, im Silicon Valley gibt es große Umweltprobleme bei der Chip-Fertigung, dann müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen, daß es durchaus Substitutionsstoffe gibt, durch die man heute giftige Stoffe ersetzen kann.
— Doch, kann man ersetzen.
Herr Briefs, wir haben uns im Ausschuß darüber auseinandergesetzt, daß diese Chip-Produktion wichtig ist, und daß es auch wichtig ist, von einem 1-Megabit-Chip zum 4-Megabit-Chip zu kommen. Das ist eigentlich unumstritten, wenn ich Sie einmal ausnehme. Vielleicht aber gelingt es uns noch, auch Sie von der industriepolitischen Bedeutung dieses Projekts zu überzeugen.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8527
Vahlberg
Sie wissen, Herr Minister, die SPD-Fraktion unterstützt Sie bei allen plausiblen Programmen auf diesem Gebiet.
Das Folgende noch einmal an Ihre Adresse, Herr Rüttgers: Wir sind keine Feinde der Hochtechnologie. Ganz im Gegenteil: Wir bedauern, daß nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt das I & K-Technikprogramm 2000 zur Beratung auf dem Tisch gelegen hat.
— Nein, es war gar nicht anders. Solange ich zu diesem Punkt rede, ist es so, wie ich es hier darstelle.
An Zeiten vorher kann ich mich deshalb nicht erinnern, weil ich nicht eingebunden gewesen bin. — Lachen Sie nicht so, Herr Laermann.
Wir erwarten dann allerdings auch, daß Sie sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Technik intensiv beschäftigen; sie sind ja nicht gering zu achten. Diese Auswirkungen sind ganz erheblich für die Arbeitswelt, für den Datenschutz, wo Probleme hier noch gar nicht angedacht sind, aber auch für den Komplex Datensicherheit, der bisher in den Diskussionen keine Rolle gespielt hat.
Offensichtlich bedarf es erst spektakulärer HackerAngriffe auf sensible Programme und Datenbestände, um die besonderen Gefahren, die sich aus der informationstechnischen Vernetzung unserer Welt ergeben, zu erkennen. Wie immer: Wahrscheinlich muß das Kind im freien Fall den Brunnen durchmessen haben, bis man sich eines solchen Problems annimmt.
All diese Fragen müßten mit den gesellschaftlichen Gruppen — also mit Gewerkschaften, Kirchen usw. — diskutiert werden. Wenn ich mich allerdings daran erinnere — hier setzt mein Erinnerungsvermögen wieder ein, Herr Laermann — , daß 1984, als das jetzt auslaufende Programm diskutiert wurde, die Gewerkschaften in diese Diskussion nicht eingebunden waren, dann zweifle ich an Ihrem Problembewußtsein und Ihrer Kooperationsbereitschaft. Allerdings muß ich hinzufügen: Die Tatsache, daß wir heute einen Antrag vorliegen haben, in dem all diese Punkte behandelt werden, gibt Ihnen die Möglichkeit, durch Zustimmung unsere Zweifel auszuräumen.
Ich will noch ein paar Anmerkungen zu dem Antrag „Fortführung der Steuerbegünstigung für Erfinder" auf Drucksache 11/3101 machen; ich will diesen Antrag begründen. Wir fordern, daß die Bundesregierung die Steuervergünstigungen über den 31. Dezember 1988 hinaus gewährt.
Die Vergünstigung besteht erstens darin, daß die freien Erfinder ihre Verluste während der Forschungsphase steuermindernd geltend machen können. Sie werden damit völlig zu Recht als natürliche Personen den juristischen Personen, also Firmen, gleichgestellt, die ihre Aufwendungen im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses ja auch steuermindernd geltend machen können. Wir wollen zweitens, daß der steuerliche Freibetrag für Arbeitnehmererfinder beibehalten wird.
Mit diesen steuerlichen Vergünstigungen, die übrigens noch aus der Zeit Ludwig Erhards stammen, sind viele Anreize zu erfinderischer Tätigkeit gegeben worden; zumindest ist die Arbeit der Erfinder erleichtert worden.
Wer sich einmal, meine Damen und Herren, selber davon überzeugt hat, mit welcher Leistungsbereitschaft und mit welcher Aufopferung Erfinder ihre Ideen entwickeln und verfolgen, wer weiß, wie sie ihr ganzes Vermögen, ihr Haus, ihre Altersversorgung in diese Sache einbringen, sich und ihre Familien zum Teil verschulden, höchsten Belastungen aussetzen, für den ist die kaltschnäuzige Abfertigung durch die Bundesregierung mit dem Argument, bei der Steuervergünstigung gebe es Mitnahmeeffekte, blanker Zynismus.