Rede von
Peter
Sellin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Ich möchte Ihnen darauf antworten, daß ich es beschäftigungspolitisch, gesundheitspolitisch und auch ökologisch völlig verkehrt finde, daß der Betriebsrat diesem Begehren der Belegschaft zustimmt. In diesem Moment verhalten sich auch einzelne Arbeitnehmer in bezug auf ihre eigene Gesundheit, sehr, sehr schädlich. Es geht zu Lasten ihres Rükkens und zu Lasten ihrer Gesundheit, wenn sie solche Schichten für vorübergehende Mehreinkommen kloppen. Man muß zur Kenntnis nehmen, daß ich diesen Widerspruch zu dem Verhalten, das die Betriebsräte an den Tag gelegt haben, ganz hart vertrete.
Die Beschäftigten sind bestimmt in ihrem Leben zur Änderung ihrer beruflichen Tätigkeit bereit, wenn eine rationale Planung aus den Absichten einer Unternehmensleitung erkennbar wäre. Dem ist jedoch nicht so. Sie werden als konjunkturelle Manövriermasse mißbraucht.
Es ist schon absurd: Die IG Metall hat für die Stahlarbeiter auch von Nordrhein-Westfalen ab November 1988 die 36,5-Stunden-Woche durchgesetzt. Gleichzeitig muß aber festgestellt werden, daß 665 000 Überstunden in der Stahlindustrie geleistet werden. Zusatzschichten werden gerissen; die eigene Gesundheit wird vernachlässigt; vorübergehend mehr Lohn in der Tasche bestimmt das individuelle Verhalten der Arbeiter.
All diese Erscheinungen in der Arbeitswelt der Stahlindustrie sind kein Beitrag zu ökologisch und sozial sinnvollen Beschäftigungsverhältnissen. Von daher ist es um so wichtiger, sich Konzeptionen auszudenken und zu entwerfen, wie der mittelfristige Umbau des Ruhrgebietes ökologisch orientiert und sozial durchdacht vollzogen werden kann. Die eine Milliarde DM Finanzhilfen von Bund, NordrheinWestfalen und der Europäischen Gemeinschaft für die Montanregion sind völlig unzureichend, um den infrastrukturellen Umbau des Ruhrgebietes nachhaltig finanziell unterstützen zu können.
Die GRÜNEN haben im Februar 1988 ihre Vorstellungen zur Ökoregion Ruhrgebiet in Düsseldorf der Presse vorgetragen. Aus dem Programm einige Essentials.
Es geht darum, daß der Umbau des Ruhrgebietes in manchen Branchen Wachstum, in anderen Schrumpfung bedeutet. Die Konversion der Produktion im ökologischen und sozialen Interesse verlangt, daß die Beschäftigten, die Belegschaften, und die Kommunen an dem Prozeß der Umstrukturierung demokratisch beteiligt werden. Es gilt der Grundsatz: Standorte und Arbeitsplätze sind so lange zu erhalten, bis vor Ort Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Konzerninterne Beschäftigungsgesellschaften haben die mittelfristige Umstrukturierung der Stahlkonzerne für andere Produkte und Produktzweige ökonomisch und sozial durchzuführen. Diese Gesellschaften haben Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, um den Transfer der Beschäftigten in neue Tätigkeitsfelder zu ermöglichen. Grundsätzlich sind für die regionale Entwicklung Energiesparpotentiale zu erschließen. Es sind Programme aufzulegen, die dem Ruhrgebiet eine ökologische und soziale Entwicklung ermöglichen.