Rede von
Dr.
Reinhard
Göhner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu einer wirklichen Umweltgemeinschaft wird von uns regelmäßig beklagt, wenn Kompromisse geschlossen werden: weil uns die nicht weit genug reichen und nicht schnell genug kommen. Das liegt daran, daß wir in der EG die Vorreiterrolle und eine Pilotfunktion haben.
Unsere Positionen sind weiter gesteckt als das, was in
der EG von anderen Staaten geteilt wird. Nun müssen
wir darüber nachdenken, was wir gemeinsam dazu
tun können, um die anderen EG-Länder zum stärkeren Mitmachen zu bewegen.
Jetzt darf ich eines doch noch in Erinnerung rufen. Nach dem Umweltministerrat Ende Juni haben wir alle gesagt: Dieser Kompromiß in Sachen Kleinwagen ist nur ein erster Schritt. Aber wir haben wenige Tage vor dem 28. Juni dieses Jahres im Umweltausschuß des Bundestages sehr wohl alle gemeinsam die Gefahr gesehen, daß überhaupt nichts zustande käme,
wohlwissend, daß 60 % des Pkw-Bestandes außerhalb der Bundesrepublik in Europa Kleinwagen sind. Wenn es wirklich gescheitert wäre, wäre also nichts zustande gekommen.
Dann gab es den Kompromiß vom 28. Juni. Und wir waren entsetzt — das darf man nicht vergessen —, daß Frankreich kurze Zeit später erklärte, das mache man nun doch nicht mit.
Wir sahen uns der Gefahr ausgesetzt, daß sich in Sachen Kleinwagen bis 1,41 überhaupt nichts in der Europäischen Gemeinschaft tun würde. Das war die Ausgangslage.
Dann kamen zwei hilfreiche Umstände, wie ich denke, zum einen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Abfall.
— Von Dänemark erstritten.
— Doch, es hat etwas damit zu tun, weil es nämlich die Frage aufgeworfen hat, ob nicht doch nationale steuerliche Präferenzen zulässig sind. Das hat gerade dazu geführt, daß wir nicht nur den Kompromiß vom Juni wiederherstellen konnten, sondern in zwei Punkten eine wesentliche Verbesserung haben.
Deshalb ist der Kompromiß noch nicht gut, aber besser als das, was im Juni vereinbart war und damals von Frankreich doch noch zu verhindern versucht worden ist,
nämlich die Vereinbarung, daß wir, wenn sich durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die nationale steuerliche Förderung als zulässig erweist, daß alle machen können. Ich verstehe die Erklärungen von Herrn Minister Töpfer so, daß wir dann, wenn
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1988 8315
Dr. Göhner
der Europäische Gerichtshof dies bestätigt, dies unverzüglich für alle Neuwagen auch machen werden.
Die zweite Ergänzung gegenüber dem Juni-Kompromiß, die Ihnen offenbar entgangen ist, besteht darin, daß ausdrücklich als Bestandteil der Richtlinie vereinbart worden ist, 1991 auf der Basis von 5 mg NOX neu über die dritte Grenzwertstufe zu entscheiden. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Prompt haben die Franzosen zu Protokoll gegeben, daß man das nicht schon als eine Zustimmung interpretieren solle.
Aber ich denke, wenn wir über Kompromisse und Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft reden, müssen wir auch darauf achten, daß diese jetzigen Positionen nicht festgeschrieben werden.
Und nur mit einer zweiten Entwicklung können wir weiterkommen.
— Mag sein. Dann hören Sie gut zu, weil wir, wie ich denke, gemeinsam darüber nachdenken müssen. Auch Sie sollten da mal mehr Phantasie entfalten.
Was können wir eigentlich tun, um den jetzt verbliebenen nationalen Spielraum zur Durchsetzung umweltfreundlicher Autos auszuschöpfen? Da bin ich der Meinung, daß wir ihn noch nicht ausgeschöpft haben. Das betrifft erstens die alten Fahrzeuge, wo es um die Nachrüstung mit einem ungeregelten Katalysator geht. 700 000 haben wir. Das ist zu wenig. Ich bin hier klar der Meinung: Die Bundesregierung sollte einen direkten Zuschuß von 250 bis 500 DM — über den Betrag muß man reden — für diese Nachrüstung gewähren; denn die 700 000 sind nicht genug. Wenn wir eine solche direkte Förderung nicht machen, fürchte ich, daß sich nicht genug bewegt.
Die alte steuerliche Präferenz, die wir hatten, war viel zu kompliziert, als daß sie eine wirkliche Anreizwirkung über diesen Bereich hinaus hätte haben können.
Ich muß sagen, daß ich sie selbst kaum verstanden habe. Jedenfalls konnte ich sie den Bürgern nur erläutern, wenn ich eine schriftliche Unterlage dabei hatte.
Das würde durch einen direkten Zuschuß wesentlich erleichtert werden. Deshalb möchte ich die Bundesregierung auffordern, doch den nationalen Spielraum in dieser Frage — es ist rechtlich umstritten, ob das bei Altfahrzeugen geht — auszuschöpfen. Ich denke, man sollte diesen Weg riskieren.
Sobald der Europäische Gerichtshof hinsichtlich der holländischen Maßnahmen entschieden hat, erwarte ich — im positiven Fall — , daß wir hier eine entsprechende steuerliche Präferenz einführen. Ich denke, Herr Schäfer, das werden dann auch Sie unterstützen.
Drittens müssen wir alle Benutzervorteile ausschöpfen. Herr Töpfer hat dies eben bereits deutlich gemacht.
Jetzt darf ich auf noch einen Punkt zurückkommen: Wenn Sie das so mit Vokabeln belegen, wie Sie das hier getan haben,
dann muß ich Ihnen sagen: Es ist ja schon gut, daß Sie wenigstens Herrn Hauff nicht mehr hier haben. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, seit 15 Jahren sei das Stand der Technik. Ich will Ihnen das nicht immer auftischen. Aber wenn Sie hier so argumentieren, müssen Sie es doch noch einmal hören. Sie werfen Herrn Töpfer vor, daß er nicht genug Mut zum Risiko habe. Wenn Sie gar nichts fordern, wie das Herr Hauff damals 1982 als Verkehrsminister gemacht hat — das war immerhin, nach Ihrer Rechnung, wenn ich das jetzt richtig rekapituliere, neun Jahre nach Schaffung dieses Standes der Technik — , indem er erklärt hat, daß man das Katalysatorkonzept nicht wolle, weil der Benzinverbrauch zu hoch sei, kann ich nur sagen: Es ist gut, daß Sie wenigstens Herrn Hauff hier aus dem Verkehr ziehen.