Rede von
Peter Kurt
Würzbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele hunderttausend Berufs- und Zeitsoldaten und fast 6 Millionen junge Wehrpflichtige haben inzwischen in der Bundeswehr Dienst geleistet. Ich finde es beschämend, daß ein Abgeordneter unseres Deutschen Bundestages diese, die Dienst für uns getan haben, als nützliche Idioten bezeichnet. Ich weise dies in aller Entschiedenheit zurück.
Meine Damen und Herren, wir sind verpflichtet, unserer Bundeswehr und in ihr unserer Luftwaffe das zu geben, was sie zu einer angemessenen Ausrüstung braucht, damit sie den von uns gegebenen, von der Mehrheit der Bevölkerung getragenen Verfassungsauftrag ausführen kann. Unsere Bundesregierung hat seit ihrem Amtsantritt das Nötige getan, um dieser Pflicht zu genügen. Wir mußten am Anfang eine Menge Weichenstellungen vornehmen, um manche zu korrigieren, solche der heutigen Opposition, wenngleich ich einräumen will, daß auch von Ihnen für viele Systeme, die eingeführt wurden, entsprechende Beschlüsse hier im Deutschen Bundestag und in den Ausschüssen gefaßt wurden.
Unsere Bundeswehr ist nach politischer Zielsetzung, nach Umfang, Struktur und Ausrüstung und operativer Planung defensiv. Sie ist für die strategische Offensive ungeeignet. Das kann so und das soll auch so sein.
Dies aber ist unbestritten bei den Streitkräften des Warschauer Pakts, angeführt von der Sowjetunion, grundlegend anders. Allein die Tatsache, daß in der DDR mehr sowjetische Divisionen stationiert sind, als die amerikanische Armee insgesamt unter Waffen hält, spricht hier eine deutliche Sprache.
Das Kernproblem für die Sicherheit in Europa bleibt also die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Pakts, die sich in der Möglichkeit zur militärischen strategischen Offensive, zur Überraschung, zur Invasion, in der Angriffsfähigkeit also, ausdrückt.
Gerade für uns in der Bundesrepublik Deutschland ist das Prinzip der grenznahen, der zusammenhängenden Vorneverteidigung von besonderem Interesse und bildet als Instrument die Grundlage für die Erhaltung des Friedens.
Im Rahmen dieser Bedingungen und angesichts der laufenden Modernisierungen der Luftstreitkräfte im Warschauer Pakt, über die hier niemand redet, ist eine leistungsstarke Luftverteidigung für uns unverzichtbar. Das von Ihnen kritisierte Jagdflugzeug ist ein wichtiges Element im Verbund der Luftverteidigungsmittel der NATO und wird damit wesentlich zur Stabilisierung der Luftverteidigungsfähigkeit beitragen.
Die Auswirkungen des Jägers 90 auf die politischen Handlungsmöglichkeiten unter der Perspektive von Abrüstungsverhandlungen sind übrigens anders zu beurteilen, als die Opposition das hier tut. Der Kollege Ronneburger hat hier auf einzelne Beispiele hingewiesen.
Nach dem neuesten Kräftevergleich der NATO stehen 8 250 Kampfflugzeugen des Warschauer Pakts knapp 4 000 der NATO gegenüber.
Solange diese einseitige Überlegenheit fortbesteht, müssen wir an unseren Verteidigungsplanungen festhalten.
Das derzeit als Jagdflugzeug eingesetzte Waffensystem kann nicht mehr über die Jahrtausendwende hinaus in Betrieb gehalten werden. Die Luftwaffe benötigt nach heutiger gründlich geprüfter und abgewogener Auffassung auch über das Jahr 2000 hinaus ein leistungsfähiges Jagdflugzeug zur Ergänzung der Flugabwehrraketensysteme, um ein für Deutschland erforderliches raumdeckendes Luftverteidigungssystem zu organisieren.
Nur Jagdflugzeuge sind flexibel genug, schnell Abwehrschwerpunkte zu bilden, entstandene Lücken in der bodengebundenen Luftverteidigung zu schließen und offene Flanken zu sichern. Begleitschutz ist dabei eine der möglichen herkömmlichen Arten des Einsatzes von Jagdflugzeugen. Diese würde aber immer nur noch einem Angriff, der niemals von uns ausgeht, ausgelöst werden.
Dieses Konzept — das darf ich der Opposition einmal sagen — haben Sie bislang genauso, wie es heute gültig ist, mit getragen. Hätten Sie dies nicht getan, gäbe es keinen Tornado, den Sie haben entwickeln, beschaffen, einführen lassen, mit genau diesem Auftrag, den ich eben geschildert habe.
Die Frage von Alternativen zur bemannten Luftabwehr ist ausgesprochen intensiv untersucht worden. Bei vergleichbaren Forderungen an Manövrierfähigkeit, Waffenzuladung, Kampfkraft, Reichweite und Flugdauer würden unbemannte Luftfahrzeuge erheblich teurer, und sie wären nicht unbedeutend personalaufwendiger. Auch sogenannte Fertigkaufoptionen — Amerika käme hier in Frage — wurden gründlich untersucht. Es ergaben sich keine günstigen und geeigneten Alternativen.
8192 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988