Nicht in dieser Stunde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Erfreuliches, denke ich, hat die Beratung der Ausschüsse des Bundestages über die hier zur Beratung anstehenden Gegenstände gehabt: Am Ende einstimmig — jedenfalls beim Tagesordnungspunkt 10b — fordern wir von unserem Ausschuß aus die Bundesregierung auf, bis zur Mitte des nächsten Jahres über den Fortgang der Empfehlungen des Europäischen Parlaments über Maßnahmen im Bereich des Buches zu berichten. Besonderen Wert legen wir dabei darauf, welche Folgerungen für die Förderung der Verbreitung des Buches und die Sicherung der Rechte der Autoren zu ziehen sind.
Aus unserem Beschluß sprechen eine Reihe von Sorgen, daß der sich beschleunigende Konzentrationsprozeß auf der Verlegerseite die Vielfarbigkeit der unterschiedlichen Sprachkulturen einebnen könnte, daß das Buch als Kulturgut von den modernen Kommunikationstechniken an den Rand gedrängt werden könnte, daß die Rechte der Autoren an ihrem Werk, auf ihr Wort, ihr Bild, durch ungesteuerte Reproduktionstechniken ausgehöhlt werden könnten. Die Reihe der Gefahren ließe sich verlängern. Die größte Gefahr aber ist, daß wir bedroht sind, in Provinzialismus zurückzufallen, der sich selbst gefällt, sich abschottet, und auf der anderen Seite, daß wir uns unsere Fähigkeiten von immer neuen Moden enteignen lassen, und kämen sie aus der Disney-Plastikwelt.
Europa jedoch hat eine große Chance, wenn unser alter Kontinent seine Aufgabe darin sieht, die Wurzeln seiner Identität in seinen Kulturen zu suchen. Die Kulturen passen nicht glatt zueinander. Sie sind Ausdruck unserer Widerständigkeit. In ihnen sitzt unser Zweifel an den Einebnungsversuchen der großen Zentralen. Sie sind Ausgangspunkte für neues Denken und für fruchtbares Lernen voneinander im Widerspruch und in Toleranz.
Mit dem Buch, mit dem geschriebenen Wort, hat die größte Leistung Europas begonnen, nämlich die Aufklärung. Vielleicht sind wir wirklich ein „verbaler Kontinent" , wie Györgi Konrad, der Budapester Autor, sagt. Aber ist das Schwäche, wie manche meinen? Ist das nicht gerade eher Stärke?
Darauf zielt unsere Initiative: Es geht darum, das Buch nicht verramschen zu lassen, in seiner Marktfunktion untergehen zu lassen. Deswegen begrüßen wir auch, daß unsere Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament verlangt haben, Bücher nicht wie andere Waren dem ungeschützten Wettbewerb
auszusetzen. Ich finde, es ist bemerkenswert, daß sich das Europäische Parlament dieser Aufgabe gestellt hat. Ich finde es gut, daß wir im Deutschen Bundestag dieser Aufgabe auch unsere Entsprechung und unsere Forderung entgegensetzen.
Ich denke, wir sollten es gemeinsam begrüßen, daß die Europäer und daß wir im Deutschen Bundestag in dieser Sache — in vielen anderen Punkten auch, jedenfalls bei der Arbeit mit unserer Kultur — gemeinsam an einem Strang ziehen.
Wohin das führen kann, wenn das nicht gelingt, können wir am persönlichen Machtkampf von Signore Agnelli und Signore Benedetti sehen,
— Industrielle in Italien; das sollte man nachlesen —, die, um ihre industriellen Interessen zu sichern, sich die Hälfte der italienischen Verlegerlandschaft aufzuteilen versuchen. Oder ein anderes Stichwort: Re-Import; oder ein weiteres Stichwort: Parallel-Ausgaben; Stichwort: Verschieben von Kellerbeständen an Großvertriebsfirmen über Strohmänner, die nicht nur in der EG, sondern auch von außerhalb der EG gelenkt werden.
In der Tat: Wenn wir ab 1. Januar 1993 einen Markt in Europa haben, „einen Raum, ... in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist" — wie es in § 8 des EWG-Vertrages heißt — , dann muß bedacht sein, welche Konsequenzen dies für Bestand und Zukunft der europäischen Kultur hat.
Ich glaube, daß wir mit unserem Entschließungstext, den wir im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft gefaßt haben, in Verknüpfung mit unserem eigenen Antrag, der im Tagesordnungspunkt 10a aufgeführt ist, eine richtige Linie gezogen haben. Ich wünschte mir, daß diese Linie in unserem Haus von uns gemeinsam gezogen wird.
Vielleicht noch eine zusätzliche Anmerkung dazu, was den Mehrwertsteuersatz anbelangt: Mir wäre es lieber gewesen, wenn auch unser Ausschuß dem zugestimmt hätte, was der Finanzausschuß beschlossen hat, was der Innenausschuß schon beschlossen hat, was der Rechtsausschuß hat passieren lassen und was das Europäische Parlament in dieser Entschließung gefordert hat: Man sollte, wenn es geht, den Mehrwertsteuersatz auf Null setzen. Wir könnten dem Buch, den Zeitschriften und den Zeitungen — dem gedruckten Wort — , die es schwerhaben gegenüber den elektronischen Medien — z. B. gegenüber dem Fernsehen, das sich zunehmend durch Werbung finanziert — , seine künftige Marktchance dadurch sichern, daß wir den Mehrwertsteuersatz mutig nach unten setzen. Leider ist der Ausschuß dem nicht gefolgt. Ich hoffe, wir werden in einer weiteren Debatte, die mit diesem Antrag verknüpft ist, das in die richtige Richtung drängen können.
Herzlichen Dank.