Das ändert ja nichts daran, daß die Kollegen dort hinten ruhig sein könnten.
Ein anderes Feld, auf dem genau dieselben Mechanismen deutlich werden, ist die Bildungspolitik. Herr Möllemann hat allen Ernstes die Brust, vorzuschlagen, daß es an den Universitäten, die überquellen — auf Grund einer Hochschulpolitik, die er mitzuverantworten hat — , Nachtschichten geben soll. In der Verwaltung des Mangels — es wird, ausgehend von einem Mangel, der von dieser Regierung künstlich selbst produziert wird, versucht, das den Studenten und Studentinnen mit Sachzwangargumenten beizubringen — sind Sie mit Ihrer Regierungspolitik in der Tat außerordentlich erfolgreich.
Im demokratischen Bereich können wir auch in unserem eigenen Hause extreme Beispiele für Ihre Unkultur feststellen. Das geht allerdings an mehrere Teile dieses Hauses. Als Sie z. B. vor dem Rücktritt des ehemaligen Bundestagspräsidenten Jenninger darüber gesprochen haben, wie damit umzugehen sei, wurden die GRÜNEN von solchen Gesprächen ausgeschlossen. Genauso bei der Rentenreform! Da werden die GRÜNEN in eine solche Gesprächsrunde nicht mit einbezogen, genausowenig wie ein unabhängiger Abgeordneter wie ich; das versteht sich geradezu von selbst. Genau dieses Selbstverständnis von demokratischer Kultur oder — besser gesagt — Unkultur spiegelt sich in allen möglichen anderen Politikfeldern wider, z. B. im Gebrauch des Strafrechts mit Symbolcharakter, etwa wenn Sie die Tätigkeit von Strafermittlungsbehörden in das Verdachtsstadium vorverlegen. Genauso übrigens benutzen die GRÜNEN inzwischen das Strafrecht in bestimmten Punkten mit Symbolcharakter. Ich denke an die Debatte, ob bei Vergewaltigung zwei oder drei Jahre Mindeststrafe festgesetzt werden sollen. Das ist natürlich völlig absurd für ein solches Instrument, das nur für Ausnahmesituationen aufgespart werden sollte.
Abschließend möchte ich noch auf die Bankrotterklärung, die mit dem Wechsel auf dem Posten des Bundestagspräsidenten zusammenhängt, eingehen. Mir ist klar, daß es ausgesprochen schwierig ist, zu Frau Süssmuth kritische Anmerkungen zu machen; sie ist sozusagen die „Konsensdame" hier im Haus. Trotzdem müssen wir feststellen, daß sie sich auch für
Argumentationsweisen gegenüber Minderheiten nutzbar machen ließ, ob in der AIDS-Problematik, ob beim Paragraphen 218, der Abtreibung, oder in der Drogenpolitik, wo zwar bestimmte Gedanken angerissen wurden, aber nichts diskutiert oder gar entschieden ist und wo die Gefahr außergewöhnlich groß ist, daß die bayerische Linie auf sämtlichen drei genannten Feldern in der Bundesrepublik Deutschland gesellschaftlich herrschend wird.