Rede von
Hannelore
Rönsch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Kollegin Oesterle-Schwerin, Sie wissen ganz genau, wie die Wohnungsämter einweisen.
54 und 56 Quadratmeter sind die Norm für einen Einpersonenhaushalt. So wird auch eingewiesen. Alles andere sind die Wohnungsnotstände. Auf die werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Diese Wohnungsnotstände schlagen z. B. beim Wohnungsamt Köln, wie gestern ausgeführt, mit 26 000 zu Buche. Da, muß ich sagen, hätte ich mir von dem Wohnungsamtsleiter aus Köln eine sauberere Analyse gewünscht. Wir hatten gestern das große Thema der Obdachlosigkeit und dazu eine Anhörung. Aber die Obdachlosen sind gestern auf der Strecke geblieben. Sie, Frau Oesterle-Schwerin, haben teilweise mit dazu beigetragen; denn es wurde nicht sauber getrennt zwischen den Leuten, die kein Dach mehr über dem Kopf haben, und den Leuten, die einen verbesserten Wohnraum suchen.
Ich kann die 18jährige junge Frau oder den 18jährigen jungen Mann, die zu Hause hervorragend untergebracht sind, sich aber verselbständigen wollen, wofür ich großes Verständnis habe, nicht zu den 26 000 obdachlosen Wohnungssuchenden zählen, wie das gestern leider von dem Amtsleiter gemacht wurde.
Sie werden doch mit mir einer Meinung sein, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland — wir Deutschen sind ja für das Reisen bekannt und gehen da auch über das europäische Ausland hinaus — hervorragend mit Wohnungen versorgt sind.
Wer das bezweifelt, dem wünsche ich, daß er nur eine kleine Reise, vielleicht in das benachbarte Ausland, Herr Menzel, macht. Da sieht es wesentlich anders aus. Die Wohnraumversorgung bei uns ist ausgesprochen gut.
Wenn es zu Engpässen kommt, liegt es an den Faktoren, die ich eben genannt habe. Es liegt aber auch daran, daß in diesem Jahr, 1988, etwa 200 000 Aussiedler gekommen sind und daß vermutlich im Jahr 1989 noch einmal die gleiche Anzahl kommen wird. Ich meine, daß diese Menschen, die es 40 Jahre nach dem Krieg wünschen, im freien Teil Deutschlands zu leben, es verdient haben, daß wir sie mit offenen
Armen aufnehmen und daß wir auch Vorsorge dafür treffen.
Wenn wir bisher noch nicht in dem Umfang, wie es notwendig gewesen wäre, darauf reagieren konnten, liegt das u. a. mit daran, daß man mit den großen Zuströmen von Aussiedlern vorher gar nicht rechnen konnte.
— Der Bundeswohnungsbauminister, Herr Kollege Müntefering, hat den Hydranten aufgedreht, um Geld für die Aussiedler zu spenden.
Er hat im Jahre 1988, in der Mitte des Jahres, 700 Millionen DM zur Verfügung gestellt, und die Länder stellen noch einmal den gleichen Betrag zur Verfügung. Es ist etwas erstaunlich, daß sich die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften nicht in der Lage sehen, dafür Wohnungen zu bauen,
daß allerdings die privaten Bauherren z. B. in BadenWürttemberg die Mittel, die für Baden-Württemberg zur Verfügung gestanden haben, schon überzeichnet haben.
Ich muß auf der anderen Seite sagen, daß es große Schwierigkeiten bei den Einheimischen gibt, die die Nutzung dieser Wohnungsbaufördermittel noch nicht richtig verstanden haben; denn an Stammtischen wird sehr oft von einer einseitigen Förderung der Aussiedler gesprochen. Ich muß Ihnen sagen: Da müssen wir noch viel tun. Ich bitte Sie, daß Sie mithelfen, diese Aufklärungsarbeit zu leisten, zu verdeutlichen, daß auch die Einheimischen in den Genuß dieses „Aussiedler-Programms" kommen können; denn auch jeder Mieter im sozialen Wohnungsbau kann diese 50 000 DM erhalten, wenn er Wohnraum freimacht, eine Aussiedlerfamilie in diese Wohnung im sozialen Wohnungsbau einziehen kann und er sich dadurch Eigentum schafft. Eigentum schaffen können sich auch die Aussiedler. Wir werden auch den Einheimischen zum Aus- und Umbau die 50 000 DM zur Verfügung stellen, die bereit sind, diese Wohnung auf sieben Jahre mit Aussiedlern zu belegen. Ich meine, wir sollten diesen Faktor noch wesentlich deutlicher nach draußen tragen; denn sehr viele unserer Bürger, die seit dem Krieg oder schon immer hier gewohnt haben, wissen gar nicht, daß auch das ein Instrumentarium für sie ist, zu neuem Eigentum zu kommen. Ich finde, das ist eine hervorragende Lösung, wie sie sich jetzt anbietet. Ich meine, wir sollten das noch viel mehr gemeinsam nach draußen tragen. Ich habe so ein bißchen den Eindruck, daß Sie ganz bewußt bei der Diskussion draußen vor Ort — —
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8433
Frau Rönsch
— Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Menzel: Die 750 Millionen DM, die die Bundesregierung für das Jahr 1988 zur Verfügung gestellt hat, kann man nicht, wenn sich die Länder entsprechend beteiligen, als „kleine Sache" bezeichnen. Aber 1989 wird der Bundesminister noch einmal neu überlegen müssen;
denn die Aussiedlerzahlen nehmen weiter zu.
Ich bin sicher, auch dadurch werden wir den Wohnungsmarkt noch weiter beleben.
Ich habe aber an dieser Stelle aber auch noch eine Bitte an die kommunalen Baubehörden. Um Wohnungsraum sehr schnell zur Verfügung stellen zu können, werden wir etwas unkonventioneller denken müssen. Gerade beim Umbau und beim Dachausbau halten sich Bauämter leider oft an Zentimetern fest, wenn es um Firsthöhe, Treppenbreite oder Treppenstufenhöhe geht.
In der jetzigen Zeit kommt es darauf an, daß jeder unkonventionell brauchbaren Wohnraum zur Verfügung stellt. Wir wollen unsere guten deutschen Baunormen nicht über den Haufen werfen. Aber in einer Zeit der Wohnungsnachfrage, wenn Leute in Wohncontainern oder überfüllten Wohnheimen wohnen, muß man auch bei unserer deutschen Bauordnung einmal — ich sage es so — fünf gerade sein lassen und vielleicht einmal 2 oder 3 cm Firsthöhe übersehen.
— Das, Herr Reschke, meine ich nicht. Ich hatte gehofft, Sie haben zugehört. Wir hatten die Diskussion über deutsche Baunormen schon oft im Ausschuß. Ich meine, gerade beim Dachausbau sollte man an der einen oder anderen Stelle einmal ein bißchen nachgeben.
Wenn wir alle gemeinsam, jeder an seiner Stelle, dazu beitragen und versuchen, auf diesem problematischen Feld Polemik außen vor zu lassen, können wir den Menschen, die jetzt dringend eine Wohnung suchen, weil sie wirklich kein Dach über dem Kopf haben, am ehesten gemeinsam helfen.