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    Plenarprotokoll 11/98 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 98. Sitzung Bonn, Freitag, den 30. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 24: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988 (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksachen 11/2650, 11/2968, 11/3012) Dr. Neuling CDU/CSU 6705 B Esters SPD 6707 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6710A Frau Vennegerts GRÜNE 6711 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 6712 D Tagesordnungspunkt 25: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/2970, 11/3008) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 (Drucksache 11/2864) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hüser, Sellin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung des Flugverkehrs (Drucksache 11/2126) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Haushaltsbegleitgesetz 1989) (Drucksachen 11/2969, 11/3009) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Juni 1988 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (Drucksache 11/2971) Schulhoff CDU/CSU 6715 D Dr. Wieczorek SPD 6720 A Rind FDP 6724 A Hüser GRÜNE 6727 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 6729 C Poß SPD 6733 A Dr. Vondran CDU/CSU 6735 C Sellin GRÜNE 6737 C Dr. Struck SPD 6738 C Sauter, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten 6740 A Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung (Drucksache 11/2065) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wittmann, Marschewski, II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. September 1988 Dr. Hüsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Kleinert (Hannover), Funke, Irmer und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Drucksache 11/2991) Dr. Pick SPD 6742 B Helmrich CDU/CSU 6743 C Dr. Briefs GRÜNE 6743 D Funke FDP 6745 B Engelhard, Bundesminister BMJ 6745 D Nächste Sitzung 6747 C Berichtigung 6747 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6749* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6749* D Anlage 3 Urlaubsregelung für Wehrpflichtige zur Wahrnehmung von Vorstellungsterminen für eine Berufstätigkeit nach dem Wehrdienst MdlAnfr 50 23.09.88 Drs 11/2960 Frau Ganseforth SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 6750* A Anlage 4 Identifizierung des bei Annweiler aufgefundenen Zusatztanks einer Militärmaschine; Ablassen von Flugbenzin bei militärischen Übungsflügen vor der Landung MdlAnfr 55, 56 23.09.88 Drs 11/2960 Müller (Pleisweiler) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 6750* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. September 1988 6705 98. Sitzung Bonn, den 30. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 97. Sitzung, Seite 6580 D, zweite Zeile von unten: Statt „Libanese" ist „Liberianer" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter 30. 9. Bahr 30. 9. Dr. Bangemann 30. 9. Baum 30. 9. Frau Beck-Oberdorf 30. 9. Frau Beer 30. 9. Dr. Biedenkopf 30. 9. Biehle 30. 9. Borchert 30. 9. Brandt 30. 9. Carstensen (Nordstrand) 30. 9. Frau Conrad 30. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 30. 9. Daubertshäuser 30. 9. Daweke 30. 9. Frau Dempwolf 30. 9. Ehrbar 30. 9. Dr. Ehrenberg 30. 9. Frau Eid 30. 9. Eigen 30. 9. Eylmann 30. 9. Francke (Hamburg) 30. 9. Frau Fuchs (Köln) 30. 9. Funk (Gutenzell) 30. 9. Gattermann 30. 9. Dr. Geißler 30. 9. Dr. von Geldern 30. 9. Genscher 30. 9. Glos 30. 9. Dr. Glotz 30. 9. Dr. Götz 30. 9. Dr. Haack 30. 9. Frau Hämmerle 30. 9. Dr. Hauff 30. 9. Hauser (Krefeld) 30. 9. Dr. Haussmann 30. 9. Hedrich 30. 9. Heimann 30. 9. Frau Dr. Hellwig 30. 9. Frau Hensel 30. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 30. 9. Hoss 30. 9. Dr. Hüsch 30. 9. Huonker 30. 9. Ibrügger 30. 9. Irmer 30. 9. Jung (Düsseldorf) 30. 9. Kastning 30. 9. Frau Kelly 30. 9. Kiechle 30. 9. Klein (München) 30. 9. Kleinert (Hannover) 30. 9. Klose 30. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 30. 9. Dr. Kohl 30. 9. Koltzsch 30. 9. Koschnick 30. 9. Kraus 30. 9. Dr. Kreile 30. 9. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Leidinger 30. 9. Frau Männle 30. 9. Dr. Mechtersheimer 30. 9. Menzel 30. 9. Meyer 30. 9. Mischnick 30. 9. Dr. Müller 30. 9. Müller (Düsseldorf) 30. 9. Müller (Wesseling) 30. 9. Niggemeier 30. 9. Frau Odendahl 30. 9. Oostergetelo 30. 9. Frau Pack 30. 9. Paterna 30. 9. Pesch 30. 9. Rappe (Hildesheim) 30. 9. Reuschenbach 30. 9. Ronneburger 30. 9. Rühe 30. 9. Schily 30. 9. Schmitz (Baesweiler) 30. 9. von Schmude 30. 9. Schröer (Mülheim) 30. 9. Schütz 30. 9. Seiters 30. 9. Dr. Solms 30. 9. Dr. Sperling 30. 9. Spranger 30. 9. Frau Steinhauer 30. 9. Stobbe 30. 9. Straßmeir 30. 9. Tietjen 30. 9. Dr. Vogel 30. 9. Dr. Waigel 30. 9. Dr. Warnke 30. 9. Weiss (München) 30. 9. Westphal 30. 9. Wetzel 30. 9. Frau Wieczorek-Zeul 30. 9. Wischnewski 30. 9. Frau Dr. Wisniewski 30. 9. Wissmann 30. 9. Wittich 30. 9. Zander 30. 9. Dr. Zimmermann 30. 9. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. September 1988 beschlossen, zu dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 22. März 1985 zum Schutz der Ozonschicht einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Die Vorsitzende des Finanzausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Drucksache 11/1656 Nr. 1.4 6750* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 98. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. September 1988 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/2465 Nr. 2.4-2.7, 2.9, 2.11, 2.12 Drucksache 11/2580 Nr. 12-16, 19-21, 23 —25 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/2580 Nr. 46 Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage der Abgeordneten Frau Ganseforth (SPD) (Drucksache 11/2960 Frage 50): Warum müssen Wehrpflichtige Urlaub nehmen, wenn sie dem Dienst fernbleiben müssen, um einen Vorstellungstermin für eine Berufstätigkeit nach dem Wehrdienst wahrzunehmen, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Praxis angesichts des geringen Urlaubs der Wehrpflichtigen und der besonderen Förderung Wehrpflichtiger bei der beruflichen Wiedereingliederung nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz? Es trifft nicht zu, daß grundwehrdienstleistende Wehrpflichtige ihren Erholungsurlaub in Anspruch nehmen müssen, wenn sie einen Vorstellungstermin bei einem möglichen künftigen Arbeitgeber wahrnehmen wollen. Das gleiche gilt für die Wahrnehmung von Terminen beim Arbeitsamt und für die Teilnahme an Prüfungen oder anderen Ausleseverfahren, denen sich der Wehrpflichtige zur Aufnahme einer beruflichen Erwerbstätigkeit oder einer Berufsausbildung nach dem Wehrdienst unterziehen muß. Der zuständige Disziplinarvorgesetzte kann dem Soldaten für diese Zwecke nach pflichtgemäßem Ermessen Sonderurlaub aus persönlichen Gründen in dem erforderlichen Umfang und unter Belassung der Bezüge gewähren. Dies sieht die Soldatenurlaubsverordnung aufgrund der vom BMVg entsprechend seiner Fürsorgepflicht vorgenommenen Ergänzung ausdrücklich vor. Bereits Anfang 1985 haben die Führungsstäbe aller 3 Teilstreitkräfte die Disziplinarvorgesetzten ihrer Kommandobereiche angewiesen, Sonderurlaub für diese Zwecke nur dann zu versagen, wenn im Einzelfall zwingende dienstliche Erfordernisse entgegenstehen. Liegen derartige Hinderungsgründe vor, darf nach § 28 Abs. 2 des Soldatengesetzes auch kein Erholungsurlaub gewährt werden. Ergänzend hat der BMVg — um eine sachgerechte Handhabung dieser Sonderurlaubsbestimmungen durch die Disziplinarvorgesetzten sicherzustellen —1986 mit einem sog. G1-Hinweis darauf hingewiesen, daß ein solcher Sonderurlaub auch nicht auf 6 Werktage im Kalenderjahr beschränkt ist. Aufgrund dieser eindeutigen Regelung kann ich ausschließen, daß es die von Ihnen vermutete Praxis in der Truppe gibt. Sollte es im Einzelfall zu einer fehlerhaften Ermessensentscheidung des zuständigen Disziplinarvorgesetzten kommen, steht dem betroffenen Soldaten der Beschwerdeweg offen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Müller (Pleisweiler) (SPD) (Drucksache 11/2960 Fragen 55 und 56): Ist der Bundesregierung bekannt, von welcher Militärmaschine der Anfang August dieses Jahres im Wald bei Annweiler am Trifels aufgefundene Zusatztank stammt und wie es dazu kam, daß dieser noch mit Flugbenzin gefüllte Tank abgeworfen wurde? Besitzt die Bundesregierung Informationen darüber, daß Militärmaschinen auf Übungsflügen im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland vor der Landung aus Sicherheitsgründen Flugbenzin aus der Maschine ablassen? Zu Frage 55: Der Bundesregierung ist bekannt, daß im August 1988 in der Nähe von Annweiler/Pfalz ein Zusatztank eines Kampfflugzeuges gefunden wurde, der in verschiedene Teile zerbrochen war. Die Teile befinden sich in Gewahrsam der Staatsanwaltschaft Landau, die einer Übergabe der Teile an die USAFE noch nicht zugestimmt hat. Eine Klärung der Zugehörigkeit der Tankteile kann aber erst nach Übergabe und Prüfung durch die USAFE erfolgen. Es ist nicht bekannt wie groß die Restkraftstoffmenge des Tanks beim Aufschlag war. Nach Bodenanalysen wurde ein Bodenaustausch auf einer Fläche von 5-10 m2 auf Veranlassung des Wasserwirtschaftsamtes Landau durchgeführt. Die Erstattung der Kosten wurde beim Amt für Verteidigungslasten beantragt. Zu Frage 56: Flugkraftstoff darf im Fluge nur in Notfällen abgelassen werden, wenn eine sofortige Landung zwingend erforderlich ist, um einen möglichen Absturz zu verhindern, gleichzeitig aber das Gesamtgewicht des Luftfahrzeuges noch zu hoch ist, um eine sichere Landung zuzulassen. Derartige, auf Notfälle beschränkte Ereignisse, sind sehr selten, das Verfahren ist international (auch in der Zivilluftfahrt) üblich.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christian Neuling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf eingangs vielleicht in aller Kürze auf die Struktur des Nachtragshaushalts eingehen. Die wesentlichen Elemente des Nachtragshaushalts 1988 sind im Kern die Verringerung auf der Einnahmenseite; die Ausgabenseite schlägt sich mit weniger als 0,1 %, bezogen auf das Haushaltsvolumen, nieder. Insoweit können wir den Teil bei der Betrachtung außer acht lassen. Im Kern geht es darum, daß zum einen der Bundesbankgewinn in der vorgesehenen Höhe von 6 Milliarden DM ausgefallen ist und daß zum anderen die Abführung an die EG entsprechend der Vereinbarung erhöht werden mußte, so daß die Nettokreditaufnahme — das ist der letzte Stand — um ca. 9 Milliarden DM auf nunmehr ca. 38,6 Milliarden DM erhöht werden muß. So weit die Tatsachen.
    Nun zu der Bewertung. Wichtig ist, finde ich, in der finanzpolitischen Bewertung, zunächst einmal festzuhalten, daß die erhöhte Nettokreditaufnahme ausschließlich auf die Verringerung der Einnahmenseite und eben nicht auf eine Steigerung der Ausgabenseite zurückzuführen ist — ganz im Gegensatz übrigens — damit wir hier in eine Debatte hineinkommen; der Saal ist ja noch nicht allzu stark besetzt — zu der Politik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung und sozialdemokratischen Finanzminister.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Ich darf daran erinnern, daß die Ausgaben des Bundes zwischen 1976 und 1982, also in diesen sechs Jahren, durchschnittlich um ca. 8 % gestiegen sind. Unsere Bilanz der vergangenen sechs Jahre liegt bei einem durchschnittlichen Steigerungssatz von 2,0 %. Übertragen wir nun einmal die 8 % Steigerungsrate Ihrer letzten sechs Jahre, so würde dies bedeuten, daß wir heute, 1988, bereits bei einem Ausgabevolumen von 390 Milliarden DM wären. Ich glaube, damit wird deutlich, in welcher unverantwortlichen Art und Weise Sie in den 70er Jahren und Anfang der 80er Jahre den Handlungsspielraum aller Regierungen danach verspielt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Herr Weng war mit dabei! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Die Bundesregierung, die sie tragenden Koalitionsfraktionen halten — unbeschadet des Nachtragshaushaltes — an einer soliden und berechenbaren Ausgabenpolitik fest.
    Nun ist im Vorfeld — von Ihnen, Herr Kollege Esters, und anderen — auch die Steigerungsrate im Jahre 1989 mit 4,5 % kritisiert worden. Ich darf Sie daran erinnern, daß ein wesentliches Element dieser Steigerungsrate auch der sogenannte Strukturfonds ist. Ich habe also die Empfehlung an die Opposition, sich an die SPD-geführten Bundesländer zu wenden mit dem Ziel, daß diese auf die Investitionsmittel verzichten. Sie könnten dann einen eigenständigen Beitrag zur Minderung der Ausgabensteigerung leisten.

    (Dr. Wieczorek [SPD]: Witzig!)

    Ich sage dies deshalb, Herr Kollege Esters, damit auch
    hier im Bundestag eins mal deutlich wird: Es geht



    Dr. Neuling
    nicht, dem Bundesfinanzminister im Bundestag ständig Vorhaltungen wegen einer unsoliden, unverantwortlichen Ausgabenpolitik zu machen, um dann in den Bundesländern die Mittel anschließend abzukassieren. So können wir nicht miteinander umgehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Struck [SPD])

    Nun eine kurze Bemerkung zum Bundesbankgewinn. Die Tatsachen sind bekannt. — Herr Dr. Struck, wir kennen uns ja nun. Ich habe das Vergnügen, das angenehme Klima im Haushaltsausschuß zu genießen; nichtsdestotrotz sollten wir hier heute einmal eine muntere Diskussion führen.

    (Dr. Struck [SPD]: Richtig! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Der Bundesbankgewinn ist wegen der bekannten Tatsachen ausgefallen: Wertberichtigung, historischer Tiefstand des Dollars; ich will mich damit nicht weiter aufhalten. Finanzpolitisch interessant ist vielmehr die Konsequenz, die der Bundesfinanzminister mit Unterstützung der Koalitionsfraktionen gezogen hat. Nach meiner Kenntnis wurde erstmalig ein nach oben begrenzter Betrag für den Bundesbankgewinn eingestellt. Der zufließende Bundesbankgewinn wird oberhalb dieser eingesetzten Größenordnung zur Tilgung der Altschulden verwendet. Herr Bundesfinanzminister, wir unterstützen diesen Vorschlag als einen wichtigen finanzpolitischen Meilenstein ausdrücklich.
    Wie unverantwortlich dagegen die Schuldenpolitik der SPD war, wird deutlich, wenn man sich die Zeit zwischen 1970 und 1982 ansieht. Allein in dieser Zeit stieg die Verschuldungsquote von ca. 7 % auf über 19%,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sagen Sie doch einmal, wieviel Bundesbankgewinn da war!)

    d. h., fast dreimal so schnell, Frau Kollegin finanzpolitische Sprecherin, wie die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. — Ich kann nicht alles sagen; ich habe nur noch fünf Minuten, Frau Kollegin.
    Entscheidend ist vielmehr, daß wir heute einen wesentlichen Teil der Nettokreditaufnahme für die Bezahlung der Zinsen der alten Schulden der SPD verwenden müssen.

    (Oh-Rufe bei der SPD)

    Wir dagegen haben diese dramatische Schuldenentwicklung nachhaltig gebremst.
    Ich vermerke jedoch bereits an dieser Stelle, daß hiermit ein langfristiges Strukturproblem in der Frage der Zinsquote im Haushalt gegeben ist, das, glaube ich, von allen Mitgliedern auch in unserer Fraktion in ihrer dramatischen Entwicklung noch nicht so deutlich gesehen wird. Diese Entwicklung der Zinsquote — sie stieg in Ihren 12 Jahren Regierungsverantwortung von knapp 3 % auf über 9 % — ist der eigentliche Sprengsatz, den Sie in den jeweiligen zukünftigen Haushalten hinterlegt haben.
    Wie sieht dann die Entwicklung eigentlich aus, wenn wir von einem erfolgreich gesenkten Zinsniveau von über 11 % auf jetzt knapp 5,5 % wegkommen und wieder steigende Zinsen haben? Dann stellt sich die Zinsquote im Haushalt in einer dramatischen Entwicklung dar, auch dies ein Sprengsatz, den wir letztendlich der SPD wegen ihrer unsoliden Ausgabenpolitik der vergangenen Jahre zu verdanken haben.

    (Dr. Struck [SPD]: Und der FDP!)

    Ganz im Gegenteil dazu: Wir senken — auch unter Berücksichtigung der Verbrauchsteuern — die Steuerlast beim Bürger um ca. 40 Milliarden DM. Das Motiv ist ganz klar: Nicht der Staat soll bestimmen, was mit dem Geld zu geschehen hat. sondern der Burger selbst. Das ist der fundamentale Unterschied.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Art. 115 des Grundgesetzes im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz wird sicherlich auch noch eine gewisse Rolle spielen.
    Auch hier darf ich daran erinnern, daß in den letzten 8 Jahren Ihrer Regierungsverantwortung die von Ihnen geführte Bundesregierung allein fünfmal die im Art. 115 des Grundgesetzes gesetzte Obergrenze für die Verschuldungsgrenze mißachtet hat. Das heißt, Sie haben die in der Verfassung als Ausnahme vorgesehene überhöhte Neuverschuldung schlichtweg zum finanzpolitischen Regelfall erklärt und damit ganz offensichtlich das Grundgesetz mißachtet.
    Desweiteren darf ich daran erinnern, daß Nachtragshaushalte in den letzten vier, fünf Jahren Ihrer Regierungszeit allein fünfmal eingebracht worden sind. Das heißt, wenn Sie sich in dieser Frage als Ankläger aufspielen, müssen Sie immer daran denken, daß jedes Wort, das Sie in dieser Frage an uns richten, eigentlich an Sie selber gerichtet ist. Im Grunde genommen sitzen Sie auf der Anklagebank.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun zu der Frage, inwieweit es heute berechtigt war, die Obergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes zu überschreiten. Ich darf daran erinnern: Zum Jahreswechsel weltweite Erschütterung der Aktienmärkte, allgemein eine reduzierte Wachstumserwartung. — Übrigens: An der Spitze der Negativprognosen war die SPD. Sie unterliegen ja immer einen euphorischen Konjunkturpessimismus, indem Sie sich sozusagen in negative Erwartungen munter steigern. Da sind Sie nur zu warnen. —(Beifall bei der CDU/CSU)

    Ferner darf ich an den historischen Tiefstand des Dollars mit den Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit erinnern.
    Dies alles hat dazu geführt, daß nach unserer Meinung die Überschreitung der im Art. 115 des Grundgesetzes festgelegten Grenze für die Nettokreditaufnahme letztendlich zu rechtfertigen ist, um eine drohende gesamtwirtschaftliche Störung abzuwehren.
    Desweiteren ist zu verweisen auf die Erfolge des letzten halben Jahres, die positive Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr 1988: mit 3,9 % die beste Zuwachsrate seit 1979. In diesem Zusammenhang ist als wesentlicher Träger dieser verbesserten Konjunktur die Binnennachfrage zu sehen.



    Dr. Neuling
    Auch hier wird der Gesamtzusammenhang unserer Steuer- und Finanzpolitik deutlich: ein klarer Beweis für die Richtigkeit unserer Steuerreform. Ich erinnere nur daran, daß mit dem 1. Januar 1988 im Vergleich zu 1985 allein 25 Milliarden DM mehr in den Taschen der Bürger bleiben. Das heißt, wir haben die Steuern gesenkt, Sie haben sie angehoben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen ist es natürlich immer so: Wenn es eine positive Entwicklung gibt, waren es im Grunde alle anderen, nur die Bundesregierung nicht. Nein, diese erfolgreiche Politik ist nur in Verbindung mit unserer erfolgreichen und konsequenten Wirtschafts- und Finanzpolitik zu sehen.
    Damit keine Zweifel über die Steuermehreinnahmen in den Jahren 1988 und 1989 bestehen, darf ich hier auch für die Fraktion erklären: Es gibt keinen Zweifel, daß die sich abzeichnenden Steuermehreinnahmen im Jahre 1988 und 1989 ausschließlich für die Senkung der Nettokreditaufnahme in diesen beiden Jahren zu verwenden sind. Dies ist eine ganz klare Aussage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich fasse zusammen: Der Nachtragshaushalt 1988 verbunden mit der Anhebung der Nettokreditaufnahme über die in Art. 115 des Grundgesetzes definierte Grenze berücksichtigt einen Sondertatbestand und ist von unserer wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Verantwortung getragen. Die wirtschaftliche Entwicklung heute bestätigt unser politisches Handeln von damals.
    Zweitens. Nur eine solide Finanzpolitik heute ist die Voraussetzung für die politische Handlungsfähigkeit von morgen.
    Ich glaube, daß die Aussprache bei der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes 1989 eines gezeigt hat: Die Opposition steht ohne finanzpolitisches Konzept da; die Handlungsfähigkeit liegt bei uns, bei der Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Esters.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Esters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, wenige Stunden nach Ihrem Geburtstag noch einmal recht herzlich gratulieren und Ihnen Glück und Gesundheit wünschen

    (Beifall)

    und hoffe — Sie werden meinen Ausführungen gleich entnehmen — , daß Sie in den nächsten Jahren dann eine etwas glücklichere Hand in der Finanzpolitik haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit der Vorlage des Nachtragshaushalts zum Bundeshaushalt 1988, den wir in zweiter und dritter Lesung heute verabschieden, wird die Neuverschuldung des Bundes auf rund 39 Milliarden DM angehoben. Dies wäre die höchste Neuverschuldung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Diese schlimme Rekordziffer steht in einem krassen Gegensatz zu dem ständigen Eigenlob der Bundesregierung. Sie offenbart die ganze Malaise einer Finanzpolitik, die entgegen allen schönen Worten in Wahrheit ohne ein verläßliches Konzept dasteht. Trotz der günstigen weltwirtschaftlichen Bedingungen in den letzten Jahren, die zu einer stetigen konjunkturellen Entwicklung im Inland, zu niedrigen Zinsen und stabilen Preisen geführt haben, hat die Bundesregierung die selbstgesteckten Konsolidierungsziele nicht erreicht.

    (Zuruf von der SPD: Leider wahr!)

    Wenn Sie schon in einem Jahr, das wirtschaftlich entgegen den Annahmen vom Jahresanfang bisher durchaus erfreulich verläuft, einen Schuldenrekord fabrizieren: Was steht uns dann noch bevor, wenn die weltwirtschaftliche Entwicklung wieder einmal ins Stocken gerät? Spätestens dann kommt die Stunde der Wahrheit. Dann werden Sie zugeben müssen, daß entgegen Ihren Versprechungen die Schulden des Bundes nicht so begrenzt wurden, daß wieder ein dauerhafter finanzpolitischer Spielraum entsteht.
    Ich empfehle Ihnen daher einmal, einen Blick in den Finanzbericht und damit einen Blick über die Grenzen. Eine solche vergleichende Betrachtung ist dann überaus aufschlußreich. In Belgien wurde der Nettofinanzierungssaldo in Prozent der Ausgaben, also der Anteil der Ausgaben, der kreditfinanziert wird, seit 1985 stetig zurückgeführt von 30,4 auf 25,1 %, in Dänemark im gleichen Zeitraum von 10,8 auf 1 %, in Frankreich von 14,3 auf 9,6 % und in Großbritannien von 7,5 auf 0,8 %. Die Reihe läßt sich an Hand der Statistik des Finanzberichts über Italien, Irland, Portugal und Spanien fortsetzen, und auch außerhalb Europas findet sich das gleiche Bild: in Japan ein Rückgang des Finanzierungssaldos von 33,3 auf 15,6 %, in Kanada von 30,9 auf 21,9 % und in den USA von 22,3 auf 11,8 %. Die einzige große Ausnahme ist hier die Bundesrepublik Deutschland.

    (Dr. Struck [SPD]: Hört! Hört!)

    Bei uns ist der Nettofinanzierungssaldo seit 1985 von 8,8 auf 14 % der Bundesausgaben gestiegen. Wir sind weit und breit das einzige Land unter den 17 Industrienationen, das in der neuesten Übersicht des Bundesfinanzministeriums eine derartige Negativbilanz aufweist. Das beweist, daß das hohe Rekorddefizit des Jahres 1988 nicht weltwirtschaftlich bedingt, sondern einzig und allein hausgemacht ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist die zwangsläufige Folge einer Haushaltswirtschaft, die seit Jahren durch ein permanentes Ungleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben gekennzeichnet ist. Der Bundesfinanzminister hat dies eine Zeitlang verschleiern können, indem er klar absehbare Ausgaben hinausgezögert und die Einnahmenseite systematisch durch optimistische Wachstumsannahmen und hohe Bundesbankgewinne geschönt hat.
    Der Bundeshaushalt 1988 ist dafür das beste Beispiel. Bereits bei der Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 1988 wußten alle, daß die EG-Eigenmittel



    Esters
    bei weitem nicht ausreichen würden, daß im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit eine Milliardenlücke klafft und daß der Bundesbankgewinn viel zu hoch veranschlagt war. Dem neuen Finanzplan des Bundes entnehme ich, daß die Bundesregierung in den kommenden Jahren daran festhalten will, den Bundesbankgewinn zumindest in Höhe von rund 7 Milliarden DM jährlich als eine normale Einnahme zu behandeln.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Das ist aber nicht neu, Herr Kollege!)

    Dies ist leichtsinnig und auch falsch. Dies widerspricht auch allem, Herr Kollege Weng, was die Finanzpolitiker der Union zu Oppositionszeiten zu diesem Thema erklärt haben.

    (Dr. Struck [SPD]: Sehr wahr!)

    Ich hatte von Ihnen eigentlich erwartet — nach dem, was Sie uns in den 70er und 80er Jahren vom Pult des Deutschen Bundestages aus empfohlen haben — , daß Sie den Bundesbankgewinn als außerordentliche Einnahme betrachten würden und ihn gezielt dafür einsetzen wollten, notwendige Investitionen im Bereich des Umweltschutzes und Initiativen zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit zu finanzieren.
    Entgegen Ihren Erklärungen haben Sie die hohen Bundesbankgewinne der letzten Jahre dazu benutzt, sich zusätzliche Finanzierungsspielräume zu verschaffen. Sie haben die Nettokreditaufnahme lediglich vorübergehend auf dem Papier niedriger ausgewiesen. Aber in der Substanz haben Sie nichts bewegt.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Die Steuersenkungen vergessen Sie, Herr Kollege?)

    In welchem argumentativen Notstand sich die Regierung befindet, haben wir soeben von dem Kollegen Dr. Neuling wieder gehört, der wiederholte, was Manfred Carstens hier im Bundestag auch behauptet hat, nämlich daß die heutige Neuverschuldung allein notwendig wäre, um die Zinsen für die Schulden zu zahlen, die von der SPD/FDP-Koalition übernommen worden sind.

    (Dr. Struck [SPD]: Die FDP war immer mit dabei!)

    Diese Behauptung hat der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Herr Dr. Voss, auch schon einmal verbreitet, nämlich am 22. Juni. Trotz verschiedentlicher Nachfragen — auch in der Fragestunde — ist es uns bisher nicht gelungen, von Herrn Dr. Voss Auskunft über seine Berechnungsmethoden zu bekommen.

    (Dr. Struck [SPD]: Weil es nicht stimmt, Herr Kollege! — Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Da braucht man keine Methode, da muß man sich einmal die Zahlen ansehen!)

    In Wahrheit geht es doch um den Versuch, Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen, mit denen Sie und die Bundesregierung davon ablenken wollen, wie tief Sie finanzpolitisch in die Bredouille gekommen sind.

    (Zurufe von der CDU/CSU: O nein! — Das hat er gar nicht nötig!)

    Die Rekordverschuldung in der Nachtragsvorlage 1988 von rund 39 Milliarden DM ist nämlich verfassungswidrig.

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Richtig! — Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Damit verstößt die Bundesregierung gegen Art. 115 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes.
    Mit dem Nachtrag 1988 überschreitet die Nettokreditaufnahme die Investitionsausgaben um rund 5 Milliarden DM. Ich vermisse bis heute eine klare Aussage des Bundesfinanzministers, ob er sich auf die Ausnahmeregelung des zweiten Halbsatzes beruft — was er müßte — und mit welcher Begründung er die Kreditobergrenze überschreitet. Das ist weder im Zusammenhang mit dem Kabinettsbeschluß geschehen noch bei der Einbringung der ersten Lesung am 6. September durch den Bundesfinanzminister.

    (Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Ist aber in der Fragestunde ausführlich beantwortet worden!)

    In den Kommentaren zu Art. 115 wird klar festgestellt, wann eine Überschreitung der Kreditobergrenze zulässig ist. Gedacht ist an den Fall, daß die zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage notwendig zu erhöhenden Ausgaben nur durch entsprechend erhöhte Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden können. Dies ist der klassische Fall eines kreditfinanzierten Ausgabeprogramms.
    Es wird in den Kommentaren weiter festgestellt, daß eine bloße Abschwächung des Wirtschaftswachstums nicht als Begründung ausreicht. Auch das Bundesverfassungsgericht selbst erkennt nur bestimmte konjunkturpolitische Krisensituationen als Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne des Art. 115 an.
    Gemessen an den Erklärungen, die die Bundesregierung in jüngster Zeit abgegeben hat, liegt die Voraussetzung einer Störung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts keineswegs vor. Im Gegenteil: Gleich zu Beginn seiner Einbringungsrede hat Herr Dr. Stoltenberg uns mitgeteilt, daß die Wirtschaft über Erwarten gut laufe, und dies ist richtig.

    (Bundesminister Dr. Stoltenberg: Genau: über Erwarten!)

    Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hat dies noch am 22. September in gleicher Richtung klar dargelegt.
    Wenn dem so ist, dann sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Kreditobergrenze nicht erfüllt. Dann ist insbesondere überhaupt nicht zu verstehen, warum die Bundesregierung gerade jetzt die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen will. Wenn die Koalitionsparteien mit ihrer Mehrheit diesen Nachtrag trotzdem beschließen, dann begeben sie sich auf gefährliches politisches und verfassungsrechtliches Glatteis.
    Es ist schon eine besondere Ironie des Schicksals, daß die CDU/CSU-Fraktion gerade in dem Moment, wo sie sich anschickt, einen verfassungswidrigen Haushalt zu beschließen, von einer Verfassungsklage eingeholt wird, die die CDU/CSU-Fraktion als Oppo-



    Esters
    sition vor sechs Jahren in Karlsruhe angestrengt hat.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Warten wir erstmal das Ergebnis ab!)

    Unter dem Datum des 6. September 1982 haben eine Reihe von Bundestagsabgeordneten der CDU/ CSU-Fraktion ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beantragt und darum gebeten, den Bundeshaushalt 1981 wegen Überschreitung der Kreditobergrenze für nichtig zu erklären. Grundlage dieses spektakulären Schrittes waren zwei Rechtsgutachten der Professoren Dr. Friauf und Dr. Kirchhof.
    Während die Klage damals mit großem propagandistischem Getöse der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, baten die Antragsteller das Bundesverfassungsgericht, den Antrag noch nicht zu behandeln,

    (Struck [SPD]: Sehr peinlich!)

    weil das angeblich schon längst vorhandene maßgebliche wissenschaftliche Rechtsgutachten von Professor Dr. Friauf noch nicht vorgelegt werden könne. In Wahrheit ist es nie erstellt worden. Das mußte Professor Dr. Kirchhof im November 1983 gegenüber dem Verfassungsgericht ausdrücklich einräumen.

    (Zuruf von der SPD: Peinlich!)

    Damit war klar: Sie hatten das Verfassungsgericht und die Öffentlichkeit in wirklich unverantwortlicher Weise über ein Jahr lang und über die Bundestagswahl 1983 hinweg getäuscht. Sie haben das Verfahren in Karlsruhe systematisch verzögert und leichtfertig das Institut der Verfassungsklage diskreditiert. Es war allein parteitaktisch motiviert.

    (Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Mit der Anhängigkeit waren wir doch gar nicht mehr Herr des Verfahrens!)

    — Ich habe wiederholt bei Haushaltsdebatten hier, Herr Kollege, dies kritisiert und Sie aufgefordert — insofern waren Sie Herr des Verfahrens — , Ihren Antrag zurückzuziehen. Dazu waren Sie als Antragsteller nie bereit. Es ist falsch und eine Dreistigkeit sondergleichen, wenn heute Ihr Fraktionskollege Langner behauptet, Sie seien nicht Herr des Verfahrens gewesen, und die Verzögerung sei vom Bundesverfassungsgericht zu vertreten,

    (Dr. Struck [SPD]: Beleidigung des Bundesverfassungsgerichts!)

    Pressedienst der CDU vom 16. September 1988. Das Gegenteil ist wahr: Sie haben den Fortgang des Prozesses verschleppt; nur Sie allein hatten es in der Hand, diese unmögliche Situation wieder in Ordnung zu bringen.
    In der Begründung des Antrags haben Sie behauptet, der seinerzeit und auch heute noch verwendete Investitionsbegriff sei nicht verfassungsgemäß, bei einer nach Ihrer Meinung verfassungskonformen Definition der Investitionsausgaben seien alle Haushalte von 1970 bis 1982 mit einer Ausnahme verfassungswidrig gewesen. Gerade hieran wird jetzt klar ersichtlich, daß Ihr Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht ausschließlich partei- und wahltaktisch kalkuliert war.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn würde der von Ihnen damals vorgeschlagene Investitionsbegriff vom Verfassungsgericht jetzt bestätigt werden, so wären auch Ihre Haushalte 1983, 1984, 1987, 1988 sowie der Haushaltsentwurf 1989 verfassungswidrig.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich erkläre für die Sozialdemokraten hier, daß wir es aus diesem Grund für sinnvoll und notwendig halten, daß das Bundesverfassungsgericht einige Feststellungen und Auslegungen zum Inhalt des Art. 115 des Grundgesetzes trifft, um hier wieder Rechtssicherheit herzustellen. Wir sind der Ansicht gewesen, daß die Kreditermächtigung im Haushaltsgesetz 1981 sehr wohl die im Haushalt veranschlagten Ausgaben für Investitionen überschreiten durfte, weil vor allem wegen der hohen Arbeitslosigkeit das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht erheblich gestört war.
    Ich darf nur noch einmal, weil es schon etliche Jahre zurückliegt, an die damalige weltwirtschaftliche Lage erinnern, die sich von der heutigen ganz wesentlich unterscheidet. Damals mußten wir die schwerwiegenden Auswirkungen der zweiten massiven Verteuerung der Erdölpreise bekämpfen, die weltweit eine rezessive Entwicklung ausgelöst hatten. Damals war ein aktives finanzpolitisches Gegensteuern dringend angezeigt, und ein Unterlassen hätte die Folgen der Weltwirtschaftskrise für Wirtschaft und Arbeitnehmer noch weit verschlimmert.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie stehen dagegen heute vor Ihren hausgemachten Schuldenproblemen, während die Länder um uns herum, wie ich gezeigt habe, die Verschuldungsquote zurückführten.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Sie haben dem Neuling nicht zugehört, sonst würden Sie gar nicht wagen, das zu sagen!)

    Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen damals und heute: In den Haushalten seit 1983 wurden Jahr für Jahr mit Hilfe von hohen Gewinnen der Deutschen Bundesbank die Kreditermächtigungen formal um insgesamt 55 Milliarden DM zu niedrig ausgewiesen. Ohne diese hohen Ablieferungen hätte der Schuldenzuwachs des Bundes um den gleichen Betrag höher gelegen, durchschnittlich um 10 Milliarden DM im Jahr, d. h. jährlich um rund ein Drittel. Wenn der Bundesfinanzminister dies heute in Abrede stellt, dann möchte ich ihn an ein Zitat aus dem „Rheinischen Merkur" vom 31. Oktober 1981 erinnern, wo Herr Dr. Stoltenberg damals sagte: „Wenn jetzt 10 Milliarden DM Bundesbankgewinne zur Finanzierung des Bonner Haushalts 1982 herangezogen werden sollen, so ist das eine nicht vertretbare Geldschöpfung mit inflationsfördernder Wirkung."

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Der damalige finanzpolitische Sprecher, Herr Dr. Häfele, erklärte: Bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise — und die muß man hier ja wohl anstellen — ist jede Abführung von Bundesbankgewinnen



    Esters
    das gleiche wie eine zusätzliche Verschuldung des Staates.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ja, sogar schlimmer, hat er gesagt!)

    Diese Abführung von Bundesbankgewinnen muß also der Neuverschuldung noch hinzuaddiert werden. Dies aber zeigt deutlich, daß Ihre Argumentation in der Haushalts- und Finanzpolitik lediglich aus tagespolitischen Parteiopportunitäten und Wahlkampfüberlegungen heraus formuliert wurde, wobei Sie sich nicht scheuen, selbst das Bundesverfassungsgericht zu mißbrauchen, wie die Geschichte Ihrer Klage zeigt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Mißbrauchen?) Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der SPD)