Rede von
Dr.
Hans-Peter
Voigt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir kommen einmal auf den Boden der Realitäten zurück.
Zunächst möchte ich der Bundesregierung sehr herzlich für den sehr ausführlichen und sensiblen Bericht zu einem Themenbereich danken, der zweifelsohne politisches Handeln verlangt; ich will das gleich versuchen aufzuzeigen. Ich glaube, dieser Bericht zeigt genau das auf, wo gehandelt werden muß, und er stellt die Frage, die wir hier erörtern, in den richtigen Zusammenhang.
Wir, seitens der CDU/CSU, unterstreichen diesen Weg und sind auch der Auffassung, daß zum einen politisches Handeln — in Anbetracht der Zahlen, die wir eben auch von Ihnen schon, Frau Schmidt-Bott, gehört haben, daß nämlich 10 bis 15 % der Ehepaare ungewollt kinderlos bleiben — notwendig ist, und wir sind zum anderen auch der Auffassung, daß es nicht darum geht, daß man die vielgelobte Technik der Medizin, die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung, als das allein seligmachende Prinzip hinstellen soll, sondern daß wir uns der Frage zuwenden müssen, daß soundso viel Bürger in unserem Lande und darüberhinaus auch in anderen europäischen Industrieländern ohne Kind bleiben, obwohl der Kinderwunsch da ist. Wir müssen dies sehr ernst nehmen und versuchen, den Zusammenhang der Psychosomatik herzustellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir eine Präventionsstrategie entwickeln wollen — ich unterstütze das; das wird in dem Bericht sehr deutlich — , dann müssen wir im Vorfeld einige Fragen klären. Präventionsstrategie bedeutet für mich, daß nur nach sehr differenzierten Anamnesen, nach sehr differenzierter Betrachtung des sozialen Umfeldes, d. h. der Umgebung, in der die einzelnen Menschen leben, daß erst dann, wenn eine medikamentöse Therapie nicht mehr zu einem Erfolg führt und wenn Mann und Frau gleichwertig behandelt sind — Frau Schmidt-Bott, ich stimme Ihnen zu; da gibt es einiges nachzuholen; wir wissen auch, daß das nicht immer
8208 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Dr. Voigt
der Fall ist — , eine künstliche Befruchtung in Betracht kommt.
Daß die Unfruchtbarkeit oder der nicht erfüllte Kinderwunsch sehr häufig die Ursache auch beim Mann hat, ist in der Zwischenzeit bekannt, aber nicht immer herrschender Stand im Umgang mit dem Patienten bzw. mit den angesprochenen Menschen; das ist gar keine Frage.
Wenn alle Methoden nicht zum Erfolg geführt haben, dann bin ich der Auffassung, daß wir in solchen Fällen selbstverständlich als die letzte Möglichkeit davon Gebrauch machen sollten, die künstliche Befruchtung einzuleiten, aber nur unter den strengen Kriterien, wie wir sie immer gefordert und gewünscht haben, nämlich in einem Team von vielen hochklassigen Medizinern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen auch, daß genau in diesem Anwendungsbereich noch sehr, sehr viel Forschungsarbeit nötig ist. Denn der Erfolg, den wir im Augenblick sehen und der weit unter 20 % liegt, kann uns nicht befriedigen und zeigt einfach auch, daß hier nach wie vor in der Technik ein sehr großes Risiko liegt.
Welche Fragen sind zu klären, bevor wir ein Konzept der Prävention entwickeln können?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht darum, daß wir — das wird ja in dem Bericht auch deutlich — von dem Schwerpunkt der medizinisch-biologischen Forschung abkehren und daß wir zur Forschung im gesellschaftlichen Umfeld hingehen. Wir müssen uns zweifelsohne, bevor wir überhaupt Präventionsstrategien entwickeln können, anschauen, welche Ursachen tatsächlich zur Sterilität führen. Wir müssen prüfen, ob sie beim Mann oder bei der Frau liegen. Wir müssen sehen, ob eine Abhängigkeit vom Lebensalter besteht. Wir müssen beobachten lernen, ob die Zunahme in den letzten Jahren in irgendeiner Abhängigkeit von Umwelteinflüssen, von Infektionen, von dem Genuß von Arzneimitteln und ähnlichem steht.
Hier gibt es einen riesigen Forschungsbedarf. Ich möchte noch einmal für die CDU ganz deutlich machen, daß wir der Meinung sind, daß es hier wichtige Arbeit aufzuholen gilt. Auch dies wird in dem Bericht in meinen Augen außergewöhnlich deutlich.
Lassen Sie mich zum Schluß noch zu einem weiteren Punkt kommen, weil es hier am Ende angesprochen ist. Ich glaube, ich kann es sehr kurz machen. wir haben im Frühjahr dieses Jahres sehr intensiv über die Frage des Embryonenschutzgesetzes diskutiert. Ich möchte hier noch einmal dieses Embryonenschutzgesetz anmahnen. Wir sind der Auffassung, daß hier eine gesetzliche Regelung — Sie wissen, daß wir eine sehr strenge Regelung haben möchten — notwendig ist und daß sie bald kommen muß. Wir fordern die Bundesregierung auf, so schnell wie möglich auf diesem Feld zu handeln.
Vielen Dank.