Rede von
Dr.
Horst
Waffenschmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich kann dem grundsätzlich ganz deutlich zustimmen. Ich will gleich anfügen, wie es Kollege Gerster und Kollege Lüder schon gesagt haben: Wir betreiben keine Volkstumspolitik. Wir rufen nicht dazu auf: Verlaßt eure heutigen Wohnsitze und kommt zu uns!
Wenn aber viele Deutsche aus vielerlei Gründen diese Entscheidung getroffen haben, ist es auf Grund der Verfassung und auf Grund der Gesetze Pflicht — ich denke, es ist auch unsere moralische Verpflichtung — , diesen Menschen mit allen Möglichkeiten, die wir haben, zu helfen.
Damit ist die Grundsatzfrage angesprochen. Ich wende mich nun den aktuellen Aufgaben zu, die von der Bundesregierung angegangen wurden und die wir weiterhin angehen wollen. Die Bundesregierung hat das Sonderprogramm beschlossen. Ich möchte auch gerade dem Kollegen Vosen als Bürgermeister sagen: Es lohnt sich, Herr Kollege Vosen, im Sonderprogramm zu lesen, was alles für die Menschen geschieht, die gerade in den Kommunen Aufnahme fin-
8298 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Waffenschmidt
den. Es werden Hunderte von Millionen für die Sprachförderung und damit auch für den Unterhalt der Menschen, die beispielsweise auch in Düren, Ihrer Stadt, leben, ausgegeben. Sie werden nicht in die Sozialhilfe geschickt, sondern auf Bundesebene werden wahrscheinlich im nächsten Jahr sogar rund 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt.
— Ich führe das erst einmal aus, Herr Präsident. Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage zulassen.
Ich möchte hier ganz deutlich die Frage des Wohnungsbaus ansprechen, weil die Unterbringung eine ganz entscheidende Aufgabe für Bund, Länder und Kommunen ist. In erster Linie sind hier Länder und Kommunen zuständig. Eines müssen wir klar feststellen, damit wir vor aller Öffentlichkeit die Orientierungspunkte herausstellen. Die Bundesregierung hat zusammen mit dem Sonderprogramm bereits einen Bewilligungsrahmen von 1,1 Milliarden DM für den Wohnungsbau bereitgestellt.
— Weil Sie noch nichts gesehen haben, will ich Ihnen jetzt einmal sagen, wie Sie als Sozialdemokraten prima helfen können, daß Sie es bald sehen.
Seit Wochen hat der Bundesbauminister Oscar Schneider den Ländern die Verwaltungsvereinbarung angeboten, die die Grundlage ist, damit die Mittel fließen können. Bis heute haben gerade auch sozialdemokratische Länder noch nicht zugestimmt. Dadurch konnte das noch nicht laufen. Wenn Sie also helfen wollen, gehen Sie zum Beispiel zu Ihren Parteikollegen nach Hamburg, die noch heute das Unterschreiben der Vereinbarung aufhalten. Also nicht hier sagen: „Es läuft nicht schnell genug" und bei Ihrer Verantwortlichkeit in den Ländern das Abschließen und Laufen der Vereinbarung behindern. Das paßt nicht zusammen. Sie haben die konkrete Aufgabe, hier den Abfluß der Mittel zu gewährleisten.
— Meine Damen und Herren, jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen. Hören Sie mal zu. Hier werden viele Geisterschlachten geschlagen. Ich kenne die Dinge als Kommunalpolitiker sehr gut.
Ich habe mich als Bundesbeauftragter dafür eingesetzt, daß wir am 12. Oktober dieses Jahres — hören Sie mal gut zu — im Kabinett beschlossen haben: Ab heute kann in jeder Stadt und jeder Gemeinde Deutschlands zu Lasten der Bundeshilfen bereits gebaut werden. Das war die generelle Genehmigung zum vorzeitigen Baubeginn. Weil es sich offenbar noch nicht herumgesprochen hat, sage ich es heute hier noch einmal. Das weiß jeder Kommunalpolitiker, daß das wichtig ist, daß, wenn er anfängt, die Mittel nicht verlorengehen. Das ist also ganz deutlich und klar herausgestellt worden.
Nun haben wir auch noch ein weiteres gesagt, weil die vorläufige Unterbringung so wichtig ist. Wir haben uns als Kabinett bereitgefunden zu sagen: Ihr Länder und Kommunen könnt auch Sozialwohnungen bauen und diese im Wege der Dichtbesetzung, wie
das die Fachleute nennen, auch für die einstweilige Unterbringung in Anspruch nehmen. Und dann haben wir noch das Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau bereitgestellt und in größerem Umfang mietfrei auch Bundesliegenschaften angeboten. Also der Bund hat mit einer Fülle von Maßnahmen hier den Ländern Angebote gemacht. Ich bin sehr dankbar für das, was auch der Kollege Gerster hier gesagt hat. Das entspricht genau dem, was der Bundeskanzler festgelegt hat: Wenn der Zustrom weiter anhält, werden wir 1989 schon in den ersten Monaten darüber im Kabinett beraten, wie das Programm für den Wohnungsbau noch weiter aufgestockt werden kann.
Aber jetzt muß man doch einmal sagen: 1,1 Milliarden stehen doch schon zur Verfügung. Da laßt uns doch weiß Gott mal anfangen zu bauen und die 1,1 Milliarden schon mal verbauen, dann wird das weitere Geld auch kommen, meine Damen und Herren.
Dann möchte ich den nächsten Punkt anschneiden, das ist die Sprachförderung, weil mir das sehr wichtig ist. Wir haben die Sprachförderungsmittel erheblich erhöht, aber, meine lieben Freunde, meine Damen und Herren, ich will uns mal allen hier ins Gedächtnis rufen, daß wir eine Aufgabe haben, den Einsatz für die Eingliederung am Arbeitsplatz, für die Eingliederung in der Sprachförderung auch sehr flexibel und beweglich vorzunehmen. Darum haben wir mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit das Programm „Lerne und arbeite" auf den Weg gebracht.
— Ja, wenn Sie noch sagen „Ora et labora" habe ich nichts dagegen. „Bete und arbeite" gehört nach meiner Auffassung ganz gut auch in den Bereich mit hinein.
Also, meine Damen und Herren, was ich gerne möchte, ist dies — und ich spreche hier auch einen Appell aus — , daß alle Verantwortlichen vor Ort das aufnehmen. Wenn Aussiedler kommen und einen Arbeitsplatz finden, halte ich es nicht für gut, daß man sagt: Auch wenn du einen Arbeitsplatz hast, du mußt auf Gedeih und Verderb auf jeden Fall in die Sprachschule, egal, ob du schon was kannst oder mittelprächtig viel oder gar nichts kannst. Man muß hier mit Phantasie arbeiten. Ich rufe die Arbeitsämter und die Verantwortlichen in der Wirtschaft und auch die Sozialbetreuer auf, doch alles zu tun, daß wir berufsbegleitend diese Sprachförderung anbieten und damit den Menschen zu einer alsbaldigen Eingliederung auch schon in die Arbeitswelt helfen. Das halte ich aus vielen Gründen für ganz, ganz wichtig. Dabei sollten wir alle helfen.
Meine Damen und Herren, jetzt will ich an dieser Stelle auch ein ganz herzliches Wort des Dankes dem deutschen Handwerk sagen, der deutschen Bauwirtschaft, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, die in den letzten Wochen Zehntausende von Arbeitsplätzen angeboten und gesagt haben: Wir wollen zum Teil sogar noch Unterbringungsmöglichkeiten bereitstellen. Nun sollte doch kein Hindernis bestehen, und man sollte über Informationsbörsen, die wir vorgeschlagen haben, das auch bekanntmachen, damit die
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Aussiedler, die zu uns kommen, auch diese Angebote unbürokratisch und schnell wahrnehmen können. Dann ist viel geholfen, meine Damen und Herren.