Rede von
Rudolf
Kraus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn man das Thema Boykott in der Weise behandelt, daß man sagt, nur mehr oder weniger starker Druck von außen könnte die Verhältnisse in Südafrika wesentlich ändern, läßt man sträflicherweise völlig außer acht, daß die innersüdafrikanischen Entwicklungen wahrscheinlich doch die Hauptrichtung bestimmen.
Zu sagen, die Mittel, die wir mehr oder weniger unterstützen, würden dazu benötigt, Kommunikation, Transportwesen und Technologie aufzubauen, und zu sagen, das seien genau die Bereiche, in denen eine Stabilsierung des Regimes stattfindet, mag ja angehen. Aber gleichzeitig sind es auch die Bereiche, die gefördert werden müssen, wenn man zu einem bescheidenen Wohlstand, zu wirtschaftlichem Wachstum kommen will und muß. Da ist meines Erachtens eine Unterscheidung nicht möglich.
Die CSU verurteilt Menschenrechtsverletzungen in Südafrika in derselben Weise, wie sie das auch bei Menschenrechtsverletzungen in allen anderen Ländern tut.
Bei allem Ärger und bei aller Empörung über die Politik der Apartheid in Südafrika wäre es aber nach unserer Auffassung verantwortungslos und politisch leichtfertig, wenn man die Lage in Südafrika auf eine Schwarzweißpolitik einengen wollte, wenn man die drohende Gefahr von Stammeskriegen übersehen würde, wenn man dem Land Südafrika von außen Patentlösungen aufdrängen wollte, die der unendlich komplizierten Problematik einer vielrassigen Gesellschaft nicht gerecht werden.
Wir sollten deshalb nach unserer Auffassung den Tourismus nach Südafrika auch nicht behindern. Wir sollten vielmehr dafür sorgen, daß möglichst viele Bürger aus unserem Land selber die Möglichkeit haben, sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen.
Dieses ist für sehr viele Menschen möglich — das wissen auch Sie — , die persönliche Bekannte oder Verwandtschaft in Südafrika aufsuchen und dabei auch die Möglichkeit wahrnehmen können, unsere Auffassung zu der Politik klar zum Ausdruck zu bringen.
Ich wüßte nicht, Frau Eid, daß Sie in bezug auf ein anderes Land, von dem wir ebenfalls wissen, daß es dort Menschenrechtsverletzungen gibt, bisher gefordert haben, daß der Tourismus dorthin nicht mehr stattfinden soll. Wir denken also, daß auch für Südafrika diese Möglichkeit weiterhin bestehen sollte.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8497
Kraus
Was sollen die wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen, insbesondere der Stopp von Kohleimporten aus Südafrika? Diese Maßnahmen würden nach unserer Auffassung die Menschen am meisten treffen, denen Sie angeblich helfen wollen. Natürlich sind die untersten Schichten einer Bevölkerung von derartigen Maßnahmen sehr viel früher und sehr viel heftiger betroffen als Leute, die eben über einen gewissen Rückhalt verfügen. Natürlich werden Sie auch Leute, die Geschäfte machen, mit diesem Boykott, wenn er kommen sollte, treffen — aber sehr viel später und jedenfalls nicht in dieser existentiellen Weise, wie das bei den einfachen Bevölkerungsschichten der Fall ist.
Die schwarze Bevölkerung Südafrikas hat heute einen Lebensstandard erreicht, der immerhin wesentlich höher ist als der in sämtlichen anderen schwarzafrikanischen Ländern.
Allein 280 000 Flüchtlinge kamen aus den umliegenden Staaten nach Südafrika und ergriffen die dort angebotenen Arbeitsmöglichkeiten. Rund 1,4 Millionen Schwarze aus den Nachbarländern kommen freiwillig als Arbeitssuchende nach Südafrika.
— Freiwillig, natürlich, sie sind doch dazu nicht gezwungen. Sie sind bestensfalls durch die Verhältnisse in ihren Ländern gezwungen,
Verhältnisse, die Sie auch in Südafrika herbeiführen wollen. Insofern bin ich sogar sehr zurückhaltend, wenn ich das noch als „freiwillig" bezeichne.
Unsere Aufgabe als Land der freien Welt kann es deshalb nicht sein, die schwarze Bevölkerung dieses sowieso äußerst bescheidenen Wohlstandes zu berauben.
Unser Ziel kann es nicht sein, dieses Land zu isolieren, zu diskriminieren und seine industrielle und landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu lähmen. Dann würden in Südafrika und in den Nachbarländern viele Millionen Schwarze hungern. Der Prozeß der Radikalisierung würde beschleunigt. Es ist wohl das, was Sie wollen.
Wir sind im Ziel, gegen die Apartheid zu arbeiten, die Apartheid abzuschaffen, sicher nicht auseinander. Wir streiten uns über den richtigen Weg. Wir für uns lehnen es jedenfalls ab, einen Weg zu finden oder anzubieten, der mehr Unheil bringt als das, was dort im Augenblick schon geschieht. Wir haben es schon in vielen Ländern erlebt, daß über ein neues System gestritten wurde.
Die alten Systeme sind verschwunden. Aber leider war es häufig so, daß das, was nachkam, noch wesentlich schlimmer war.
Ich glaube, in der Politik kommt es eben auch darauf an, die Dinge verantwortlich zu sehen und Verantwortung auch für die Zukunft mittragen zu helfen.
Wir wollen, daß die Apartheid abgeschafft wird.
Wir fordern deshalb auch die südafrikanische Regierung auf, den Prozent der Abschaffung der Apartheid, den sie eingeleitet hat und der unserer Auffassung nach in die richtige Richtung geht, zu beschleunigen und in absehbarer Zeit hoffentlich auch abzuschließen.
Ich bedanke mich.