Rede von
Ottmar
Schreiner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin Hasselfeldt, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung auf Befragen im Ausschuß eingeräumt hat, daß durch diese Änderung, d. h. durch die Umwandlung des Rechtsanspruchs in eine Ermessensleistung, in erheblichem Maße auch Arbeitslose betroffen sein werden?
Frau Hasselfeldt: : Nein, das kann nicht der Fall sein, weil der Rechtsanspruch die Arbeitslosen kaum tangiert. Das ist im AFG eindeutig so geregelt. Diese Änderung des Rechtsanspruchs in eine Ermessensleistung betrifft in erster Linie die Meister und die Techniker, also diejenigen, die im Beruf stehen und anschließend eine Qualifizierung machen.
Es ist mir deshalb auch wichtig, in diesem Punkt deutlich darauf hinzuweisen: Mit der Ausübung dieses Ermessens muß sichergestellt sein, daß auch die nicht vorrangig zu fördernden Arbeitnehmer, nämlich eben gerade die Meister- und Technikeraspiranten, das ganze Jahr über kontinuierlich zu den gleichen Bedingungen gefördert werden, wenn auch auf einem niedrigerem Niveau als bisher. Es ist nicht in unserem Sinne, wenn dieser Personenkreis auf eine Kostenerstattung verzichten müßte, weil dann kein Geld mehr da wäre.
Nun beklagt die Opposition die Kürzung um 300 Millionen DM in diesem Bereich. Ist Ihnen eigentlich die Größenordnung der Ausgaben im Bereich Umschulung und Fortbildung während Ihrer Regierungszeit noch im Gedächtnis? Ich helfe Ihnen gerne nach. Während 1982, also in Ihrer Regierungszeit, für Fortbildung und Umschulung 3 Milliarden DM ausgegeben wurden, waren es im vergangenen Jahr 5,6 Milliarden DM.
Das bedeutet eine Steigerung um 2,3 Milliarden DM.
Die Arbeitsmarktsituation, meine Damen und Herren, war damals nicht sehr viel anders als heute, und heute entdecken Sie auf einmal den hohen arbeitsmarktpolitischen Stellenwert von Qualifizierungsmaßnahmen,
wenn wir bei dieser Größenordnung und bei den ausufernden Ausgaben in diesem Fall nur 300 Millionen DM zurücknehmen müssen. Ihre Glaubwürdigkeit fällt wirklich zusammen wir ein Kartenhaus.
Dann versuchen Sie laufend, uns „Sozialabbau" vorzuwerfen und dies vor allem den Arbeitnehmern einzureden.
Das veranlaßt mich schon, eines klarzustellen: Bei den Lohnersatzleistungen, beim Unterhaltsgeld, bei dem, was die Arbeitnehmer bekommen, bleibt es bei den bisherigen Regelungen. Die vorgesehene Änderung betrifft ausschließlich die Erstattung der Kosten für den Lehrgang. Dies wird zur Folge haben, daß sich so mancher Träger natürlich über die Kalkulation seiner Maßnahmen künftig etwas mehr Gedanken machen muß. Die Gelder der Beitragszahler, meine Damen und Herren, sind für die beschäftigungsorientierte Qualifizierung der Arbeitnehmer da; sie sind nicht da zur Konsolidierung überall aus dem Boden geschossener Bildungsträger.
Ich möchte auch etwas über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sagen. Sie sind ein nach wie vor wirksames Arbeitsmarktinstrument. Wir werden deshalb auch sie in hohem Maße fortführen. Aber nach dem Gesetz müssen die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen immer auch im öffentlichen Interesse liegen. Deshalb ist grundsätzlich auch ein angemessener Eigenanteil der Träger zu erwarten.
Dies kann nicht nur Sache der Beitragszahler sein. Sicher, es gibt auch Träger — wir wissen das — , die keinen Eigenanteil leisten können und trotzdem schwer vermittelbare Arbeitslose in schwierigen Arbeitsamtsbezirken unterbringen. Deshalb wollen wir auch die Tür nicht ganz zumachen. Wir werden es weiterhin bei der hundertprozentigen Förderung belassen, aber wir werden sie auf 15 % der Fälle begrenzen.
— Frau Beck-Oberdorf, machen Sie sich doch einmal klar — das wurde vorhin bereits einmal angesprochen — , warum in den einzelnen Landesarbeitsamtsbezirken der Anteil der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, der mit 100 % gefördert wird, einmal bei 60 oder 70 % liegt, zum anderen bei nahezu 0 %. Dieser große Unterschied ist nicht damit zu rechtfertigen, daß die Finanzaustattung der Träger unterschiedlich ist. Es ist auch nicht damit zu rechtfertigen, daß die Umstände des jeweiligen Arbeitsmarktsbereichs unterschiedlich sind. Es liegt auch ein wenig an der Verantwortung der Selbstverwaltung in den einzelnen Arbeitsämtern.
Wir von der CSU gehen davon aus, daß mit der Begrenzung der zu 100 % geförderten Fälle auf einen Anteil von 15 % die Kluft zwischen den einzelnen Landesarbeitsämtern — auf der einen Seite 70 %, auf der anderen Seite fast 0 % — deutlich kleiner wird.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1988 8259
Frau Hasselfeldt
Ein wesentliches Ergebnis der Beratungen in den Koalitionsfraktionen betraf die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Jugendliche. Eine solche Kürzung wird es nicht geben. Obwohl wir während unserer Regierungszeit dazu beigetragen haben, daß die Jugendarbeitslosigkeit zurückgeht und auch die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen geringer geworden ist und dieser Personenkreis weniger Beiträge bezahlt, wollen wir den Jugendlichen denselben sozialen Schutz bieten wie allen anderen auch. Wir haben im besonderen die Situation in den strukturschwachen Gebieten mit berücksichtigt, in denen die Eingliederung der Jugendlichen immer noch etwas schwieriger ist als in den anderen Gebieten.
Diese Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz steht unter der Zielsetzung, die Ausgaben der Bundesanstalt zu begrenzen. Sie steht unter der Zielsetzung, die Beitragsmittel zielgerichtet, effektiv einzusetzen. Sie steht unter der Zielsetzung, Mitnahmeeffekte zu vermeiden, und sie steht unter der Zielsetzung, die Ausgaben den arbeitsmarktpolitischen Bedingungen und Notwendigkeiten anzupassen.
Im Hinblick auf den zuletzt angesprochenen Gesichtspunkt werden wir die Berufsausbildungsbeihilfe auf die Fälle beschränken, in denen die Ausbildung nicht am Wohnort der Eltern stattfindet. Es kann nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft sein, bei der so guten Ausbildungsstellensituation in unserem Land niedrige Tarifabschlüsse bei Ausbildungsvergütungen durch eine entsprechend höhere Berufsausbildungsbeihilfe auszugleichen.
In den Äußerungen der SPD zu diesem Gesetz ist nichts anderes als die alte Masche zu erkennen. Sie fordern immer mehr und mehr, ohne zu fragen, ob das sinnvoll ist und woher das Geld dafür kommt. Wenn Sie danach fragen, dann ist Ihre Antwort: vom Staat. So auch hier. Das Defizit soll vom Staat getragen werden. Die absehbaren zusätzlichen Ausgaben bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bei Fortbildung und Umschulung sollen vom Staat bezahlt werden. Die Eigenverantwortung des einzelnen kennen Sie nicht. Gleichzeitig wird von dem Herrn Kollegen Schreiner — jetzt sehe ich ihn leider nicht mehr — die katholische Soziallehre zitiert. Es hat mich übrigens sehr gefreut, daß gerade aus seinem Munde — da kommt er ja wieder — so häufig die Katholische Kirche, auch die Evangelische Kirche und dann auch noch die katholische Soziallehre zitiert werden. Dort steht auch an wichtiger Stelle — Zitat — :
Von vornherein ist festzuhalten, im Bereich der Wirtschaft kommt der Vorrang der Privatinitiative des einzelnen zu.
Weiter heißt es:
Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und
zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen.
Dies, meine Damen und Herren, ist ein eindeutiges Bekenntnis zur Eigenverantwortung des einzelnen, ein Bekenntnis zur Subsidiarität in einem Sozialstaat.
Wir werden weltweit um die Leistungen unseres Sozialstaates beneidet.
Wir machen diesen Sozialstaat kaputt, wenn wir diese tragende Säule, nämlich die Eigenverantwortung und die Subsidiarität, nicht beachten.
Mit dieser Gesetzesnovelle wird das erreicht, was notwendig ist. Sie konsolidiert die Ausgaben der Bundesanstalt und stärkt die Eigenverantwortung aller am Arbeitsmarkt Beteiligten. Deshalb werden wir auch dieser Novelle zustimmen.
Ich danke Ihnen.