Rede von
Anton
Pfeifer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die Antwort der Bundesregierung auf die vorliegende Große Anfrage möchte ich mich auf einige wenige Punkte beschränken, die in dieser Debatte angesprochen worden sind. Zunächst ist es nicht richtig, was hier zum Teil kritisch vorgetragen wurde, daß in dieser Antwort keine oder zuwenig Daten enthalten seien. Meine Damen und Herren, was wir an Daten zur Verfügung hatten, haben wir in der Antwort dargestellt.
Auf einige ist ja auch in der Debatte durchaus Bezug genommen worden. Diese Daten aktualisieren wir, soweit sie uns zur Verfügung stehen.
Ich bin in der Lage, mittlerweile z. B. einige Daten, die bis Ende 1987 aktuell sind, hier zur Verfügung zu stellen.
Danach entstanden in der Bundesrepublik Deutschland bis 1987 1417 Schwangerschaften nach In-vitroFertilisation und Embryotransfer. Es kamen 1 387 Kinder zur Welt, davon waren 168 Geburten Zwillingsgeburten, 45 Drillingsgeburten, 4 Vierlingsgeburten. Das entspricht einer durchschnittlichen Mehrlingsrate von 15 % gegenüber ca. 1 % ohne diese Behandlungsverfahren. Es sind 419 Fehlgeburten und 57 Eileiterschwangerschaften verzeichnet worden. Insgesamt bestehen auch erhebliche Schwankungen der Erfolgsraten in einzelnen Behandlungszentren.
Meine Damen und Herren, ich habe diese Zahlen deswegen vorgetragen, weil ich meine, daß für uns diese Zahlen, aber ebenso das Leid, welches für die Betroffenen daraus entsteht, daß sich ihr Wunsch nach Kindern nicht erfüllt, in der Tat Anlaß sein müssen für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Ursachen von Fruchtbarkeitsstörungen, aber ebenso für eine kritische Auseinandersetzung mit den Verfahren der Fortpflanzungsmedizin, dies auch deshalb, weil die medizinischen Behandlungsverfahren zur Überwindung von Ursachen der Unfruchtbarkeit für die Betroffenen oft sehr belastend und sowohl mit psychosozialen als auch mit psychosomatischen Risiken verbunden sind.
Die Bundesregierung wird deshalb mit allem Nachdruck darauf hinwirken, daß die Ursachen von Fruchtbarkeitsstörungen eingehender erforscht werden. Sie wird auch deshalb darauf hinwirken — ich greife auf, was der Herr Kollege Voigt gesagt hat —, weil dies eine Voraussetzung für präventive Strategien überhaupt ist. Dabei ist unsere Grundsatzüberlegung die, daß nur ein Gesamtkonzept den Erkenntnisstand vorantreiben kann, welches physiologische und biochemische Grundlagenforschung mit sozialwissenschaftlichen Aspekten verbindet.
Ein solches Konzept ist in der Antwort der Bundesregierung auf die vorliegende Große Anfrage angekündigt und wird derzeit vorbereitet. Es stellt eine Erweiterung der bereits vorhandenen Forschungsaktivitäten dar, die in der Antwort detailliert dargestellt worden sind. Das Programm „Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit" ermöglicht es uns, Förderaktivitäten zur Ursachenforschung und Prävention, zur Verbesserung der Diagnostik und Therapie von Fruchtbarkeitsstörungen unter Einschluß von sozialwissenschaftlicher Forschung über den Umgang mit der Unfruchtbarkeit und ihrer Behandlung zu ergreifen. Selbstverständlich, Frau Schmidt-Bott, gehören hierzu auch Forschungsvorhaben, welche sich auf den Einfluß von Umweltschäden, von Arbeitsbedingungen, von Streß und dergleichen auf Fruchtbarkeitsstörungen beziehen. Wir haben diesen Forschungsschwerpunkt in das Programm eingeführt. Infolgedessen, Frau Kollegin Becker-Inglau, stehen auch die Mittel hierfür zur Verfügung.
Wir werden im kommenden Februar zu einem grundsätzlichen Fachgespräch über diese gesamte Forschungsstrategie einladen. Wir werden dieses Programm dann Stück für Stück realisieren. Darüber hinaus hat sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft vor einigen Tagen für die Förderung von Forschungsvorhaben entschieden, welche grundsätzlichen Fragen nach der Zweckmäßigkeit der Fortpflanzungs-
8212 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Parl. Staatssekretär Pfeifer
techniken zur Bewältigung der ungewollten Kinderlosigkeit nachgehen sollen und die auch auf eine vergleichende Analyse der gegenwärtigen Praxis in den Behandlungszentren in der Bundesrepublik Deutschland hinzielen.
Meine Damen und Herren, ich denke, alle diese Forschungsansätze machen aber noch etwas anderes deutlich — das will ich hier auch in die Debatte einführen — : Eine rein medizinische Behandlung bei ungewollter Kinderlosigkeit wird nach meiner Überzeugung den vielschichtigen Problemen nicht gerecht. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung in der Antwort auf die vorliegende Große Anfrage ausdrücklich vor einer unkritischen Anwendung der neuen Methoden der Fortpflanzungsmedizin gewarnt, zumal ihre Erfolgsaussichten oft überbewertet und deren Risiken nicht immer ausreichend bedacht werden. Gerade bei der Anwendung der neuen Methoden in diesem Bereich sind aber Chancen und Risiken in jedem Einzelfall mit besonderer Sorgfalt abzuwägen, wobei als Kriterien für die Entscheidung vor allem die Würde des Menschen, der Schutz des Lebens, das Kindeswohl und der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie zu gelten haben.
Die umfassende Beratung eines ungewollt kinderlosen Paares muß alle diese Gesichtspunkte einbeziehen, und es muß klar sein, daß ärztliches Handeln sich nicht nur auf die medizinische Überwindung der Unfruchtbarkeit beziehen kann, sondern daß die Verantwortung des Arztes dort, wo dies nach sorgfältiger Abwägung aller Gesichtspunkte geboten ist, auch die Verpflichtung einschließt, die Betroffenen zur Akzeptanz ungewollter Kinderlosigkeit hinzuführen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch etwas anfügen: Wir alle sind uns dessen bewußt — die Debatte hat es gezeigt —, daß die anstehenden Entscheidungen im Bereich des Embryonenschutzes, im Bereich der Humangenetik, im Bereich der Genomanalyse und im Bereich der Gentherapie immer auch mit ganz grundsätzlichen ethischen Fragestellungen verknüpft sind. Ich meine, dies gilt genauso für die kritische Auseinandersetzung mit den medizintechnischen Eingriffen am Lebensbeginn und bei der Entstehung menschlichen Lebens. Vielleicht kommt das Gespräch hierüber in unseren parlamentarischen Beratungen manchmal etwas zu kurz. Im Hinblick auf die bevorstehenden Beratungen über das Embryonenschutzgesetz sollten wir dies unbedingt ändern.
Herr Kollege Voigt, der Bundesjustizminister hat gestern bei der Befragung der Bundesregierung angekündigt, daß im kommenden Jahr ein Entwurf für ein Embryonenschutzgesetz so rechtzeitig vorgelegt werden wird, daß wir dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden können.
Ich meine, wir müssen dieses Gesetz noch in diesel Legislaturperiode verabschieden.
Frau Kollegin Schmidt-Bott, eines ist dabei klar: Der gezielten Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken und jeder Verwendung sogenannter überzähliger Embryonen zu fremdnützigen Zwecken wollen wir in diesem Gesetz auch mit einem strafrechtlichen Verbot begegnen.
Vielen Dank.