Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetzentwurf hat die Koalition wieder einmal ihre Zuverlässigkeit bewiesen.
Was in der Koalitionsvereinbarung versprochen wird, wird gehalten, und zwar zum versprochenen Zeitpunkt.
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, aber auch den Vertretern der Opposition — ich sage dies sehr deutlich, weil Sie ja in vielen Punkten anderer Auffassung gewesen sind —, daß sie geholfen haben, diesen Gesetzentwurf, der ja die Montan-Mitbestimmung auf Dauer sichert, zügig zu beraten und rechtzeitig zu verabschieden. Ich danke ganz besonders dem Ausschußvorsitzenden und auch seinem Stellvertreter, den Kollegen Egert und Müller , und insbesondere den Mitarbeitern des Ausschußsekretariats für ihren Einsatz. Ich bedanke mich auch bei Ihnen, Herr Maier, und Ihren Kolleginnen und Kollegen.
Ohne große Anstrengungen hätte nämlich die Beschluß- und Berichtsvorlage für den heutigen Tag nicht zusammengestellt werden können.
Meine Damen und Herren, für die CDU/CSU-Fraktion gehört Mitbestimmung zu den Grundelementen der sozialen Marktwirtschaft. Deswegen sichern wir erstens mit diesem Gesetz die Montan-Mitbestimmung auf Dauer.
Zweitens verbessern wir die Informationsrechte der Arbeitnehmer bei Einführung neuer Techniken.
Drittens sichern wir repräsentativen Meinungsminderheiten in den Betrieben das Recht, daß auch Arbeitnehmer ihres Vertrauens in den Betriebsausschüssen mitarbeiten können.
Viertens. Wir haben deswegen schon vor der Sommerpause durch ein anderes Gesetz dafür gesorgt, daß die Jugendvertretung nicht ausblutet. Bei den jetzt zu Ende gegangenen Wahlen zu den Jugend- und Auszubildendenvertretungen konnten viele 18-bis 25jährige wiederum aktiv an der Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung teilnehmen.
Lassen Sie mich direkt ein heißes Eisen anpacken, nämlich das Thema „Leitende Angestellte/Sprecherausschüsse". Mit diesem Gesetz wird auch den leitenden Angestellten, die ja vom Betriebsrat nicht vertreten werden, eine eigene Vertretung gegeben,
wenn die Mehrheit der leitenden Angestellten des Betriebes das will. Es ist wichtig, dies zu unterstreichen.
Wir respektieren den Mehrheitswillen auch der leitenden Angestellten in einem Betrieb. Das ist gute demokratische Tradition.
Wir sorgen dafür, daß der Arbeitgeber diesen Willen ebenso akzeptieren muß. Die leitenden Angestellten können jetzt einen Sprecherausschuß gründen, auch wenn es dem Arbeitgeber nicht paßt.
Den Sorgen der Arbeitnehmerschaft wurde in allen wichtigen Punkten bei diesem Gesetz Rechnung getragen.
8156 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Scharrenbroich
— Herr Dreßler, es gibt weder eine Spaltung noch eine Zerschlagung der Arbeitnehmer- und Beschäftigtenvertretung.
Ich will dies belegen:
Der Begriff der leitenden Angestellten wird präzisiert und nicht erweitert; letztere Sorge bestand ja. Wir sorgen dafür, daß der Rechtszustand festgeschrieben wird. Lediglich in einem Fall korrigieren wir etwas. Denn wir gehen wieder vor den Rechtszustand, der durch das Prokuristen-Urteil praxisfern geschaffen worden ist. Ich darf aus dem Ausschußbericht dazu folgendes zitieren: Die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP „vertraten die Ansicht, daß es gelungen sei, den Begriff des leitenden Angestellten genauer zu fassen, ohne den Personenkreis der leitenden Angestellten zu erweitern oder einzuengen." Das ist präzise das, was die Absicht der Koalition war.
Wichtig ist natürlich die Frage: Kann der Sprecherausschuß die Betriebsratsarbeit behindern? Ich habe in früheren Beratungen öfters betont, daß niemand in der Koalition, kein Koalitionspartner, will, daß die Betriebsratsarbeit durch Sprecherausschüsse behindert wird. Deswegen haben wir auch der Kritik aus dem Hearing Rechnung getragen. Deswegen haben wir den § 33 des Sprecherausschußgesetzes gestrichen. Jetzt kann keiner mehr behaupten, es gebe ein Vetorecht des Sprecherausschusses gegen Betriebsvereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Das war uns äußerst wichtig.
Auch wenn ich nicht zum Fanclub der „Union der Leitenden Angestellten" gehöre — das weiß jeder —, kann ich feststellen: So, wie die Sprecherausschüsse jetzt eingerichtet sind, sind sie akzeptabel, vor allem weil die Arbeit des Betriebsrates nicht behindert wird.
Um ganz sicher zu sein, haben wir auch das im Entwurf vorgesehene Gebot, die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Sprecherausschuß gestrichen. Das hätte zu Mißverständnissen geführt. Aber selbstverständlich kann jedes Gremium einen Vertreter des anderen zu einem Gespräch einladen.
Außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes und in einem eigenen Sprecherausschußgesetz haben wir das, was ich jetzt aus dem Ausschußbericht zitiere, geregelt:
die konsequente Fortführung der institutionellen Absicherung einer Vertretung der leitenden Angestellten im Aufsichtsrat durch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 . . .
Das haben wir also weitergeführt.
Das sollten die Herren von der Sozialdemokratie nie vergessen. Ich füge hinzu: Das haben wir weitergeführt, und zwar diesmal nicht zu Lasten der Arbeitnehmer. Das ist der Unterschied zu Ihrer damaligen Regelung.
Lassen Sie mich zu dem Thema neue Techniken kommen: Auch die Rechte der wichtigsten Vertretung der Beschäftigten, also des Betriebsrates, haben wir verbessert. Ich nenne nur den Zeitpunkt der Information — hier haben wir präzisiert und verbessert —, die Gegenstände der Beratung und die Pflicht des Arbeitgebers zur Erörterung mit den einzelnen betroffenen Arbeitnehmern. Da behauptet die SPD, wir hätten nur die geltende Rechtsprechung in das Betriebsverfassungsgesetz übernommen. Erstens ist das falsch, und zweitens sage ich: Selbst das Herüberholen von Rechtsprechung in das Betriebsverfassungsgesetz ist für die praktische Arbeit des Betriebsrates sehr wichtig.
Ich bin froh, daß die Koalition auch an die Arbeitnehmer in den Großbetrieben denkt — wir sichern deswegen die Montan-Mitbestimmung —, aber wir denken auch an die noch viel größere Zahl von Arbeitnehmern in kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade dort ist der Betriebsrat, der nicht so groß ist — bekanntlich kann nach dem Gesetz erst ab 300 Beschäftigten einer freigestellt werden — , froh, wenn er im Betriebsverfassungsgesetz klipp und klar lesen kann, welche Rechte er und die Arbeitnehmer haben.
Nebenbei gesagt: Es schadet auch nichts, daß sich die Arbeitgeber leichter im Gesetzestext informieren können, welche Pflichten sie gegenüber dem Betriebsrat haben. Rechtsklarheit vermeidet unnötigen und unproduktiven Streit im Unternehmen.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Es ist für beide Seiten hilfreich, daß jetzt im § 90 ganz eindeutig nachzulesen ist, daß der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht nur rechtzeitig, sondern — ich zitiere — „unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten hat" .
— Wenn es hinterher einen Streit gibt — Kollege Andres, das wissen Sie ganz genau — , dann steht fest, daß er seinen Pflichten nicht nachgekommen ist, wenn er nicht alles vorgelegt hat, was notwendig ist. Der Arbeitgeber muß also von sich aus alles vorlegen. Das ist ewas anderes, als wenn der Betriebsrat um die schriftlichen Unterlagen betteln muß.
Das ist uns sehr wichtig gewesen.
In demselben § 90 haben wir jetzt geklärt, wann der Betriebsrat spätestens über neue Planungen zu informieren ist. Das war eine schwierige Frage: Wann ist
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der richtige Zeitpunkt? Der Arbeitgeber muß jetzt mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen so rechtzeitig beraten im alten Gesetz hieß es „unterrichten" ; Beratung ist etwas anderes, daß — ich zitiere aus dem Gesetz — „Vorschläge und Bedenken des Betriebsrates ... berücksichtigt werden können". Meine Damen und Herren, das schafft eine andere Lage. Wenn der Betriebsrat sagt: Aber dieses oder jenes müssen wir noch machen, kann der Arbeitgeber nicht mehr sagen: Es tut mit leid, wir sind in der Planung bereits so weit fortgeschritten, daß das jetzt nicht mehr geht. — Dann hat er gegen diesen Paragraphen verstoßen. Diese Ausrede kann künftig nicht mehr gelten.
Da wir nicht nur in Sonntagsreden für eine Erhöhung der Akzeptanz bei der Einführung neuer Techniken werben, helfen wir den von neuen Techniken betroffenen Arbeitnehmern, damit sie mehr Vertrauen haben. Wir verpflichten den Arbeitgeber jetzt bei der Einführung neuer Techniken in § 81 zu einer Erörterung mit dem Arbeitnehmer. Ich zitiere:
Der Arbeitgeber hat
— es ist also eine Verpflichtung —
mit dem Arbeitnehmer
— der von neuen Techniken betroffen ist —
zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten den künftigen Anforderungen angepaßt werden können.
Das, glaube ich, nimmt vielen die Angst. Das ist ein klarer Satz. So klar könnte und konnte ihn bisher kein Gericht formulieren.
Während der Beratungen haben wir übrigens diese Vorschrift verbessert, indem wir noch einen Satz hinzugefügt haben:
Der Arbeitnehmer kann
— er hat jetzt das Recht —
bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen.
— Herr Kollege Hasenfratz, Sie sollten einmal lesen, was wir verabschiedet haben. Dann würden Sie die Texte wiederfinden.
Mit diesem ebenso klaren Satz helfen wir dem einzelnen Betroffenen in einer schwierigen Situation. Er hat einen Berater bei sich, der solchen Problemen meistens nicht zum erstenmal gegenübersteht, einen Berater — das ist in der konkreten Situation, in der man als Arbeitnehmer Ängste hat, sehr wichtig — , der weiß, was bereits auf der Leitungsebene zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Abfederung solcher Probleme beraten wurde.
Das Thema neue Techniken, ihre Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, auf die Betriebe und auf die Arbeitsweise des Betriebsrates hat uns veranlaßt, den Wunsch vieler Betriebsräte und auch der Gewerkschaften aufzugreifen. Wir verlängern die Wahlzeit der Betriebsräte von drei auf vier Jahre. Das schafft Kontinuität, Verläßlichkeit, und es verbessert die Arbeitssituation der Betriebsräte. Selbst die SPD hat erkannt, daß dies eine Verbesserung ist und hat uns in diesem Punkt zugestimmt.
Insofern ist klar, daß dieser Beschluß unbestrittenermaßen gut ist.
Kurzfristig ist daraufhin im Ausschuß jedoch beantragt worden — ich erinnere zur Klarstellung daran —, die Schulungszeiten für die Betriebsräte zu verlängern. Das ist eine durchaus wichtige Frage. Die Vertreter der Koalition haben sich bereit erklärt, dies zu prüfen.
— Nein, wir haben zugesagt, das zu prüfen. Aber wir sind nicht der Auffasung, daß die Entscheidung darüber übers Knie gebrochen werden muß, denn die nächsten Betriebsratswahlen finden erst im Jahr 1990 statt, und bis zum Jahre 1993 kann jeder Betriebsrat wie bisher eine Woche pro Jahr in Schulung gehen. Meine Damen und Herren, bis zum Jahre 1994 werden wir das Problem geregelt haben. Wie Sie wissen, haben wir wichtigere Sachen schon viel schneller geregelt, nicht wahr, Herr Kollege Dreßler?
Nun zum Thema Minderheiten. Ich glaube, das Thema Minderheiten ist ein trauriges Kapitel deutscher Arbeitnehmergeschichte.
Es ist traurig, wie DGB-Gewerkschaften auf die Verbesserung des Minderheitenschutzes dreinschlagen. Sie verwechseln die Interessen ihrer Organisation mit den Interessen der Arbeitnehmer.
Ich kann nur ganz klar sagen: Es ist undemokratisch, auf kaltem, administrativem Weg beachtliche gewerkschaftliche Minderheiten daran zu hindern, im Betriebsrat effektiv mitzuarbeiten, und das ist die Praxis.
Wir haben die gewerkschaftlichen Vertrauensleute jahrelang gebeten, das zu korrigieren. Sie haben dies nicht getan. Jetzt war der Gesetzgeber aufgerufen, dies von sich aus zu korrigieren und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß diese Minderheitenrechte nicht nur ermöglicht, sondern auch gesichert werden.
Vollends absurd ist der Einwand der SPD, die Einbringung von Wahlvorschlägen durch im Betrieb vertretene Gewerkschaften sei verfassungsrechtlich bedenklich. Wir verweisen darauf, daß die meisten Landespersonalvertretungsgesetze der Länder ähnliche Regelungen enthalten.
— Wenn Sie das für verfassungsrechtlich bedenklich halten, dann kümmern Sie sich doch einmal um das
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Landespersonalvertretungsgesetz in Nordrhein-Westfalen.
Dort hätten Sie leicht die Möglichkeit, das zu ändern.
Wir haben im Bericht noch einmal festgestellt, was wir unter Gewerkschaften verstehen. Hier gilt die Definition des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts. Eine solche Arbeitnehmerorganisation muß frei gebildet sein; sie muß gegnerfrei sein; sie muß unabhängig sein; sie muß insbesondere auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und zum Abschluß von Tarifverträgen willens sein. Außerdem muß diese Arbeitnehmerorganisation Durchsetzungskraft gegenüber dem Arbeitgeber haben. Das haben wir noch einmal ausdrücklich so im Bericht festgehalten.
Ich habe zwar vielfach gehört, wir würden heute das Betriebsverfassungsgesetz beraten. In Wirklichkeit beraten wir eine wichtige Komposition von mehreren Mitbestimmungsgesetzen. Da ist das Montan-Mitbestimmungsgesetz, da ist das Sprecherausschußgesetz, und zwei Teile befassen sich mit dem Betriebsverfassungsgesetz.
Ganz besonders stolz bin ich darauf — das verhehle ich nicht —, daß mit diesem Gesetz die Montan-Mitbestimmung auf Dauer gesichert ist. Dazu war die sozialliberale Koalition mit ihrem Auslaufgesetz
— das muß man immer wieder betonen — 1981 nicht in der Lage. Aber das damalige Gesetz hat wenigstens die Grundlage für eine Rettungsaktion geschaffen. Die dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung — ich gebe es zu — war nicht leicht. Aber sie ist uns überzeugend gelungen. Den Kumpels an Rhein und Ruhr, aber auch in Salzgitter können wir den Absender für diese gute Nachricht von heute nennen
— bei der IG Metall ist es ein Betriebsgeheimnis — : Ohne Norbert Blüm wäre die Montan-Mitbestimmung in mehreren Konzernen jetzt schon nicht mehr da;
denn ohne Norbert Blüm wäre die dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung nicht Bestandteil der Koalitionsvereinbarung geworden.
Das weiß jeder, der damals an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat.
Völlig untauglich ist der heute ebenfalls zur Abstimmung anstehende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Montan-Mitbestimmung. Auch die Gewerkschaften wissen, daß ein solches Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht keine Chance hätte.
Deswegen täten wir uns alle einen Tort an, wenn wir auf dieses Pferd setzten und hinterher vor dem Scherbenhaufen stünden.
Meine Damen und Herren, wem die Interessen der Arbeitnehmer und auch einer vitalen Gewerkschaftsbewegung am Herzen liegen, der sollte mit meiner Fraktion den SPD-Entwurf ablehnen und den Mehrheitsbeschluß des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung billigen.
Wir können, meine Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, beruhigt in die namentlichen Abstimmungen gehen, da wir einem Gesetz zustimmen, das den Arbeitnehmern hilft.
Danke schön.