Rede:
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    Plenarprotokoll 11/102 Deutscher Stenographischer Bericht 102. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. Oktober 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung Jung (Düsseldorf) SPD 6981 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6981D Müller (Wadern) CDU/CSU 6981 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6981 D Stahl (Kempen) SPD 6982 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6982 A Dr. Sperling SPD 6982 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6982 B Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6982 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6982 D Becker (Nienberge) SPD 6982 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6982 D Gerstein CDU/CSU 6982 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6983 A Dr. Jens SPD 6983 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6983 B Dr. Lammert CDU/CSU 6983 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6983 D Stratmann GRÜNE 6983 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 6984 A Kohn FDP 6984 B Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV 6984 C Dreßler SPD 6984 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6984 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 6985 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6985 B Frau Unruh GRÜNE 6985 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6985 D Heyenn SPD 6986 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6986 A Bohl CDU/CSU 6986 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 6986 B Hoss GRÜNE 6986 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6986 C Gansel SPD 6986 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 6986 D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 6987 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. jüngste öffentliche Äußerungen über die deutschen Aussiedler Gerster (Mainz) CDU/CSU 7003 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 7004 C, 7017D Dr. Graf Lambsdorff FDP 7006 B Frau Olms GRÜNE 7007 B Schreiber CDU/CSU 7008 B Frau Hämmerle SPD 7009 B Spranger, Parl. Staatssekretär BMI 7010 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 7011 C Lüder FDP 7012 B Frau Terborg SPD 7012 D Lintner CDU/CSU 7013 D Wartenberg (Berlin) SPD 7014 B Dr. Czaja CDU/CSU 7015 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Oktober 1988 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 7016 C Seiters CDU/CSU 7018 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksache 11/3174 vom 25. Oktober 1988 — Ermöglichung des Verkaufs von acht Kampfflugzeugen des Typs MRCA Tornado an Jordanien durch Kreditzusagen der Kreditanstalt für Wiederaufbau DringlAnfr 1 25.10.88 Drs 11/3174 Dr. Mechtersheimer GRÜNE Antw StSekr Dr. Voss BMF 6987 C ZusFr Dr. Mechtersheimer GRÜNE 6987 C ZusFr Dr. Feldmann FDP 6987 D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6988 A ZusFr Sellin GRÜNE 6988 B ZusFr Gansel SPD 6988 B ZusFr Dr. Hirsch FDP 6988 C ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 6988 D ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6988 D ZusFr Dr. Sperling SPD 6989 A ZusFr Dr. Jens SPD 6989 B ZusFr Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6989 B ZusFr Grünbeck FDP 6989 C ZusFr Frau Wieczorek-Zeul SPD 6989 C ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 6989 D ZusFr Kleinert (Marburg) GRÜNE 6989 D ZusFr Dr. de With SPD 6990 B ZusFr Stahl (Kempen) SPD 6990 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD (zur GO) 6990 D Kleinert (Marburg) GRÜNE zur GO 6990 D Dr. Laufs CDU/CSU (zur GO) 6991 A Vizepräsident Westphal 6991B, 7003 B Stellungnahme der Bundesregierung gegen den geplanten Verkauf von Tornado-Kampfflugzeugen an Jordanien durch Ausübung ihres Konsultationsrechts gegenüber der britischen Regierung DringlAnfr 4 25.10.88 Drs 11/3174 Voigt (Frankfurt) SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg 6991 C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6991 D ZusFr Frau Wieczorek-Zeul SPD 6992 B ZusFr Dr. Feldmann FDP 6992 C ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6992 D ZusFr Dr. Sperling SPD 6993 A ZusFr Dr. Hirsch FDP 6993 B ZusFr Gansel SPD 6993 C ZusFr Dr. Knabe GRÜNE 6993 D ZusFr Frau Traupe SPD 6994 A ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6994 A ZusFr Sellin GRÜNE 6994 C ZusFr Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 6994 D ZusFr Dr. Mechtersheimer GRÜNE 6994 D ZusFr Baum FDP 6995 A ZusFr Dr. de With SPD 6995 B ZusFr Vahlberg SPD 6995 B Gründe, die die in der Presse erwähnten Kabinettsmitglieder und andere Stellen an einer Stellungnahme hindern DringlAnfr 2 25.10.88 Drs 11/3174 Dr. Mechtersheimer GRÜNE Antw BMin Dr. Stoltenberg BMF 6995 D ZusFr Dr. Mechtersheimer GRÜNE 6996 A ZusFr Dr. Feldmann FDP 6996 C ZusFr Sellin GRÜNE 6996 D ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6997A ZusFr Frau Wieczorek-Zeul SPD 6997 B ZusFr Gansel SPD 6997 C ZusFr Dr. Sperling SPD 6997 D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6998 A ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6998 B ZusFr Kleinert (Marburg) GRÜNE 6998 C ZusFr Dr. Hirsch FDP 6999 A ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 6999 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD 6999 B ZusFr Dr. Jens SPD 6999 C ZusFr Bohl CDU/CSU 6999 C Beurteilung der geplanten Teilfinanzierung des Verkaufs von Tornado-Kampfflugzeugen an Jordanien durch die Vertreter der Bundesregierung im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau DringlAnfr 3 25.10.88 Drs 11/3174 Frau Wieczorek-Zeul SPD Antw BMin Dr. Stoltenberg BMF 7000A ZusFr Frau Wieczorek-Zeul SPD 7000 B ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 7000 B ZusFr Kleinert (Marburg) GRÜNE 7000D ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 7000 D ZusFr Dr. Sperling SPD 7001 A ZusFr Sellin GRÜNE 7001 B ZusFr Gansel SPD 7001 C ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7001C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Oktober 1988 III ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 7002 A ZusFr Baum FDP 7002 B ZusFr Dr. Jens SPD 7002 C ZusFr Bohl CDU/CSU 7002 D ZusFr Dr. Feldmann FDP 7002 D ZusFr Lüder FDP 7003 A Nächste Sitzung 7019 C Berichtigung 7019 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 7020* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Oktober 1988 6981 102. Sitzung Bonn, den 26. Oktober 1988 Beginn: 13.01 Uhr
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    Berichtigung 100. Sitzung, Seite 6883C: Beim endgültigen Ergebnis ist unter „nein" statt „269" „270" und unter „ungültig" statt „3" „2" zu lesen. Auf Seite 6884 ist unter „Nein" bei der SPD der Name „Pfuhl" einzufügen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 28. 10. Dr. Ahrens ** 27. 10. Frau Beck-Oberdorf 28. 10. Frau Berger (Berlin) 26. 10. Frau Dempwolf 28. 10. Dr. Dregger 27. 10. Frau Garbe 28. 10. Dr. Geißler 28. 10. Dr. Hauff 28. 10. Dr. Hennig 26. 10. Dr. Kappes 28. 10. Kittelmann ** 26. 10. Dr. Kohl 27. 10. Leonhart 28. 10. Frau Dr. Martiny-Glotz 28. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Meyer 27. 10. Dr. Mitzscherling 28. 10. Dr. Müller * 28. 10. Frau Pack * 28. 10. Paintner 28. 10. Peter (Kassel) 28. 10. Reddemann ** 26. 10. Repnik 28. 10. Frau Rock 28. 10. Rühe 27. 10. Schäfer (Mainz) 26. 10. Schily 26. 10. von Schmude 28. 10. Frau Schoppe 28. 10. Schwarz 26. 10. Dr. Soell * 28. 10. Dr. Stavenhagen 28. 10. Frau Steinhauer 28. 10. Frau Dr. Timm 28. 10. Frau Trenz 28. 10. von der Wiesche 28. 10. Wissmann 28. 10. Würtz 26. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johannes Gerster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann der „Saarbrücker Zeitung" vom gestrigen Tage nur zustimmen, wenn sie schreibt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren — :
    Saar-Ministerpräsident und SPD-Vize Lafontaine, der sich als Politiker mit Blick auf bevorstehende Wahlen ständig auf der Suche nach Wählern und Mehrheiten befindet, hat messerscharf herausgefunden, daß das Thema Aussiedler derzeit ein Reizthema in der Bundesrepublik ist, ein Thema, bei dem Emotionen einen hohen Stellenwert haben. Und: die Stimmung ist gegen die Aussiedler gerichtet. Lafontaine marschiert mit seiner Einstellung zu den Aussiedlern an der Spitze jener, die aus der Geschichte nichts gelernt haben und denen eigener Wohlstand sowie eigene Bequemlichkeit über alles gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das müssen gerade Sie sagen!)

    Das, was der populäre Lafontaine von sich gegeben hat, ist vor allem deshalb unverantwortlich, weil es öffentlich fortwirkt. Lafontaine schürt jene Stimmung, die leicht in Haß gegen Aussiedler umkippen kann.
    Herr Ministerpräsident, die „Saarbrücker Zeitung" hat Ihre Rolle in dieser Diskussion zutreffend beschrieben. Falsch sind Ihre Prämissen, falsch sind die Schlußfolgerungen, falsch sind die Behauptungen, falsch sind die Rechtsbelehrungen.
    Erstens. Die Bundesregierung wie auch die Koalitionsfraktionen werben keine Aussiedler ab und auch keine Aussiedler an. Herr Ministerpräsident, Sie sollten diese Falschaussagen sein lassen, Sie sollten derartige Unwahrheiten künftig nicht verbreiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zweitens — und das ist ein großer Unterschied — : Die Entscheidung eines Deutschen, für sich und seine Familie die Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland anzustreben, ist eine höchst persönliche und existentielle Entscheidung. Eine solche Entscheidung, die sich auf die Menschenrechte gründet, wird von uns ohne Einschränkung respektiert und akzeptiert. Und ich frage Sie, Herr Ministerpräsident, ob Sie diese Entscheidung von Deutschen, die oft jahrzehntelang nicht ihre Sprache reden konnten, nicht ihre Kultur, nicht ihre kirchlichen Traditionen leben konnten, in Freiheit und Demokratie in Deutschland leben zu wollen, ebenfalls akzeptieren oder nicht. Diese Frage sollten Sie heute hier beantworten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Gerster (Mainz)

    Drittens. Die Bundesregierung hat sich im Wohnungsbau für Aussiedler zurückgemeldet,

    (Frau Oesterle-Schwerin [GRÜNE]: Zurückgezogen! — Zuruf von der SPD: Das glaubst du selber nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    worauf sich die frühere SPD-Bundesregierung 1980 abgemeldet hatte. Die Eingliederung der deutschen Aussiedler ist aber keine einseitige Sache, sondern gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern, Gemeinden, Kirchen, Verbänden und einzelnen Bürgern. Ihre Regierung, Herr Ministerpräsident, hat bisher mehr durch Worte als durch Taten geglänzt, und jetzt lenken Sie davon ab. Ich frage Sie, ob Ihre Regierung bereit ist — wie die Bundesregierung, die die Mittel von 1987 bis 1989 vervierfacht hat —,

    (Zuruf von der SPD: Wo denn?)

    Gleiches zu tun, ja oder nein. Auch das sollten Sie hier deutlich machen und der Öffentlichkeit sagen.
    Viertens. Deutsche Aussiedler sind Deutsche im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes und damit deutsche Bürger ohne Wenn und Aber.

    (Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Sie haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wie alle übrigen deutschen Bürger. Der Vorschlag von Ihnen nach dem Motto „Hahn zu! " widerspricht Art. 116 des Grundgesetzes sowie dem Grundrecht der Freizügigkeit für alle Deutschen in Art. 11 des Grundgesetzes.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Wollen Sie allen Ernstes Deutschen, die an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland stehen und einreisen wollen, diese Einreise verweigern, ja oder nein? Sie sollten auch das heute hier erklären.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer damit anfängt, Deutsche — gleich, woher sie stammen — auszugliedern und auszugrenzen, verläßt den Boden der Verfassung und das Fundament des Rechtsstaates.

    (Jäger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Es darf keine Deutschen erster und zweiter Klasse geben. Und es darf keinen Ministerpräsidenten geben, der Deutsche in solche, die hier leben dürfen, und solche, die draußen bleiben müssen, einteilt.
    Herr Lafontaine

    (Dr. Ehkme [Bonn] [SPD]: Sie meinen den Herrn Ministerpräsidenten! — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Er mag ihn halt nicht!)

    sollte deshalb seine Entgleisungen deutlich, klar, unzweideutig zurücknehmen, und die Sozialdemokraten sollten sich von derartigen Rückfällen in Vorzeiten des Grundgesetzes distanzieren. Denn Herr Lafontaine ist ja nicht der einzige. Der SPD-Oberbürgermeister von Hannover verlangt eine Kontingentierung, der SPD-Oberbürgermeister von Mainz eine Begrenzung der Freizügigkeit; die Reihe der Stimmen könnte man hier noch verlängern.
    Ich möchte hier deutlich und klar herausstellen: Die Rechte für Deutsche waren seit Beginn der Bundesrepublik Deutschland unteilbar. Sie sind unteilbar, und sie müssen unteilbar bleiben. Wir werben niemanden ab. Aber jeder Deutsche hat das Recht, in der Bundesrepublik Deutschland zu siedeln, hier aufgenommen, fair integriert und so behandelt zu werden wie die Deutschen, die hier von Geburt an leben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Ministerpräsident des Saarlandes.

(Bohl [CDU/CSU]: Ich dachte, Herr Vogel würde jetzt reden!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In seiner Regierungserklärung vom 18. März 1987 sagte Bundeskanzler Kohl:
    Unsere Bemühungen um ungehinderte Ausreise und Hilfe für die Landsleute, die zu uns in die Bundesrepublik kommen wollen und können, wollen wir fortsetzen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Richtig! — Jäger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    1987 wurde mit rund 105 000 Menschen der höchste Stand des Zuzuges von Aussiedlern seit Jahrzehnten erreicht.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU]: Sie haben wenig dazu getan!)

    Diese Rekordzahl wird sich 1988 noch einmal verdoppeln: In diesem Jahr werden fast 200 000 Menschen aus Ost- und Südosteuropa in die Bundesrepublik aussiedeln und hier eine Existenz aufbauen wollen. Dieser Zustrom von Menschen, die häufig Jahre und Jahrzehnte auf ihre Ausreise gewartet haben und mit großen Hoffnungen jetzt in die Bundesrepublik kommen, wird anhalten; er wird vielleicht noch größer.
    Obwohl diese Entwicklung seit längerer Zeit absehbar war, ist die Bundesrepublik auf die Aufnahme und Integration der Aussiedler nur unzureichend vorbereitet.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist vor allem ein Versäumnis der Bundesregierung,

    (Beifall bei der SPD)

    die Länder und Gemeinden bei der Bewältigung dieser nationalen Kraftanstrengung bislang alleingelassen hat.
    Seit dem Haushaltsjahr 1985 hat der Bund die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus eingestellt;

    (Beifall bei der SPD)

    die Förderung wird nur noch von den Bundesländern durchgeführt. Dies ist der Hauptgrund für den akuten Mangel an preiswertem Wohnraum für Aussiedler.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Trotz Ausschöpfung aller Reserven durch Länder und Gemeinden sind Aufnahmelager und Übergangswohnheime mittlerweile hoffnungslos überfüllt; Provisorien wie Wohncontainer und Turnhallen drohen



    Ministerpräsident Lafontaine (Saarland)

    zum Dauerzustand zu werden. Schon heute steht fest, daß die heute und in Zukunft zu uns kommenden Aussiedler sehr lange in Notunterkünften werden leben müssen. Das verbreitet Hoffnungslosigkeit, trägt aber auch zu Ghettoisierung und zur Verstärkung bereits vorhandener Vorurteile und Ablehnungen in der Bevölkerung bei.

    (Frau Olms [GRÜNE]: Wie bei Ihnen!)

    Bis heute ist die Bundesregierung dem Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz von 1985 nicht nachgekommen, die Dauer der Sprachförderung von zehn auf zwölf Monate anzuheben. Dabei ist die Beherrschung der deutschen Sprache eine unabdingbare Voraussetzung für jede erfolgreiche Integration.
    Von der Kürzung der arbeitsmarktpolitischen Förderung im Rahmen der Bundesanstalt für Arbeit sind gerade — auch wenn Sie das nicht gerne hören, meine Damen und Herren — die Aussiedler besonders betroffen,

    (Beifall bei SPD sowie des Abg. Kleinert [Marburg] [GRÜNE])

    weil sie erst durch entsprechende Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen auf unserem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig werden. Allerdings reicht die Zahl der von der Arbeitsverwaltung speziell für die Aussiedler konzipierten Sonderkurse schon heute nicht mehr aus.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Ihre Erhöhung scheitert an der ungenügenden Finanzausstattung der Bundesanstalt für Arbeit. Auch die Benachteiligung der Aussiedler bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes, die bereits 1984 von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz beanstandet wurde, ist bis heute nicht abgeschafft.
    Diese wenigen Beispiele, die sich beliebig ergänzen ließen, belegen, daß es verantwortlungslos ist, wenn prominente Vertreter der Bundesregierung — an der Spitze der Bundeskanzler — seit Jahren unablässig für Ausreiseerleichterungen eintreten und nunmehr diesen Menschen hier in der Bundesrepublik nicht in ausreichender Form helfen und Hilfestellung anbieten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Lieber die Menschen in der Not lassen, Herr Lafontaine! Das ist doch heuchlerisch! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Im Beschluß der Bundesregierung vom 31. August 1988 heißt es:
    Da die Aussiedler ohne eigenes Verschulden vielfach die deutsche Sprache nicht mehr beherrschen, fällt es der einheimischen Bevölkerung zuweilen schwer, sie als Deutsche zu akzeptieren. Vielfach werden sie Ausländern (Asylanten) gleichgestellt

    (Lintner [CDU/CSU]: Von Ihnen!)

    und auf dem Arbeitsmarkt als lästige Konkurrenten angesehen. Daß ihnen die Eingliederung durch staatliche Hilfen erleichtert werden soll, stößt vielfach auf Unverständnis.
    So die Bundesregierung.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Was macht denn das Saarland? Nichts!)

    Die im Beschluß der Bundesregierung festgestellten Zusammenhänge zwischen der Bewältigung des Aussiedlerproblems und der Asylantenfrage ist richtig. Der baden-württembergische Regierungschef Lothar Späth hat die Sorge, daß die Kombination von Aussiedler, und Asylantenströmen rechtsradikale Kräfte in der Bundesrepublik stärke. Recht hat er. Nur ist die Frage, welche Konsequenzen man zieht.
    Auf jeden Fall gilt: Wer Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik schürt, verstärkt auch die Vorbehalte gegen die Aussiedler, die die deutsche Sprache nicht beherrschen. Dies ist das Dilemma, in dem sich diejenigen befinden, die auf der einen Seite glauben, auf der Welle der Ausländerfeindlichkeit reiten zu können, und auf der anderen Seite wiederum verstärkt für den Zuzug deutscher Aussiedler in die Bundesrepublik werben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Vor diesen Dilemma stehen Sie.
    Ein Ausweg aus diesem Dilemma ergibt sich nur, wenn man das Solidaritätsgebot oder die Verpflichtung zur Nächstenliebe oder das Erbe der Aufklärung ohne unzulässige Einschränkungen gelten läßt. Die Verpflichtung zur Menschlichkeit steht am Anfang. Sie ist unteilbar und ebensowenig wie das Gebot der Nächstenliebe den Grenzen früherer Staatsgebilde unterworfen. Darauf habe ich mehrfach in den letzten Tagen aufmerksam gemacht und vor überzogener Deutschtümelei — nach dem Duden: „aufdringliche Betonung des Deutschtums" — gewarnt.
    Ich hatte dafür plädiert, unsere Hilfestellung für unsere Mitmenschen in erster Linie davon abhängig zu machen, in welchem Ausmaß unsere Mitmenschen unserer Hilfe bedürfen.

    (Lintner [CDU/CSU]: Sind das jetzt Deutsche oder nicht?)

    Wohl wissend, an welche Vorurteile ich rühren würde, habe ich das Schicksal eines Farbigen aus Afrika erwähnt, der von dem Verlust seines Lebens bedroht ist, und sein Schicksal mit dem eines Aussiedlers verglichen, der in früherer Generation deutsprechende Vorfahren hatte und nun bei uns um Aufnahme sucht, ohne daß sein Leben bedroht ist.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Den Afrikaner nehmen wir doch auch auf!)

    Der Vergleich ist deshalb zulässig, weil wir bei jeder Hilfeleistung gehalten sind, Prioritäten zu setzen und unsere Prioritäten zu begründen.

    (Lintner [CDU/CSU]: Wie halten Sie es denn mit Art. 116 des Grundgesetzes?)

    Diese Fragestellung nach der persönlichen Hilfsbedürftigkeit stieß auf Reaktionen, gegenüber denen die Vorhaltung übertriebener Deutschtümelei nicht mehr angemessen, da zu harmlos ist.

    (Bohl [CDU/CSU]: Ist Art. 116 des Grundgesetzes Deutschtümelei?)




    Ministerpräsident Lafontaine (Saarland)

    Wenn der Bundesinnenminister, wie seiner Presseerklärung vom 24. Oktober 1988 zu entnehmen ist, diese Fragestellung nach der Mitmenschlichkeit ummünzt in die Aussage: „Mit seiner neuen Parole, Farbige ja, Deutsche nein', hat Lafontaine auch die Unterstützung der SPD für die Aufnahme der Aussiedler desavouiert", dann hat der Bundesinnenminister mit dieser skandalösen Bemerkung unter Beweis gestellt,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Das ist keine skandalöse Bemerkung! Was Sie sagen, ist skandalös! — Bohl [CDU/CSU]: Ihre Bemerkung ist skandalös!)

    daß es nicht nur um überzogene Deutschtümelei geht, sondern um das Schüren von rassistischen Vorurteilen und Ausländerfeindlichkeit.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Genau hier, meine Damen und Herren, sind die Sozialdemokraten und alle diejenigen gefordert,

    (Seiters [CDU/CSU]: Vogel, Dreßler, Zöpel!)

    die mit ihnen für Humanismus, für das Erbe der Aufklärung und für das christliche Gebot der Nächstenliebe eintreten, wenn es um die Frage geht: Wer ist unser Nächster?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Seiters [CDU/CSU]: Kein Wort zur Vorratskammer des Herrn Vogel!)