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ID1110813100

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    Plenarprotokoll 11/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Grunenberg 7415A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksachen 11/2700, 11/2966, 11/3119) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 11/3204, 11/3231 — Dr. Vogel SPD 7415B, 7453 C Dr. Dregger CDU/CSU 7426 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 7432 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 7438 C Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 7443A, 7454B Jungmann SPD 7454 C Dr. Geißler CDU/CSU 7457 A Frau Wieczorek-Zeul SPD 7461 C Austermann CDU/CSU 7465 B Wüppesahl fraktionslos 7467 A Namentliche Abstimmung 7469 D Ergebnis 7471D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen 11/3205, 11/3231 — Waltemathe SPD 7470 A Dr. Rose CDU/CSU 7473 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 7475 D Hoppe FDP 7477 D Wischnewski SPD 7479 C Dr. Stercken CDU/CSU 7481 C Verheugen SPD 7484 B Genscher, Bundesminister AA 7486 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 11/3207, 11/3231 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 11/3217, 11/3231 — Dr. de With SPD 7490 D von Schmude CDU/CSU 7493 B Häfner GRÜNE 7494 D Kleinert (Hannover) FDP 7496 C Diller SPD 7498 A Engelhard, Bundesminister BMJ 7499 B Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 11/3219, 11/3231 — Esters SPD 7501 B Borchert CDU/CSU 7503 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 Frau Eid GRÜNE 7506 A Frau Folz-Steinacker FDP 7507 B Klein, Bundesminister BMZ 7508 D Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 11/3221, 11/3231 — Büchler (Hof) SPD 7511B Dr. Neuling CDU/CSU 7513 D Dr. Knabe GRÜNE 7516A Hoppe FDP 7517 B Hiller (Lübeck) SPD 7518 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 7519D Namentliche Abstimmung 7539 D Ergebnis 7540 A Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit — Drucksachen 11/3216, 11/3231 — Waltemathe SPD 7523 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 7525 C Frau Garbe GRÜNE 7529 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 7531A Schäfer (Offenburg) SPD 7532 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 7535C Namentliche Abstimmungen . . 7539B, 7539C Ergebnisse 7540B, C, D Nächste Sitzung 7540 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 7541* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 7415 108. Sitzung Bonn, den 22. November 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Endgültiges Ergebnis und Namensliste 109. Sitzung, Anlage 2 **) Endgültiges Ergebnis und Namensliste 109. Sitzung, Anlage 3 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bahr 22. 11. Dr. Bangemann 25. 11. von Bülow 23. 11. Dr. Dollinger 25. 11. Duve 24. 11. Dr. Ehrenberg 22. 11. Dr. Emmerlich 22. 11. Frau Fischer 24. 11. Francke (Hamburg) 24. 11. Dr. Haack 24. 11. Dr. Hauff 25. 11. Dr. Hornhues 22. 11. Graf Huyn 24. 11. Dr. Jenninger 25. 11. Frau Kelly 25. 11. Dr. Klejdzinski 24. 11. Dr. Köhler 24. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer 24. 11. Lutz 22. 11. Meyer 25. 11. Dr. Müller 25. 11. Frau Pack 25. 11. Pfuhl 24. 11. Dr. Pick 22. 11. Rappe 22. 11. Regenspurger 24. 11. Rühe 22. 11. Dr. Scheer 24. 11. Schmidt (München) 25. 11. Schröer (Mülheim) 22. 11. Spranger 24. 11. Todenhöfer 22. 11. Vosen 23. 11. Dr. von Wartenberg 24. 11. Weirich 22. 11. Weiß (München) 22. 11. Würtz 24. 11. Dr. Zimmermann 23. 11.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Justizhaushalt zeichnet sich wie auch in den Vorjahren durch ein bescheidenes Volumen aus. Ganze 0,15 % beträgt der Anteil des Einzelplans 07, gemessen am Gesamthaushalt. Auch das Wachstum nimmt sich 1989 mit 2,9 % im Vergleich zu der sonst üblichen Steigerungsrate recht sparsam aus. Ein Personalkostenanteil von mehr als 90 % der Ausgaben und die Tatsache, daß fast 60 % der Ausgaben durch eigene Einnahmen gedeckt werden, zeigen schon, daß es hier beim Einzelplan 07 nichts an Subventionen zu verteilen gibt, sondern daß hier Dienstleistungen für den Bürger erbracht werden.
    Dazu trägt auch unser Patentamt bei. Hier werden in den kommenden Jahren ganz erhebliche Investitionen erforderlich. 32 000 Anmeldungen werden jährlich offengelegt. Deshalb sind kürzere Bearbeitungszeiten bei Anmeldungen und Auskünften nicht nur wünschenswert, sondern für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zwingend notwendig. Der
    Aufbau einer elektronischen Datenbank tritt nun in die entscheidende Phase. Wir stellen dafür 1989 13,2 Millionen DM im Bereich der Datenverarbeitung und der Patentdokumentation bereit. Mit weiteren rund 250 Millionen bis 280 Millionen DM ist in den Folgejahren für den Aufbau der Datenbank zu rechnen. Daneben muß die Gebäudesanierung aus Gründen des Brandschutzes, aber auch um zeitgemäße Arbeitsplätze zu schaffen, dringend vorangetrieben werden. Rund 100 Millionen DM werden wir dafür aufwenden müssen. Wir werden in diesem Zusammenhang sorgfältig prüfen, ob und in welchem Umfang Gebührenerhöhungen auch im Hinblick auf das ebenfalls in München ansässige Europäische Patentamt zur Dekkung dieser Investitionen mit herangezogen werden.
    Zu den politischen Schwerpunkten des Justizhaushalts, meine Damen und Herren, gehören die Reformvorhaben. Die Erfassung und Erforschung der Rechtswirklichkeit bilden die Grundlage für Gesetzesvorhaben.

    (Diller [SPD]: Da streicht ihr ausgerechnet!)

    — Sie wollten noch viel mehr streichen, Herr Diller. Ich denke an die 10 000 DM für die Wehrstrafgerichtsbarkeit. —

    (Diller [SPD]: Die gehören auch gestrichen!)

    Wichtige Bereiche stehen im Vordergrund. Dazu gehören u. a. die Untersuchung über die Berufssituation, Karriereverläufe und Karrierechancen von Frauen im Justizdienst oder die Projekte über die Verschuldungssituation und die Schuldnerberatung sowie über den Verbraucherschutz im Versicherungswesen. Der Bundesregierung ist ausdrücklich zu danken, daß sie diese Reformen der Rechtspflege und des Rechts sorgfältig und umfassend vorbereitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Hektik, meine Damen und Herren, wäre der Bedeutung der anstehenden Gesetzesvorhaben absolut unangemessen. Wir lehnen Gesetze, Herr de With, die mit der heißen Nadel gestrickt werden, ab. Gründliche Vorarbeit zahlt sich aus; das sehen wir jetzt bei der Neuordnung des Entmündigungs-, Vormundschafts- und Pflegerechts.
    Die Bedeutung, die wir den Reformen beimessen, wird auch dadurch unterstrichen, daß wir gegenüber dem Vorjahr erneut höhere Haushaltsmittel bereitstellen. Mit 1,68 Millionen DM wird, selbst wenn man weit in die 70er Jahre zurückgeht, ein neuer Höchststand erreicht.
    Die Ausweisung zusätzlicher Planstellen erfolgt auch im Hinblick auf neue Aufgaben im Umweltbereich und im Bereich der Gentechnologie sowie im Hinblick auf die arbeitsaufwendiger gewordene Betreuung und Leitung von Beratungsgremien. Der diesbezügliche eindrucksvolle Aufgabenkatalog des Ministeriums kann wohl als recht umfassend gelten. Er beinhaltet selbst so schwierige Bereiche wie das Thema geschlechtsneutrale Gesetzessprache.
    Die unter Federführung des Justizministeriums stehende interministerielle Arbeitsgruppe wird hoffentlich bald zu Ergebnissen kommen. Wer den Haushalt



    von Schmude
    heute liest, wird feststellen, daß Beamtinnen je nach Geschmack in der Gruppe A 11 als Amtmann, Amtsfrau oder sogar Amtmännin aufgeführt werden.
    Das Bild der Rechtspolitik, meine Damen und Herren, wird nicht nur durch Reformvorhaben, sondern auch durch die Pflege des Rechtsbewußtseins geprägt. Das Justizministerium wird sich dieser wichtigen Aufgabe weiterhin mit herausragenden Aktivitäten stellen.
    So ist u. a. zum 40. Jahrestag des Bestehens des Grundgesetzes eine Broschüre „40 Jahre freiheitlicher Rechtsstaat" vorgesehen, ferner ein verfassungsrechtliches Kolloquium sowie eine Festveranstaltung „40 Jahre dritte Gewalt unter dem Grundgesetz" .
    Ohne Rechtsbewußtsein — das wissen wir — kann es keinen Rechtsfrieden geben. Gesetze, die verfassungsgemäß zustande gekommen sind, müssen in einem Rechtsstaat durchgesetzt werden.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Zögerliches Handeln oder Untätigkeit wie etwa in Hamburg in Sachen Hafenstraße

    (Zuruf von der CDU/CSU: Kiefernstraße in Düsseldorf! — Zurufe von der SPD)

    verwässern das Rechtsbewußtsein und bedeuten letztendlich die Kapitulation vor dem freiheitlichen Rechtsstaat. Uns sollte eigentlich, lieber Herr Kollege Stiegler, die Sorge, so wie Herr de With es ausgedrückt hat, um den Bestand des Rechtsstaates gemeinsam sein.
    Das Ansehen der Justiz kann jedoch auch durch unüberlegtes Handeln von Verfassungsorganen Schaden nehmen. Ich denke hier an die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein, die mit der zwangsweisen Entlassung des Generalstaatsanwalts Teschke ein halbes Jahr vor dessen regulärer Pensionierung ein schlimmes Beispiel geliefert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Traupe [SPD]: Dann fangen Sie mal in Niedersachsen an!)

    — Ich bin Ihnen für den Zwischenruf dankbar. Das ist leider kein Einzelfall. In Schleswig-Holstein hat es nämlich auch 30 Richter und Staatsanwälte gegeben, die mit ihrer Dienstbezeichnung in den Zeitungen öffentlich gegen Kernkraft protestiert haben und dafür disziplinar gemaßregelt wurden. Sie sind mit ihrem Widerspruch beim höchsten deutschen Gericht gescheitert. Am selben Tag hat der neue SPD-Justizminister Klingner diese disziplinare Maßnahme wieder aufgehoben. Das ist ein schlimmes Beispiel, was hier deutlich wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Rechtsbruch! — Zuruf von der SPD: Denken Sie bei der Justiz lieber mal an die alte Landesregierung!)

    Es muß, meine Damen und Herren, das gemeinsame Anliegen aller demokratischen Parteien bleiben, das Rechtsbewußtsein in der Bevölkerung zu stärken. Anderenfalls würde auch die Sicherheit beeinträchtigt werden. Daß uns dieser Bereich Anlaß zur Sorge gibt — ich sage das mit großem Ernst — , wird durch verstärkte Ausgaben im baulichen Bereich sowie durch die Anschaffung zahlreicher besonders geschützter Fahrzeuge quer durch alle Einzelhaushalte deutlich.
    Zur Pflege des Rechtsbewußtseins gehört selbstverständlich auch die Darstellung der Justizgeschichte, insbesondere während der Zeit des Dritten Reiches. Wir begrüßen deshalb die von der Bundesregierung geplante Ausstellung zum Thema „Justiz im Nationalsozialismus", die von 1989 bis 1992 als Wanderausstellung in allen Bundesländern gezeigt werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die rückhaltlose Auseinandersetzung mit der Rolle der Justiz im Dritten Reich und deren Ursachen ist bisher zu kurz gekommen. Die Justiz war in besonders bedrückender Weise in das nationalsozialistische System verstrickt.
    Die Bundesländer haben sich bereit erklärt, zu dem von uns zusätzlich in den Haushalt eingestellten Betrag von 500 000 DM für diese Ausstellung einen eigenen Finanzbeitrag in Höhe von 100 000 DM zu leisten. Dies unterstreicht, daß Bund und Länder das Projekt als gesamtstaatliche Aufgabe ansehen. Zu dieser Mitverantwortung hatten sich die Länder auch im vorigen Jahr bekannt, als es nämlich darum ging, an der Deutschen Richterakademie in Trier eine Stätte zur Mahnung und Erinnerung an die Justizverbrechen im Dritten Reich einzurichten.
    Ergänzend dazu soll 1989 im Palais des Bundesgerichtshofes eine dem Anlaß angemessene Erinnerungstafel zum Gedenken an die Opfer der NS-Justiz angebracht werden.
    Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich mich bei den Mitberichterstattern für die gute Zusammenarbeit und bei den Mitarbeitern des Justizministeriums für die ausgezeichnete Vorarbeit bedanken.
    Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Einzelplan 07 zu. Es spricht auch nichts dagegen, daß die Opposition genauso verfährt.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Häfner.

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    Rede von Gerald Häfner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr von Schmude, viel war es gerade nicht, was Sie da an Leistungen vorweisen konnten.

    (Marschewski [CDU/CSU]: Ganz schön arrogant, dieser Junge!)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Jubelfeiern zum 40jährigen Jubiläum dieser Republik werfen ihre Schatten voraus, sie werfen sie auch auf den Haushalt des Bundesjustizministers. Ein eigener Haushaltsansatz soll der Vorbereitung einer Feier dienen: „40 Jahre dritte Gewalt unter dem Grundgesetz".
    Ich frage mich, was da gefeiert werden soll. Ich habe vielmehr den Eindruck, man sollte einen anderen Titel



    Häfner
    wählen: 40 Jahre staatliche Gewalt zur Aushöhlung des Grundgesetzes.

    (Frau Traupe [SPD]: Es gibt aber auch Grenzen! — Marschewski [CDU/CSU]: Pervers ist das! „40 Jahre Aushöhlung" , das ist schlimm! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP)

    — Nun hören Sie erst einmal zu, Herr Marschewski.
    Herr Minister, Recht ist nicht etwas, was von oben verfügt werden kann. Recht beruht nicht auf Willkür, auf Herrschaft von oben, sondern auf der Übereinkunft von Menschen, auf der freien Vereinbarung. Darum müssen auch alle an dem Prozeß dieser Rechtsvereinbarung teilhab en können. Demokratie heißt also nicht nur, daß wir gleich sind vor dem Recht, sondern heißt auch, daß wir als Gleiche das Recht überhaupt erst zustande bringen. Das bedeutet zugleich, daß sich Recht im Laufe der Zeit entwickeln muß und daß das Recht nicht um seiner selbst willen da ist, sondern zum Schutz der Menschen, zum Schutz der Würde des Menschen, der Freiheit der Person und zur Sicherung der sozialen Gleichheit.
    Die Rechtspolitik dieser Bundesregierung aber ist auf etwas völlig anderes gerichtet: auf den ständigen und rücksichtslosen Abbau von Bürger- und Freiheitsrechten. In einer Zeit, in der immer mehr Bürgerinnen und Bürger gegen die Politik dieser Regierung protestieren — aus guten Gründen; ich will nur vier davon nennen:
    erstens Nordseesterben, Waldsterben, Ökologie; zweitens den Bereich Atom- und Chemiewaffen, Tiefflieger, Jäger 90, den ganzen Rüstungsbereich; drittens den Atombereich selbst, Schneller Brüter, WAA, AKW; viertens die Gentechnologie — , in einer Zeit also, in der immer mehr Menschen aufwachen und sich hiergegen wenden, sucht die Bundesregierung nicht nach Wegen einer neuen Rechtsfindung, die diesen Bedenken der Bevölkerung Rechnung tragen, sondern produziert eine Horrorliste von Gesetzen, die jeden mit Strafe bedrohen, der in diesem Land noch von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung, Demonstration usw. Gebrauch machen will.
    Wir haben heute über den Haushalt eines Ministers zu befinden, der mit dem Artikelgesetz und den Sicherheitsgesetzen in der Maske des Biedermanns und des Staatsdieners einen Anschlag auf die Grundrechte, die Rechtsordnung und auch den inneren Frieden in diesem Land unternimmt.
    Das eigentlich Schlimme dieser Gesetze ist ja, daß sie sich ihre Begründung selbst schaffen. Ich meine ganz ernst, was ich hier sage. Das heißt, durch das Artikelgesetz und die Sicherheitsgesetze — dem die FDP inzwischen ebenfalls zugestimmt hat, wie ich der Zeitung entnehme — wird dasjenige erst hervorgerufen und verstärkt, wogegen sich diese Gesetze angeblich richten. Bedenken Sie: Protest entsteht nicht aus Jux und Dollerei, sondern aus der Erfahrung staatlichen Unrechts und der absoluten Ohnmacht, dagegen vorzugehen.
    Das berüchtigte Artikelgesetz, das unter Ihrer Federführung, Herr Justizminister, ausgetüftelt wurde, treibt gezielt weite Teile der politisch aktiven Bevölkerung in die Illegalität,

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Noch eine schöne Ausrede!)

    macht es nahezu unmöglich, vom Demonstrationsrecht noch Gebrauch zu machen. Wer in Zukunft zu Demonstrationen geht, steht mit einem Bein im Gefängnis. Schon wenn er mit einem Schal hingeht, gilt das als Vermummung, der Schal ist ein „zur Vermummung geeigneter Gegenstand" ; ein Motorradhelm erst recht,

    (Marschewski [CDU/CSU]: Sie sind ein richtiger Märchenerzähler!)

    obwohl Motorradfahrer doch durch Gesetz zum Tragen des Helms verpflichtet sind. Sie wissen das.
    Diese Maßnahmen verfolgen in meinen Augen das Ziel, die Opposition in der Bundesrepublik einzuschüchtern. Die Verfassungswidrigkeit ist diesen Vorhaben in meinen Augen deutlich auf die Stirn geschrieben. Sie widersprechen den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, dem Brokdorf-Urteil und dem Volkszählungsurteil.
    Herr Minister, ich will nur weniges aufzählen: So z. B. der § 130b — pures Gesinnungsstrafrecht. Hier werden nicht mehr Taten bestraft, sondern Meinungen verfolgt. Literatur, auch die deutsche Klassik, landet auf dem Tisch des Staatsanwalts. Wollen wir dies, wollen Sie dies? Ist dies einem demokratischen Staat angemessen? Haben Sie vergessen, wohin solche Zensurparagraphen in der Geschichte und in der Gegenwart geführt haben und führen?
    Das Vermummungsverbot, die Ausweitung des Haftgrundes Wiederholungsgefahr, die vorbeugende Inhaftnahme, das Verbot der passiven Bewaffnung — all dies kommt in der Tat einer Horrorliste gleich und stellt den Übergang vom Rechtsstaat in das Feind- und Gesinnungsstrafrecht dar. Es ist nämlich eine Errungenschaft unseres Rechtsstaates, daß die Polizei nicht alles darf, daß Ermittlungen und Eingriffe erst im Rahmen einer vollzogenen Tat und der Tatschuld möglich sind.

    (Zuruf von der SPD: Also doch was Positives!)

    Dies soll jetzt praktisch in das Gegenteil verkehrt werden. Mit der Unterstellung einer abstrakten Gefährlichkeit, die im Einzelfall niemals nachgewiesen werden kann und auch gar nicht nachgewiesen werden muß, wird jeder zum Objekt dieser Gesetze, der sich auch nur einem Verdacht aussetzt; er kann vorbeugend inhaftiert werden.
    Die gleiche Tendenz zum Rechtsabbau findet sich übrigens auch in anderen Bereichen. Ich kann dies aus Zeitgründen nur noch andeuten: etwa den Abbau der Verfahrensrechte im Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz oder bei der „Entlastung" der Finanzgerichtsbarkeit, bei der so eine Art Als-ob-Gesetz nun, nach anfänglich zeitlicher Befristung zum Dauerzustand werden soll, weil man zu einer wirklichen Reform mit der Einführung einer dritten Instanz unfähig ist.



    Häfner
    Am schlimmsten aber ist das Mißverhältnis zwischen Worten und Taten in den wenigen Bereichen, in denen wir auf Grund der Koalitionsvereinbarung und Ihrer vollmundigen Ankündigungen wenigstens der Richtung nach sinnvolle Vorschläge erhoffen konnten. Beispiel: Verwaltigung in der Ehe. Es ist in meinen Augen ein himmelschreiender Skandal, daß rechtlich noch immer zwischen Vergewaltigung innerhalb und außerhalb der Ehe unterschieden wird. Frauen sind kein Besitz, auch nicht in der Ehe.

    (Marschewski [CDU/CSU]: Wer sagt das denn, wer sagt denn ein solches Zeug, Herr Kollege? Das ist doch Nötigung, fünf Jahre „Bau" !)

    Das Vorhaben, die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen, ist inzwischen erst einmal kläglich begraben worden. Und ich fürchte, daß mit der Weglobung von Frau Süssmuth hier auch nichts mehr kommen wird.
    Genauso ist es mit dem Vorhaben, den Umweltschutz ins Grundgesetz aufzunehmen, einem der Vorhaben, mit denen Sie sich seinerzeit gebrüstet haben. Es ist beerdigt worden, so wie wir die Nordsee, so wie wir die Wälder in meiner Heimat nun auch bald beerdigen können.
    Ich möchte zum Abschluß noch kurz etwas zu unseren Anträgen sagen.

    (Frau Traupe [SPD]: Das ist auch höchste Zeit!)

    Einige sind Ihnen schon bekannt, z. B. der Antrag mit dem wir endlich die Abschaffung und Streichung der Wehrstrafgerichtsbarkeit im Haushalt verlangen. Das versteht sich von selbst.
    Ich werde hier nur noch einen Antrag inhaltlich vorstellen, da für die Vorstellung der anderen angesichts der kärglichen Zeit für die kleinen Fraktionen die Zeit fehlt. Den zugehörigen Sachverhalt kann ich hier allerdings nur noch mit Entrüstung vortragen. Es geht um das Ölbild für den Generalbundesanwalt Rebmann. Sie wissen, daß die Mittel für dieses Ölbild vom Haushaltsausschuß im letzten Jahr auf Antrag meiner Fraktion gestrichen worden sind. In diesem Jahr wurden sie wieder eingestellt, und zwar deshalb, weil das Ölbild — entgegen dem Bundestagsbeschluß —

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Sind das Ihre rechtspolitischen Themen? — Gegenruf der Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ja, wir sind beim Haushalt! — Weiterer Gegenruf von der SPD: Es geht schließlich ums Geld!)

    inzwischen bereits gemalt wurde. So kann man mit dem Haushalts- und Entscheidungsrecht des Parlaments nicht umgehen. Das Verstecken dieses Etatpostens im Titel „Erwerb beweglicher Geräte" und das Erkaufen der hierfür benötigten 10 000 DM ausgerechnet durch die Verbilligung einer Gedenktafel für die Opfer der NS-Justiz, das ist für mich in der Tat nicht nur eine unzumutbare Brüskierung des Parlaments, sondern ein echter Skandal.
    Wir bitten Sie daher, unserem Antrag auf Streichung dieses Postens sowie den weiteren Anträgen zuzustimmen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)