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ID1110808500

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    Plenarprotokoll 11/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Grunenberg 7415A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksachen 11/2700, 11/2966, 11/3119) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 11/3204, 11/3231 — Dr. Vogel SPD 7415B, 7453 C Dr. Dregger CDU/CSU 7426 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 7432 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 7438 C Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 7443A, 7454B Jungmann SPD 7454 C Dr. Geißler CDU/CSU 7457 A Frau Wieczorek-Zeul SPD 7461 C Austermann CDU/CSU 7465 B Wüppesahl fraktionslos 7467 A Namentliche Abstimmung 7469 D Ergebnis 7471D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — Drucksachen 11/3205, 11/3231 — Waltemathe SPD 7470 A Dr. Rose CDU/CSU 7473 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 7475 D Hoppe FDP 7477 D Wischnewski SPD 7479 C Dr. Stercken CDU/CSU 7481 C Verheugen SPD 7484 B Genscher, Bundesminister AA 7486 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 11/3207, 11/3231 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 11/3217, 11/3231 — Dr. de With SPD 7490 D von Schmude CDU/CSU 7493 B Häfner GRÜNE 7494 D Kleinert (Hannover) FDP 7496 C Diller SPD 7498 A Engelhard, Bundesminister BMJ 7499 B Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 11/3219, 11/3231 — Esters SPD 7501 B Borchert CDU/CSU 7503 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 Frau Eid GRÜNE 7506 A Frau Folz-Steinacker FDP 7507 B Klein, Bundesminister BMZ 7508 D Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 11/3221, 11/3231 — Büchler (Hof) SPD 7511B Dr. Neuling CDU/CSU 7513 D Dr. Knabe GRÜNE 7516A Hoppe FDP 7517 B Hiller (Lübeck) SPD 7518 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 7519D Namentliche Abstimmung 7539 D Ergebnis 7540 A Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit — Drucksachen 11/3216, 11/3231 — Waltemathe SPD 7523 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 7525 C Frau Garbe GRÜNE 7529 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 7531A Schäfer (Offenburg) SPD 7532 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 7535C Namentliche Abstimmungen . . 7539B, 7539C Ergebnisse 7540B, C, D Nächste Sitzung 7540 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 7541* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1988 7415 108. Sitzung Bonn, den 22. November 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Endgültiges Ergebnis und Namensliste 109. Sitzung, Anlage 2 **) Endgültiges Ergebnis und Namensliste 109. Sitzung, Anlage 3 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bahr 22. 11. Dr. Bangemann 25. 11. von Bülow 23. 11. Dr. Dollinger 25. 11. Duve 24. 11. Dr. Ehrenberg 22. 11. Dr. Emmerlich 22. 11. Frau Fischer 24. 11. Francke (Hamburg) 24. 11. Dr. Haack 24. 11. Dr. Hauff 25. 11. Dr. Hornhues 22. 11. Graf Huyn 24. 11. Dr. Jenninger 25. 11. Frau Kelly 25. 11. Dr. Klejdzinski 24. 11. Dr. Köhler 24. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer 24. 11. Lutz 22. 11. Meyer 25. 11. Dr. Müller 25. 11. Frau Pack 25. 11. Pfuhl 24. 11. Dr. Pick 22. 11. Rappe 22. 11. Regenspurger 24. 11. Rühe 22. 11. Dr. Scheer 24. 11. Schmidt (München) 25. 11. Schröer (Mülheim) 22. 11. Spranger 24. 11. Todenhöfer 22. 11. Vosen 23. 11. Dr. von Wartenberg 24. 11. Weirich 22. 11. Weiß (München) 22. 11. Würtz 24. 11. Dr. Zimmermann 23. 11.
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    Rede von Hans-Jürgen Wischnewski


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die heutige Haushaltsdebatte zum Anlaß nehmen, um dem Auswärtigen Amt und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Zusammenarbeit zu danken. Damit meine ich die gute Zusammenarbeit vor allen Dingen in den doch verhältnismäßig vielen Punkten, in denen es Übereinstimmung gibt.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    Damit meine ich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter draußen in der Welt. Nicht alle haben draußen eine schöne Aufgabe zu erfüllen.
    Heute besteht für mich Anlaß, Stellung zu nehmen zu den außenpolitischen Aktivitäten eines hohen Repräsentanten der Koalition, der in sehr starkem Maße der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland geschadet hat. Herr Dr. Geißler ist Generalsekretär der größten Regierungspartei. Seine Reise nach Lateinamerika muß deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden, insbesondere nachdem der Herr Bundeskanzler in dieser Woche erklärt hat, Herr Dr. Geißler sei ausdrücklich auch in seinem Auftrag gereist. Dann muß hier dementsprechend die Sache behandelt werden.
    Wir kritisieren nicht, daß der Generalsekretär der CDU in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Internationale seinen politischen Freunden in Lateinamerika Unterstützung gewährt. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Dies halte ich für einen selbstverständlichen Vorgang der Solidarität. Wir kritisieren vielmehr, daß sich Herr Dr. Geißler als einer der wichtigen Repräsentanten dieser Koalition in unverantwortlicher Weise in den schwierigen Demokratisierungsprozeß eines Landes einschaltet und dabei die unverzichtbare Solidarität der Demokraten in diesem Land gefährdet.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE] — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Leider!)

    Wir kritisieren, wenn ein Repräsentant dieser Koalition demokratisch gewählte Präsidenten von Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland freundschaftliche und gute Beziehungen unterhält, zutiefst beleidigt und damit die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten in unverantwortlicher Weise gefährdet.



    Wischnewski
    Wir kritisieren, daß Dr. Geißler die Lage in einem der von ihm besuchten Länder völlig falsch darstellt

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das macht er hier ja auch immer!)

    und insbesondere die schweren Verstöße in diesem Land gegen die Menschenrechte zu bagatellisieren versucht.
    Dr. Geißler war im vergangenen Monat in Chile, in Venezuela und in El Salvador. Viele seiner Parteifreunde meinten, er hätte lieber zwischen SchleswigHolstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz hin- und herfahren sollen. Aber das ist nicht unsere Angelegenheit; das ist die Angelegenheit der Kollegen von der CDU. Zu diesen drei Aufenthalten muß ich ein paar Bemerkungen machen.
    Am 5. Oktober 1988 erreichte die Solidarität der Demokraten in Chile einen ersten Erfolg im Kampf gegen die Diktatur. Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages haben sich darum bemüht, in guter Zusammenarbeit diesen ersten Schritt des Nein zu Pinochet zu unterstützen. Aber allen war klar, daß das nur ein erster Schritt sein konnte und daß es darauf ankam, die Solidarität der Demokraten in dieser schwierigen Stunde zu erhalten. Das bedeutet, daß keinerlei Anlaß besteht, sich in unverantwortlicher Weise in schwierige personelle Fragen einzuschalten.
    Die Christdemokraten in Chile haben drei Kandidaten. Mir sind alle drei bekannt, Patricio Alwyn, Gabriel Valdes, Eduardo Frei. Es ist nicht die Aufgabe eines deutschen Politikers zu sagen, wer der geeignete Kandidat ist, sondern es ist die Aufgabe der gesamten Opposition, aller 16 Parteien, darum bemüht zu sein, einen gemeinsamen Kandidaten zu finden,

    (Beifall bei der SPD)

    denn das Finden des gemeinsamen Kandidaten ist von entscheidender Bedeutung.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist wahr! Er zerstört die Aktionseinheit der Demokraten! Das ist ganz klar! Und Pinochet siegt!)

    Herr Dr. Geißler, das möchte ich hier korrekterweise sagen, hat mir heute früh gesagt, die Berichterstattung darüber entspreche überhaupt nicht den Tatsachen. Dies war für mich Anlaß, mich vor Ort zu erkundigen. Ich möchte sagen: Dies ist mir weitgehend vor Ort ausdrücklich bestätigt worden.
    Es gibt eine gemeinsame Erklärung der drei Präsidenten der Internationalen, der christlich-demokratischen, der liberalen und der sozialistischen, überall dort, wo es darum geht, für die Demokratie einzutreten, zu sehen, wie man zu Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit kommt. Daran muß ich heute erinnern. Es geht nicht, meine verehrten Kollegen und Kolleginnen, um kleinkarierte parteipolitische Vorteile, es geht um die Überwindung einer Militärdiktatur, es geht um die Erreichung der Demokratie, es geht um die Solidarität der Demokraten. Es ist gut, wenn die Einigkeit, die in dieser Frage im Deutschen Bundestag bestanden hat, so schnell wie möglich im Interesse der Demokraten in Chile wiederhergestellt werden kann.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Dann war Herr Dr. Geißler anschließend in Venezuela

    (Zuruf von der SPD: Das nächste Fettnäpfchen! )

    und hat sich in Venezuela am Wahlkampf beteiligt. Ich glaube, es ist sein gutes Recht, sich am Wahlkampf in Venezuela zu beteiligen.

    (Zuruf von der SPD: Besser da als hier!)

    Ich habe keine Bedenken dagegen. Allerdings, in welcher Art und Weise das erfolgt ist — da möchte ich sagen: Wenn man sich ernsthaft um Außenpolitik bemüht, gehört in der Tat ein bißchen mehr Fingerspitzengefühl dazu, als das Auftreten von Dr. Geißler in Venezuela gezeigt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun aber zur entscheidenden Frage, zu seinem letzten Aufenthaltsort, zu El Salvador. Ich möchte dem Präsidenten Duarte meinen Respekt sagen, insbesondere in seiner schwierigen gesundheitlichen Lage, und ich will ihm nicht den guten Willen absprechen — das möchte ich hier ausdrücklich erklären —,

    (Beifall bei der SPD)

    aber die Politik wird gemessen nicht an dem Wollen, sondern an den Ergebnissen. Und wie sehen denn die Ergebnisse christlich-demokratischer Politik in El Salvador aus? Die wirtschaftliche Lage in diesem Land ist katastrophal, trotz größter Hilfen von seiten der Vereinigten Staten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Die Christlich-Demokratische Partei ist gespalten, es gibt für die kommenden Wahlen zwei christlich-demokratische Präsidentschaftskandidaten. Im Parlament hat während der christlich-demokratischen Regierung die rechtsradikale ARENA die absolute Mehrheit gewonnen. Waffenstillstandsverhandlungen, wie sie im Abkommen von Esquipulas vorgesehen sind, finden in diesem Lande nicht statt, es gibt nicht einmal eine Vereinbarung über eine Feuerpause. Der Präsident der Menschenrechtskommission dieses Landes ist ermordet worden. Die Menschenrechte werden vielfach mit Füßen getreten. Die Todesschwadronen morden fast jeden Tag; diesen Todesschwadronen fallen fast täglich viele Menschen zum Opfer.
    Was sagt Herr Dr. Geißler dazu? Jetzt zitiere ich wörtlich: „Die Soldaten haben Angst und schießen halt auch; dann kommen unschuldige Menschen ums Leben. "

    (Zurufe von der SPD — Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Ach Gott!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer mit Menschenleben und mit Menschenrechten in derartiger Weise umgeht, der soll sich bitte nicht mehr auf das christliche Menschenbild berufen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) So kann man damit nicht umgehen!

    Der Kampf für die Menschenrechte ist eine tägliche harte Auseinandersetzung, auch vor Ort, da kommt man mit einer Ansprache im Deutschen Bundestag nicht zurecht. Da gibt es viele Aufgaben in vielen



    Wischnewski
    Ländern zu lösen, in dieser Hinsicht gibt es auch viele Aufgaben in El Salvador zu lösen.
    Und bei dieser Gelegenheit hat Herr Dr. Geißler die Präsidenten einiger Länder, mit denen wir freundschaftlich verbunden sind, aufs Tiefste beleidigt: den Präsidenten von Costa Rica, den Präsidenten von Equador, den Präsidenten von Peru und den Vizepräsidenten von Argentinien. Er hat sie „die Dreckskerle von der Sozialistischen Internationale" genannt. Wer so spricht, der fügt der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland erheblichen Schaden zu und sollte in der Tat lieber zu Hause bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Feindbilder gegenüber Demokraten und Freundschaftsbilder gegenüber Diktatoren! Das ist es! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ein famoser Generalsekretär!)

    Welcher Vorgang liegt dem zugrunde? Eine Delegation der FMLN, der Guerillabewegung aus El Salvador, ist durch eine Reihe von lateinamerikanischen Staaten gereist, um sie zu bitten, bei der Regierung von El Salvador für Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten, um den Krieg zu beenden, wie sie im Vertrag von Esquipulas vorgesehen sind, aber leider nicht durchgeführt werden. Dabei beruft er sich auch darauf, daß u. a. der Comandante Villalobos empfangen worden ist. Ich würde dringend empfehlen, sich einmal dessen Lebensweg anzuschauen. Villalobos war christlich-demokratischer Studentenführer an der Universität von Salvador. Und weil er verzweifelte, weil auf seinem Weg die soziale Gerechtigkeit nicht zu erreichen ist, ist er nun diesen Weg gegangen, wie z. B. die Kinder des von mir hochgeschätzten christlich-demokratischen Politikers Morales Ehrlich eine Zeitlang bei der FLMN waren. Man sollte vorsichtig sein und nicht nur in Schwarz-Weiß malen,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Vor allem anständig sollte man sein! — Schwarz [CDU/CSU]: Nicht so böse, Herr Professor! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Nicht so böse mit dieser Unanständigkeit!)

    sondern sollte sich die Situation so anschauen, wie sie ist.
    Übrigens, bei dieser Gelegenheit möchte ich folgendes sagen: Auch der von mir hochgeschätzte — ich hoffe auch von Ihnen hochgeschätzte — Erzbischof von San Salvador hat die Leute der FLMN empfangen und hat mit ihnen Gespräche geführt. Ich darf daran erinnern, daß sein Vorgänger ermordet worden ist.
    Wenn ich dieses hier sage, dann aus dem einfachen Grunde, weil wir Außenpolitik so bitte nicht machen können. Herr Dr. Geißler ist nicht irgendein Privatmann,

    (Frau Traupe [SPD]: So ist es!)

    sondern er trägt auch besondere Verantwortung für diese Koalition.
    Mir geht es darum, daß wir uns alle gemeinsam darum bemühen, in diesen Ländern für die Wiederherstellung des Friedens, für die Herstellung oder
    Wiederherstellung der Demokratie und für die Wahrung der Menschenrechte auch unter schwierigsten Umständen einzutreten. Da sollten wir auch unter uns zur Zusammenarbeit bereit sein und sollten nicht glauben, wir werden viel gewinnen, wenn wir unseren parteipolitischen Streit statt hier draußen in der Welt austragen.
    Ich bedanke mich sehr herzlich.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stercken.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Stercken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst einmal an den Kollegen Wischnewski wenden. Er weiß, daß die Reise einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses auf meine Veranlassung schon im Mai entschieden worden ist, daß wir lange vorgeplant haben, weil wir glaubten, daß ein solcher Beweis der Solidarität deutscher Demokraten angesichts der zu vermutenden Situation in Chile der konstruktivste Beitrag sein könnte, den wir zu leisten vermöchten.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das war auch richtig!)

    Ich habe auch als Präsident des Interparlamentarischen Rates dafür sorgen können, daß fast alle parlamentarischen Delegationen, die Sie in Chile getroffen haben, auf diese Weise ermutigt werden konnten, dies zu tun.
    Ich sage dies, weil ich in diesem Augenblick auf die Fülle der Vorhaltungen und Überlegungen, die Sie hier vorgetragen haben, nicht eingehen kann. Ich bin der Meinung, daß der Auswärtige Ausschuß, der diese Debatte schon begonnen hat, sie gemeinsam mit Herrn Dr. Geißler, der unserem Ausschuß angehört, führen sollte. Ich werde ihn bitten, dies zu tun. Dies scheint mir eine Chance zu sein, den Dialog zu versachlichen. Ich möchte das jetzt hier nicht mit einigen Worten abwürgen, zumal Sie Ihre Überlegungen auch auf andere Länder bezogen haben.
    Ich wollte hier zum Haushalt reden, meine Damen und Herren, zu einem Haushalt, mit dem Außenpolitik in diesem Lande erst ermöglicht wird. Ich habe mir deshalb die folgende Frage gestellt: Auf welche Übereinstimmungen bezieht sich die Außenpolitik, die wir mit dieser Finanzierung ermöglichen wollen? Es wäre verhältnismäßig leicht, wenn ich mich dabei auf eine internationale Übereinstimmung beziehen könnte; denn keines der Länder, mit dem ich mich gleich beschäftigen will, hat irgendwelche Vorbehalte gegenüber den Grundsätzen der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland angemeldet. Ich finde, daß das in einem Augenblick außerordentlich wichtig ist, wo sich dieses Parlament mit der Frage beschäftigt, inwieweit Übereinstimmungen in fundamentalen außenpolitischen Fragen es diesem Staat erleichtern, eine Politik, die hier als Friedenspolitik, als Politik der Entspannung qualifiziert worden ist, zu betreiben.
    Ich verbinde dies wie Sie mit dem Dank an alle diejenigen, die draußen nicht nur ihre Pflicht tun, sondern die sich bei unseren zahlenmäßig teilweise nicht allzu schwachen Besuchen auch als unsere Gastgeber



    Dr. Stercken
    bezeichnen dürfen. Wir haben, glaube ich, dies in diesem Geschäftsjahr in sehr extensiver Weise ausgenutzt. Herr Bundesminister des Auswärtigen, wir kennen Ihren Erlaß an die Missionen, mit Parlamentariern besonders pfleglich umzugehen. Es ist Ihnen gelungen, Ihre Mitarbeiter davon zu überzeugen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Leider ist die Bewertung, die die deutsche Außenpolitik erfährt, mit Erwartungshaltungen an sie, an uns alle verbunden, denen wir kaum in dem Umfang, in dem dies zu erkennen ist, Rechnung tragen können. Ich möchte auch dies als eine kleine Fußnote anfügen, denn die Überlegungen, was Deutsche zu internationaler Politik beitragen könnten, gehen weit über die Möglichkeiten hinaus, über die wir tatsächlich verfügen.
    Ich darf meiner Freude Ausdruck geben, daß gerade im deutsch-amerikanischen Verhältnis eine Kontinuität deutlich geworden ist. Die Gespräche, die schon mit dem gewählten Präsidenten Bush geführt worden sind, haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Einstellung der Amerikaner zur Allianz, speziell auch zu der Rolle der Deutschen in der Allianz, zum KSZE- Prozeß, zur Abrüstung sich nicht geändert hat, sondern in der Person von Präsident Bush, glaube ich, auch vom persönlichen Umgang her eine besonders große zusätzliche Glaubhaftigkeit erfahren hat. Die Politik mit ihm ist im Bündnis und im Verbund der Bereiche zu gestalten, in denen wir auf Abrüstungsentscheidungen hoffen.
    Daß für uns auf Grund der gegebenen Machtverhältnisse der konventionelle Bereich die größte Disparität aufweist, verursacht eben, daß wir uns nun nicht in Teilbereichen separaten Überlegungen hingeben können, sondern daß wir alles immer im Zusammenhang, so wie es die Amerikaner gerade wieder deutlich gemacht haben, mit der konventionellen Überrüstung sehen müssen. Auch Betrachtungen, die heute hier angestellt werden, beschränken sich auf bestimmte Rüstungsbereiche und vergessen, daß es zwischen allen diesen Bereichen einen inneren Zusammenhang gibt, daß bestimmte, teilweise nicht so sonderlich populäre Maßnahmen im Rüstungsbereich eben erst dadurch erforderlich geworden sind, daß sich die Sowjetunion im konventionellen Bereich eine so gewaltige und durch nichts zu rechtfertigende Überrüstung zugelegt hat.
    Ich empfehle daher, wie schon Herr Dr. Dregger am heutigen Morgen, Standhaftigkeit und Entschlußkraft in diesen beiden Bereichen, gewitzt durch unsere Erfahrungen im Mittelstreckenbereich. Dies ist angebracht, um weiterhin — wie ich hoffe, in unser aller Namen — erfolgreich zu sein.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Und Abrüstungswillen!)

    Ich möchte im Hinblick auf die Amerikaner noch einen Gedanken hinzufügen dürfen, der heute morgen auch schon zum Ausdruck gekommen ist, als Graf Lambsdorff von der „Trutzburg Europa" sprach. Dies ist — wie jeder weiß, der im Augenblick in den Vereinigten Staaten Diskussionen führt — ein ganz zentrales Thema und für die Amerikaner eine gewaltige Sorge, die sie gegenüber dem Binnenmarkt entwikkeln. Wir haben alle Veranlassung, auch in unseren parlamentarischen Gesprächen, unseren amerikanischen Freunden deutlich zu machen, daß von der Bundesrepublik Deutschland solche protektionistischen Überlegungen keine Unterstützung erfahren.
    Das Urteil über unsere Beziehungen zur Sowjetunion ist auch in der heutigen Debatte schon verhältnismäßig einheitlich ausgefallen, so daß ich mir ersparen kann, es, wie ich es beabsichtigte, zu qualifizieren.
    Aber lassen Sie mich doch einen Gedanken einfügen, Herr Kollege Hoppe, weil auch Sie die Frage des gemeinsamen Hauses hier eben aufgegriffen haben. Wir sollten, um die eigenen Leistungen nicht unter den Scheffel zu stellen, die Ausdehnung eines Begriffs auf Gesamteuropa als Anspruch anstreben, mit dem wir außerordentlich erfolgreich gewesen sind, nämlich dem einer Friedensordnung, die wir uns im Rahmen der europäischen Union gegeben haben. Wenn man sagt, wir müßten etwas Neues schaffen, damit Staaten im Frieden miteinander leben könnten, dann, glaube ich, darf ich Sie daran erinnern, daß wir dies schon zwischen Ländern zu leisten vermochten, die vor etwas mehr als vier Jahrzehnten noch miteinander in Kriege verwickelt waren.
    Die europäische Friedensordnung ist nicht ein Phantom, sondern sie ist etwas, was wir schon heute zwischen zwölf und möglicherweise später zwischen weiteren europäischen Staaten miteinander pflegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir werden in diesen Tagen von vielen aufmerksamen und sachkundigen Beobachtern gemahnt, die Entwicklung in der Sowjetunion zwar mit großen Erwartungen und Hoffnungen zu verbinden, aber dabei den kühlen Verstand nicht zu verlieren. Zu diesen Mahnern gehört Leszek Kolakowski, dessen Kenntnisse und dessen Erfahrungen wir in diesem Bereich ja schon wiederholt in Anspruch genommen haben.
    Zu der Wirtschaft, die andauert, sagt er: „Wenn man den Markt abschafft und Preise ,plant', kennt am Ende niemand mehr den wirklichen Wert einer Ware. " Dies bleibt als Qualifikation des Marxismus-Leninismus bestehen. Mit ihm kann man einem solchen System keine Effektivität verleihen.
    An anderer Stelle finden wir eine etwas marginale Anmerkung: „Dort, wo niemand ein Kopiergerät ohne Sondergenehmigung benutzten darf, ist der Fortschritt der Wissenschaft lahmgelegt. " Auch hier ist uns deutlich: Es handelt sich um das System, das zu ändern wäre, wenn es zu größerer Effektivität kommen sollte.
    Aber schließlich und endlich sagt er dann: „Mögen die Reformen noch so halbherzig sein, sie haben Kräfte freigesetzt, die über die Absicht der Herrschenden hinausgehen. " Hier, meine ich, ist an uns alle die Frage gestellt, die wir sicherlich auch in unserer Ausschußarbeit noch intensiver bedenken wollen: Welche Auswirkungen hat das alles für die Beziehungen der Sowjetunion zu den Staaten des Warschauer Paktes, etwa zur DDR?



    Dr. Stercken
    Ich gestehe Ihnen, daß ich gelitten habe, als an der Brust Ceausescus der Karl-Marx-Orden prangte.

    (Repnik [CDU/CSU]: Da paßt er hin!)

    Ich kann in diesem Augenblick nicht verstehen, daß ein Deutscher Veranlassung sieht, Präsident Ceausescu auszuzeichnen. Ich leide darunter, daß seine Systematisierungspolitik keine Interpretation erfahren hat, die die Menschen, die im Lande leben, von ihren Sorgen befreit. Es geht nicht darum, Parlamentarier davon zu überzeugen, daß sie meinen, das würde alles so nicht kommen, sondern es geht darum, daß sich die Menschen zu Zehntausenden in Bewegung setzen, weil sie das Vertrauen zu ihrer Regierung verloren haben.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich denke auch an die Auswirkungen, die die Entwicklung in der Sowjetunion etwa für die Lebensverhältnisse der deutschen Minderheit in der Sowjetunion haben könnte.
    Ich frage mich, Herr Kollege Wischnewski, ob wir nicht gut beraten wären, die Einheit der Demokraten nicht nur in Chile zu demonstrieren, sondern beispielsweise auch einmal das gemeinsame Interesse des Deutschen Bundestages an Kasachstan zu bekunden und mit einer Delegation die Verhältnisse der Deutschen dort zu untersuchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bitte also, einmal zu bedenken, ob nicht auch die Parlamentarier einen konkreten Beitrag leisten können, um die Politik der Bundesregierung in dieser Frage zu unterstützen.