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ID1109511800

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    Plenarprotokoll 11/95 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 95. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6481 A Zur Geschäftsordnung Seiters CDU/CSU 6481 B Jahn (Marburg) SPD 6482 B Häfner GRÜNE 6482 C Frau Schilling GRÜNE 6483 D Ronneburger FDP 6484 A Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Scheer, Dr. Soell, Verheugen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einberufung einer zweiten Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten (Drucksache 11/2202) Brandt SPD 6484 C Lummer CDU/CSU 6486 C Ebermann GRÜNE 6487 C Dr. Feldmann FDP 6488 D Schäfer, Staatsminister AA 6490 B Lowack CDU/CSU 6491 D Dr. Scheer SPD 6492 C Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Konsequenzen aus der Katastrophe des Flugtages in Ramstein am 28. August 1988 (Drucksache 11/2897) Frau Dr. Götte SPD 6493 D Kossendey CDU/CSU 6495 B Frau Schilling GRÜNE 6497 B Ronneburger FDP 6498 C Heistermann SPD 6500 D Dr. Uelhoff CDU/CSU 6502 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg . . . 6504 A Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Lammert, Porzner, Beckmann, Bernrath, Biehle, Buschbom, Cronenberg (Arnsberg), Esters, Eylmann, Dr. Göhner, Grunenberg, Günther, Dr. Haussmann, Dr. Hoffacker, Dr. Jenninger, Kleinert (Hannover), Lamers, Lennartz, Louven, Marschewski, Dr. Mertens (Bottrop), Neuhausen, Niggemeier, Reddemann, Frau Renger, Repnik, Reuschenbach, Dr. Scheer, Schmidbauer, Schreiber, Stücklen, Tillmann, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Dr. Unland, Wolfgramm (Göttingen) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages (Drucksache 11/1896) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (Untersuchungsausschußgesetz) (Drucksache 11/2025) Dr. Langner CDU/CSU 6506 B Wiefelspütz SPD 6509 A Kleinert (Hannover) FDP 6510 D Schily GRÜNE 6512B Dr. Lammert CDU/CSU 6513 D Porzner SPD 6515 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drucksache 11/2834) Engelhard, Bundesminister BMJ 6516 C Dr. de With SPD 6517 C Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 6520 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 6522 D Kleinert (Hannover) FDP 6524 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6525 D Wüppesahl fraktionslos 6526 C Graf SPD 6528 C Dr. Hirsch FDP 6529 D Nächste Sitzung 6530 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6531* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 6481 95. Sitzung Bonn, den 23. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 23. 9. Bahr 23. 9. Dr. Bangemann 23. 9. Frau Beck-Oberdorf 23. 9. Bindig** 23. 9. Dr. Bötsch 23. 9. Bohl 23. 9. Borchert 23. 9. Brauer 23. 9. Brück 23. 9. Catenhusen 23. 9. Clemens 23. 9. Frau Conrad 23. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 23. 9. Dr. Dollinger 23. 9. Dr. Ehrenberg 23. 9. Frau Eid 23. 9. Eylmann 23. 9. Frau Fischer** 23. 9. Francke (Hamburg)** 23. 9. Gansel 23. 9. Gattermann 23. 9. Frau Geiger' ' 23. 9. Dr. Glotz 23. 9. Dr. Götz 23. 9. Dr. Haack 23. 9. Dr. Hauff 23. 9. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 23. 9. Frau Hensel 23. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 23. 9. Dr. Holtz** 23. 9. Hüser 23. 9. Irmer** 23. 9. Dr. Kappes 23. 9. Frau Kelly 23. 9. Kleinert (Marburg) 23. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 23. 9. Kolbow' ' 23. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kraus 23. 9. Dr. Kreile 23. 9. Frau Männle 23. 9. Magin 23. 9. Meyer 23. 9. Müller (Wadern) 23. 9. Niggemeier 23. 9. Frau Odendahl 23. 9. Frau Olms 23. 9. Opel 23. 9. Frau Pack 23. 9. Paintner 23. 9. Pfeifer 23. 9. Dr. Pinger 23. 9. Dr. Pohlmeier** 23. 9. Reschke 23. 9. Reuschenbach 23. 9. Dr. Scheer' 23. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 23. 9. Dr. Schneider (Nürnberg) 23. 9. Schreiber 23. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 23. 9. Schwarz 23. 9. Spilker 23. 9. Spranger 23. 9. Dr. Stavenhagen 23. 9. Dr. Stercken** 23. 9. Dr. Stoltenberg 23. 9. Frau Teubner 23. 9. Tietjen 23. 9. Frau Dr. Timm** 23. 9. Frau Trenz** 23. 9. Vosen 23. 9. Dr. Waigel 23. 9. Westphal 23. 9. Frau Wieczorek-Zeul 23. 9. Dr. Wittmann 23. 9. Zywietz 23. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 80. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans A. Engelhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf soll die bereits vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung politisch motivierter Gewalttaten verbessern. Ein Kernstück ist die Neuregelung des Verbots von Vermummung und passiver Bewaffnung im Versammlungsgesetz. In den letzten Jahren ist eine zunehmende Bereitschaft radikaler Gruppierungen festzustellen, zur Durchsetzung ihrer auf demokratischem Wege nicht erreichbaren Ziele Gewalt anzuwenden. Kennzeichnend ist der zunehmende Mißbrauch des Demonstrationsrechts durch gewalttätige Ausschreitungen.
    Nach dem Ergebnis einer Ende letzten Jahres im Bundesinnenministerium unter dem Vorsitz des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium und des Staatssekretärs im Bundesjustizministerium durchgeführten Anhörung von Polizeiexperten und Staatsanwälten aus der Praxis richten sich Gewalttätigkeiten neuerdings nicht mehr gegen bestimmte Sachobjekte, sondern in immer stärkerem Maße unmittelbar gegen Personen, insbesondere gegen Polizeibeamte. Dabei ist ein zunehmend brutales Vorgehen vielfach mit dem erkennbaren Ziel der Verletzung von Beamten zu beobachten. Allein im Jahre 1986 sind in der Bundesrepublik Deutschland bei gewalttätig verlaufenen Demonstrationen und Aufläufen mehr als 800 Polizeibeamte verletzt worden.
    Zwischen dem Auftreten Vermummter und dem Ausbruch von Gewalttätigkeiten besteht heute ein deutlicher Zusammenhang. Das Erscheinen von Vermummten indiziert Gewaltbereitschaft und erhöht die Risikobereitschaft bei der Begehung von Straftaten. Vermummte bilden in der Regel den Kern der Gewalttäter, bestärken diese in ihrer Aggressionsbereitschaft und tragen durch ihr martialisches Erscheinungsbild zur Gewaltbereitschaft Dritter und damit zum Umschlagen friedlicher Veranstaltungen in unfriedliche bei.
    Zwar sind bereits 1985 Vermummungen und passive Bewaffnung bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und bei Aufzügen verboten und Zuwiderhandlungen mit Geldbuße bedroht worden; es hat sich jedoch inzwischen gezeigt, daß diese Regelungen nicht ausreichen. Die derzeit angedrohte Geldbuße bei Demonstrationen und Aufzügen im



    Bundesminister Engelhard
    noch friedlichen Stadium hat keine ausreichende abschreckende Wirkung entfaltet. Der betroffene Personenkreis läßt sich hiervon erfahrungsgemäß nicht beeindrucken. Zuwiderhandlungen sollen deshalb künftig mit Kriminalstrafe bedroht werden.
    Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt dieses Gesetzentwurfes ist der Vorschlag, zeitlich befristet und auf eine enge Zielgruppe begrenzt Straffreiheit bzw. Strafmilderung für denjenigen zu ermöglichen, der verkürzt als Kronzeuge bezeichnet wird, weil er durch Offenlegung seines Wissens zur Verhinderung künftiger terroristischer Straftaten, zur Aufklärung solcher Straftaten oder zur Ergreifung von Terroristen beiträgt.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Manipulation!)

    Die Verbrechen der Terroristen, die auf Destabilisierung der Gesellschaft und der staatlichen Ordnung zielen, sind unverändert eine besondere Gefahr für unsere Republik. Der Anschlag auf Herrn Staatssekretär Dr. Tietmeyer und seinen Fahrer in der Bundeshauptstadt, buchstäblich vor unseren Augen,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, da staunt ihr!) ist ein Signal


    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ja!)

    und eine erneute Warnung an uns alle.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Richtig!)

    Jenes Wort „alle" möchte ich noch einmal sehr deutlich unterstreichen.
    Die Ermittlungen gestalten sich in solchen Verfahren sehr schwierig. Die Terroristen haben teilweise ihre Methoden raffiniert verfeinert. Der harte Kern der Terroristen wird von einem größeren Kreis von Sympathisanten abgeschottet und massiv unterstützt. Angesichts dieser Tatsachen müssen neue Wege gegangen und ungewöhnliche, unkonventionelle, uns möglicherweise bisher nicht so vertraute Maßnahmen ergriffen werden.
    Die Kronzeugenregelung eröffnet die Chance, die Terrorszene aufzubrechen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nein!)

    Wer behauptet, die vorgeschlagene Regelung ermögliche eine zu großzügige Strafmilderung für feige Terroristen und eine viel zu großzügige Strafmilderung für feige Mörder, der verkennt, daß das maßgebliche Prinzip der Regelung lautet: Weitgehende Vergünstigungen kommen nur bei außerordentlich weitgehender Aufklärung und Mithilfe zur Verhütung künftiger Taten in Betracht.
    Ich setze hinzu und unterstreiche und wiederhole es: Wenn es nicht vor allem darum ginge, künftige Straftaten zu verhüten, könnte man sich möglicherweise mit einem solchen Gedanken nicht befreunden.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Er ist nicht rechtsstaatlich! Das ist der Punkt!)

    Aber wenn es um die Sicherheit unserer Bürger geht und wenn weitere schwerwiegende terroristische Gewalttaten verhindert werden können, müssen wir diese Chance nutzen. Eine nun seit vielen Jahren andauernde terroristische Bedrohung erfordert — immer im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung — außergewöhnliche Gegenmaßnahmen. Zu diesen Maßnahmen sagen wir ja, und deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf dem Hohen Hause zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. de With.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage auch sehr dezidiert: Herr Minister Engelhard!
    „Kosten: keine" steht auf dem Deckblatt des sogenannten Sicherheitsgesetzes, das wir heute in erster Lesung beraten. Aber wenn es je Gesetz werden sollte, dann kostet es mehr als Geld. Es kostet ein Stück Rechtssicherheit, es kostet Vertrauen in diesen Staat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Die Damen und Herren von den Regierungsparteien zitieren gern Adolf Arndt. Wir wünschten, Sie hielten sich an ihn. Er hat in seiner berühmten Rede zum „Strafrecht in einer offenen Gesellschaft" auf dem Juristentag 1968 in Nürnberg zur Frage, welche Anforderungen an das Strafrecht zu stellen sind, gesagt:
    Strafrecht zu erfinden, bleibt unser Behelf dort, wo sich ein unwiederbringlicher Rechtsverlust ereignete und die Gerechtigkeit unterging. Diesem Rechtsverlust nur muß sich solche Tatsächlichkeit oder, grob gesagt, Handgreiflichkeit eignen, die mit den Mitteln des gerichtlichen Verfahrens beweisbar ist.
    Er hat dort auch gesagt:
    Noch immer ist es eine besonders verführerische Demagogie, wenn eine politische Partei den Wählern ein hartes Strafrecht und einen strengsten Strafvollzug verspricht.
    Was bieten Sie dem Deutschen Bundestag an? Wenn wir die Befürwortung von Straftaten — so heißt der eine vorgesehene Straftatbestand — unter Strafe stellen sollen, so klingt das im ersten Moment ganz verständlich. Der neue Straftatbestand ließe sich auch trefflich verwenden im Parteienstreit, auch in Sonntagsreden, um nicht zu sagen: im Bierzelt.
    Aber was steckt eigentlich dahinter? Ich lese die Vorschrift zunächst einmal vor, damit sich die Öffentlichkeit klarmachen kann, was das bedeutet:

    (1) Wer eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die die Begehung einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tag befürwortet und nach ihrem Inhalt bestimmt ist, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, durch die Begehung einer solchen Tat den öffentlichen Frieden zu stören, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.




    Dr. de With

    (2) Ebenso wird bestraft, wer

    1. eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die die Begehung einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat befürwortet, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder
    2. öffentlich oder in einer Versammlung die Begehung einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat befürwortet,
    um die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, durch die Begehung einer solchen Tat den öffentlichen Frieden zu stören.
    Auf Anhieb, meine sehr verehrten Damen und Herren, versteht das keiner, und schon das ist schlecht.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Genau!)

    Im Kern — ich will versuchen, es zu interpretieren — soll damit bestraft werden, wer z. B. ein Flugblatt, ein Buch oder einen Film verbreitet, in welchem die Begehung schwerer Straftaten befürwortet wird, die — jetzt nehme ich den Gesetzestext — nach ihrem Inhalt bestimmt sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, mit Hilfe einer solchen Straftat den öffentlichen Frieden zu stören. Genauso — das ist der Punkt — soll bestraft werden, wer z. B. in einer Versammlung eine solche Handlung befürwortet, um andere entsprechend aufzustacheln. Es genügt also
    — das bleibt festzuhalten — das flüchtige Wort. Es wird eine Handlung bestraft, die weit vor der Beihilfe oder der Anstiftung liegt. Auf den Erfolg kommt es überhaupt nicht an.
    Ist Georg Büchners Wort „Friede den Hütten, Krieg den Palästen" mit einem brennenden Haus im Hintergrund schon ein solches Wort? Oder reicht der im Bierdunst nicht selten bejubelte Satz „Die sind wie Ungeziefer und gehören ausgeräuchert"? Gehört das auch dazu? Was bedeutet „dem Inhalt nach die Bereitschaft zu fördern oder zu wecken"? Wie ist das objektiv überhaupt feststellbar?

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Gar nicht!)

    Damit ist die Folge einer solchen Vorschrift schon offenkundig. Es kann leicht ein Verdacht behauptet werden. Verurteilungen aber wird es kaum geben, weil Beweise nur schwer und nur selten zur Verfügung stehen.
    Es wird Abgrenzungsschwierigkeiten geben zu literarischen und künstlerischen Erzeugnissen.
    Dementsprechend stellt der Deutsche Richterbund
    — keine Unterabteilung der SPD — im Grunde Adolf Arndt folgend lakonisch fest: beweisrechtlich kaum praktikabel.
    Was Sie hier vorschlagen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Bundesregierung, trägt den Kern des Gesinnungsstrafrechts in sich.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich füge hinzu: Von der Vorgängerin dieser Vorschrift, dem vormaligen § 88a des Strafgesetzbuchs, der 1976 während des Höhepunkts terroristischer Bedrohung in das Strafgesetzbuch Eingang fand, aber 1981 von derselben sozialliberalen Koalition aus dem
    Strafgesetzbuch genommen wurde, sollten Sie gelernt haben.

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Ich bin gern bereit, über Einzelheiten zu berichten!)

    — Wir Sozialdemokraten waren damals mit Ihnen, Herr Kleinert, mit den Liberalen, einsichtig genug, einen Fehler einzugestehen und daraus die Konsequenz zu ziehen.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Un ruh [GRÜNE])

    Denn — ich sage das ganz selbstkritisch — die Wirklichkeit hatte uns widerlegt: Es gab in der Tat einige spektakuläre Beschlagnahmen — das wissen Sie ganz genau — , in Bücherläden vornehmlich, im Grunde aber keine Verurteilungen.
    Genau dieselbe Meinung hat heute der Bundesrat, auch er, wie Sie wissen, mehrheitlich nicht SPD-beherrscht. Der Bundesrat empfiehlt in seiner Stellungnahme zu Ihrer Vorschrift schlicht und einfach: streichen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zur Begründung verweist der Bundesrat nicht nur auf die eben geschilderte Geschichte des § 88 a des Strafgesetzbuchs. Er zitiert auch die von Ihnen 1986 gegen unseren heftigen Widerstand eingeführte Parallelvorschrift der „Anleitung zu Straftaten", nämlich § 130 a, wofür er schon jetzt, nach nur zwei Jahren, kein Bedürfnis mehr sieht.
    Wenn Sie — auch das soll erwähnt werden — die Mindeststrafe bei der Geiselnahme von drei auf fünf Jahre anheben, mag auch dies vielen zunächst plausibel erscheinen. Nur, Sie selbst sehen Bedenken, da Sie für minder schwere Fälle eine Strafmilderung vorschlagen. Dasselbe tun Sie beim erpresserischen Menschenraub. Der Deutsche Anwaltverein sagt hierzu, daß diese Anhebungen weder eine spezial- noch eine generalpräventive Wirkung erwarten ließen. Und die Gewerkschaft der Polizei fügt hinzu
    — auch das ist, wie die jüngste Geschichte belegt, nicht von der Hand zu weisen —, daß die Erhöhung der Mindeststrafe hier ungewollte Nebeneffekte haben könne, wenn die Polizei mit den Geiselnehmern
    — was praktisch immer der Fall ist — zu verhandeln habe.
    Wer innerhalb eines fein abgestuften Strafrahmengefüges die Mindeststrafen anhebt, darf eben nicht nur an Abschreckung und Vergeltung denken — falls die Erhöhung überhaupt derart wirkt. Er muß auch das potentielle Opfer in Betracht ziehen, dessen Vernachlässigung Sie uns so oft zu Unrecht vorgeworfen haben.
    Ebenso unzweckmäßig und unnötig sind Ihre Vorschläge zur Einführung des Schußwaffen- und Sprengstoffdiebstahls als Regelbeispiel des Diebstahls im besonders schweren Fall und die Einführung des besonders schweren Falles der Störung öffentlicher Betriebe. Entweder sind diese Vorschriften bereits durch andere Strafvorschriften abgedeckt, oder sie sind deutlich zu weit gefaßt. Wenn Sie den Haftgrund der Wiederholungsgefahr auf den besonders schweren Fall des Landfriedensbruch ausdehnen wollen, laufen Sie verfassungsrechtlich Gefahr. Denn Sie



    Dr. de With
    tun damit nichts anderes, als daß Sie das Strafverfahrensrecht zu präventivpolizeilichen Aufgaben mißbrauchen.

    (Beifall des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

    Über die gefährlichen Auswirkungen der Strafbewehrung des Vermummungsverbots wird mein Fraktionskollege Günter Graf sprechen.
    Ich wende mich dem Herzstück Ihrer Novelle zu, nämlich der Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten. Wird Ihr Vorschlag wahr, dann kann der Generalbundesanwalt mit bloßer Zustimmung des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof jeden terroristischen Straftäter, gleichgültig, was er begangen hat, laufen lassen, wenn er nur, wie es im Jargon heißt, „singt". Nur bei Völkermord, Mord und Totschlag ist Straffreiheit nicht möglich. Er kann aber die lebenslange Freiheitsstrafe bis auf drei Jahre absenken. Also auch bei Anstiftung — das ist wichtig — zum vollendeten Mord, in welchem Falle ja lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden kann, kann ein Täter diese Freiheitsstrafe von sich weisen lassen.
    Ein Anhörungsverfahren in der letzten Legislaturperiode hatte dieser Regelung — man darf das so formulieren — eine vernichtende Absage erteilt.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Nach den Ihnen und uns vorliegenden Äußerungen wird in dem von uns hier erneut zu beantragenden Anhörungsverfahren der Verriß kaum anders ausfallen, auch wenn Sie nunmehr sagen: Hier gibt es eine Begrenzung, und hier gibt es eine zeitliche Befristung.
    Denn auch bei der neuen Regelung besteht die große Gefahr, daß der Generalbundesanwalt — man muß sich das einmal vergegenwärtigen — über einen Mittelsmann mit dem Straftäter dessen „Laufenlassen" aushandelt. Ob die Hinweise dieses Zeugen als Beweismittel dann aber brauchbar sind, wird sich häufig erst erweisen, wenn der Täter das Weite gesucht hat.
    Ich darf sagen: Wird diese Kronzeugenregelung wahr, dann werden wir damit nach deutschem Recht den schlechtesten aller Zeugen im Gesetzbuch haben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

    Daß ein solches Aushandeln als Sonderrecht für Terroristen das Rechtsbewußtsein beschädigt und damit die Rechtsordnung destabilisieren wird, liegt auf der Hand. Wir wissen aus Italien, das immer — wenn oft auch fälschlicherweise — zum Vergleich herangezogen wird, daß dort die Vorbehalte gegen das PentitoGesetz — so nennt man es dort — gerichtsnotorisch sind. Der Appellationshof in Mailand hat zu diesem Sondergesetz ausgeführt:
    Es gab die Wiederauflage von Gesetzen der Heiligen Inquisition mit unmoralischen und unsozialen Belohnungen für den Verräter, die sich nach der Zahl der Menschen richten, die er ins Zuchthaus bringt.
    Dabei wird in Italien — anders, als bei uns vorgesehen
    — der vorleistungspflichtige Kronzeuge immer als
    Angeklagter vor Gericht gestellt. Erst am Schluß der
    Verhandlung bewertet das erkennende Gericht dort einerseits die Straftat und andererseits die der Strafverfolgung geleistete Hilfe.
    Wenn wir uns noch einmal vergegenwärtigen, daß durch die beabsichtigte Kronzeugenregelung im Kern der Staatsanwalt in Gestalt des Generalbundesanwalts darüber entscheidet, ob schwerste terroristische Straftaten straffrei bleiben oder nur verhältnismäßig geringfügig geahndet werden, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird dreierlei deutlich: erstens die Ungleichbehandlung gegenüber dem Normaltäter, zweitens die Durchbrechung des Legalitätsprinzips in der Schwerstkriminalität und drittens die Ausschaltung von Öffentlichkeit und erkennendem Gericht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

    Es war das Verfassungsgericht, das gesagt hat, das Legalitätsprinzip sei die Aktualisierung des Willkürverbots.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Damit müssen schon jetzt durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet werden.
    In diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, verwundert eines. Fast dieselben, die nicht abzuhalten waren, dem Bundespräsidenten vorzuwerfen, er tangiere das Rechtsbewußtsein und beschädige sein Amt, wenn er zur Prüfung der Gnadenfrage zwei Terroristen anhöre oder ihnen gar nach siebeneinhalb bzw. zehn Jahren einen Gnadenerweis erteile, dieselben schlagen munter vor, daß in Zukunft Terroristen bei entsprechendem Verhalten die lebenslange Freiheitsstrafe auf drei Jahre gekürzt erhalten oder gar straflos davonkommen sollen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei den Abg. Baum [FDP] und Lüder [FDP] und des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

    Eine merkwürdige Logik! Der Bundespräsident jedenfalls hat bei uns volles Vertrauen.

    (Beifall bei SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Die CSU hat den Stein geworfen, die CDU duckt sich. Aber kann die FDP wirklich die Augen schließen und das alles als notwendiges Koalitionsopfer entschuldigen? Ein Friedrich Naumann, ein Thomas Dehler oder auch ein Karl-Hermann Flach könnte Sie nicht freisprechen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Mit diesem Entwurf der Bundesregierung, würde er Gesetz, käme es zur Wende in unserem Strafgesetzbuch — ich meine das mit vollem Ernst —, aber zur Wende mit der Tendenz zum Gesinnungsstrafrecht und der einer unvertretbaren Beschädigung unseres Rechtsbewußtseins.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)