Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr über diese Aktuelle Stunde. Sie gibt mir Gelegenheit, sehr deutlich zu machen, daß die Bundesregierung wichtige umweltpolitische Fortschritte in Europa ermöglicht hat, ja, sie geradezu initiiert hat, auch wenn aus unserer nationalen Sicht diese Fortschritte noch nicht hinreichend sind. Dies hat auch der Bundesumweltminister nach Brüssel genauso gesagt.
Denn was, so frage ich nach, hätte die Opposition in diesem Hause gesagt, wenn ich diesen Kompromiß auch unter unserem Gesichtspunkt als gut bezeichnet hätte? Nein, es ist ein europäischer Kompromiß, der bei uns weiter geht.
— Ich komme darauf zurück.
Meine Damen und Herren, die Erfolge der Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung bei stationären Anlagen, also bei Kraftwerken und industriellen Anlagen, sind zwischenzeitlich völlig unstrittig. Nachdem sie am Anfang genauso kritisiert wurden, ist auch heute die Opposition — zumindest die SPD — der Überzeugung, daß das, was auf diesem Gebiet mit der Großfeuerungsanlagen-Verordnung und der TA Luft geschaffen wurde, außerordentlich erfolgreich war.
Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher: Dieser Lernprozeß wird sich auch bei den mobilen Quellen, bei den Autos, einstellen.
Ebenso unstrittig ist natürlich, Herr Abgeordneter Schäfer, daß wir bei den mobilen Quellen, also bei Pkw und Lkw, weiter vorankommen müssen. Es ist ganz unstrittig, daß wir durch die steigende Zahl der Pkw nicht die Zielsetzung der Verminderung der Stickoxide erreicht haben, die wir erreichen wollten, und zwar einfach deswegen, weil die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland so positiv verlief und unsere Bürger mehr Autos gekauft haben, als das prognostiziert wurde.
Meine Damen und Herren, ich fange ja nicht 15 Jahre vorher an, indem ich einmal nachvollziehe, was erreicht wurde, sondern ich fange 1982 an, d. h. an dem Punkt, an dem Herr Kollege Baum sehr erfolgreich eine Minderung der Emissionswerte um 20 % in der damaligen sozialliberalen Koalition durchgesetzt hat. Herr Abgeordneter Schäfer, das bedeutete damals den Summenwert von NOX und HC in der Spannbreite von 19 g bis 28 g.
Dies ist nicht 15 Jahre her, sondern das ist sechs Jahre her.
1985 — das ist die zweite Etappe — hat der Herr Kollege Zimmermann in Luxemburg einen Kompromiß erstritten. Er hat damit überhaupt erst den Weg zum Dreiwegekatalysator ermöglicht.
Ich nenne die Werte: Damals hatten wir eine Spannbreite von 19 g bis 28 g. Drei Jahre später — ich darf
8308 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1988
Bundesminister Dr. Töpfer
deutlich sagen: sicherlich unter völlig anderen Erkenntnissen, auch was die Wertung von Stickoxiden angeht — hatten wir ein Wertbündel von 6,5 g bis 15 g.
Jetzt, wiederum drei Jahre später ist der Kompromiß von Brüssel erreicht worden, der eine Reduzierung von 6,5 g — das ist schon der Dreiwegekatalysator — bis 8 g — das ist noch einmal eine Halbierung — sowie die Festschreibung auf 5 g bis 1991 vorsieht.
Nun frage ich wirklich zurück: Angesichts der Tatsache, Herr Abgeordneter Lennartz, daß das kleine Auto unter 1,4 Liter in Europa über 60 % der zugelassenen Autos ausmacht, in der Bundesrepublik Deutschland aber rund 30 % ausmacht, muß doch die Priorität für den Bundesumweltminister darin bestehen, eine europäische Regelung zu schaffen, und er darf doch nicht, weil er seine Idealziele nicht durchsetzt, vom Verhandlungstisch weggehen und sagen: Um so schlimmer für die europäische Regelung. Das war die Entscheidungssituation.
Herr Abgeordneter Lennartz, ich möchte Ihren Zwischenruf von eben aufgreifen: Wäre ich Ihrer Forderung gefolgt: Kompromiß nicht mitmachen, dann bedeutete das, daß wir gegenwärtig europaweit nicht einen Grenzwert von 8 g für die kleinen Autos hätten, sondern einen von 15 g,
und daß selbst nach der Aussage der Europäischen Kommission 340 000 t Stickoxide mehr da wären. Dies, meine Damen und Herren, ist der Zusammenhang.
Daß die Politik der Bundesregierung auch in der Vergangenheit nicht falsch war, zeigt alleine die Tatsache, daß in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig etwa zwei Millionen Autos mit geregeltem Dreiwegekatalysator vorhanden sind, daß etwa 50 %) der neuzugelassenen Wagen mit Ottomotor einen Dreiwegekatalysator haben und daß wir damit mehr Autos mit geregeltem Katalysator alleine bei uns in der Bundesrepublik haben als das gesamte übrige Europa, EG plus EFTA, zusammen.
Meine Damen und Herren, dies ist der Punkt für einen Kompromiß, und diesen Kompromiß habe ich mitgetragen.
Es kommt die Forderung: Steuerlich sollten wir vorgehen wie die Niederlande. Ich will Ihnen einmal eins sagen, Herr Abgeordneter Schäfer: Wenn ich so vorgehe wie die Niederlande, bekommen wir den Kompromiß nicht; denn wir brauchen eine qualifizierte Mehrheit für den Kompromiß.
— Wenn wir nicht zugestimmt hätten, hätte es den Kompromiß nicht gegeben, weil Griechenland, Dänemark und die Niederlande nicht mitstimmen und wir dann darüber entscheiden, ob es die qualifzierte Mehrheit gibt oder nicht.
Das heißt, ich war in einer etwas anderen Situation als der Kollege aus den Niederlanden. Ich hätte es mir sehr viel leichter gemacht, nach dem Motto zu verfahren: Dem Kompromiß nicht zustimmen, aber sicher sein, daß der Kompromiß kommt. Ich stand in der Situation: Wenn ich nicht mitstimme, kommt der Kompromiß nicht; und wir waren in der Präsidentschaft dieses Rates. Das ist die Position. Wenn Sie das mit heranziehen, liegt das wohl etwas anders.
Deswegen wirft man mir an anderer Stelle eher vor,
daß ich zusammen mit den Niederlanden mit gemeinsamen Karten gespielt hätte, und zwar derart, daß wir den Kompromiß zur Mehrheit bringen, die Niederlande eine steuerliche Förderung einführen, darüber dann ein Urteil des EuGH erfolgt und wir ebenfalls die Möglichkeit zur finanziellen Förderung bekommen.
Ihnen ist entgangen, Herr Abgeordneter Schäfer, daß ich in Brüssel die Chance genutzt habe, den schon im Juni erforderlichen Kompromiß nachzubessern und die Möglichkeit zu schaffen, über ein positives Urteil des EuGH auch wirklich die finanzielle Förderung zu erreichen.
Das ist, wie ich meine, nicht die bestmögliche Konzeption, aber sie ist eine, die in Europa den Bereich Auto voranbringt.
Ich erwarte, daß wir national Zusätzliches machen — lassen Sie mich das ganz deutlich sagen —, daß wir bei dem riesigen Altwagenbestand verstärkt nachrüsten müssen. Lassen Sie mich deutlich machen, daß ich auch erwarte, daß der umweltbewußte Autokunde verstärkt die vorhandenen Angebote eines Dreiwegekatalysators aufgreift. Lassen Sie mich auch darauf aufmerksam machen, daß Benutzervorteile für das Auto mit Dreiwegekatalysator für mich eine wichtige Maßnahme sind. Nebenbei: Dafür werden wir vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, weil wir eine Smogverordnung haben, wie sie ist, und weil wir dieses Instrumentarium weiterführen werden.
Ich gehe davon aus, daß der nationale Alleingang auch die Möglichkeit bringt, dieses mit Blick auf die deutschen Automobilproduzenten alleine zu tun.
Insgesamt ist das also ein Vorgang, von dem ich weiß, daß er europapolitisch das Beste, was möglich war, darstellt, daß er uns aber nicht daraus entläßt, aus eigenen Kräften alles zu tun, um in der Bundesrepublik Deutschland schneller und nachhaltiger bei den Pkw wie bei den Lkw voranzukommen.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.