Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister, ich habe keine Anmerkungen zu Ihrer Rede, im Gegensatz zu der von Herrn Lintner.
Das ist leider notwendig. Mir wäre es lieber, ich müßte nichts dazu sagen. Aber Sie spielen hier eine Doppelrolle, und das muß auch hier vor dem Parlament gesagt werden. Ich möchte Ihnen zu Ihren Äußerungen zu Herrn Bahr, die Sie hier vom Stapel gelassen haben, sagen: Niemand in der SPD, selbstverständlich auch Egon Bahr nicht, hat jemals den Schießbefehl befürwortet, relativiert, geleugnet oder in irgendeiner Weise zu rechtfertigen versucht.
Für den Gebrauch von Schußwaffen als Gewalt gegen Menschen, die lediglich die deutsch-deutsche Grenze überqueren wollen, gibt es keine Rechtfertigung. Das ist ein Kernstück deutschlandpolitischer Gemeinsamkeit zwischen den Fraktionen. Mit Ihren an den Haaren herangezogenen Anschuldigungen stören Sie diese Gemeinsamkeit und beseitigen sie in dieser Frage.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8113
Büchler
— Ich kann Zeitungen lesen.
Ich sage Ihnen, was er gesagt hat, weil ich glaube, daß das wichtig ist. Er sagte auf die entsprechende Frage:
Nein! Überhaupt nicht! Ich muß Ihnen wirklich in aller Härte sagen: Sie werden sich daran erinnern, daß die CDU in der Opposition gesagt hat, der Schießbefehl muß weg, und ohne daß der Schießbefehl weg ist, gibt es gar nichts. Jetzt haben wir schon eine ganze Weile eine CDU-geführte Regierung, und den Schießbefehl gibt es immer noch.
Danach sagt er, daß in der Zwischenzeit allein 2 Milliarden DM Kredit herübergeschaukelt worden sind; und fährt fort:
Ich glaube, daß die Haltung der Bundesregierung richtig ist, ich sage das noch einmal.
Dann kommt dieses Zitat. Also sagt er deutlich, daß Sie das, was Sie sich vorgenommen haben, nicht erreicht haben.
Deswegen, Herr Lintner, auch zu Ihren anderen Auslassungen folgende Bemerkungen: Sie haben von uns eine Bilanz gefordert. Sie haben gefragt, wo wir stehen. Ich glaube, daß keine Fraktion in dieser Frage eindeutiger zu dem steht, was wir in den Grundlagen festgelegt haben, als die Sozialdemokratische Partei.
— Darauf komme ich gleich zu sprechen: Dann haben Sie sich noch nicht einmal die Zeit genommen, unseren Antrag zu lesen. Denn der erste Satz ist genau das, was in der Entschließung von 1984 steht, und nichts anderes. Also, man sollte in der Deutschlandpolitik etwas sorgfältiger arbeiten. Ich wußte sowieso nicht, gegen wen Sie reden, gegen Herrn Diepgen, gegen den Kanzler, gegen Herrn Schäuble oder gegen Herrn Hennig, oder für wen Sie reden? Das war doch die große Frage bei dieser Rede von Herrn Lintner. Man konnte doch nicht wissen, woran man ist.
Deswegen sage ich ganz deutlich, was wir als Sozialdemokraten hier zu sagen haben.
Noch einmal: Die deutsche Nation ist eine von der Teilung unabhängige Realität, die sich in dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in beiden deutschen Staaten ausdrückt. Heute kann nicht vorweggenommen werden, wofür das deutsche Volk sich in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes entscheiden wird. Vorrangig bleiben Frieden und eine politische Ordnung, die den Menschen Freiheit garantiert. Sozialdemokratische Politik, Herr Lintner — ich sage es hier noch einmal — , geht vom Grundgesetz, vom Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR einschließlich des Briefes zur deutschen Einheit aus,
vom Viermächteabkommen über Berlin, von den Ostverträgen und von den in deren Folge getroffenen Vereinbarungen und Abmachungen. Das sind klare Grundsätze unserer Politik, und nichts anderes gilt bei uns.
Damit alles ganz klar ist, haben wir unseren Entschließungsantrag vorgelegt, den Sie anscheinend noch nicht gelesen haben. Dort werden die Grundpositionen noch einmal dargelegt. Natürlich sind einige Punkte weiterentwickelt worden. Das mußten wir doch tun, nachdem Sie in der Deutschlandpolitik zwar bei uns gut abgeschrieben haben, aber die Deutschlandpolitik zur Stagnation verkommen lassen. Auch dies muß doch gesagt werden.
Deswegen habe ich mit Ihrem Antrag bis auf den einen Abschnitt, der in einen Antrag zur Deutschlandpolitik nicht hineingehört, auch keine Probleme. Wir können sicher, wenn wir unseren Entschließungsantrag und Sie Ihren ebenfalls eingebracht haben, im Innerdeutschen Ausschuß zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Ich würde das begrüßen. Dies ist erreichbar und sollte auch angestrebt werden.
Meine Damen und Herren, die Deutschlandpolitik steht vor einer neuen Phase. Der Besuch des Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, in der Bundesrepublik im September 1987, der Abschluß des INF-Vertrages, die insgesamt verbesserte internationale Lage und die Reformdiskussion in der Sowjetunion sind Eckpunkte einer neuen Phase in der Deutschlandpolitik.
Mit dem Besuch von Honecker wurde ein wichtiges Kapitel zu Ende gebracht. Der Art. 7 des Grundlagenvertrages ist bis auf das Rechtshilfeabkommen weitgehendst ausgefüllt. Übrig bleibt — daran müssen wir eben mehr arbeiten als bisher — die Erfüllung dessen, was in Art. 5 des Grundlagenvertrages festgelegt ist, nämlich gemeinsam für Frieden und Völkerverständigung zu arbeiten.
Jetzt besteht die Chance, so meine ich, ein System der internationalen Beziehungen zu schaffen, das von Abgrenzung und Blockdenken wegführen könnte, wenn wir wirklich miteinander arbeiten.
Die weltwirtschaftliche Verflechtung zwingt immer mehr dazu, von starrem Denken in Ost-West-Schemata abzugehen und ein umfassendes Netz von Kooperationen auszubauen. Die großen Probleme unserer Zeit liegen doch nicht im Gegensatz zwischen den Nationen, sondern sie liegen in der Bewältigung der Probleme, die die Menschheit insgesamt bedrohen, wie z. B. Umweltkatastrophen, Hunger, Vertreibung oder Atomkatastrophen. Das sind die großen Probleme, die wir miteinander lösen müssen, und zwar alle zusammen, die wir auf dieser Welt leben.
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In Europa — auch dies muß klar sein — führt die Entwicklung vom nationalstaatlichen Ansatz immer mehr zu übergreifenden Formen der Zusammenarbeit. 1992 entsteht der europäische Binnenmarkt. Darauf müssen sich Ost und West einstellen. Es kann nicht Sinn des Binnenmarktes sein, nach dem früheren Eisernen Vorhang jetzt einen ökonomischen Vorhang entstehen zu lassen. Dagegen müssen wir angehen. Dieser Binnenmarkt darf keine geschlossene Veranstaltung der westeuropäischen Staaten werden, sondern er muß offenbleiben. Wir dürfen die Völker Osteuropas nicht im Stich lassen.
In diesem Rahmen sind auch die Beziehungen zwischen uns und der DDR zu sehen. Es geht darum, in der neuen Phase der Deutschlandpolitik eine neue Qualität der Beziehungen zu erreichen. Die DDR kann auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Transferland zwischen Ost und West werden. Wir Sozialdemokraten sind bereit mitzuhelfen, den Lebensstandard der DDR zu heben und sie wirtschaftlich stärker werden zu lassen, wenn das im gemeinsamen Interesse ist. Wir haben in unserer Regierungszeit übrigens immer darauf geachtet, daß wir nicht sosehr Geldleistungen erbracht, sondern Investitionsgüter hinübergeliefert haben, die der DDR und den Menschen drüben weitergeholfen haben und heute noch im Einsatz sind. Es geht also weniger um große Geldzahlungen, denn das ist oft ein Faß ohne Boden, sondern es muß erkennbar sein, was zum Nutzen der DDR-Bevölkerung geschieht.
Wir wissen auch, daß die derzeitige DDR-Wirtschaftsstruktur nicht geeignet ist, genügend ökonomisches Wachstum zu erzeugen, und daß Reformen nötig sind. Wir sehen, daß die DDR von Jahr zu Jahr in größere Schwierigkeiten kommt, daß der Lebensstandard praktisch zurückgeht, statt daß er weiter steigt, und daß die DDR gegenüber dem Westen abfällt, obwohl die DDR durch die Möglichkeiten des innerdeutschen Handels eine günstigere Situation hat. Wir bewundern in diesem Zusammenhang den Mut der Sowjetvölker, der Polen und der Ungarn, die entschlossen daran gehen, bis zum dritten Jahrtausend ihre Gesellschaften zu reformieren und ihre Länder fitzumachen, um ihren Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Zukunft zu garantieren.
In politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht bedarf es auch in der DDR einer Öffnung nach außen und nach innen. Die SED muß sich wandeln und intensiv in den Prozeß der Diskussion über die Reformen Gorbatschows einsteigen. Sie muß kritische Geister zulassen. Sie muß den unruhigen Hefeteig, aus dem der Fortschritt für Völker entsteht, auch gären lassen und nicht verbieten. Sie muß Pluralismus von Ideen und Meinungen zulassen, Rechtssicherheit herstellen und auch den Dialog mit den kritischen Bürgern führen. Ansonsten — darüber sind wir uns in diesem Hause alle einig — führt die derzeitige Situation unweigerlich in eine Sackgasse. Mit anderen Worten: Der Bürger in der DDR braucht Perspektiven, wenn er sich in seiner Heimat wohlfühlen soll. Den Bürgern in der DDR müssen mehr Selbstbestimmungsrechte zuerkannt werden, und schrittweise kommen die auch voran.
Was müssen wir in der zweiten Phase der Deutschlandpolitik einbringen? Vorrangig ist — das muß auch klar sein — , daß wir vom Grundlagenvertrag und den Ost-Verträgen ausgehen, keine neuen Grenzdiskussionen anfangen und den zweiten deutschen Staat als gleichberechtigten Partner annehmen.
Eine Gruppe von Erlanger Wissenschaftlern hat kürzlich in einem Appell zur Weiterentwicklung der Deutschlandpolitik festgestellt:
Die Ausgangslage für konzeptionelle und operative Deutschlandpolitik wandelt sich. Daraus folgt, daß die bestehenden Konzepte und Programme neu überdacht und modifiziert weiterentwickelt werden müssen.
Dieser Feststellung und auch der folgenden kann ich mich nur anschließen:
Es muß auffallen, daß in Politik und Wissenschaft, oft wider besseres Wissen der Beteiligten, immer noch die Schlachten der Vergangenheit geschlagen werden.
Herr Bundeskanzler, es ist Sache Ihrer Regierung, neue Konzepte für eine erfolgreiche Deutschlandpolitik zu entwickeln. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch; Ihre vermissen wir leider.
Vor mehr als einem Jahr haben Sie zusammen mit Honecker ein gemeinsames Kommuniqué verabschiedet. Wie steht es um die Verwirklichung? Sind die Absichtserklärungen in ein umfassendes Arbeitsprogramm eingeflossen? Ich kann das leider nicht sehen. Dort heißt es z. B., daß man in Expertengesprächen in der Gewässerschutzfrage zügig zu konkreten Ergebnissen kommen soll. Wie steht es damit? Ist das das bißchen Elbesanierung? Wo ist das Gesamtkonzept, das man in diesen Fragen braucht? Immer noch werden Werra und Weser durch die Kali-Werke der DDR in unerträglicher Weise verschmutzt. Das Ausweichen dann mit dem Geld auf andere Maßnahmen — so gut und so nett das in meinem Wahlkreis, für Blankenstein ist — regelt natürlich das Werra-Problem nicht, Herr Lintner; darüber müssen wir uns klar sein.
Das Innerdeutsche Ministerium stellte im Jahresbericht 1987 fest, daß die Expertengespräche über Waldschäden, Rauchgasentschwefelung nicht zustande gekommen sind.
Jetzt haben wir zwar ein Umweltabkommen, aber wo bleiben diese Gespräche?
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1987 waren Sie stolz auf die Entwicklung im Reise- und Besucherverkehr einschließlich des Tourismus. Abgesehen von gestiegenen Reisezahlen hat sich in diesen Sektoren nichts bewegt. Die gestiegenen Reisezahlen, Herr Schäuble, mußten gegenüber widerstrebenden Kräften im Regierungslager als Begründung für den protokollarisch hochrangigen Empfang Honeckers herhalten.
Man kann sie nicht mehr als positive Folge des Honecker-Besuchs in Anspruch nehmen. Zu fragen ist, wann die finanziellen Probleme, die sich aus diesem verstärkten Reiseverkehr entwickelt haben, endlich gelöst werden? Immer mehr Bürger beklagen sich darüber, daß die Besuche natürlich auch Geld kosten, daß sie ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen. — Ich finde das nicht lächerlich, Herr Schäuble; denn es stellt tatsächlich ein Problem dar, das gelöst werden muß. Eine Arbeiterfamilie, die ein paarmal im Jahr Besuch aus der DDR hat, braucht eben eine entsprechende Unterstützung. Sie können hier nicht alle Lasten, wie Sie das in anderen Bereichen der Politik machen, auf den kleinen Mann abwälzen! Wenn Sie Erfolge verkünden, dann müssen Sie als Regierung auch für die damit zusammenhängenden Probleme geradestehen und entsprechende Vorsorge treffen. Darum und um nichts anderes geht es also.
Hier geht es doch um konkrete Politik.
Ich erinnere an damals, als Kanzler Schmidt mit Generalsekretär Honecker zusammengetroffen ist. Sie haben sich damals spöttisch ausgelassen. Aber die Folge davon war — weil wir ein Arbeitsprogramm hatten — , daß Fälle dringender Familienangelegenheiten geregelt wurden. Die Swing-Regelung wurde neu geschaffen, wenn Sie sich erinnern. Der Grenzübergang Berlin-Heiligensee wurde für Fußgänger geöffnet. Die Amnestieregelung wurde ausgeweitet. Die DDR hat jährlich 60 Millionen DM mehr in den nichtkommerziellen Zahlungsverkehr eingeschossen.
Ein Jahr nach dem Honecker-Besuch, Herr Bundeskanzler, haben Sie noch kein Programm, noch keinen Ansatz, noch keine Gesamtkonzeption, wissen also nicht, wie Sie weitermachen sollen.
Sie haben natürlich — das ist gar keine Frage — die Transit-Pauschale erhöht. Über die Höhe kann man sich streiten. Wir haben den Abschluß zwar grundsätzlich begrüßt, aber es gibt ganz wenige, die die Höhe als solche akzeptieren. Ich habe heute auch sehr viele kritische Anmerkungen gehört.
Ich erinnere an das, was Sie in den 70er Jahren gesagt haben. Sie haben behauptet, wir hätten unter Zeitdruck schlecht verhandelt, Leistung und Gegenleistung seien nicht ausgewogen, das Ganze koste zuviel Geld.
Viele hier im Hause können sich noch gut daran erinnern, wie die Sprecher aus Ihren Reihen im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Bau der Autobahn Berlin—Hamburg und über die Erhöhung der Transit-Pauschale von „gigantischen Belastungen für den Steuerzahler" gesprochen haben. Es hieß, einen „nicht vertretbaren politischen Preis" hätten wir gegeben. Weiter war die Rede von „grotesken Überzahlungen zur Sanierung des bankrotten sozialistischen Planwirtschaftssystems". Diese Worte sind hier im Haus gefallen, das waren damals Ihre Worte. Es wurde bemängelt, daß die Transit-Pauschale erhöht worden ist, ohne daß man sich um überprüfbare Grundlagen für die Berechnung bemüht hätte.
Das sind alles wörtliche Zitate.
Als die Straßenbenutzungsgebühr pauschaliert wurde, kritisierte Ihr Sprecher, es handle sich um eine zu hohe Summe und um einen rein politischen Preis. Herr Schäuble, Ihre Argumentation ist mir noch im Ohr. Nur, Sie haben die Pauschale soeben erst um 64 To erhöht.
Wie haben damals darauf geachtet, daß Leistung und Gegenleistung gestimmt haben.
Wir haben bei dem Geldtransfer eben auch Maschinen mitgeliefert, und die DDR hat bei uns eingekauft. Dies ist auch für die Zukunft der DDR wichtig. Denn diese Maschinen arbeiten heute noch in der DDR und sorgen dafür, daß die Straßen ausgebessert werden können. „Teure Flickschusterei! " wurde gesagt, ich kann mich noch gut daran erinnern.
Aber Sie waren es, die in den vergangenen Jahren handwerkliche Fehler gemacht haben; der Regierende Bürgermeister hat ja darauf hingewiesen. In den grenznahen Verkehr wurde Berlin damals, was die Übernachtungen angeht, nicht einbezogen; zwei Jahre später erst haben Sie es geschafft. Die Geldüberweisungsabsprachen sind äußerst mangelhaft. Sie wissen das. Sie legen Konten von DDR-Bürgern hier in der Bundesrepublik zum erstenmal offen. Wir haben das immer vermieden, und wir wußten, warum.
Der Kanzler schwankt in der Deutschlandpolitik hin und her, ohne einen festen Standpunkt einzunehmen.
Einerseits macht er pragmatische Politik, andererseits muß er aber seine Klientel auf der rechten Seite mit Sprüchen zufriedenstellen und bei der Stange halten. Schließlich kommt noch der Herr Geißler, der ausspricht, was alle wissen. Dann ist bei Ihnen das Chaos perfekt. So war es doch.
Ich sage das deutlich, und zwar insbesondere in bezug auf die Grenzdiskussion: Laßt uns doch endlich einmal einig sein! Deswegen haben wir das auch wieder in den Entschließungsantrag hineingeschrieben,
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was der Kanzler und Honecker 1985 in Moskau ausgemacht haben.
Stimmen Sie dem endlich zu! Laßt die Polen in Frieden in den Grenzen leben und macht sie nicht immer wieder unsicher! Ich glaube, wir sind unserer Geschichte schuldig, daß diese Grenze unantastbar wird.
Wir erwarten, daß dazu in der heutigen Debatte auch etwas gesagt wird. Wir erwarten auch eine Aussage dazu, was nun gilt, ob das gilt, was Herr Schäuble sagt, oder das, was Herr Hennig sagt. Wir möchten endlich wissen, wer bei Ihnen in der Koalition die Richtlinien der Deutschlandpolitik bestimmt.
Es muß doch einmal ganz klar werden, wer das Sagen in der Regierung hat.
Was die FDP angeht, so möchte ich zu ihrem deutschlandpolitischen Papier nur folgendes sagen: Es ist unverbindlich geworden, und Sie rücken von Ihren früheren Positionen ab. Nach Strauß, der dafür gesorgt hat, daß Sie Wählerstimmen bekommen, lehnen Sie sich jetzt an Herrn Waigel an. Ich weiß nicht, ob diese Rechnung aufgehen wird. Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, daß Sie mit Ihrem Papier von Ihrem Anspruch, ein Motor in der Deutschlandpolitik zu sein, selbst Abschied genommen haben.
Nötig ist also die Erarbeitung eines Regierungskonzeptes, für die nächsten zwei Jahre, um das noch einmal zu betonen. Ich hoffe, daß kein Konzept von Ihnen für mehrere Jahre nötig sein wird. Wir werden dafür sorgen, daß Ihre Regierungszeit nur noch zwei Jahre dauern wird.
Erforderlich ist, daß der Bundeskanzler mit Generalsekretär Honecker hier noch vor dem Gorbatschow-Besuch zusammentrifft. Ich glaube, daß dies auch so kommen wird.
Unerläßlich ist die Erarbeitung eines Gesamtpakets im Umweltbereich. Das bisherige Verfahren, Herr Bundeskanzler, einzelne Gespräche isoliert voneinander zu führen, hat nichts außer Zeitverlust gebracht und wird für die Bundesrepublik insgesamt zu teuer. Ich glaube, daß Sie die richtige Aufforderung des Regierenden Bürgermeisters gehört haben. Schließlich muß der innerdeutsche Reiseverkehr finanziell anders geregelt werden.
Das sind alles Punkte, die nach meiner Auffassung jetzt in Angriff genommen werden müssen. Es sind zwar nur einige Punkte, aber ihre Verwirklichung würde zu Fortschritten in der Deutschlandpolitik führen und den Menschen in beiden deutschen Staaten dienen. Wenn diese Punkte verwirklicht werden, dann können wir wieder gemeinsam Politik für die Menschen in beiden deutschen Staaten machen.